Aus Betrieb & Gewerkschaft 
Die rechte und die linke Hand der IG BCE


Von Dietmar Henning
09/04

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IG BCE und Mehrheitsbetriebsräte bei Aventis hatten sich aus dem Fenster gehängt gegen die Übernahmeabsichten »feindlichen« ausländischen Kapitals, als ob es erheblich wäre, wessen Kapital es ist, das zu Personalabbau und Rationalisierung führt. Statt mit französischen Kollegen gemeinsam Strategien gegen die absehbaren Einsparungen nach der Übernahme zu diskutieren, pflegte man den Chauvinismus und stellte sich hinter das deutsche Management. Doch das hatte und hat anderes vor, als deutsche Arbeitsplätze zu sichern, wie bereits auf der ersten Betriebsversammlung nach der Übernahme deutlich wurde. Wir dokumentieren einen Bericht der KollegInnen von »Standort-Forum«.

Nach Jahren der scheinbaren Ruhe in der Konfliktstellung mit den IG BCE-Betriebsräten wurden wir als Mitglieder der Liste Standort Forum auf der Betriebsversammlung im Juni 2004 als Steinzeitkommunisten beschimpft. Der Hintergrund war unsere kritische Auseinandersetzung mit der Gesamtbetriebsvereinbarung »Personal- und sozialpolitische Rahmenvereinbarung«. Die IG BCE-Betriebsräte vertreten die Auffassung, dass diese Vereinbarung die beste in der ganzen Bundesrepublik sei. Wir bewerten diese Vereinbarung als ein Personalabbau- und Rationalisierungsinstrument, verknüpft mit einem Sozialplan.

Ein anderer Schwerpunkt der Versammlung bezog sich auf das Abstimmungsverhalten von Werner Bischoff, Hauptvorstandsmitglied der IG BCE und Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der Aventis Pharma S.A. Dazu liegen uns Informationen vor, dass Werner Bischoff der Fusion von Sanofi und Aventis zugestimmt hat. In der Sitzung des Aufsichtsrates am 25. April 2004 gab es auch Nein-Stimmen der Arbeitnehmervertreter: zum einen war dies der leitende Angestellte aus Deutschland in Aventis, zum anderen der Vertreter der französischen Gewerkschaft CGT. Erwähnenswert ist das deshalb, weil die IG BCE-Vertreter vor Ort in Frankfurt-Höchst einen anderen Kurs fahren.

Während sie sich hier mit hilflosen Aktionen wie dem Demonstrieren unter Ausschluss der Öffentlichkeit beschäftigen, verweigern sie sich gemeinsamen Aktionen mit allen Belegschaftsvertretern. Sie gingen mit ihren Aktionen hierbei soweit, dass sie alle Gesprächsangebote mit Vertretern von Sanofi-Synthelabo abgelehnt haben. Bei einem Treffen von Betriebsräten in Frankreich am 8. April 2004 in Straßburg, als an einer Sitzung des Betriebsrates Verantwortliche von Sanofi-Synthelabo teilgenommen haben, hatten die IG BCE-Betriebsräte allein aufgrund dieser Tatsache die Einladung abgelehnt und sich geweigert, daran teilzunehmen.

Bereits seit März 2004 führte der Hauptvorstand der IG BCE Gespräche mit Sanofi-Chef Dehecq. Über das Ergebnis schwieg man sich aus und produzierte vor Ort ein scheinradikales Verhalten. Dies stellte sich so dar, dass ein Kampf gegen »feindliche Aktionäre« und Anteilseigner von Sanofi-Synthelabo inszeniert wurde.

Fazit

Es mag den Einen oder Anderen geben, dem unsere Kritik an der Gesamtbetriebsvereinbarung »Personal- und sozialpolitische Rahmenvereinbarung« nicht gefällt. Die von uns geäußerten Bedenken wurden von Herrn Dr. Meier jedoch indirekt bestätigt. Er machte auf der Betriebsversammlung noch einmal klar, dass es in allen Bereichen der Firma zu Umstrukturierungen kommen kann. Wichtig ist es jetzt, dass die Betriebsräte von Sanofi und Aventis sich gemeinsam für die Interessen der Beschäftigten und den Erhalt der Arbeitsplätze einsetzen.

Editorische Anmerkungen

Der Artikel erschien im express, Zeitschrift für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, 6-7/04 und wurde dem "Standort Forum", Nr. 3/2004, verteilt am 20. Juli ‘04, entnommen.