Das Edelweiß, das Hakenkreuz
und der Terrorismus

Die Gebirgstruppe diskutiert über den Einsatz der Bundeswehr im Inneren und hat Ärger mit dem Staatsanwalt

von Roland Lory
09/02
 

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1995 ordnete das Verteidigungsministerium an, die "General-Kübler-Kaserne" in Mittenwald und die Füssener "Generaloberst-Dietl-Kaserne" umzubenennen. Der in München ansässige Kameradenkreis der Gebirgstruppe (KdG) murrte daraufhin, man werde auch in Zukunft "kompromißlos für die Ehre der Soldaten der Wehrmacht und der Bundeswehr eintreten". Auch 2002 will der kernige Traditionsverband, dem rund 7000 aktive und ehemalige Gebirgssoldaten (darunter ehemalige Wehrmachtssoldaten und Mitglieder der SS) angehören, nicht abseits stehen, wenn es um das Wohl und Wehe deutscher Soldaten geht. "Die Bundeswehr und die Herausforderungen beim Kampf gegen den internationalen Terrorismus" war das Thema einer prominent besetzten Podiumsdiskussion Ende Juli in Weilheim, die laut Veranstalter die Öffentlichkeit für das unterrepräsentierte sicherheitspolitische Thema mobilisieren sollte. Eingeladen hatten die Kreisgruppe Oberland des Verbands der Reservisten und der KdG.

Neben dem bayerischen Innenminister Günter Beckstein und Kurt Rossmanith, Obmann für Sicherheits- und Verteidigungspolitik der CDU/CSU-Bundestagsfraktion fand auch General a.D. Dr. Klaus Reinhardt den Weg in die oberbayerische Kleinstadt. Der ehemalige KFOR-Oberbefehlshaber fragte sich, warum man denn die Bundeswehr nicht zuhause einsetze. Schließlich sei es doch die zentrale Aufgabe der KFOR und anderer internationaler Eingreiftruppen gewesen, für "innere Sicherheit" zu sorgen. "In neun Jahren hatten wir keinen einzigen negativen incident", so der "gebürtige Gebirgsjäger und Doktor im Kampfanzug" (KdG-Vize Hans Behringer). Voll des Lobes war Reinhardt über die deutschen Soldaten im Auslandseinsatz, ganz "toll" und "klasse" seien die. "Mensch, sind die gut", habe er auch immer wieder von den Verbündeten zu hören bekommen.
"Die Berufung auf die Geschichte ist nicht mehr zeitgemäß", meinte Günther Beckstein zum Einsatz der Bundeswehr im Inneren und attestierte demjenigen "ideologische Scheuklappen", der nicht über das Thema redet. Wenn ein entführtes Flugzeug im Anflug auf das Münchner Oktoberfest sei, brauche man da nicht die Bundeswehr? Beim sich anbahnenden US-Krieg gegen den Irak sollen Deutschland und Europa auf jeden Fall ein Wort mitreden, so Beckstein. "Es wäre unerträglich, wenn wir unter den zivilisierten Ländern beim Kampf gegen den Terror abseits stehen würden." Allerdings spiele man im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich lediglich in der zweiten oder dritten Liga. Das nach dem 11.September geschnürte "Sicherheitspaket" verteidigte er mit Nachdruck. "Die Freiheit wurde dadurch gesichert, nicht eingeschränkt". Beckstein erntete großen Jubel für seinen Vortrag, ein Heimspiel vor rund 250 Zuhörern, in erster Linie KdG-Mitglieder und Reservistenkameradschaften. "Er ist humorvoll und verschmitzt, einer der markantesten und profiliertesten Minister", lobpreiste Veranstaltungsleiter Behringer den bayerischen Innenminister. Auch für die ältere Generation fand er warme Worte: "Man hat ihnen die Jugend gestohlen, sie haben seelisch Schaden genommen und deshalb gebührt ihnen Fairneß und Dank". Ganz besonders freute sich Behringer über die Anwesenheit eines Vertreters der Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger (OdR).

Klaus Reinhardt, dessen Vater Fritz 1928-30 NSDAP-Gauleiter von Oberbayern war, ist dem Kameradenkreis schon lange freundschaftlich verbunden. In Mittenwald begann er 1960 bei den Gebirgsjägern seine Karriere als Offiziersanwärter, ebendort hielt der "General mit Doktorhut" (Hamburger Abendblatt) an Pfingsten 2000 die Festrede beim Treffen der Gebirgstruppe. Bei dieser Feier des Kameradenkreises, die von mehreren Tausend Menschen besucht wird, wird alljährlich den gefallenen, vermissten und verstorbenen "Helden" und Kameraden gedacht und der Geist der Gebirgstruppe beschworen. Regelmäßig mit dabei: kranzablegende Ritterkreuzträger. Diese anrüchige Gesellschaft war für Reinhardt kein Grund, der Veranstaltung fernzubleiben. Ganz im Gegenteil: bei den ewiggestrigen Ordensträgern schaut der General gern vorbei, 1998 beim Koblenzer Treffen der OdR beispielsweise. Ultraechten Gazetten wie der "Deutschen Militärzeitschrift (DMZ)" gibt er bereitwillig Interviews, ebenso wie der aktuellen Ausgabe des Reservistenblatts "loyal - das deutsche Wehrmagazin", in dem auch eine Anzeige der "DMZ" zu finden ist. Seine Erlebnisse im ehemaligen Jugoslawien hat Reinhardt zu einem Buch verarbeitet(K.Reinhardt: KFOR - Streitkräfte für den Frieden: Tagebuchaufzeichnungen als deutscher Kommandeur im Kosovo). Erschienen ist das Werk 2001 im Frankfurter Universitätsverlag Blazek & Bergmann, der mehrheitlich in den Händen des Politlobbyisten Moritz Hunzinger ist.

