Stichpunktepapier
für ein kurzes Statement zum Thema
"Digitales Eigentum
"

von Sabine Nuss

09/02
 

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Digitale Güter: Worum geht’s eigentlich?

Mein Thema ist angekündigt mit “Digitales Eigentum” und es wird sich jeder hier bereits denken können, dass ich mich mit der Eigentumsproblematik beschäftige, die mit der Entstehung des Internets aufgekommen ist.

Ich weiß nun nicht, wieviel ich voraussetzen kann bezüglich der Kenntnis hier im Raum über und rund um das Internet. Ich gehe einfach mal davon aus, dass jeder weiß, wie man eine Mail verschickt und vielleicht hat sich der ein oder andere auch schon mal ein Lied aus dem Netz gezogen. Ich gehe also nicht detailliert auf technische und historische Aspekte ein (im Sinne der Genese des Internet), wenn aber diesbezüglich Fragen dazu auftauchen, die für das Verständnis meines Vortrages wichtig sind, werde ich sie natürlich versuchen zu beantworten.

Wenn ich definieren sollte, was das Internet eigentlich ist, so würde ich sagen, es ist ein Medium und als solches auch eine riesige Kopier- und Distributionsmaschine in Form von mit Leitungskabeln vernetzten Computern. Das klingt natürlich nicht so spannend, wie Informationshighway oder Cyperspace oder virtuelle Welt, aber es legt eben den Schwerpunkt eher auf die Funktionalität.

Was kann man denn eigentlich kopieren und versenden? Das hat die FAZ mal sehr kurz und präzise ausgedrückt: “Produkte, die aus Materie bestehen, lassen sich nicht als Datenstrom verschicken”. Digitalen Ausdruck finden also Ton (Musik), Text, Bild und Algorithmen (Software).

Charakteristisch für diese digitalen Güter ist, dass sie sich verdoppeln - nicht vermindern - wenn sie weitergegeben werden.

Das bekannteste Phänomen der digitalen Verbreitung von beispielsweise Musik ist die Musiktauschbörse Napster. Eigentlich kann man sagen ist mit den Schlagzeilen, die Napster gemacht hat, das Problem des digitalen Eigentums erst so richtig ins Bewußtsein der Öffentlichkeit getreten.

Die Funktion von Eigentum

Normalerweise könnte man ja sagen, ist doch prima, diese Einrichtung Internet und die Leichtigkeit, mit der hier Bedürfnisse befriedigt werden können. Aber: Da wir im Kapitalismus leben, gestaltet sich diese Leichtigkeit nicht als Gewinn für die Gesellschaft sondern als Problem - zumindest für einige Akteure. Worin besteht das Problem?

Kurz:

Die einen sehen die Verwertung digitaler Güter in Frage gestellt, sie fordern eine Stärkung von Copyright und sehen teilweise das bürgerliche Privateigentum zur Disposition gestellt, quasi den Untergang des Abendlandes am Horizont.

Als Gegenbewegung formiert sich “Copyleft”, dahinter verbirgt sich eine Abwehr der restriktiven Sicherung der privaten Eigentumsrechte im Netz, “Information wants to be free” ist der Slogan.

Zuvorderst muss man mal unterscheiden zwischen Gütern, die nur als Teil eines Gesamtprodukts in Erscheinung treten und nicht unmittelbar gegen Geld getauscht werden müssen, also gratis sind (sein können), und Gütern, die unmittelbar für den Austausch gegen Geld gedacht sind, also kostenpflichtig sind (sein sollen).

Nicht zu vergessen die Unmengen an digitalen Schöpfungen, die auf Basis “freiwilliger Tätigkeit” beruhen oder im Rahmen staatlicher Alimentierung, wie Forschung und Wissenschaft, entstehen.

Zum Beispiel:

1) Das Online-Angebot einer Print-Tageszeitung bspw. kann als Teil eines Gesamtproduktes - nämlich einer “modernen” Tageszeitung - gesehen werden.

Oder das Verschenken von beispielsweise dem AcrobatReader, hier wird ein Netz aufgebaut, ein Standard gesetzt, der es Adobe irgendwann ermöglicht, zunehmend mehr Acrobat Writer zu verkaufen, insofern dient hier das kostenlose Angebot digitaler Güter der Herstellung einer Sphäre zur Realisierung des Werts, ist aber Teil eines kapitalistisch produzierten Gesamtproduktes (auch wenn es verschenkt wird).

Es ergibt sich hier durch die Digitalisierung für den Kapitalismus überhaupt kein Eigentumsproblem. Es ergeben sich höchstens Probleme, die auch in der analogen Welt existieren. Werbung und Marketingstrategien sind immer Investitionen, die klappen können oder auch nicht. Dass Online-Tageszeitungen reihenweise dicht machen oder schlanker werden, ist nicht auf ihre stoffliche Beschaffenheit zurückzuführen, sondern auf ihre mangelnde Rentabilität.

