Debatte um Enver Hoxha in Ferizaj

von Max Brym
09/06

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In der kosovarischen Stadt Ferizaj gibt es einen Kult um Enver Hoxha. Letztes Jahr wurde ein Platz in der Stadt nach dem ehemaligen Generalsekretär der „Partei der Arbeit Albaniens“ benannt. Jedes Jahr finden in Ferizaj Veranstaltungen zum Gedenken an Enver Hoxha statt. Sogar islamisch gläubige Menschen rufen zu Gebeten für den 1985 verstorbenen Atheisten Enver Hoxha auf. Die Witwe Enver Hoxhas, Nexhmije Hoxha spricht in den höchsten Tönen von der Stadt Ferizaj. Der ehemalige Generalstabschef der albanischen Armee Veli Llakaj, weilte letztes Jahr in Ferizaj, um zum Kampf gegen die UNMIK und den serbischen Chauvinismus aufzurufen. Von Llakaj stammt auch der Bericht, dass er 1981 den Befehl von Enver Hoxha erhalten habe einen militärischen Rettungsplan für Kosova vorzubereiten. Der Vorsitzende der LPK in Ferizaj Remzi Hasani, wird in der Zeitung „ Shekulli“ wie folgt zitiert: „Enver Hoxha wird in Ferizaj geliebt. Die Gegner Enver Hoxhas sind Titoisten“.

Eine spannende oder obskure Debatte ?

Was sich gegenwärtig in Ferizaj abspielt erinnert stark an den deutschen Philosophen Hegel. Hegel bemerkte irgendwo, dass sich alle historischen Ereignisse sozusagen zweimal abspielen. Marx fügte dem hinzu, „ das eine mal als Tragödie und das andere mal als Farce“. In der Tat, die Debatte ist einerseits eine Farce andererseits aber auch Ausdruck der sozialen und patriotischen Sehnsucht der Massen in Kosova. Den Menschen in Kosova wird das Recht auf nationale Selbstbestimmung verweigert und durch die „Privatisierung“ der Betriebe zu Schleuderpreisen werden die Menschen immer ärmer und um ihre Zukunft gebracht. Nach einer Studie der „Weltbank“ ist Kosova das unterentwickeltste Gebiet in Europa mit der höchsten Massenarbeitslosigkeit, die Zahl der völlig Verelendeten wird mit 11% angegeben, welche von weniger als einem Dollar pro Tag leben müssen. Diese Situation bringt es mit sich, dass es das Element der „sozialen Nostalgie“ gibt, aber auch das Bedürfnis nach einer wirklichen Arbeiterpartei. Gegenwärtig greifen diese zwei Befindlichkeiten u.a. die „Enveristen“ und „Titoisten“ auf. Remzi Hasani von der LPK orientiert direkt auf die Schaffung einer enveristischen Partei für alle Albaner. Allerdings will er eine solche Partei nicht sofort gründen. Seine Etappenthorie sieht zuerst die Unabhängigkeit Kosovas vor, um dann den Platz zu haben „für eine geeinte kommunistische Partei“. Gegenwärtig beschäftigen sich die Enveristen damit den Wert Enver Hoxhas, für alle Albaner zu betonen. Geplant ist in Ferizaj in nächster Zeit eine Konferenz zum Werk Enver Hoxhas, indem vor allem die Hilfe Enver Hoxhas für den Partisanenkampf gegen den Hitlerfaschismus und sein Engagement für Kosova betont werden soll. Zudem klagt Hasani das Recht ein neue Straßen nach Hoxha zu benennen.

Anmerkungen zu der Debatte in Ferizaj

Anbei einige kurze Thesen zu der Diskussion in Ferizaj und Kosova. Klar ist dass Thesen nicht ausreichen um den Themenkomplex umfassend zu beantworten. Die Thesen sollen einen Orientierungsrahmen für die nötige Debatte zur Geschichte und Zukunft der Arbeiterbewegung in der Region abgeben.

1. Die bürgerliche Presse in Kosova und Albanien zeigt sich empört über die politische Debatte in Ferizaj. Verschiedentlich werden repressive Maßnahmen gegen „diese Leute“ ins Spiel gebracht. Dagegen hat sich jeder der an einer reaktivierten Arbeiterbewegung in Kosova interessiert ist auszusprechen.

2. Die aktuelle Situation erfordert in der Tat einen Klärungsprozess über die Frage welche Arbeiterpartei die Menschen in Kosova und Albanien benötigen. Auf keinen Fall wird eine Partei benötigt, die versucht die gescheiterten Systeme Albaniens und Jugoslawiens wiederherzustellen. Benötigt wird eine Kraft die den Kampf um Unabhängigkeit und Freiheit mit der Lösung der sozialen Frage kombiniert. Die Formel zuerst Unabhängigkeit- dann Kommunistische Partei- mit anschließendem Sozialismus funktioniert nicht. Die Arbeiter und Bauern, die Jugend kann nicht auf den sozialen Kampf verzichten weil er nicht in die Denkschublade der Etappentheorie passt.

3. Benötigt wird eine politische Kraft, die in ihrer sozialistischen Zielbestimmung sowohl den titoistischen und enveristischen Stalinismus verwirft. Die sozialistische Gesellschaft der Zukunft darf keine bürokratischen Privilegien dulden. Der titoistische und enveristische Stalinismus hat die Arbeiterschaft politisch entmündigt und damit den Weg bereitet für den Sturz der nichtkapitalistischen Wirtschaftsform. Dieser Prozess war und ist mit verheerendem sozialem Elend verbunden. Es wird ein Neuanlauf benötigt indem klar festgehalten wird: „ Es gibt keinen Sozialismus ohne Demokratie und keine Demokratie ohne Sozialismus“.

4. Gegenwärtig haben die Massen jede Menge Alltagsprobleme. Es fehlt das Selbstbestimmungsrecht und ein Leben in sozialer Würde. Dagegen kämpft real betrachtet nur die zum Teil heterogene LPV. Die Radikalisierung vor allem innerhalb der Jugend, welche durch die LPV zum Ausdruck gebracht wird, darf nicht unterschätzt werden. Leute die sich als Marxisten verstehen müssen mit und in der LPV kämpfen. Die Debatte über Enver Hoxha und Tito ist dabei nicht uninteressant wenn sie zum Ergebnis führt ,dass eine völlig neue Arbeiterpartei in Kosova und Albanien auf nichtsozialdemokratischer und antistalinistischer Grundlage nötig ist.

LPK= Volksbewegung Kosovas LPV= Bewegung für Selbstbestimmung
Quellen: Koha Ditore 11.9.06 Shekulli 9.9.06 www.kosova-aktuell.de  

 

Editorische Anmerkungen

Der Text wurde uns vom Autor am 12.9. zur Veröffentlichung überlassen.