WASG und Linkspartei.PDS werden im
nächsten Jahr sehr wahrscheinlich fusionieren. Offen sind
jedoch die Fragen, auf welcher programmatischen Basis und in
welcher Form der Zusammenschluss stattfinden wird – und wie
viele WASG-Mitglieder ihn mitmachen werden. Denn viele
Aktivistinnen und Aktivisten, die in den Jahren 2004 und 2005
mit Begeisterung an den Aufbau der neuen Partei WASG gegangen
sind, sehen die Fusion mit der L.PDS äußerst kritisch. Manche
sind grundsätzlich dagegen. Die Mehrheit der KritikerInnen ist
aber eher gegen die Art und Weise der Vereinigung.
Mit dem Netzwerk Linke Opposition
(gebildet auf der Kasseler Konferenz am 20. Mai, an der sich
auch die SAV beteiligt), dem Zusammenschluss der
UnterstützerInnen des sogenannten „Antikapitalistischen
Manifests“ (Sarah Wagenknecht, Thies Gleiss, Nele Hirsch und
andere) und dem Netzwerk Linke Alternativen (Joachim
Bischoff, Björn Radke und andere) haben sich nun verschiedene
Zusammenschlüsse gebildet, die für sich in Anspruch nehmen, eine
antikapitalistisch/sozialistisch motivierte Kritik an dem
Parteibildungsprozess zu formulieren. Welche Aussichten gibt es
für die „Neue Linke“ und wie sollten sich die KritikerInnen der
Fusion verhalten?
Zwischenbilanz
Die große Resonanz auf die Bildung der WASG im
Jahr 2004 zeigte: Die Zeit für eine neue linke Partei war reif.
In Meinungsumfragen äußerten bis zu zwanzig Prozent der
Befragten, sie können sich vorstellen, eine neue linke Partei zu
wählen. Die WASG hatte von Beginn an einen gewissen
Masseneinfluss. Zum einen, weil sie ein Ausdruck der
Massenbewegung gegen Agenda 2010 und Hartz IV war und viele
AktivistInnen der Sozialproteste sich der neuen Partei (bzw.
zuerst dem Verein WASG) anschlossen. Zum anderen, weil eine
Schicht von Gewerkschaftsfunktionären der mittleren Ebene offen
mit der SPD brachen und die neue Partei mit ins Leben riefen.
Viele ArbeiterInnen und Erwerbslose spürten,
dass sie keine politische Vertretung mehr hatten. Die SPD war zu
einer bürgerlich-neoliberalen Partei verkommen, die Grünen
hatten die Friedenstaube gegen den Bundesadler eingetauscht und
die PDS hatte mit ihren Eintritten in Landesregierungen auf dem
Weg der Anpassung eine große Strecke zurückgelegt. Mit der
Gründung der WASG verband sich die Hoffnung, dass die Lehren aus
der Entwicklung dieser anderen Parteien gezogen würden.
Nein zu Regierungsbeteiligungen
In Ansätzen geschah das auch. Kernbestandteil
des sogenannten Gründungskonsenses der WASG war eine
prinzipielle Absage an Sozialabbau und neoliberale Maßnahmen.
Dies schlug sich im Gründungsprogramm in der Formulierung
nieder: An einer Regierung im Bund oder im Land werden wir uns
nur beteiligen, wenn dies zu einem Politikwechsel in Richtung
unserer Forderungen führt. Hierbei handelte es sich übrigens um
eine bewusste Abgrenzung zur PDS, die in Berlin und
Mecklenburg-Vorpommern für Sozialabbau und Privatisierungen
mitverantwortlich ist.
Auch hinsichtlich des inneren Aufbaus sollte
die WASG eine wirklich neue Partei werden. Sie definierte sich
als Sammlungsbewegung und lud von MarxistInnen bis zu
AnhängerInnen der christlichen Soziallehre alle ein, in ihr
gegen die herrschende, neoliberale Politik zu kämpfen. Ein
pluralistischer und demokratischer Parteiaufbau war das Ziel
vieler der Mitglieder der ersten Stunde.
Diese beiden Aspekte – die Ablehnung einer
Regierungsbeteiligung, die zu Sozialabbau führt und der Anspruch
einer demokratischen und pluralistischen Parteistruktur – machen
den „fortschrittlicheren“ Charakter der WASG im Vergleich zu den
anderen sogenannten „linken“ Parteien aus – inklusive der PDS.