2) Im zweiten Fall wird es erst interessant: Ein Lied von sagen wir mal Madonna wurde eigens für den Markt, also für den Austausch, produziert. Es soll verkauft werden und wird aber möglicherweise schwieriger verkauft, wenn Napster, bzw. jetzt die Napster-Erben, die Titel der CD gratis zum Download anbieten.

Güterproduktion im Kapitalismus - sehen wir jetzt mal ab vom “Hobby- oder Heimwerkertum” oder der “freiwilligen Tätigkeit” - findet immer zum einen als

  • Produktion für den Austausch statt, zur Realisation von Wert,

  • zum anderen als Produktion für den Gebrauch (damit das Ding überhaupt getauscht werden kann, braucht es einen Nutzen)

Das heißt, es existiert ein Doppelcharakter der Ware - und das gilt auch für digitale Güter:

Also:

  • Zum einen haben wir die gesellschaftliche Formbestimmung (Wert)

  • zum anderen den konkreten stofflichen Inhalt (Gebrauchswert).

[Die gesellschaftliche Formbestimmung ist aber ihrem stofflichen Inhalt gegenüber völlig gleichgültig, damit will ich sagen, die stoffliche Beschaffenheit eines Gutes entscheidet nicht darüber, ob es sich um eine Ware handelt oder nicht.]

Bei der Art und Weise, wie digitale Güter [deren Produktionszweck es ursprünglich mal war, gegen Geld getauscht zu werden um ihren Mehrwert zu realisieren!!] nun im Netz zirkulieren, könnte man nun fast davon reden, dass die gesellschaftliche Formbestimmung, in der sich kapitalistisch produzierte Güter immer befinden, aufgehoben zu sein scheint und nun nur noch “vom Tauschwert emanzipierte” Gebrauchswerte zirkulieren, was Autoren wie Robert Kurz dazu verführt, davon zu reden, dass diese Kostenlosigkeit den Kapitalismus endgültig ad absurdum führen würde[1].

Auch wenn ich das nicht so optimistisch sehe, gestehe ich zu, dass das Internet aus der Perspektive des Kapitalisten - aber eben nur in Teilen - wirklich Probleme bereitet: Er produziert die Ware ja mit dem Zweck, sie gegen Geld zu tauschen um den in ihr enthaltenen Mehrwert zu realisieren.

In Anbetracht dessen, dass seine Ware nun aber gratis und omnipräsent im Netz zur Verfügung steht (also nicht mehr in seiner absoluten Verfügungsgewalt liegt), kann er ihren Wert nicht oder nur noch erschwert realisieren.

Die technisch mögliche Verbreitung von digitalen Gütern stellt also gegenwärtig noch eine Dysfunktionalität für den kapitalistischen Warentausch dar. Dies läßt sich nun offensichtlich oder scheinbar nur lösen (eben das ist umstritten), indem man die exklusive Verfügunsgewalt über die digitalen Güter wieder funktional macht, das heißt, indem man die Eigentumsrechte an digitalen Gütern sichert.

Wer aber hat absolute Verfügungsgewalt über digitale Güter?

Der Kapitalist (bitte nicht als “der böse Kapitalist” zu verstehen, sondern als Personifikation ökonomischer Kategorie!) ist es, der absolute Verfügungsgewalt über seine Waren hat.

Woher aber kommt die Verfügungsgewalt der Kapitalisten?

In der bürgerlichen Wahrnehmung kommt die exklusive Verfügungsgewalt aus der eigenen Arbeit, das heißt, jener der den Apfel pflückt, soll ihn auch erhalten (John Locke).

Nach Marx aber verhält sich das ein wenig anders. Hier kommt die Verfügungsgewalt des Kapitalisten aus den Produktionsverhältnissen.

Dafür ist zentral die Existenz des doppelt freien Arbeiters, der sowohl eigentumslos sein muss (frei von Produktionsmitteln) und der formell frei sein muss, um seine Arbeitskraft verkaufen zu können (zu müssen).

Dies hat bekanntlich zur Konsequenz, das was Marx als Umschlag der Aneignungsgesetze bezeichnet: kapitalistisches Eigentum beruht gerade nicht auf eigener Arbeit, sondern auf der Aneignung fremder Arbeit.

Es ist bekannt, was geschieht: Der Arbeiter ist gezwungen, sich zu verkaufen um zu überleben, der Kapitalist kauft die Arbeitskraft und läßt sie länger arbeiten als zu ihrer Reproduktion nötig wäre und diese Mehrarbeit fließt als Mehrwert in die Produkte, die dann ihren so geschaffenen Wert im Austausch gegen Geld realisieren sollen.

