Offener Brief
Gleichstellungsbeauftragte in Berlin-Treptow-Köpenick redet mit Nazis
09/07

trend
onlinezeitung

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit Befremden mussten wir feststellen, dass die Gleichstellungsbeauftragte des Bezirkes Treptow-Köpenick Christiane Hartmann-Kraatz offensichtlich die notwendige Distanz zu rechtsextremistischen Parteien wie der NPD vermissen lässt.

Am 27.08.07 hatte diese Partei zu einer Saalveranstaltung im Rathaus Treptow geladen. Die Gleichstellungsbeauftragte wollte sich dieses schaurige Spiel offenbar persönlich ansehen. Das ist auch gar nicht verwerflich: Wir als AntifaschistInnen haben nichts gegen eine kritische Teilnahme an derartigen Veranstaltungen. So ist es durchaus möglich mit kreativen Aktionen oder unbequemen Fragen, so manche/n NPD-PolitikerIn aus dem Konzept zu bringen. Wofür wir grundsätzlich jedoch kein Verständnis haben, ist folgendes: Als die Diskussion der NPD-Funktionäre mit dem Publikum an der Reihe war, trat auch Hartmann-Kraatz ans Mikrofon und meldete sich zu Wort – und was dabei herauskam, ist der blanke Hohn: Anscheinend in der Absicht sich verteidigen zu müssen, redete sie von der Schaffung von Arbeitsplätzen im Bezirk und wie gesund ein sanftes Nationalgefühl angeblich sei. So führte Hartmann-Kraatz die Fußball-Weltmeisterschaft des letzten Jahres als positives Beispiel für ein solchen sanften Nationalismus/ Patriotismus. Krönend schloss sie mit den Worten: „Gott schütze unser deutsches Vaterland.“ Dass Hartmann-Kraatz schließlich aus den Reihen von gestandenen Neonazis Applaus erntet, müsste ihr eigentlich zu denken geben.

Diese Äußerungen einer Angestellten/ Beamten des Bezirksamtes sind unentschuldbar. In völliger Naivität und Blindheit spielte die Gleichstellungsbeauftragte der NPD in die Arme. Diese verfolgen eine „Normalisierungsstrategie“, indem sie sich in gesellschaftliche Diskurse
als vermeintlich demokratische Kraft einklinken. Hartmann-Kraatz hat Voigt, Bräuniger & Co. an diesem Abend in die Hände gespielt. Anstatt offen gegen jeden Nationalismus aufzutreten, fordert sie ein sanftes Nationalgefühl – als ob es das gebe. Nationalismus basiert auf der Überhöhung der eigenen Nation gegenüber anderen Nationen. In einer Welt
der Nationalismen aber stehen alle in Konkurrenz zueinander. Es ist eine Welt des Rassismus und Antisemitismus. Dass von der oberflächlichen „Gastfreundschaft“ zur WM 2006 nicht viel übrig ist, sehen wir an Mügeln, dass sich nahtlos an Rostock-Lichtenhagen, als 1992 hunderte Nazis unter dem Beifall der BürgerInnen tagelang einen von VietnamesInnen bewohnten Plattenbau angreifen, oder Mölln einfügt. Das ist die Realität, die
Hartmann-Kraatz ausblendet, wenn sie der Meinung ist, mit geschulten und ideologisch gefestigten NPD-Kadern reden zu können. Diese absolute Unbekümmertheit einer Gleichstellungsbeauftragten ist ein Schlag ins Gesicht jedes Opfers rassistischer, antisemitischer oder homophober Gewalt. Den Schlusssatz „Gott schütze unser deutsches Vaterland.“ verwendet der Verordnete und Monarchist Liebenow auch sehr gern. Wir hoffen, dass die Gleichstellungsbeauftragte Hartmann-Kraatz solche Entgleisungen in Zukunft unterlässt. Wir denken aber auch, dass eine Diskussion im Bezirk nötig ist, um solche Vorfälle zukünftig zu vermeiden. Wir sind der Meinung, dass es fahrlässig ist, mit einem sanften Sommermärchen-Nationalismus á la Hartmann-Kraatz gegen Neonazis vorzugehen. Die gefallenen Äußerungen sind vielmehr ein Beleg, dass Versatzstücke rechtsextremistischen Gedankengutes tatsächlich in der Mitte der Gesellschaft auf fruchtbaren Boden stoßen.

Wir Antifaschistinnen und Antifaschisten fordern vom Bezirksamt und den in der BVV vertretenen Parteien eine klare Distanzierung von den Äußerungen Hartmann-Kraatz’.

Das Antifaschistische Bündnis Südost – Berlin ist natürlich sehr an einer angeregten Diskussion mit Verantwortlichen und Interessierten im Bezirk Treptow-Köpenick interessiert. Daher zögern Sie nicht, uns zu antworten. Wir freuen uns auch, wenn Sie dieses Schreiben an andere aus dem Bezirk verschicken könnten. Schauen Sie sich auch mal auf unserer Homepage um: www.treptowerantifa.de

Mit freundlichen Grüßen

Tina Böhm
Antifaschistisches Bündnis Südost – Berlin


Berlin, den 05.09.2007

Editorische Anmerkungen

Wir erhielten den Brief am 05. 09. 2007 von  abso@no-log.org zur Veröffentlichung.