Hinzu kommt, dass die WASG mit einer starken Verbindung zu den
sozialen Bewegungen und Gewerkschaften, eine dynamische
Entwicklung nehmen konnte und das Potenzial hatte, tief in die
Arbeiterklasse einzudringen. Vor allem in Westdeutschland hatte
die PDS dieses Potenzial niemals entwickelt, weil sie einerseits
nicht umfassend und glaubwürdig genug mit dem Stalinismus
gebrochen hatte und gleichzeitig nicht in der Lage war durch
Kampagnen und konkrete Arbeit in sozialen Bewegungen, Betrieben
und Gewerkschaften eine Basis zu entwickeln.
Deshalb war es für SozialistInnen richtig, den
Aufbau der WASG zu unterstützen, obwohl die Partei anfangs
keinen antikapitalistischen oder sozialistischen Anspruch hatte,
sondern im Gegenteil auf eine Veränderung im Rahmen der
kapitalistischen Gesellschaft – eine Art „Kapitalismus mit
menschlichem Antlitz“ - orientierte. Aber die WASG bot
wenigstens erstmals seit vielen Jahren wieder die Möglichkeit,
diese Fragestellung überhaupt mit tausenden AktivistInnen zu
diskutieren. Deshalb war es richtig, wenn SozialistInnen sich am
Aufbau der WASG beteiligten und gleichzeitig ein sozialistisches
Programm für die neue Partei vorschlugen und darauf hinwiesen,
dass die Ziele der WASG im Rahmen des kapitalistischen
Profitsystems nicht dauerhaft erreichbar sind.
Das Potenzial für die WASG hätte ausgeschöpft
werden können, wenn die Partei auf allen Ebenen aktive Kampagnen
geführt und sich massiv an Protestbewegungen und Klassenkämpfen
beteiligt hätte. Hier wurden Chancen verpasst, als zum Beispiel
keine bundesweit koordinierte Kampagne zur Unterstützung der
Montagsdemonstrationen geführt wurde. Die Orientierung der
WASG-Führung an Teilen der Gewerkschaftsbürokratie führte zum
Beispiel während des Streiks bei Opel Bochum zu der
katastrophalen Situation, dass kämpferische Streikaktivisten aus
der Partei gedrängt wurden und der IG Metall-Führung, die den
Streik nicht unterstützte, der Rücken freigehalten wurde.
Links blinken, rechts abbiegen
Heute hat sich eine geradezu paradoxe
Situation entwickelt. Der sich vollziehende Zusammenschluss von
L.PDS und WASG hat auf dem Papier, auch unter dem Einfluss von
Oskar Lafontaine, zu einer programmatischen Linksverschiebung
geführt . So sieht der gemeinsame Gründungsaufruf verschiedener
Spitzenfunktionäre aus beiden Parteien ein klares Bekenntnis zum
„demokratischen Sozialismus“ und zur Überführung der
Schlüsselbereiche der Wirtschaft in öffentliches Eigentum vor.
Während Klaus Ernst noch im Frühjahr 2005 versuchte,
SozialistInnen aus der WASG zu drängen, ist er mittlerweile
selber zum „demokratischen Sozialisten“ mutiert. Doch ein
Programm wird noch nicht dadurch sozialistisch, dass es den
Begriff verwendet. Zum einen sieht der Gründungsaufruf auch ein
Bekenntnis zu Wettbewerb und Markt (oder in anderen Worten: zu
Konkurrenz und Profitstreben,) vor. Zum anderen muss sich
sozialistische Politik in der Praxis beweisen. Nicht zuletzt
darin, sich den sogenannten kapitalistischen Sachzwängen nicht
zu beugen, sondern im konkreten Kampf für Verbesserungen diese
zurück zu weisen.
Die Linksverschiebung auf dem Papier findet
keine Entsprechung in der praktischen Politik. Im Gegenteil: In
Bezug auf die oben erwähnten entscheidenden progressiven
Eigenschaften der WASG hat es ein Roll-Back, also eine
Rechtsverschiebung, gegeben.