Dies sind die Eigentumsverhältnisse, die in der Produktionssphäre bestimmend wirken und daraus erst ergibt sich die Verfügungsgewalt des Kapitalisten auf “seine” Ware (die das bürgerliche Recht mit seiner Eigentumsrechtssprechung juristisch manifestiert),

Diese versucht er dann in der Zirkulationssphäre gegen Geld zu tauschen. Erst dort tauchen die Schwierigkeiten auf. Man sieht also: Die Eigentumsproblematik bei digitalen Gütern bezieht sich ausschließlich auf die Zirkulationsebene, nur dort ist der Warentausch verwundet und die Debatte zwischen Copyleft und Copyright bleibt dieser Betrachtung - der Betrachtung der einfachen Zirkulation - verhaftet, wie wir gleich sehen werden.

Enclosures im Cyberspace

Die Akteure

In der Situation, wie ich sie geschildert habe, nämlich, dass digitale Güter “frei” im Internet zirkulieren, kämpfen jetzt jene Akteure um die exklusive Verfügungsgewalt über diese Güter, die ein Interesse an ihrer Verwertung haben. Dazu gehören: 

  • “Content-Industrie”: Verlage, Plattenlabels, Filmindustrie

  • Lobbyverbände, Verwertungsgesellschaften

  • Künstler (bspl.: Metallica, Fanta4).

  • Staat

Das sind die Praktiker, zu denen gesellen sich aber auch Theoretiker, Ökonomen, Rechtswissenschaftler, Publizisten, usw. die für Copyright argumentieren. 

Das Argument

Was ist das Argument? Um grob das Kernargument zu nennen, gehen die Verfechter von Copyright davon aus, dass die Sicherung der privaten Eigentumsrechte Voraussetzung sei für Innovation (im Umkehrschluss heißt das, dass im Internet keine Inhalte mehr angeboten werden würden, wenn es an der Sicherung von privaten Eigentumsrechten fehlen), das heißt: gesicherte Eigentumsrechte führen zu einer effizienten Wirtschaftsleistung. Das aber diene dem Allgemeinwohl, das ist das klassische Argument, was wir immer hören: Effiziente Wirtschaft, damit ist irgendwie Wirtschaftswachstum gemeint und dies soll zu mehr Beschäftigung führen und zu mehr oder besserer Güterversorgung und dies wird dann gleichgesetzt mit dem Allgemeinwohl.

[Das ist übrigens typisch für den bürgerlichen Diskurs: Partialinteressen werden als Allgemeinwohlinteressen verkauft]

Maßnahmen zur Durchsetzung der Eigentumsrechte

Seitens dieser Akteure wird nun also auf verschiedenen Ebenen versucht, diese Eigentumsrechte bei digitalen Gütern zu sichern.

  • Bewußtseinsbildung

Auf der Ebene der Bewußtseinsbildung werden Kampagnen gestartet, die dem unbedarften User begreiflich machen soll, dass er mit jedem Download eines Musikstückes als Pirat am Untergang des Abendlandes zu schaffen macht. Michael Lehmann, Professor für u.a. Urheberrecht stellt fest:

Hier muss in der Tat zunächst ein spezifisches Unrechtsbewußtsein kulturell entwickelt werden, etwa dergestalt: ‚Wer illegal kopiert, klaut, wer unrechtmäßig vervielfältigt, ist ein Dieb!‘”[2]

(Wobei man sagen muss, dass es (noch) nicht so richtig geklärt ist, was genau nun illegal oder unrechtmäßig ist.)

Die Lobbyverbände heben diese Bewußtseinsbildung auf einen erheblichen Hysterisierungsgrad, wenn beispielsweise Jay Berman, Chairman der International Federation of the Phonographic Industry” sagt:

“Den Diebstahl geistigen Eigentums unterstützen Verbrecherorganisationen. Er nährt den Drogenhandel und andere Schwerverbrechen. Der heutige Kampf gegen Musikpiraterie ist ein Kampf gegen ein riesiges, organisiertes, illegales internationales Geschäft. ...... Auf dem heutigen globalen Markt kann es sich keine Regierung leisten, einfach zuzuschauen, wie Piraterie ihre Wirtschaft untergräbt, ihre Kultur ausplündert und ihrem internationalen Ansehen schadet.” [3]

Solcherart aktiver Entwicklung eines “Unrechtsbewußtseins” ist derzeit überall zu beobachten.

  • Technik

Im Bereich der Technik ist natürlich klar, dass hier zuvorderst versucht wird, Kopierschutztechnologien zu entwickeln. Zu nennen wären hier Verfahren des Digital Rights Managements (DRM). Digital Rights Management-Systeme sind Software-Lösungen, die auf spezifische Geschäftsmodelle jeweils abgestimmt, den Vertriebsweg digitaler Güter vom Hersteller bis zum Nutzer kontrollieren können.

