Die "Antideutschen" - ein deutsches Phänomen
Zur Theorie und Praxis der "Antideutschen"


von Max Brym

09/03
 
 
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In Deutschland gibt es immer wieder seltsames zu beobachten. Die politische Rechte denkt naturgemäß in völkischen Kategorien. Für sie sind die Deutschen egal, ob sie Krupp oder Krause heißen, selbstverständlich ein Kollektiv, das über die Abstammung dazu bestimmt ist, gegenüber anderen zu herrschen. Politische oder soziologische Unterschiede dürfen in diesem Diskurs nicht wahrgenommen werden.

Der rechte Rassist und Antisemit sieht seine genetisch definierte deutsche Nation als unveränderlichen Körper, der gegen gesundheitsschädliche Einflüsse von außen bewahrt werden muß. Selbstverständlich ist die deutsche Nation für den Rechten das non plus ultra. Die deutsche Geschichte wird auf den Turnvater Jahn, Heinrich Himmler und einige andere reduziert. Die reaktionären Aspekte der deutschen Geschichte werden betont und der dadurch geformte negative „Volkscharakter“ unterstrichen.

In der Tat, der Untertanengeist ist weitverbreitet. Es gibt einen rassistischen Grundkonsens in der Gesellschaft und der Antisemitismus gehört zum ideologischen Gepäck vieler in Deutschland. Obwohl es beinahe keine selbsterklärten Antisemiten gibt. Im Antizionismus hat der Antisemitismus eine passende Maskerade gefunden. Die Ablehnung des Selbstbestimmungsrechtes von Juden ist die ideologische Klammer, die rechte und „linke“ Antisemiten miteinander verbindet.

Diese Ablehnung des Selbstbestimmungsrechtes zeigt sich in zwei Formen. 1. Nur dem Staat Israel wird das Existenzrecht abgesprochen. 2. Jedem Juden wird vorgeschrieben, was er zu tun, zu lassen und zu denken hat. Zudem verneint der eliminatorische Antisemit die Existenzberechtigung des Juden schlechthin. Auf diesen Zustand hinzuweisen ist das Verdienst einer denkfähigen Linken in Deutschland.

Die Popularität des Antisemitismus auch beim Arbeiter „Krause“ zu attackieren, ist vollständig gerechtfertigt. Dennoch gibt es eine Strömung innerhalb der Linken um die Zeitschrift Bahamas und um den Ca ira Verlag aus Freiburg, die nicht nur über das Ziel in der Kritik an den deutschen Zuständen hinausgeschossen sind. Nein sie haben selbst die Prämissen der deutschen Ideologie verinnerlicht. Sie nennen sich selbst „antideutsch“ und definieren demzufolge ihr politisches Handeln, über den geschlossenen deutschen „Volkskörper“. Für sie ist der Deutsche prinzipiell negativ und nach ihren Publikationen unveränderbar. Das ist ideell eine völkische Betrachtungsweise.

Der Unterschied zu den Rechten ist, dass sie die Deutschen negativ sehen. Sie ignorieren das dialektische Gesetz der Bewegung und Veränderung der Dinge im Widerspruch. Wenn die deutschen Verhältnisse unverrückbar sind, dann ist der Name Bahamas für eine Zeitschrift der Antideutschen tatsächlich geschickt gewählt. Denn wenn die Prämisse der Antideutschen stimmt, dann ist jegliche politische Arbeit in Deutschland sinnlos und die Bahamas könnten in der Tat eine sinnvollere Lebensperspektive bieten. Aber zurück zum umgedrehten Nationalismus der Antideutschen.

„Die Deutschen ein Täterkollektiv“

Das ist eine oft gebrauchte Formulierung in antideutschen Publikationen. Natürlich ist es korrekt, die verkürzte Faschismusanalyse der DDR und bestimmter „Demokraten“ in Frage zu stellen. Der Nazismus war nicht nur die „offen terroristische Diktatur der reaktionärsten imperialistischsten und chauvinististischen Gruppen Finanzkapitals“ ( Dimitroff). Nein, der Hitlerfaschismus war eine äußerst populäre Diktatur mit Massenunterstützung. Auf diesen Aspekt hingewiesen zu haben, bleibt ein Verdienst von Daniel Goldhagen.

Dennoch ist es für das historische Gedächtnis wichtig, an die entscheidende Rolle der Vertreter des deutschen Kapitals zu erinnern, die im November 1932 geschlossen die Kanzlerschaft Hitlers forderten. Die gewaltsame Zerschlagung der deutschen Arbeiterbewegung, war die entscheidende Voraussetzung um den Krieg zu führen und die Schoa durchzuführen. Dagegen gab es Widerstand auch von Deutschen. Dass dieser Widerstand gering war, im Vergleich zum Verhalten der Mehrheit der Deutschen, ist ein historischer Fakt. Dennoch verbietet es sich die Deutschen generell in einen Sack zu stecken.