Denn mit seiner Unterstützung für die
Linkspartei.PDS bei den Abgeordnetenhauswahlen in Berlin hat
sich der Bundesparteitag der WASG vom Mai diesen Jahres die
„Politik des kleineren Übels“, also die Akzeptanz von
Sozialabbau, Privatisierungen und Stellenvernichtung durch
Regierungskoalitionen mit der SPD, zu eigen gemacht. Dieser
Bruch mit dem eigenen Gründungsprogramm wird mit dem Bekenntnis
zur Einheit der Linken begründet. Doch das ist nicht mehr als
einer der bekannten „guten Vorsätze auf dem Weg zur Hölle“.
Außerdem hat der Bundesparteitag durch die von ihm auf den Weg
gebrachten administrativen Maßnahmen gegen die Landesverbände in
Berlin und Mecklenburg-Vorpommern den pluralistischen und
demokratischen Charakter der Partei außer Kraft gesetzt. Ein
bürokratisch-zentralistisches Regime hat sich in der Partei
festgesetzt, das politische Konflikte mit Ordnungsmaßnahmen
lösen will und die Autonomie von Landesverbänden aufhebt.
Die WASG ist also nicht mehr die Partei, als
die sie gegründet wurde. Sie hat durch die Entscheidungen des
Ludwigshafener Parteitags ihre Entwicklungsrichtung geändert und
sich auf den Weg der Anpassung begeben.
Berlin
Diese rasante Entwicklung war nur möglich,
weil der Beschluss zur gemeinsamen Bundestagskandidatur und der
Bildung einer gemeinsamen Partei mit der L.PDS die Widersprüche
zwischen dem Gründungskonsens der WASG (keine zu Sozialabbau
führende Regierungsbeteiligung und ein
demokratisch-pluralistischer Aufbau) und der praktischen
Realität der L.PDS-Politik zugespitzt hat. Dies wurde noch
einmal dadurch verschärft, dass die Landtagswahlen in Berlin und
Mecklenburg-Vorpommern im September 2006 die existierenden
Widersprüche zwangsläufig an die Oberfläche bringen mussten,
weil sich die Landesverbände beider Parteien in ihrer Politik
diametral unterscheiden. Berlin wurde zum Präzedenzfall für den
im Fusionsprozess schwelenden Konflikt zwischen konsequenter
Interessenvertretung für die Arbeiterklasse und politischer
Anpassung an die kapitalistischen Vorgaben. Berlin ist der
Praxis-Test für die Neue Linke.
Hier gibt es eine WASG, die mehr als anderswo
als Reaktion auf die unsoziale Politik der L.PDS in der
Landesregierung gegründet wurde. Unter den 850 Mitgliedern der
WASG Berlin sind nicht wenige, die aus Protest gegen die
Senatspolitik aus der L.PDS ausgetreten waren und noch mehr, die
als Ein-Euro-JobberInnen, Beschäftigte des öffentlichen Dienstes
oder MieterInnen privatisierter Wohnungen direkte Opfer der
Senatspolitik sind. Angesichts der verheerenden Bilanz des SPD/LPDS-Senats
stand für die Mehrheit der Berliner WASG-Mitglieder schon seit
Mitte 2005 fest: Ändert die L.PDS nicht grundlegend ihre
Politik, wird die WASG eigenständig bei den
Abgeordnetenhauswahlen antreten müssen.
Denn das, was Oskar Lafontaine „Fehler“ bei
Senatsentscheidungen nennt, ist in Wirklichkeit ein
Horrorkatalog unsozialer Maßnahmen: Austritt aus dem kommunalen
Arbeitgeberverband, Lohnkürzungen von acht bis zwölf Prozent
beim Land und in öffentlichen Betrieben, Privatisierung von
100.000 Wohnungen, Kürzung des Blindengeldes, Abschaffung der
Lehrmittelfreiheit, Einrichtung von 34.000 Ein-Euro-Jobs,
Absicherung der Risikofonds bei der Bankgesellschaft, drastische
Erhöhung des BVG-Sozialticket-Preises, Abbau von 15.000
Arbeitsplätzen beim Land Berlin. Die Liste ließe sich
fortsetzen.