An Pfingsten 2002 fuhren rund 50 Demonstranten aus dem Raum Köln ins Werdenfelser Land, um in Mittenwald gegen die unkritische Heldenverehrung Stellung zu beziehen. Sie besuchten den Kameradschaftsabend und wollten
für die Opfer der Gebirgstruppe - allein 4000 gefangene italienische Soldaten wurden in Griechenland 1943 von Gebirgsjägern erschossen - eine Gedenkminute einlegen. "Die gute Stimmung konnte auch durch die ca. 20 minütige Unterbrechung durch eine Gruppe von Chaoten und Störern, die mit Transparenten, Flugblättern, Megaphonen und Geschrei versuchten die Veranstaltung zu sprengen, nicht beeinträchtigt werden", so das zufriedene Resümee in der aktuellen Ausgabe der "Gebirgstruppe", dem Mitteilungsblatt des KdG. "Natürlich wurde dem Auftritt mit Empörung, aber auch mit der notwendigen Selbstdisziplin begegnet, worauf die Störer unter skandieren von Mörderrufen abzogen." Die Version der "Störer" liest sich freilich anders: "Die aufgebrachten Traditionspfleger versuchten (...), die mitgebrachten Schilder, auf denen die Kriegsverbrecher benannt wurden, zu entreißen. Auf die Konfrontation mit ihren Verbrechen reagierten die Täter mit Schlägen und Tritten." Der Reporter der "Frankfurter Rundschau" schrieb: "Mit Fäusten, Stühlen und Krückstöcken vertrieben die alten und jungen Kameraden ihre Kritiker." Die Polizei hielt die jungen Aktivisten in der Folge in einer Jugendherberge fest. Die eigentliche Gedenkfeier am Pfingstsonntag auf dem Hohen Brendten sollte schließlich ungestört über die Bühne gehen.

Ein Kamerateam des Westdeutschen Rundfunks (WDR) filmte dort allerdings Veteranen aus dem nahen Tirol, an deren Brust Orden mit Hakenkreuzen baumelten. Dem Veranstalter will das nicht aufgefallen sein. Harald Rettelbach vom KdG: "Das Ganze ist bedauerlich und wird Konsequenzen nach sich ziehen." Und: "Das sind keine Nazis." Pax Christi-Mitglied Jakob Knab, Gründer der "Initiative gegen falsche Glorie" und Buchautor ("Falsche Glorie"), veranlasste der Vorfall, einen Beschwerdebrief an die Hardthöhe zu schicken. Die Reaktion aus dem Ministerium: "Den Angehörigen des Stabes der 10.Panzerdivision, die an der Gedenkfeier teilgenommen haben, sind dabei Originalorden mit Hakenkreuzemblem nicht aufgefallen. (...) Sie vermögen aber auch nicht auszuschließen, dass derartige Orden öffentlich getragen wurden." Man gehe davon aus, dass bei künftigen Pfingsttreffen "derartige Vorkommnisse unterbleiben." Peter Wozniak, Presseoffizier der 10. Panzerdivision, zu den Hakenkreuzen: "Wir haben nicht ins blanke Auge dieser Leute gesehen." Religionslehrer Knab ist sich sicher, dass nächstes Jahr keiner mehr einen Orden mit Hakenkreuz tragen wird.

Ulrich Sander, Journalist und Bundessprecher der VVN/BdA, wurde ebenfalls aktiv und erstattete wegen des öffentlichen Zeigens von Hakenkreuzen Anfang Juli Anzeige beim Generalstaatsanwalt in München. "Die Verantwortung für das diesjährige Pfingsttreffen trägt die Bundeswehr, persönlich Generalmajor Oerding", so Sander, dem die Tiroler Veteranen mit NS-Orden schon vor Jahren aufgefallen waren, in seiner Anzeige. Jan Oerding von der 10.Panzerdivison in Sigmaringen hielt die diesjährige Festrede und beschwor dabei die "Aufrichtigkeit im Umgang mit unserer Geschichte. Millionen Deutsche Soldaten haben als Soldaten der Wehrmacht gedient. Viele von ihnen haben Unvorstellbares erleben müssen, Schreckliches erlitten oder sind eines grausamen Todes gestorben." Die Orden und Ritterkreuze, mit der die so geschundenen ausgezeichnet wurden, tragen sie heute in Mittenwald spazieren.

Auch Edmund Stoibers Herz schlägt für die "Kameraden unter dem Edelweiß". Der Mittenwalder Truppenübungsplatz, wo die Gebirgstruppe ihr Verständnis von "Traditionspflege" zelebriert, ist ihm vertraut. Der Kanzlerkandidat leistete dort bei den Gebirgsjägern seinen Grundwehrdienst ab. Im Juni 2000 beklagte er die Auflösung der 1.Gebirgsdivision und lobte deren "unangreifbare Traditionspflege". Als Mitglied des KdG kann Jäger Stoiber alle zwei Monate in der "Gebirgstruppe" schmökern. Das Blatt ermahnte vor einigen Jahren seine Leser, nicht "vorbehaltslos einem verordneten und von einer Gedankenpolizei ideologisch gelenkten und kontrollierten Meinungsklischee zu folgen. Die Fälscher sind am Werk - und sie fälschen in böser Absicht". Dabei habe man doch lediglich " ... mißbraucht und gegen eine Übermacht von Feinden stehend bis zum bitteren Ende opfervoll" seine "militärische Pflicht erfüllt."

Editorische Anmerkung:

Der Autor schickte uns seinen Artikel am 27. August 2002 mit der Bitte um Veröffentlichung.

2001 schrieb Roland Lory im trend über "Esoterische Heilsbotschaften mit Rechtsdrall"