Aber auch Kopierschutz, wie beispielsweise die Herstellung von Musik-CD mit bewußt eingestreuten unnützen Informationen, damit der Computer Schwierigkeiten beim Lesen der CD hat, gehört zu den (sehr umstrittenen) technischen Maßnahmen (weil mitunter auch die zumindest älteren CD-Player Schwierigkeiten damit haben).

  • Gesetzgebung

Die technischen und ideologischen Maßnahmen werden von den Staaten entsprechend gestützt. Zu nennen ist hier der DMCA Digital Millenium Copyright Act (Amerika) und die noch ins nationale Recht umzuwandelnde Urheberrechtsrichtlinie (Europa), wobei zentral und beiden gemein ist, dass die Umgehung von Kopierschutzmaßnahmen unter Strafe gestellt wird[4].

Schwierigkeiten der Maßnahmen

Es wäre jetzt ein eigenes Thema für sich, darüber zu debattieren, ob die Kopierschutztechnik überhaupt wirksam sein kann. Es heißt manchmal, Kopierschutz sei gar nicht möglich, da die Daten zum Konsum letztlich doch immer entschlüsselt vorliegen müssen. Das macht aber eine Reproduktion und Wiedereinspeisung ins Netz möglich. Auch seitens der juristischen Durchsetzung und Kontrolle der User gibt es Schwierigkeiten.

Ich zitiere mal kurz aus dem Lizenzvertrag einer englisch-deutschen Dictionnary-Software von PONS, Klettverlag (Hervorhebungen von mir):

“Die Fa. Ernst Klett Verlag GmbH gewährt Ihnen hiermit die nicht ausschließliche Lizenz, die Lexiface-Software und die dazugehörige Dokumentation, soweit vorhanden, für Ihre eigenen internen Zwecke auf einem einzigen Ihnen gehörenden, von Ihnen benutzten oder in ihrem Einflussbereich stehenden Computer zu installieren und zu benutzen.Sie dürfen eine Sicherungskopie der Lexiface-Software erstellen. Diese Sicherungskopie darf nicht auf einem anderen Computer installiert oder benutzt werden.Die Lexiface-Software darf Dritten weder ausgeliehen, vermietet, verleast noch ihnen auf sonstige Weise zugägnlich gemacht werden.Die Lexiface-Software darf nicht entkompiliert, rückentwickelt oder auf sonstige Weise rückübersetzt werden, um den Quellcode festzustellen. (......)

Eine Vertragsverletzung Ihrerseits berechtig die Firma Ernst Klett Verlag GmbH zur fristlosen Kündigung. Sie sind im Falle einer solchen Kündigung verpflichtet, sämtliche Kopien der Lexiface-Software und der Dokumentation sofort zu vernichten und sie nicht mehr zu verwenden.”

Gemessen daran, dass der Käufer die PONS-CD innerhalb von 10 Minuten auf einen Rohling brennen und an Freunde weiterverschenken kann und gemessen daran, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass er dann die Software pflichtgemäß von seiner Festplatte löscht, kommt der Lizenzerklärung ein relativ leeres Drohpotential zu. Es zeigt, wie hilflos die Hersteller der digitalen Güter gegenüber der unkontrollierten Verbreitung ihrer Produkte gegenwärtig noch sind und warum der sogenannten “Content”-Industrie an einem wirksamen technischen Kopierschutz gelegen ist.

Außerdem: Bislang erhält jeder, der will mit ein wenig KnowHow raubkopierte Software im Netz oder von Bekannten, Freunden, usw., oder aber man zieht sich Schlüssel aus dem Netz, die Shareware-Produkte knacken und dauerhaft lauffähig machen.

Damit ist also klar: Es gibt Schwierigkeiten, Eigentumsrechte im Netz wirkungsvoll zu sichern vor unkontrollierter Verbreitung und Nutzung. Noch. [Lawrence Lessig zeigt in seinem Buch “Code und andere Gesetze im Cyberspace” sehr schön, dass sich das durchaus ändern kann]

Die Apologeten des Copyleft

Den Verfechtern des Copyrights, wie ich sie gerade geschildert habe, stehen nun die Freiheitskämpfer des Cyberspace entgegen.

Deren Motto ist “Information wants to be free”. Der Spruch ist älter als die Debatte um digitales Eigentum der Öffentlichkeit bekannt ist. Er stammt aus der Hacker-Bewegung.

Programmierer waren die ersten überhaupt, die zu spüren bekamen, was es bedeutet, wenn elektronische Daten als ein Mittel der Verwertung dem Ausschlussprinzip untergeordnet werden.

