Klassenlose Klassengesellschaft
Das neue linke Theoriezirkular »Kosmoprolet«

von Peter Nowak

09/07

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Kosmoprolet – der Name ist Programm. Die Herausgeber nennen sich »Freunde und Freundinnen der klassenlosen Gesellschaft«, was an einen Klassiker erinnern soll: »Der Proletarier hat kein Vaterland«. Auch die frühen Bolschewiki hatten sich dies zu eigen gemacht, doch im Stalinismus war der Vorwurf »Kosmopolitismus« tödlich.

Die Herausgeber sehen sich in der Tradition der Linkskommunisten, die auch nach der Oktoberrevolution den eigenen Kopf nicht abgaben. Doch eine Abhandlung über verpasste Chancen ist das Buch nicht geworden. Es handelt im Gegenteil ganz im Jetzt. In der »28 Thesen zur Klassengesellschaft« betitelten Einleitung sprechen die Herausgeber mit Adorno von der »klassenlosen Klassengesellschaft«, in der Ausbeutung weiterhin die Grundlage ist, das alte Arbeitermilieu sich aber in loyales Lohnarbeitertum verwandelt hat.

Anders als viele linke Kleingruppen lehnen die Klassenlosen die These vom Verrat der Gewerkschaftsführungen ab. »Es ist Mystik, sich diesen Verlauf der Arbeiterbewegung als Werk von ›Arbeiterverrätern‹, als eine Geschichte von Bestechung und Abfall vom rechten Weg zurechtzubiegen.« Viel differenzierter als in linksradikalen Kreisen üblich setzt sich das Buch mit dem DGB auseinander. »Um die lahme Gewerkschaftspolitik zu erklären (...), bedarf es keiner Verschwörungstheorie (...). Es sind die Beschäftigten, die ihre Rolle als Arbeitskraft im Kapitalismus akzeptieren, indem sie die Lohnarbeit nicht in Frage stellen und damit auch deren Vertretung, die Gewerkschaften, akzeptieren (...)«. Das geht aber auch gegen einen Linksradikalismus, der Tarifkämpfe als Reformismus abtut.

Solche Differenzierung fehlt beim Thema Venezuela. Obwohl die Sozialreformen der Regierung und ihre Grenzen darlegt werden, ist das Fazit niederschmetternd: Weil Chávez Staat und Arbeit nicht abschaffen wolle, wird der bolivarianische Prozess als »karitative Kleptomanie« karikiert. Am Ende bleibt nur die Historie. Da wird Chávez mit Bonaparte ver-glichen – nach dessen Sturz die Commune die Macht übernahm. Von deren Niederschlagung aber schweigt das Buch – sonst wäre die rhetorische Frage, »noch 14 Jahre bis zur venezolanischen Commune?«, eine böse Drohung.

Ein lesenswerter Text befasst sich mit dem Gemeinplatz, die Klassengesellschaft werde durch eine Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft ersetzt. Ein gekonnt marxistisch argumentierender Autor weist nach, dass die Industrie global weiter im Zentrum steht und ein Großteil der neuen Dienstleistungen der Produktion und Reproduktion dient.

Weitere Bände »Kosmoprolet« sollen unregelmäßig folgen. Man darf gespannt sein, ob das Niveau des ersten gehalten wird.

Kosmoprolet Nr. 1, 137 Seiten, Berlin, Juli 2007, 4 Euro. Bestellung: Rotes Antiquariat, Rungestraße 20, 10179 Berlin

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unter:
http://mitglied.lycos.de/freunde2003/kosmosprolet_nr_1.htm