sektentum und politik
eine charakterisierung des denkens und der rhetorischen strategien der bürgerrechtsbewegung solidarität [büso] am beispiel des textes „manifest für die montagsdemonstrationen“

von chaze
09/04

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Eine der Gruppen, deren Auftreten bei Veranstaltungen, auf Demonstrationen oder im Wahlkampf immer wieder für Verwirrung sorgen, ist die Bürgerrechtsbewegung Solidarität [BüSo]. Das diese rechtsextrem ist, weiß ein Großteil der aktiven Antifaschistinnen und Antifaschisten. Doch dies auch zu begründen, gerade gegenüber Menschen, die in anderen Feldern, als dem Antifaschismus aktiv sind, fällt oft schwer. Die BüSo arbeitet in Deutschland nicht mit anderen Rechtsextremen zusammen, ebenso enthält sie sich seit Jahren eindeutig rechtsextremer Parolen. Anhand des Textes „Manifest für die Montagsdemonstrationen“ von Helga Zepp-LaRouche, der unangefochtenen Vorsitzenden der BüSo, soll in einer exemplarischen Analyse klargestellt werden, dass und in welcher Art sich rechtsextremes Gedankengut bei der BüSo äußert.

Skizierung der BüSo

Kurz lässt sich die BüSo als eine extrem totalitäre Sekte mit politischen Inhalten und eben rechtsextremen Grundlagen charakterisieren. Sie ist der deutsche Ableger eines Netzwerkes von Medienunternehmen, Gruppen, Parteien, Instituten und Organisationen um Lyndon LaRouche. Die einzelnen Teile dieses Netzwerkes werden teils formal, teils informell von einer Leitungsebene um LaRouche kontrolliert, die BüSo mit Helga Zepp-LaRouche von seiner Ehefrau. Inhaltlich behauptet LaRouche eine freie Marktwirtschaft der „produktiven Wertschöpfung“ anzustreben, deren Hauptaugenmerk nicht auf den Profit, sondern auf Produktion gerichtet sein soll. Der Profit ist ein Hauptfeind LaRouches, ohne die Konzentration auf ihn würde es eine Vollbeschäftigung geben. Sein Denken ist dabei geprägt von einem strikten Arbeitsethos. Wer oder was immer sich einer Kultur der Arbeit entgegenstellt, definiert LaRouche als feindlich.

Bei dieser Feindbestimmung greift es auf unterschiedliche Mythen und Vorurteile aus der europäischen und amerikanischen Geschichte zurück. Zum einen gibt es für ihn - wie die bei antisemitischen Verschwörungstheorien üblich ist - im Hintergrund der Dinge konspirierende Gruppen, deren einzige Triebfeder der eigene Profit und die eigene Weltherrschaft darstellen soll. Solche Kreise, die angeblich gegen Fortschrift und Arbeit vorgehen, findet LaRouche beständig. Die Politik seines Netzwerkes und damit auch der BüSo besteht hauptsächlich in - zum Teil gewalttätigen, zum Teil beleidigenden - Kampagnen gegen solche „Feinde“. Es bietet sich hier ein paranoides Weltbild, welches Ende 2003 / Anfang 2004 durch das Konstrukt des „Synarchismus“ - einer von LaRouche behaupteten weltweiten und jahrhundertealten Verschwörung, in welche es alle seine „Feinde“ eingliedert - als geschlossen bezeichnet werden kann.

Neben dem Arbeits- und Produktionsfetisch lässt sich bei LaRouche eine reaktionäre Kulturkritik ausmachen. Der Mensch - so seine Annahme - sei unveränderlich zum Arbeiten geboren. Das dies heutzutage nicht von allen so gesehen wird, führt es auf kulturelle Einflüsse zurück, die hauptsächlich seinen Feinden oder der Feigheit „der politischen Klasse“ gegen diese Feinde vorzugehen zugeschrieben wird. So finden sich in seinen Texten und denen der BüSo immer wieder Angriffe gegen Drogenkonsum, gegen freie Sexualität oder auch gegen das Anti-Atom-Engagement, welches die wirtschaftliche Entwicklung schwächen würde.