In den Anfängen der Computerindustrie beschränkte sich das Geschäft hauptsächlich auf den Verkauf von Hardware und ihre Wartung. Software war ein Randprodukt, es war damals noch kein Problem Software auszutauschen, um sie gemeinsam zu bearbeiten. Schwierig wurde das mit der Einführung von restriktiven Lizenzen auf Software. Es entstand proprietäre Software, bei welcher der Quellcode - also die menschenlesbare Sprache eines Programms - zurückgehalten wurde, sozusagen als Betriebsgeheimnis.

Das hatte natürlich zur Folge, dass Programmierer nicht an proprietärer Software verbessern oder entwickeln konnten.

Richard Stallman, Programmierer am MIT und heute Guru der Freien Software Bewegung ärgerte sich ganz zu recht und beklagte das Ende der »paradiesischen Zustände« der Freiheit[5] und offenen Kooperation in der Softwareentwicklung. Er gründete daraufhin die Free Software Foundation,[6] und hob die General Public License (GPL) aus der Taufe und prägte den Begriff des “Copyleft” als Entgegensetzung von “Copyright”.

Der Verzicht auf Privateigentum an Quellcode ist für Stallman aber nicht nur einfach eine effizientere Produktionsweise, sondern ein Schritt hin zu einer freiheitlicheren Gesellschaft.[7]

Software, die der GPL unterlag, musste “frei” bleiben, wobei “frei” hier nicht kostenlos heißt, sondern dass der Quellcode offen einsehbar und allen zugänglich bleibt, eine gemeinsame Arbeit daran also ermöglicht wird. Ein großer Teil an Software wurde daraufhin in diesem Geiste entwickelt und eines der wohl bekanntesten Produkte wurde das Betriebssystem Linux. 

Ende der 90er Jahre etablierte sich dann eine Art Gegenbewegung, die Open Source Bewegung, die zwar auch die Offenheit des Quellcodes favorisierte, sich aber gegen den politischen ideologischen Habitus von Stallman wendete. Die Motivation von Open Source liegt eher in der größeren Effizienz von offenem Quellcode, gegenüber proprietärem, das heißt, zurückgehaltenem Code. Kommerzialisierung ist ausdrücklich erwünscht.

Seither haben sich viele Organisationen gebildet, die mit dem Ettikett “frei” die Räume im Internet von privaten Verwertungsbegehren, aber auch von staatlicher Regulation, fern halten wollen.

Der Begriff “frei” wird inzwischen nicht nur auf Software angewendet, sondern auch auf Text, Musik und Bilder. Für diese als frei deklarierten digitalen Güter soll gelten, dass sie kopiert werden dürfen, bearbeitet und weitergegeben und das diese “Freiheit” bei Weitergabe erhalten bleiben muss.

Das Argument

Die Coplyeft-Leute argumentieren auch mit dem Allgemeinwohl.

Die Freie Software Foundation Europa konstatiert beispielsweise in ihrer Präamble, dass der digitale Raum mit Software als seinem Medium ein gewaltiges Potential zur “Förderung aller geistig-kulturellen Belange der Menscheit”[8] besitze, eine der zentralen Aufgaben der Free Software Foundation ist daher die Förderung eines “demokratischen Staatswesens”.

Fast immer fällt der Begriff der Demokratie in der Debatte, wenn für Copyleft gestritten wird, immer irgendwie im Sinne von der Zugang zu Wissen muss gewährleistet werden.

Man befürchtet hier auch, dass die Kommerzialisierung im Netz zu einem Überwachungsstaat führen könnte, oder ihm Vorschub leisten würde, was ich durchaus nicht für abwegig halte, aber das ist eine andere Geschichte.

Außerdem würde durch diese DRMS der Spielraum im Umgang mit der digitalen Ware im Gegensatz zur analogen Welt stark eingeschränkt werden. Beispielsweise würde das Fair Use - Prinzip, nachdem der Käufer einer Musik-CD das Recht habe, davon Privatkopien zu machen und sie auch an Freunde oder Verwandte weitergeben zu können, beeinträchtigt, insofern als dass man ein Stück dann nur dreimal kopieren könne, oder dass ein ebook der exklusiven Nutzung des Käufers vorbehalten ist, das heißt, das Ausleihen eines Buches an Freunde nicht mehr möglich wäre. All das ist gerade im Streit.

Bezogen auf die Argumentation der Content-Industrie sagen die Copyleftleute, es sei Quatsch, dass ohne gesichertes Eigentum Kreativität untergraben würde. Das beste Beispiel sei doch gerade die Musik, die wenigstens Künstler leben tatsächlich von ihrer Kunst.