Der Versuch der WASG Berlin, in Verhandlungen
und öffentlichen Foren die L.PDS zu einem Politikwechsel zu
bewegen, scheiterte. Die L.PDS-Führung um Harald Wolf und Stefan
Liebich geht mit einem „Fortsetzung folgt!“ in den Wahlkampf,
bezeichnet die Politik der letzten vier Jahre als „sozial
ausgewogen“ und will die Koalition mit der Wowereit-SPD
fortsetzen.
L.PDS bewegt sich nicht
Monatelang haben die VerfechterInnen einer
gemeinsamen Kandidatur in den Reihen der WASG, die Initiative
Rixdorf und die Gruppe Linksruck, behauptet, die
L.PDS bewege sich. Im Frühjahr wurde ein gemeinsames
Positionspapier präsentiert, um die Delegierten des
Bundesparteitags zu beeinflussen und ihnen zu suggerieren, die
L.PDS habe sich zu einer Politik gegen Sozialabbau entschlossen.
Die Berliner WASG hat schon damals darauf hin gewiesen, dass in
diesem Papier kaum belastbare Aussagen enthalten sind. So waren
unter anderem die Ein-Euro-Jobs nicht einmal erwähnt und der
tausendfach geplante Stellenabbau wurde nicht grundsätzlich
abgelehnt. Ebenfalls wurden Teilprivatisierungen im
Krankenhausbereich und Einzelprivatisierungen von Wohnungen
nicht ausgeschlossen. Das Papier war alles andere als die
Ankündigung eines Politikwechsels. Aber in der Realität werden
jetzt schon, also noch vor den Wahlen, die wenigen deutlichen
Aussagen gebrochen. Die in dem Papier enthaltene Ablehnung
betriebsbedingter Kündigungen wird gerade am
Universitätsklinikum Charité ad absurdum geführt. Hier drohen
Vorstand und Aufsichtsrat ( letzterer unter Vorsitz des
L.PDS-Senators Thomas Flierl) mit eben solchen, sollte die
Belegschaft nicht zu Lohnkürzungen bereit sein. Und auch die
Forderung, dass Wohnungen nicht an den Kapitalmarkt veräußert
werden sollen, wird in diesen Tagen durch den Verkauf von 1.700
öffentlichen Wohnungen an einen Finanzinvestor konterkariert.
Hinzu kommt die Zustimmung zur Föderalismus-Reform im Bundesrat
und die auch in Berlin geplante Verlängerung der
Ladenöffnungszeiten, was auf Kosten der im Einzelhandel
Beschäftigten gehen wird.
Dementsprechend ruhig ist es um Linksruck
geworden, die auch bei der Kandidatenaufstellung der L.PDS nicht
berücksichtigt wurden. Das letzte Argument gegen die Kandidatur
der WASG Berlin ist, damit werde die Linke gespalten.
Aber was hat die Berliner Arbeiterklasse von
einer linken Partei, die in der Landesregierung eine unsoziale
und pro-kapitalistische Politik betreibt? Wo ist der
Gebrauchswert für eine Partei, gegen deren Beschlüsse man zu
Demonstrationen aufrufen muss? Nichts und nirgends.
Dass Oskar Lafontaine Wahlkampf für die
Berliner L.PDS machen wird, lässt daran zweifeln, wie ernst es
ihm mit den von ihm propagierten Haltelinien ist: keine
Privatisierungen, kein Sozialabbau, keine Stellenstreichungen.
Wenn er diese Forderungen nicht auf dem Altar des „kleineren
Übels“ opfern will, müsste er einen deutlichen Politikwechsel
von Wolf und Liebich fordern und die WASG Berlin unterstützen,
die genau diese Haltelinien einhält. Die von ihm vielfach
eingeforderte Glaubwürdigkeit verliert Lafontaine dadurch, dass
er den „Praxistext Berlin“ nicht bestanden hat.
Linke Einheit?