Dieses Denken trifft in der BüSo mit einer strikten Hierarchie zusammen, wie sie in Sekten zu finden ist: feste Bindungen der Mitglieder in die Gruppe durch beständigen Aktionismus in Form von Infoständen, Kundgebungen, internen Veranstaltungen, Diskussionen innerhalb der Gruppe und ähnlichem. Und das in einem System der Überwachung der Gruppenmitglieder untereinander.

Lyndon LaRouche ist die messianische Errettergestalt, seine und Helga Zepp-LaRouches Schriften bilden einen Kanon heiliger Texte, die Welt ist zumindest dem Untergang geweiht und kann nur durch das rettende Konzept LaRouches geheilt werden, und zwar auf einem radikalen und moralischen Weg, dem sich zahllose Feinde entgegenstellen, die nur im harten Kampf überwunden werden können und mit allen Mitteln gegen den Messias und sein Werk arbeiten. Das ist das Weltbild der BüSo und in diesem sind alle ihre Aktionen und Verlautbarungen begründet.

Wenn man sich nun mit der BüSo auseinandersetzen will, sollte folgendes bedacht werden: ihre Mitglieder befinden sich in einer chiliastischen Stimmung, das heißt einer [quasi-] religiösen Überzeugung, dass die Welt bald untergehen und nur noch durch einen rücksichtslosen und endgültigen Kampf gerettet und in eine Art Paradies transformiert werden kann. Diese religiöse Radikalität macht die BüSo auch bedeutsam. Immer wieder versucht sie, Gruppen oder Einzelpersonen - zumeist aus Gründen, die sich nur der BüSo erschließen; manchmal aber auch, weil sie die BüSo tatsächlich kritisieren - anzugreifen und zu diffamieren und gleichzeitig andere Gruppen oder vor allem Bewegungen zu vereinnahmen. Letztlich geht es ihr auch darum, neue Mitglieder zu gewinnen. Damit macht sie oft Politik unmöglich. Das sie dies aus einem antisemitisch codierten Weltbild heraus tut, macht sie noch gefährlicher. Als Wahlpartei ist sie dagegen bedeutungslos, obwohl es selbstverständlich gefährlich ist, dass sie kontinuierlich versucht in unterschiedliche Parlamente zu gelangen und das Lyndon LaRouche seit Jahrzehnten sich als Präsidentschaftskandidat der Demokratischen Partei aufstellen lassen will - auch wenn er in allen Vorwahlen bisher grandios gescheitert ist.

Kontextualisierung

Im August 2004 begann eine Reihe von sogenannten Montagsdemonstrationen gegen die von der Bundesregierung initiierten Hartz IV Reformen.  Diese relativ großen Versammlungen wurden von weiten Teilen der radikalen Linken aus unterschiedlichen Gründen kritisiert und mit Unbehagen beobachtet. Dies was vollkommen berechtigt, soll aber hier nicht noch einmal referiert werden.

Einer der Punkte, die großen Unmut bereiteten, war die Teilnahme und teilweise Dominanz rechtsextremer Gruppen auf diesen Demonstrationen. Eine der Gruppen, die in diesem Zusammenhang immer wieder genannt wurde, war die BüSo. Dazu sollte man wissen, dass diese die Proteste nicht nur zum Verteilen von Flugblättern benutzte. Mehrmals nahm sie in Anspruch durch einen Artikel Helga Zepp-LaRouches die Proteste überhaupt erst initiiert zu haben. Das ist zwar falsch, führte aber dazu, dass die BüSo zumindest in Leipzig eine eigene Reihe von Montagsdemonstrationen durchführte und in anderen Städten massiv die OrganisatorInnen zu beeinflussen suchte.