Ebenso betonen sie immer wieder, dass digitale Güter nicht knapp sind, sondern sich verdoppeln bei Weitergabe, insofern sei private Eigentumssicherung geradezu Diebstahl am öffentlichen Raum (Maguhn). Es sei vielmehr klar ersichtlich, dass im Cyberspace andere Gesetze und Regeln herrschen würden, als in der analogen Welt und daher das traditionelle Property Rights System in der digitalen Welt überholt sei.

Alternativen zum Copyright

Inhalte im Netz sollen also frei bleiben. Entgegen dem Copyright-Prinzip werden dann Strategien vorgeschlagen, die der digitalen “immateriellen Welt” adäquater seien:

Z.B. Spendenmodelle, die eine freiwillige Bezahlung an Künstler per Mausklick ermöglichen (ein solches Portal gibt es auch schon unter www.fairtune.com)

Umverteilungs- oder Fonds-Modelle: In Anlehnung an das Verwertungsmodell der GEMA wird beispielsweise die Einrichtung eines Fonds erwogen, der aus Abgaben auf Video-, Audio- und PC-Ausrüstung gefüllt werden soll. Die Auszahlungen an die Künstler sollen entsprechend ihrer Popularität von statten gehen, welche sich mittels spezieller Software genau nachvollziehen ließe (Anzahl der Downloads pro Musiktitel, usw., (vgl. Ku 2001).[9]

Außerdem wird immerwieder auf Dienstleistungen verwiesen, man könne das Produkt selbst, das digitale Gut, “frei” lassen und darum herum Dienstleistungen an bieten (Konzerte statt Musik-Güter, Vorschlag von Barlow, Greatful-Dead-Songwriter, usw., eine Art Merchandising-Modell).

Kritik beider Positionen

Copyright: Nur Privateigentum schafft Effizienz?

Nur Privateigentum schafft Effizienz ist im Kontext von Kapitalismus inhärent richtig, wenn man mit Effizienz Kapitalverwertung meint und nicht Gütersteigerung. Aber auch dann ist ein gesichertes Eigentumsrecht keine hinreichende, sondern nur eine notwendige Bedingung, da für eine Steigerung der Kapitalverwertung auch noch andere Aspekte, wie beispielsweise Konkurrenz, Nachfrage, usw. eine Rolle spielen.

Dass der Mensch nur dann innovativ oder kreativ ist, wenn seine Eigentumsrechte gesichert sind, ist eine Denkform, die zum einen von real existierenden Herrschaftsverhältnissen auf anthropologische Ursachen schließt, zum anderen und zugleich aber direkt aus diesen Produktionsverhältnissen selbst resultiert.

Darüber ließe sich noch mehr sagen und kritiseren (ahistorisch, tautologisch, usw), dazu müsste man aber tiefer in die Property Rights Theorie, die diesem Denken zugrunde liegt, damit also in die Neoklassik einsteigen, das kann ich jetzt hier nicht leisten.

Copyleft: Der Cyberspace, eine wirklich ganz andere Welt?

Die Kritik an den Copyleft-Leuten fällt zu meinem eigenen Ärger harscher aus, einfach weil sie mir sympathischer sind und man sich immer mehr ärgert, wenn die Liebsten Unfug reden, als wenn es Fremde tun....

Die Freiheitskämpfer des Internet trennen die Cyberworld von der realen Welt ganz explizit (andere Regeln und so weiter). Das ist nicht nur reell, sondern auch analytisch falsch. Das Internet schwebt nicht über oder außerhalb der kapitalistischen Wirkungswelt, die gegenwärtig zu beobachtenden kapitalistischen Dysfunktionalitäten des Internet stammen noch aus der Entstehungszeit des Netzes, die nicht auf private Verwertungs ausgerichtet war, sondern machtpolitischen Zwecken geschuldet war, insofern ein staatliches Projekt war.

Die Kritiker der privaten Eigentumsverhältnisse im Netz beziehen sich, wie zu anfangs schon gesagt, nur auf die Zirkulationsebene. Sie blenden die Produktionsspähre aber aus, in der die Eigentumsverhältnisse überhaupt erst determinierend auf die Zirkulationssphäre wirken.

In dieser Perspektive stellt sich logischerweise nicht die Frage, wieso gibt es überhaupt exklusive Verfügungsgewalt?, woher kommt exklusive Verfügungsgewalt?, sondern es stellt sich lediglich die Frage, wie können wir bei der spezifischen Beschaffenheit digitaler Ware diese exklusive Verfügungsgewalt anders regeln?

Das drückt sich besonders in der Terminologie des “frei” aus. “Frei” in dieser Diktion hat nichts mit kostenlos zu tun, es ist damit nur die Offenheit des im digitalen Gut inkarnierten Wissens gemeint.

Wie aber soll ein digitales Gut, wenn es “frei” kopierbar (also so oft ich will) und zu verbreiten (an wen ich will) ist, kontrollierbar und damit abrechenbar, das heißt Warentausch-tauglich zugleich sein?

