Redebeitrag der Internationalen KommunistInnen zur Antiquitätendemo am 16.9.2004 09/04

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Zehntausende gehen seit Wochen gegen Hartz IV auf die Straße. Die Friedhofsruhe, mit der in den letzten Jahren noch jede Verschlechterung der Sozialstandards fast widerstandslos hingenommen worden ist, scheint also beendet. Doch solange sich die Mehrheit der Proteste im Osten auf das Einklagen der Versprechen der Wiedervereinigungszeit und im Westen auf einen nostalgischen Rückblick auf den Sozialstaat der 80er Jahre beschränkt, kann es passieren, dass die Proteste mit kleinen kosmetischen Zugeständnissen einhegt werden.

Das Hartz IV Gesetzespaket ist nicht einfach eine Schweinerei oder Schikane der PolitikerInnen. Es ist der Versuch, den Preis der Ware Arbeitskraft zu senken. Es zielt nicht nur auf die Erwerbslosen sondern auf sämtliche Lohnabhängigen. Das machen die BefürworterInnen der Hartz-Reform in der Financal Times vom 11.8.2004 deutlich, dazu ein Zitat:

"Wenn Arbeitslose schlecht bezahlte Arbeit nicht mehr ablehnen können, weil ihnen sonst sogar die Sozialhilfe gestrichen wird, entfällt jede Veranlassung für die Unternehmen, einigermaßen auskömmliche Löhne anzubieten. Der Lohndruck macht dabei nicht bei einfachen Beschäftigungsverhältnissen Halt. Er setzt sich überall durch. Die von Regierung und Arbeitgebern bei Löhnen und Gehältern gewünschte "Flexibilität" - nach unten - wird durch Hartz IV auf allen Ebenen des Arbeitsmarktes gefördert."

Daher ist es auch kein Zufall, dass die Kapitalisten zeitgleich mit Hartz-Paketen die Arbeitszeit in den Betrieben verlängern. Das bedeutet für die Lohnabhängigen neben einer Verlängerung der Arbeitszeit auch eine faktische Lohnsenkung. Wir müssen die Proteste gegen Hartz IV mit dem Kampf gegen die Ausweitung der Arbeitszeit zusammen zuführen. Von der DGB-Spitze können wir dabei nichts erwarten. Sie hat überall in den Betrieben der Arbeitszeitverlängerung teilweise gegen massiven Protest der Belegschaften zugestimmt und sie hat nach einem Spitzentreffen mit Bundeskanzler Schröder am 9. August zugesichert, nicht zu zentralen Aktionen gegen Hartz IV aufzurufen. Das könnte für uns sogar eine Chance sein. Schließlich haben schon die Erwerbslosenproteste am 1.November letzten Jahres gezeigt, dass wir sehr wohl eigenständig mobilisieren können. Dann müssen wir allerdings verstärkt von der Artikulierung von Unzufriedenheit auf den Montagsdemos zu Protest und Widerstand bei den Verantwortlichen übergehen.

Gerade hier im Wedding befinden sich Institutionen, die als ideologische und repressive Staatsapparate zur Disziplinierung der Lohnabhängigen eine zunehmend wichtigere Rolle spielen. Da ist das Arbeitsamt zu nennen. Seine Bedeutung liegt heute immer weniger in der Arbeitsvermittlung der Betroffenen. Mit ständigen Vorladungen, sinn- und hirnlosen Jobtrainingsprogrammen und im Hintergrund immer der Drohung mit der Streichung des Geldes sollen Erwerbslose zu BittstellerInnen zugerichtet werden, die dann bereit sind, wirklich jeden Job zu jeden Bedingungen anzunehmen, am besten in einem Leiharbeitsverhältnis, einer Branche die in der letzten Zeit boomt. Nach Angaben der Berliner Zeitung vom 9. April 2000 setzte die Leiharbeitsbranche 1999 12, 3 Mrd. DM um. Bis zum Jahr 2005 wird eine Verdreifachung des Umsatzvolumens erwartet.

Schließlich ist mit den Hartzgesetzen eine enorme Ausweitung von Leiharbeit und prekärer Beschäftigung verbunden. An den staatlich aufgebauten Personal-Service-Agenturen sind private Leiharbeitsfirmen massiv beteiligt. Die Erwerbslosen sollen bis zu 6 Monate lediglich mit Arbeitslosengeld ohne weiteren Lohn in Leiharbeitsverhältnisse eintreten. Den Beschäftigten werden alle von der ArbeiterInnenbewegung erkämpften Rechte wie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Urlaubsgeld usw. vorenthalten. Auch gewerkschaftliche Rechte sind natürlich nicht vorgesehen. Außer die Betroffenen machen diesen Plänen einen Strich durch die Rechnung.

Es wird in den nächsten Monaten weitere Aktionen gegen Arbeitsämter, gegen Leiharbeitsfirmen und gegen Einrichtungen wie die Caritas und AWO geben, die sich schon jetzt um die durch Hartz und Co. bereitgestellten 1-Euro-Jobs reißen. Es wird am 6. November eine bundesweite Demonstration vor der Bundeszentrale der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg geben. Wir rufen zur Teilnahme im antikapitalistischen Block auf. Nach dem 1. Janur, wenn die Hartz-Gesetze in Kraft treten sollen, werden die Aktionen mit der Aktion Agentur-Schluss verstärkt fortgesetzt. Die Herrschenden hoffen darauf, dass die Montagsdemonstrationen nur eine Art Dampfablassen werden. Sorgen wir dafür, dass sie der Beginn einer antikapitalistischen Bewegung werden.

Für einen emanzipatorischen Antikapitalismus!
Klassenkampf statt Standortlogik!

Internationale KommunistInnen

Terminhinweise:

Am 2.Oktober wird es um 19 Uhr eine Informationsveranstaltung zum antikapitalistischen Block auf der Großdemonstration gegen die Bundesanstalt für Arbeit in Berlin geben. GenossInnen von der Organisierten Autonomie Nürnberg, die den Block vorbereiten werden über den Stand der Vorbereitung im IKAD in der Skalitzerstrasse 34 berichten.

Im Rahmen des Roten Abends werden wir am 6.10. im Sama-Cafe in der Samariterstr. 32 Videoclips von Labor-B über die bisherigen Montagsdemonstrationen zeigen, über den Stand der Protestbewegung gegen Hartz IV diskutieren und über die in den nächsten Wochen geplanten Aktionen - Demo in Nürnberg und Agenturschluss informieren.

Editorische Anmerkungen

Der Text wurde uns von den AutorInnen zur Veröffentlichung am 16.9.2004 zugesandt.