Im Zusammen mit dieser Kampagne, die ruhig als Versuch der Übernahme der Meinungshoheit über die Proteste bezeichnet werden kann, entstand auch der im folgenden besprochene Text, welcher vorrangig als Flugblatt verbreitet wurde.

Irrationalität

Die BüSo ist, wie schon besprochen, eine religiöse Gruppe. Deshalb ist der Zugang zu ihr auch irrational. Das ist der Weg „spiritueller Erkenntnis“. Erst spürt man, dass der Welt „das Heil“ fehlt, dann findet man es auf eine emotionale Art - bei anderen Sekten heißt die „mit dem Herzen“ - und dann erst, wenn man dieser Erkenntnis gegen rationale Überlegungen angenommen hat, wird von diesem Punkt ausgehend eine neue Weltsicht aufgebaut. So lässt sich der oft beschriebene Effekt erklären, demzufolge LaRouche-AnhängerInnen auf dessen Schriften verweisen und dabei betonen, dass ihnen geglaubt und sie nicht so sehr nachgeprüft werden sollen.

Im BüSo-Manifest klingt das an, wenn die Motivation der TeilnehmerInnen der Montagsdemonstrationen als dumpfe Ahnung beschrieben wird und nicht als von einem Wissen, für oder gegen was sie demonstrieren getragen.

„Die Menschen, die [...] gegen die Grausamkeiten von Hartz IV reagiert haben, spüren, dass es um etwas größeres geht [...].“

„Die Menschen, die [...] auf die Straße gehen, tun dies, weil sie spüren, das sich hinter der verzweifelten Sparpolitik der rot-grünen Regierung etwas Ungeheuerliches verbirgt.“

Verschwörung

Mit dem letzten zitierten Satz wird zugleich andeutet, dass es für die BüSo nicht etwa um politisch Entscheidungen, um Ökonomie, soziale Kämpfe, den Sozialstatt oder ähnliches - wie es sonst auf den Demonstrationen zu hören und zu lesen war - sondern um etwas Dunkles im Hintergrund zu gehen scheint. Wie schon gesagt, ist im Denken der BüSo eine riesige Verschwörung vorhanden, welche von allen - außer der BüSo selber - unbeobachtet gegen Produktivität, Arbeitsmoral und wissenschaftlichen Fortschritt agiert.

Solche Arten von Verschwörungstheorien haben in Deutschland eine rechtsextreme Tradition und sind gleichzeitig durch ihr relativ einfaches Erklärungsmodell bei vielen Menschen anschlussfähig. Die BüSo deutet sie gleich mehrfach an.

„Was könnte wohl ausgerechnet die Sozialdemokratie dazu veranlassen, mit ihrer ureigenen Identität als soziale Partei zu brechen [...]?“

Weltuntergang

Eine chiliastische Bewegung, wie die BüSo eine darstellt, braucht für ihre Überzeugung, gerade jetzt einen Kampf führen zu müssen, einen Grund, der sie antreibt. Das ist, wie auch schon gesagt, die Überzeugung, dass die Welt in kürzester Zeit zusammenbrechen wird. Dieses Thema durchzieht die Schriften der BüSo und ihrer Vorgänger seit Jahrzehnten - was eigentlich absurd ist, da die Welt schon untergegangen sein müsste, so man ihrer Theorie folgt. Aber es geht hier um eine religiöse Gruppe. Deshalb macht es auch wenig, wenn immer wieder neue Daten für den Weltuntergang genannt werden und diese dann ohne Effekt verstreichen. So auch im besprochenen Flugblatt.