Entweder man ist so radikal und sagt, wir wollen das Privateigentum und Kapitalismus ja auch ganz weg haben, dann ist es konsequent (in diesem Sinne wird das in der Mailingliste www.oekonux.de diskutiert).

Systemimmanent aber - und das ist die Mehrheit -  muss die Internet-Freiheits-Bewegung den Widerspruch zwischen Verwertungszwang und freier Verfügbarkeit digitaler Güter dahingehend auflösen, dass sie sich alternative Verwertungsmodelle ausdenkt und genau das tut sie ja - wie eben beschrieben.

Damit aber findet sie durchaus Widerhall in den modernen, betriebswirtschaftlichen Modellen zur Internet-Ökonomie, in denen ganz ähnliche Verwertungsmodelle diskutiert werden, aber unter anderen Begrifflichkeiten und unter dem rationalen Aspekt der Umgehung der Schwierigkeiten im Netz, restriktive Eigentumsrechte durchzusetzen (das heißt, die Transaktionskosten sind zu hoch), nicht mit dem Argument für “freie” Information.

Letztlich führen dann solche alternativen Verwertungsmodelle daraufhinaus, dass digitale Güter jeweils zum Teil eines Gesamtproduktes werden, wie oben beschrieben. Es sieht dann zwar so aus, als wären diese digitalen Güter “frei”, aber letztlich wäre das eine Illusion, denn als Teil eines Gesamtproduktes wären auch sie der Verwertung untergeordnet und nur solange verfügbar, solange es sich als Teil eines Gesamtproduktes rentiert.

Zur Befürchtung Ausschluss des Wissens sei gesagt, dass niemand ernsthaft Interesse hat, dass Wissen gesellschaftlich nicht zur Verfügung steht. Spätestens seit der Aufregung um die PISA-Studie sollte das klar geworden sein. Möglicherweise wird das Wissen oder der Zugang dazu kostenpflichtig, das aber ist schon in der analogen Welt so (auch dass es zunehmend teurer wird), spätestens jetzt kann man sich die Frage stellen, wieso man sich gerade bei der Debatte um digitales Eigentum über die Ungleichverteilung der Ressourcen in der Welt aufregt.....

Schluss-These:

Die Debatte um das digitale Eigentum ist Ausdruck dessen, dass der Kapitalismus gerade dabei ist, sich mit den neuen Technologien zu arrangieren.

Es wird aber - um als Pessimist zu sprechen - eine Übergangsphase bleiben, die über verschiedene Trial-and-Error-Versuche den Warentausch im Internet funktional machen wird.

Wie das genau aussehen wird, ob die Copyright-Lobbyisten mit ihren Maßnahmen sich durchsetzen werden oder ob die Copyleft-Vertreter im Schulterschluss mit den Betriebswirtschaftlern ihre Verwertungsmodelle durchsetzen werden, ist gegenwärtig noch offen und es könnten durchaus Mischformen entstehen.

Eines aber läßt sich vielleicht mal wagen, vorauszusagen: Die OpenSource-Philosophie scheint durchaus attraktiv zu sein für das Kapital, da es Effizienz, Kooperation, Flexibilität, flache Hierarchien und prekäre Arbeitsverhältnisse nahelegt, also eine Tendenz verstärken könnte, die zu einer Modernisierung des Kapitalismus führt und damit die “Krise des Fordismus in postfordistische Produktionsverhältnisse” auflöst oder: da diese Begriffe nun auch schon irgendwie verbraucht sind, könnte man vielleicht von einem transnationalen High-Tech-Kapitalismus (Haug) sprechen, in dem das alles mündet. Aber egal, wie man es nun nennen mag, es ist, wie es ist:

“Die moderne Industrie betrachtet und behandelt die vorhandne Form eines Produktionsprozesses nie als definitiv. Ihre technische Basis ist daher revolutionär (...) Durch Maschinerie, chemische Prozesse und andere Methoden wälzt sie beständig mit der technischen Grundlage der Produktion die Funktionen der Arbeiter und die gesellschaftlichen Kombinationen des Arbeitsprozesses um.” (MEW 23: 511)

So scheinen sich die Freiheitskämpfer - ohne sich dessen bewußt zu sein - einmal mehr vereinnahmen zu lassen in ihrem Bemühen, das Netz verwertungskompatibel zu machen und dabei als Avantgarde einer erneuten Umwälzung der Produktionsverhältnisse, auf historisch neuer Stufenleiter, zu fungieren.

Das bürgerliche Privateigentumsverhältnis ist und war aber in keiner Weise und zu keinem Zeitpunkt der Digitalisierung der Warenwelt zur Disposition gestellt gewesen. Das ist eine Illusion.