Diese „Sackpolitik“ der „Antideutschen“ führt in der heutigen politischen Realität zu fatalen Konsequenzen. Es wird nicht mehr an soziale und humanistische Potentiale, so schwach sie auch seien mögen, appelliert, sondern gefordert: „Deutschland von der Karte streichen, Polen muß bis Frankreich reichen“. Das theoretische Konzept der Antideutschen unterteilt letztendlich den Globus in positive und negative Nationen. Das ist unbewußt eine Übernahme völkischer rechter Positionen. Nebenbei ist es ein Abschied von der Realität und es beginnt die Suche nach geschlossen handelnden positiven Nationen. Dabei ist man schon vor einiger Zeit fündig geworden.

Die USA und Israel

Jede Aktion der USA wird oft kritiklos unterstützt. Dabei wird zurecht auf den in Deutschland weitverbreiteten „Antiamerikanismus“ verwiesen. Dieser muß bekämpft werden, genauso wie der blödsinnige Antiimperialismus anderer „Linker“. Letztere redeten Saddam und Milosevic schön und die USA ist ihr Hauptgegner in Deutschland.

Dennoch ist die US- Politik durchaus kritikwürdig, es gibt in den USA unterschiedliche soziale und politische Kräfte, sowie enorme soziale Probleme. Die USA ist nicht Georg Bush alleine. Genauso wie es in Israel nicht nur die Haltung von Sharon gibt. Die Gesellschaften in den USA und Israel müssen um ihrer selbst willen analysiert werden. Die deutsche Brille darf nicht der Maßstab sein.

Es gibt in den genannten Ländern eine politische Rechte sowie eine politische Linke. Es ist nicht die Schuld von Michel Moore, wenn seine Bücher in Deutschland die Bestsellerlisten stürmen, sondern es ist ein deutsches Problem, dass viele nationalistische Deppen, die Bücher für ihr reaktionäres antiamerikanisches Weltbild mißbrauchen. Das wird von der deutschen Elite nachdrücklich gefördert.

Die deutsche „Linke“ ist gesellschaftlich isoliert und das führt zu merkwürdigen Verhaltensmustern. Die Antiimps sind einfach von Moore begeistert und sehen nicht, wozu seine literarische Agitation in Deutschland benützt wird. Die „Antideutschen“ agitieren gegen Michel Moore ohne die US- Realität wahrzunehmen. Alles wird durch die deutsche Befindlichkeit beurteilt.

Joachim Bruhn aus Freiburg (Autor mehrerer Bücher) gab kürzlich T 34 aus dem Ruhrgebiet ein Interview mit dem Kernsatz: „Jede Kritik am Staat Israel ist antisemitisch“. Das ist eine Sichtweise, wie sie normalerweise von Rechts kommt, nur umgedreht. Die Rechten bauen sich einen Popanz auf, nachdem eine „Kritik an Israel verboten sei“. Der „Linke“ Bruhn erklärt jegliche Kritik an Israel für reaktionär.

Natürlich sollte antisemitische Kritik gegen Israel geächtet sein. Auch fortschrittlich erscheinende Kritik unter der Tarnkappe des Antizionismus, ist antisemitisch denn sie ignoriert das Existenzrecht Israels. Den bürgerlich demokratisch konstruierten Staat Israel zu kritisieren, ist selbstverständlich notwendig. Gerade diejenigen, denen die Existenz Israels eine Herzensangelegenheit ist, müssen die rechte israelische Regierung kritisieren. Allerdings wegen dem Schicksal der Menschen in Israel. Nicht um reaktionäre Bedürfnisse in Deutschland zu befriedigen.

Der kategorische Imperativ muß dabei der Satz von Moshe Zuckermann sein: „Israel ist durch die Schoa zur Notwendigkeit geworden. Israel muß bestehen. Wenn Juden meinen, in diesem Land ihr Land zu sehen, ist das keine Frage, über die ich mit Deutschen gut diskutieren kann“ ( Zweierlei Israel Konkret Verlag).

Joachim Bruhn attackiert in seinem Interview Moshe Zuckermann hart, da Zuckermann nicht die Linie von Sharon vertritt. In anderen Publikationen wird oft Uri Avenery angegriffen, weil er in Opposition zur israelischen Regierung steht. Die „Antideutschen“ unterstellen ihm, mit seiner Regierungskritik, den Antisemitismus zu bedienen und zudem „falsch zu denken“.

Es wird demzufolge von den konkreten Widersprüchen in Israel abstrahiert und mittels linkspolitischer Maskerade den Juden vorgeschrieben, wie sie zu denken haben. Deutsche „Linke“ selektieren ideologisch und geben sich gegenüber linken Juden unerbittlicher als Ariel Sharon. Solchen Unsinn gibt es nur in Deutschland, die „antideutschen“ Hardliner sind gute Kinder ihres „Vaterlandes“.

Editorische Anmerkungen

Max Brym stellte uns diesen Artikel zur Veröffentlichung zur Verfügung. Er lebt als freier Journalist in München. Im Partisan.net hat er seine Homepage.