„Die SPD-Spitze weiß ebenso wie die Vorstände der Banken und Versicherungsgesellschaften [...], daß das Weltfinanzsystem hoffnungslos bankrott ist, und dass es höchst fraglich ist, ob man es trotz aller Anstrengungen überhaupt noch bis zu den amerikanischen Präsidentschaftswahlen im November [2004] vor dem völligen Zusammenbruch bewahren kann.“

„Das globale Finanzsystem befindet sich in der Endphase eines systematischen Zusammenbruchs [...].“

„Das Weltfinanzsystem wird sehr bald von Schocks erschüttert werden, gegenüber denen der bankrott der Pyramidenfirmen in Albanien 1997 vergleichsweise wie ein Kinderspiel aussehen wird.“

Nationalsozialismus als Fehler der Wirtschaftspolitik

Die BüSo interpretiert den Nationalsozialismus einzig als Ergebnis einer Wirtschaftskrise. Hitler wäre nahezu einzig durch die Arbeitslosigkeit der 1930’er Jahre an die Macht gelangt. Diese Interpretation hat zum einen zur Folge, dass andere Entstehungsbedingungen des Nationalsozialismus - wir die breite Zustimmung zum nationalsozialistischen Weltbild durch beinahe die gesamte deutsche, österreichische und „auslandsdeutsche“ Gesellschaft - negiert und als nicht existent angesehen werden. Gleichzeitig werden die Verbrechen des Nationalsozialismus hinter der These vom Verlangen nach Arbeitsplätzen verdeckt. Der Holocaust, der zweite Weltkrieg, die rassistische Umsiedlungs- und Vernichtungspolitik und alles weitere findet bei der BüSo keine Erwähnung. Die deutsche Gesellschaft ist gut und nur durch die falsche Wirtschaftspolitik verführt worden, so die rechtsextreme These, die gerade von der BüSo propagiert wird.

Dieses Denken erklärt auch, warum die BüSo so versessen darauf scheint, die jeweils aktuelle Wirtschaftspolitik der Bundesregierung mit der des Reichskanzlers Brüning - dem vorletzten vor Hitler, dessen Kabinett einen radikalen Sparkurs zum Paradigma erhoben hatte - zu vergleichen. Die Wirtschaftspolitik - das behauptete sie auch schon vor der Regierung Schröder, dass behaupten Gruppen aus dem LaRouche-Netzwerk auch in anderen Ländern - sei quasi eine Wiederholung der Brüningschen und führe deshalb in einen neuen Faschismus. Das zwischen allen Wirtschaftspolitiken Vergleiche gezogen werden können, ficht diese Argumentation eben so wenig an, wie der Fakt, dass es heutzutage keine der NSDAP vergleichbare Organisation und auch keine der Weimarer Republik vergleichbare Gesellschaft gibt. Praktisch macht die BüSo - ohne Beweis oder eigene Faschismusanalyse - die jeweilige Bundesregierung zum gewollten oder ungewollten Förderer einen neuen Faschismus.

„Aber anstatt aus diesem Wissen [dass die Welt bald zusammenbricht] die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen [...], versucht die Regierung Schröder, das Problem des Haushaltslochs durch Nachahmen der Sparpolitik Brünings zu lösen.“

„Es gibt eine Parallele zwischen der heutigen Weltwirtschafts- und Finanzkrise und der Großen Depression der 30er Jahre. [...] Es gab [damals] den Weg, der von Brünings Sparpolitik über [Reichskanzler von] Papen zu Hjalmar Schacht [Reichsbankpräsident und Reichswirtschaftsminister unter Hitler] und Hitler führte, und den wir leider [!] in Deutschland gegangen sind.“

„Das Problem mit Hartz IV besteht darin, daß die Regierung Schröder damit Fahler der Regierung Brüning wiederholt, was nur zu ähnlichen oder schlimmeren Resultaten führen kann. Genau wie damals droht sich aus der Dynamik der Weltwirtschaftskrise ein neuer Weltkrieg zu entwickeln.“

Produktivitätspolitikvorstellungen und Antisemitismus

Die BüSo bietet eine Lösung für diese Probleme an. Sie nennt es „neues Bretton-Woods“, aber ihre Ansätze haben wenig mit der 1944 Konferenz von Bretton-Woods, bei dem die Weltbank und der Weltwährungsfonds gegründet und die Grundzüge der Weltwirtschaft nach dem zweiten Weltkrieg verhandelt wurden, wenig zu tun.