...und was es sonst noch an Ideen gibt
zu den alternativen Verwertungsstrategien:

“Selbst in einer Welt ohne jedes “Copyright" wird immer noch jener Reporter hoch bezahlt werden, der als einziger über eine relevante neueste Meldung verfügt. Denn er kann gut damit leben, dass die Meldung nach dem Akt der Weitergabe (für den er sich teuer honorieren lässt) jeglichen Kopierschutz verliert. Genau dasselbe gilt für einen auf medizinische Information spezialisierten Experten, der mir innerhalb von drei Stunden jene chirurgische Klinik ausfindig machen kann, wo ich die besten Chancen habe, meine lebensgefährliche Magenkrebsoperation zu überstehen; oder für das Journalistenteam, das nicht nur täglich eine Online-Zeitung liefert, sondern gemäss meinem Auftrag ganz bestimmte öffentliche Angelegenheiten gründlich recherchiert. So gehört die Zukunft wohl eher den agilen – vielleicht als selbständige Free Lancers oder in kleinen, hochspezialisierten Teams tätigen “Information Brokers" als den traditionellen Grossverlagen, die in dem Masse, wie sie auf ihren erworbenen Exklusivrechten sitzen, immer mehr zu innovationshemmenden Publikationsverhinderungsanstalten werden.”

(Geser, Hans: Copyright oder Copy left? Prekäre immaterielle Eigentumsverhältnisse im Cyberspace, url: http://socio.ch/intcom/t_hgeser08.htm , Download 14. März 2001)

“Die angenommene Mehrheit von Freeloadern, die alles umsonst wollen, sollten Werbebanner serviert bekommen. Darüber hinaus könnte man ihre Profile für eine Menge Cash weiterverkaufen. Die echten "Fans" könnten in irgendeiner Form zur Kasse gebeten werden. In der Praxis sollen die Anwender Fragebögen ausfüllen und die Download-Erlaubnis abhängig von der Zahl und Qualität der Antworten bekommen. Wieviel wohl Details über die sexuellen Vorlieben wert sind? Und was zahlen die Versicherungsunternehmen für die Krankengeschichte? Dafür gibt's dann halt Gratis-Mucke.”

 (Möller, Erik: Treffen unter Gleichen oder die Zukunft des Internet, Teil III eines Berichts von der O'Reilly Peer-to-Peer-Konferenz in San Francisco 14.-16. Februar 2001, vom 19.03.2001, unter: http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/7170/1.html)

Anmerkungen

[1] Kurz, Robert: Euphorie um New Economy, Jungle World, 12. April 2000, Quelle: http://www.nadir.org/nadir/periodika/jungle_world/_2000/16/17a.htm

[2] Lehmann, Michael: Digitalisierung und Urheberrecht, in: Lehmann, Michael (Hg.): Internet- und Multimediarecht (Cyberlaw), Stuttgart, 1997. S. 27 ff.

[3] ebd. S. 15

[4] Das heißt genauer, dass die Erstellung und der Vertrieb von Software, durch die legale Copyright-Ansprüche unterlaufen werden können, unter Strafe gestellt ist (DMCA, 17 USC §1201, ebenso die neue Urheberrechtsrichtlinie, siehe Artikel 6)

[5] Vgl. Meretz, Stephan: LINUX & CO. Freie Software – Ideen für eine andere Gesellschaft. Unter: http://www.kritische-informatik.de/fsrevol.htm

[7] Bei Freier Software, so Stallman in einem Interview, könne man nicht von “stehlen” sprechen, wenn sie jemand aus dem Netz laden würde um sie in eigenen Produkten zu nutzen, denn: “dieses Wort impliziert eine Art von Eigentum, die sehr sehr schlecht wäre. (...) Diese Software gehört der Allgemeinheit, und ich will nicht, dass jemand die Allgemeinheit schlecht behandelt” (Stallman 1996).

[9] Auf die einzelnen Modelle eingehen zu wollen, würde den Rahmen dieses Vortrages sprengen. Über die Möglichkeit ihrer Realisierung und vor allem aber über die Folgen für die betroffenen Künstler und die derzeit noch agierenden Intermediäre, deren Bedeutung möglicherweise an Gewicht verlieren würde, läßt sich nur spekulieren.

Editorische Anmerkungen:

Bei dem vorliegenden Artikel handelt es sich um eine Spiegelung eines "Stichpunktepapier" im Rahmen des Workshops: Wem gehört die Welt? Eigentum – Aneignung – Enteignung im gegenwärtigen Kapitalismus. Anstöße zur Selbstverständigung, welcher am  Freitag 14.12. 17.00 - 21.30 und Samstag 15.12. 9.30  2001 in der Rosa-Luxemburg-Stiftung stattfand.

Gespiegelt wurde von: http://userpage.fu-berlin.de/~nussini/