Dass die Kandidatur der WASG Berlin nicht
gegen die Idee einer starken vereinigten Linken gerichtet ist,
hat der Landesverband mehr als einmal klar gemacht. Aber die
Berliner WASG'lerInnen haben auch betont: Linke Einheit ist
nichts abstraktes. Sie verdient diesen Namen nur, wenn auch eine
linke Politik dabei heraus kommt. Deshalb muss an die
Vereinigung von WASG und L.PDS die Bedingung geknüpft werden,
dass diese Partei nicht auf der Basis der aktuellen LPDS-Politik
und -Strategie der „Regierungsbeteiligungen um jeden Preis“
gebildet werden darf. Der WASG-Bundesvorstand hat die
entscheidenden Grundsätze der eigenen Partei über Bord geworfen
und führt keinen Kampf für eine konsequent linke Ausrichtung der
neuen Partei. „Erst vereinigen, dann weiter sehen“ scheint das
Motto zu sein. Damit läuft die WASG aber Gefahr, von dem
deutlich größeren und finanzstärkeren Fusionspartner geschluckt
zu werden. Folge wird sein, dass die Anziehungskraft auf
ArbeiterInnen und Erwerbslose verloren gehen, der Aktivitätsgrad
in der Partei zurückgehen und die Chance, eine konsequente
politische Interessenvertretung für ArbeiterInnen und
Erwerbslose aufzubauen vertan wird.
Der Prozess der Entleerung der WASG hat schon
begonnen. In vielen Kreisverbänden ist die Beteiligung an
Versammlungen zurückgegangen. Linke AktivistInnen haben sich aus
Ämtern und aus Aktivitäten zurückgezogen. Auf der anderen Seite
macht sich eine Siegermentalität breit. So werden unliebsame
Kreisverbands-Vorstände aus dem Amt gedrängt und in Bayern wird
offen diskutiert, dass man so lange den Ausschluss von
SAV-Mitgliedern aus der WASG beantragen werde, bis dies
angenommen wird. Die groß angekündigte Mindestlohn-Kampagne
lockt nur wenige AktivistInnen hinterm Ofen hervor. Nicht
zuletzt, weil vielen die Forderung nach acht Euro pro Stunde als
viel zu moderat erscheint.
Manche auf dem linken Flügel der WASG ziehen
daraus die Schlussfolgerung, man könne auf keinen Fall in eine
fusionierte Partei gehen. Manche aus diesem Kreis wiederum
denken, laut oder leise, über die Bildung einer weiteren Partei
nach. Andere wiederum sagen: Die fusionierte Partei ist nicht
Alles, aber ohne sie ist Alles Nichts und fügen sich geradezu in
vorauseilender Anpassung in den von oben vorgegebenen
Fusionsprozess ein.
Linke Opposition
Der Kreis um das sogenannte
„antikapitalistische Manifest“, der aus Abgeordneten und
FunktionärInnen beider Parteien wie Sarah Wagenknecht, Wolfgang
Zimmermann, Nele Hirsch, Thies Gleiss und anderen besteht, hat
sich als zahme und „loyale Opposition des Herrn“ entpuppt. Sie
werfen in allgemeiner Form die Notwendigkeit einer
antikapitalistischen Programmatik und von inhaltlichen
Bedingungen für Regierungsbeteiligungen auf, gehen dabei kaum
weiter als Oskar Lafontaine und bringen keinerlei konkrete
Vorschläge und Initiativen gegen den Kurs der Parteiführungen
vor. Statt deutlich zu machen, dass der Erfolg eines neuen
linken Projekts durch die Ausrichtung auf
Regierungsbeteiligungen unter neoliberalen Vorzeichen gefährdet
wird, beginnt die bei dem schwach besuchten Treffen dieses
Kreises vom 10. Juni 2006 beschlossene Erklärung mit einer
Kritik an der eigenständigen Kandidatur der WASG Berlin. Diese
Kolleginnen und Kollegen haben offensichtlich die Entwicklung
der L.PDS-Linken in die Bedetungslosigkeit nicht verarbeitet und
machen sich auf den Weg der Kommunistischen Plattform und des
Geraer Dialogs.
Das von den früheren
WASG-Bundesvorstandsmitgliedern Joachim Bischoff und Björn Radke
gegründete Netzwerk Linke Alternativen fristet bisher ein
rein virtuelles Dasein. Hervorgetan hat es sich durch eine von
Rechts geäußerte Kritik am „antikapitalistischen Manifest“. Es
ist nicht zu erwarten, dass kritische Basismitglieder durch
dieses Netzwerk gesammelt werden. Es wird sich eher zu einem
keynesianischen Beratungsbüro des Parteivorstands entwickeln.