Zum Einen schlägt sie - ernst gemeint - Programme vor, welche die Produktivität der Wirtschaft erhöhen soll und zwar weltweit. Es soll hier nicht darum gehen, dieses realitätsferne Konzept auseinander zu nehmen - kurz: es ist auf eine gänzlich andere Gesellschaft, mit anderen wirtschaftlichen Problemen als heute zugeschnitten, es erzeugt bestenfalls eine Überproduktionskrise und schreibt einmal mehr die neokoloniale Aufteilung der Welt in 1., 2., 3. und 4. fort. Wichtig ist, der dahinter stehende Produktivitätsfetisch.

Eine ähnliche Idee wurde schon in Dutzenden Varianten des „raffenden / schaffenden Kapital“ Denkens der extremen Rechten beschrieben: Eine erhöhte Produktion bedeutet ordentliche Arbeit und wer ordentlich arbeit, dem darf es nicht schlecht ergehen. Wenn das doch nicht klappt, dann liegt diesem Denken folgend, nur daran, dass irgendwer unproduktiv Profit aus der Arbeit schlägt. Dies führt dazu, die Lösung des Problems in noch mehr Produktion und der Ausschaltung der „Profiteure“ zu suchen. Bekanntermaßen ist das auch eine Begründung, der AntisemitInnen für ihr Denken und Handeln anhängen. Dieses Denken lässt sich nicht mit realen Fakten unterfüttern, bestenfalls mit selektiv dafür ausgewählten. Dafür aber ist es immer möglich durch die Biologisierung der angeblichen ProfiteurInnen, sowie der Behauptung von unveränderlichen Naturgesetzen, welche der eigenen Wirtschaftstheorie zugrunde liegen würden, darüber hinwegzutäuschen.

„Wenn man die reale Wirtschaft mit einem Menschen vergleichen kann und die Spekulation mit einem Krebsgeschwulst, dann ist die Weltwirtschaft inzwischen ein Patient, dessen Körper so gut wie vollständig von diesem Geschwulst erfüllt ist.“

„In den Wiederaufbaujahren in der Bundesrepublik [nach 1945] gehörte es noch zur Ehre und Identität eines mittelständigen Unternehmers, ein bestmögliches Produkt zu produzieren und dem Unternehmen nur so viel Profit zu entnehmen, wie für den Unterhalt der Familie nötig war, den Rest aber in Innovation und Expansion zu investieren, damit das Unternehmen auch für die künftigere Generation noch konkurrenzfähig wäre, und auf diese Weise gleichzeitig einen Beitrag zum Gemeinwohl zu leisten - heute hat sich diese Sichtweise in ihr Gegenteil verkehrt.

Moralismus

Im letzten Zitat drückt sich keine -vergangene- Realität aus, sondern die von der BüSo propagierte Utopie - der Aufbau Deutschlands nach 1945 war durch größere und große Unternehmungen und einem Weitermachen mit dem zum beträchtlichen Teil im Nationalsozialismus - gerade durch „Arisierungen“ und Ausbeutung der besetzten Gebiete - erworben Mittel gekennzeichnet.

Wie jede religiöse Bewegung ist auch die BüSo radikal moralisierend, deshalb zeichnet sie auch solche Utopien. Kurz gesagt würde ihr Aufstieg einen Tugendterror nach sich ziehen, der höchstwahrscheinlich durch Arbeitszwang und Verzicht gekennzeichnet wäre. Eine kleinbürgerliche Moralgesellschaft. Immer wieder zählt die BüSo deshalb angewidert ihnen ungenehme Verhaltensweise und Feinde auf. Dabei summiert sie diese meist unter dem Begriff „Grün“, was allerdings mit der realen Bundespartei „Die Grünen / Bündnis 90“ nichts zu tun hat.

„Dieser neoliberale Paradigmenwechsel [der zur Wirtschaftskrise geführt haben soll], hat auch eine kulturelle Komponente. Die Kombination der Ideologie der 68er Generation, die als Schüler der Frankfurter Schule nur allzu bereit war die klassische humanistische Tradition aus dem Fenster zu werfen, machte diese Generation empfänglich für die Rock-Drogen-Sex-Gegenkultur. Die Brandtsche Erziehungsreform [...] tat ihr übriges, um den Boden für die katastrophalen Ergebnisse der PISA-Studie mit zu bereiten; mit abnehmender Rationalität und schrumpfenden naturwissenschaftlichen Kenntnissen wuchs die Empfänglichkeit für Esoterik und die Vorstellung des vorchristlichen Gaja-Kultes. [In rechtsextremen Kreisen ein Code-Wort für das Judentum. Auch wenn die BüSo nicht mit deutschen Rechtsextremen zusammenarbeitet, zeigt sich hier die ideologische Verbindung zu ihnen an.] Bewusst lancierte, oligarchische Kampagnen über die angeblichen ‘Grenzen des Wachstums’ und ‘Überbevölkerung’ durch den Club of Rome und ähnlichen Institutionen taten ein übriges, um die schrittweise ‘Vergrünung’ des Zeitgeistes zu befördern.“

Klassische Bildung und Selbstbezug

Die Texte der BüSo zeichnen sich auch dadurch aus, immer wieder eine Art von kulturellen Wissen aufzurufen und gleichzeitig auf sich selber zu verweisen. Das sollte nicht allzu ernst genommen werden. Humanistische Bildung wird von der BüSo immer wieder als Voraussetzung für ihr Menschenbild genannt und intern auch verbreitet. Gerade die Frühaufklärer sind gerne zitiert. Allerdings scheint es eher um Distinktion und darum, die eigene Position von Autoritäten bestätigt zu sehen, als um eigenständiges Denken und freie Bildung zu gehen. So ist auch ein langes Zitat von Friedrich List in dem BüSo-Manifest zu verstehen. Dort schildert List ein angeblich ausbeuterisches und profitorientiertes englisches Wirtschaftssystem und ein dem gegenüberstehendes auf Freiheit, Selbstverwirklichung und Produktion basierendes amerikanisches. Ohne List und seinen Text referieren zu wollen, wird klar, dass er einzig dafür zitiert wird, um die LaRouch’sche These vom Aufbau der Wirtschaft zu untermauern. Klassische oder humanistische Bildung beißt hier, den Kanon der im BüSo-eigenen Dr. Böcher Verlag erschienen Werke zu kennen, nicht etwas an der Aufklärung geschulte Kritik zu betreiben.

Die Selbstreferenzialität der BüSo-Texte lässt sich zum Einen daraus erklären, dass zumindest zur Zeit kaum jemand außer LaRouche Anhänger und Anhängerinnen dessen Thesen rezipieren. Wenn sie also bestätigende Zitate erbringen sollen, ist die BüSo darauf angewiesen, aus dem eigenen - allerdings in vielen Staaten vertretenen - Netzwerk zu zitieren. Andererseits ist, wie nun schon oft gesagt, die BüSo eine Sekte. Diese konzentriert - wie andere Sekten auch - das soziale Leben ihrer Mitglieder auf sich selbst. Insoweit lassen sich die ständigen Verweise Helga Zepp-LaRouches auf eigene Texte als symptomatisch für die Abgeschlossenheit ihres Denkens lesen.