Das meiste Potenzial hat zweifellos, das auf
einer Konferenz in Kassel von 280 Aktiven gegründete Netzwerk
Linke Opposition. Hier gibt es allerdings auch am
deutlichsten das Spannungsfeld zwischen denjenigen, die auf
keinen Fall in die fusionierte Partei gehen wollen und jenen,
die dazu keine Alternative sehen.
Die neue Partei
Es wäre ein Fehler, die zukünftige Partei
ausschließlich an der in ihr zum Zeitpunkt der Gründung
dominierenden Strömung zu messen. Die entscheidende Frage ist,
ob es ein Entwicklungspotenzial gibt. Kann die Partei zu einem
Anziehungspol für ArbeiterInnen und Jugendliche werden, die sich
in den nächsten Monaten und Jahren gegen die Folgen der
kapitalistischen Krise und gegen neoliberale Politik zur Wehr
setzen werden? Kann sich auf dieser Basis eine Linksverschiebung
in der Partei vollziehen?
Es ist sehr unwahrscheinlich, dass in den
nächsten ein oder zwei Jahren eine andere linke Partei, als die
aus WASG und L.PDS zu bildende Linkspartei, einen Masseneinfluss
gewinnen kann. Sie wird, trotz ihres internen bürokratischen
Regimes und der Beteiligung an einigen Landesregierungen, als
einzige bundesweite linke und soziale Opposition wahrgenommen
werden. Dies wird umso mehr gelten, wenn zum einen die SPD als
Teil der großen Koalition weiterhin als eine
Hauptverantwortliche für den Sozialabbau betrachtet wird und zum
anderen weitere Teile der Gewerkschaftsapparate, auch unter dem
Druck von Protestbewegungen und Klassenkämpfen, mit der SPD
brechen und sich der neuen linken Partei zuwenden werden. Oskar
Lafontaine spielt dabei eine duale Rolle. Einerseits leistet er
einen Beitrag dazu, dass die Idee einer antikapitalistischen
Partei für Beschäftigte und Erwerbslose eine Massenwirkung
erzielt. Mit seiner oftmals radikalen Rhetorik trägt er auch
zur Popularisierung von Begriffen wie „Antikapitalismus“ und
„demokratischer Sozialismus“ bei. Gleichzeitig versucht er die
Radikalisierung der WASG bzw. der neuen Partei zu verhindern
bzw. zu kontrollieren und orientiert letztlich, ähnlich wie die
ostdeutschen L.PDS-FührerInnen, auf Regierungskoalitionen mit
der SPD. Kommt es zu Massenprotesten gegen die Politik der
Großen Koalition wird die neue Partei davon profitieren können,
wenn Lafontaine diese unterstützen wird.
Das muss nicht dazu führen, dass sich ihr
viele neue Mitglieder anschließen. Schließlich ist das innere
Leben und die Kampagnentätigkeit unattraktiv und bildet sich
bisher keine bundesweit starke organisierte linke Opposition
heraus, die selbständig ein Anziehungspol werden könnte. Aber es
ist doch zu erwarten, dass die zukünftige Linkspartei erst
einmal auf der Wahlebene von der wachsenden Radikalisierung und
Entfremdung vom Kapitalismus wird profitieren können.
Es ist also möglich, dass für linke und
antikapitalistische AktivistInnen innerhalb der neuen Partei nur
wenig durchsetzbar sein wird, es aber auch nicht
erfolgversprechend sein wird, eine neue Partei zu proklamieren.
Gleichzeitig werden die Klassenwidersprüche
zunehmen und die Notwendigkeit des Widerstandes wird sich Bahn
brechen. Größere Kämpfe, an denen sich neue Schichten von
ArbeiterInnen und Jugendlichen beteiligen, können sich auch in
der zukünftigen Partei niederschlagen und zu einer
Linksverschiebung und Belebung der Strukturen führen. Das ist
aber kein Automatismus. Es ist genauso möglich, dass die
Unattraktivität der Partei und ihre Einbindung in
Landesregierungen kämpferische und radikalisierte AktivistInnen
von einem Eintritt abhalten wird und sich diese in der nächsten
Phase in betrieblichen Zusammenhängen, Gewerkschaften und
sozialen Bewegungen engagieren.