„1990 warnte ich in einer Reihe von Flugblättern und Verträgen, daß es in wenigen Jahren zu einem noch viel gravierenden Zusammenbruch kommen würde [als 1945. Bezeichnend, dass sie das Ende des Dritten Reiches vor allem unter dem Blickwinkel einer -wirtschaftlichen- Zusammenbruchs wahrnimmt], wenn man versuchte, der bankrotten kommunistischen Wirtschaftssystem das ebenfalls bankrotte System der Freien Marktwirtschaft überzustülpen.“

„Es gab aber sehr wohl eine Vorstellung, wie man den Osten in einer Art Marschall-Plan hätte aufbauen und modernisieren können [...]. Das war das von meinem Mann Lyndon LaRouche und mir vorgeschlagenen Programm des ‘Produktiven Dreiecks Paris-Berlin-Wien’ [...].“

Patriotismus, Produktion und Volkswille

Abgesetzt in einem Kasten präsentiert Zepp-LaRouche am Ende sieben Thesen, die sie gerne als Programm der Montagsdemonstrationen auszugeben scheint. Hier ist noch einmal ihr Denken zusammengefasst dargelegt. Dabei stechen drei Punkte heraus. Zum Einen der versteckte Nationalismus, den die BüSo - früher unter dem Namen Patrioten für Deutschland - trotz der Internationalität des LaRouche-Netzwerkes vertritt. Dieser Nationalismus ähnelt stark dem Konzept der „Europas der freien Vaterländer“, wie es von der sogenannten Neuen Rechten vertreten wird.

„Mit unseren europäischen Nachbarn müssen wir an der Idee eines gemeinsamen Europas, der souveränen Vaterländer festhalten, was die sofortige Beseitigung des ‘Systems von Maastricht’ mit der ‘unabhängigen’ Europäischen Zentralbank und dem sogenannten Stabilitätspakt zwingend erforderlich macht.“

Zweitens tritt der Fetisch der Produktion um der Produktion willen, den die BüSo propagiert noch einmal massiv hervor.

„[...] muß die Neuindustrialisierung der Neuen Bundesländer, deren industrielles Potential nach 1990-91 [...] weitgehend abgebaut wurde, Vorrang haben [...].“

Und Drittens sticht hervor, dass die BüSo der Überzeugung ist, ein rettendes Konzept für die gesamte Gesellschaft zu vertreten, wie es unbenannt von fast allen gefordert wird. Die Behauptung impliziert, die wahren Interessen der Menschen in der angeblich natürlichen Wirtschaftstheorie der BüSo gefunden zu haben. „Die Interessen der Bevölkerung zuerst“, schreibt Zepp-LaRouche, obwohl sie gleichzeitig ihre Theorien diktiert. Für sie deckt sich dieses Gesamtinteresse der Bevölkerung mit ihren eigenen Ansichten. Sie fragt nicht einmal, ob das wirklich das ist, was auf den Montagsdemonstrationen oder anderswo gefordert wird. Sie setzt es einfach voraus.

Sektenstruktur

Der hier besprochene Text kann als symptomatisch für das von der BüSo vertretenen Denken gelten, auch wenn einige oft besprochene Themen hier nicht vorkommen. Es mag aber trotzdem klar geworden sein, auf welchen Grundlagen die BüSo Politik betreibt. Zum Abschluss soll noch einmal betont werden, dass neben den Themen auch die Sektenstruktur der BüSo gefährlich ist. Eine jede Sekte fordert Unterwerfung der Mitglieder und ihren Verzicht auf eigenständiges Denken und Kritik. Zudem geht es Sekten nicht um eine emanzipatorische Veränderung der Welt, sondern um Einflussnahme und Moralisierung von sozialen Problemen. Das verschärft das Problem mit der BüSo noch einmal.

Anmerkungen:

Alle Zitate aus: Zepp-LaRouche, Helge / Manifest für die Montagsdemonstrationen. [Hrsg. BüSo-Landesvorstand Sachsen] [Version der am 27.08.2004 vorhandenen pdf-Version auf der Homepage http://www.bueso.de] In den Zitaten in Klammern geschriebene Teile sind Zusätze des Autors. Zudem wurden, der besseren Lesbarkeit wegen, Hervorhebungen aus dem Original nicht mit übernommen.

Editorische Anmerkungen

Der Autor stellte uns diesen Artikel am 1.9.2004 zur Veröffentlichung zur Verfügung. Der Artikel wurde außerdem bei x-berg.de veröffentlicht und kann dort diskutiert werden.