Die oppositionellen Kräfte aus und um WASG und
L.PDS sollten sich deshalb auch darauf orientieren, unabhängige
Kampagnen zu starten und für diese in Gewerkschaften, sozialen
Bewegungen und der fusionierten Linkspartei einzutreten. So kann
Druck – von innen und außen – auf diese Partei ausgeübt werden,
ohne die eigene Handlungsfähigkeit von den Beschlüssen der
Parteigremien abhängig zu machen. So kann der Kampf für eine
tatsächlich kämpferische und sozialistische neue Arbeiterpartei
fortgesetzt werden, die durch zukünftige Wellen von größeren
Klassenkämpfen auf die Tagesordnung gesetzt werden wird..
Was tun?
Konkret sollte das Netzwerk Linke
Opposition den Kampf um die Ausrichtung und politische Basis
der neuen Partei nicht vorzeitig beenden. Im November ist der
nächste Bundesparteitag. Dort sollte beantragt werden, dass die
WASG einem Zusammenschluss nur zustimmt, wenn die neue Partei
erstens sich an keiner Regierung beteiligen wird, die
Sozialabbau betreibt und zweitens die neue Partei demokratisch
gegründet wird und dabei solche AktivistInnen einbezogen werden,
die in keiner der Parteien sind.
Der Ausgang der Berliner
Abgeordnetenhauswahlen wird einen wichtigen Einfluss auf die
weiteren Debatten in der WASG nehmen. Ein Abschmieren der L.PDS
und ein gutes Wahlergebnis der WASG Berlin (und gut beginnt
sicher nicht erst bei fünf Prozent) wäre ein Signal, das in WASG
und L.PDS die Kräfteverhältnisse noch einmal in Bewegung bringen
kann und vor allem die linken und oppositionellen Kräfte stärken
würde. Ob dies reichen wird, den Bundesparteitag im November zu
gewinnen, ist unwahrscheinlich. Aber es könnte die Ausgangsbasis
für links-oppositionelle Arbeit deutlich verbessern.
Es werden sich auch Fragen stellen, die jetzt
noch nicht absehbar sind. So könnte die WASG Berlin durch
Ausschluss aus der Bundespartei oder durch Nicht-Aufnahme in die
zukünftige Partei in die Rolle einer linken Regionalpartei
gezwungen werden. Im Land Berlin hätte eine solche zweifellos
eine ausreichende Basis zur erfolgreichen politischen Arbeit,
insbesondere nach einem Einzug ins Abgeordnetenhaus. Das wird
aber nicht bundesweit gelten, so dass möglicherweise ganz
unterschiedliche regionale Bedingungen entstehen und die Kräfte,
die heute in WASG und L.PDS als antikapitalistische Linke
kooperieren, dies in Zukunft nicht überall als Mitglieder
derselben Partei werden tun können. Alleine deshalb sollte das
Netzwerk Linke Opposition weiterhin offen sein für
AktivistInnen, die nicht in einer der Parteien bzw. der
zukünftigen Partei organisiert sind. Es sollte aber nicht den
Fehler begehen, eine weitere, sechste Partei auszurufen. Diese
wäre in den nächsten Monaten und Jahren zum Scheitern verurteilt
und könnte keinen Masseneinfluss gewinnen. Sie würde wichtige
AktivistInnen ins politische Abseits bringen und dadurch
Frustration und Passivität fördern.
Der Kampf für eine wirklich kämpferische und
sozialistische Arbeiterpartei muss fortgesetzt werden. Nach der
Fusion von WASG und L.PDS werden dafür neue Anläufe nötig sein.
Diese werden wahrscheinlich von Kräften innerhalb und außerhalb
der neuen Partei unternommen werden.
Ob ein nächster Anlauf erfolgreich sein wird,
hängt auch von der Stärke der marxistischen Kräfte in diesem
Prozess ab. Wenn sich die Erfolge der SAV bei der
Mitgliedergewinnung und dem Aufbau neuer örtlicher Gruppen
fortsetzen, und die marxistischen Kräfte nicht mit einigen
Hundert, sondern einigen Tausend AktivistInnen zukünftige
Prozesse beeinflussen können, kann dies der entscheidende Faktor
für einen zukünftigen Erfolg sein.