Quelle: SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.17 vom 17.08.2000, Seite 2

Das Ende von L‘Unità

von ROSSANA ROSSANDA*

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Die Tageszeitung L‘Unità, 1924 als Zeitung der Kommunistischen Partei Italiens von Antonio Gramsci gegründet, ist im Juli dieses Jahres eingestellt worden.

"Endlich haben wir uns von dieser Altlast befreit." Diese abschätzige Bemerkung, die zwei nicht sehr prominente Mitglieder der Linksdemokraten (DS), der Nachfolgeorganisation eines Teils der ehemaligen KP, gemacht haben sollen, und zwar just in jenen Tagen, in denen Redaktion und TechnikerInnen der Unità demonstrierten, Appelle verfassten und heiße Tränen über die Schließung ihrer traditionsreichen Zeitung vergossen, stimmt nachdenklich. Warum reagieren zwei an sich anständige Menschen so kaltschnäuzig? […]

Was uns bislang vorenthalten wurde, ist eine Erklärung, warum L‘Unità jetzt so jäh abgestürzt ist, wo sie doch zu dem Zeitpunkt, als der amtierende DS-Parteisekretär Walter Veltroni das Ruder übernahm, bei einer verkauften Auflage von etwa 180000 Exemplaren immerhin ein Gleichgewicht von Ausgaben und Einnahmen erreicht hatte.

Mit Veltroni als Herausgeber ging es jedoch steil bergab. Man begann, das Blatt mittels beigelegten Büchlein, Sammelbildern und Videokassetten an die Leser zu verramschen. Eine tolle Idee… Die Auflage sank, die Kosten stiegen, alle anderen Zeitungen machten die Geschenkidee nach, der Markt wurde überschwemmt mit Gratisware, schließlich übersättigt. […] L‘Unità verkaufte zuletzt 50000 Exemplare, das ist nicht wenig, aber angesichts ihrer Produktionskosten ein unhaltbarer Zustand. In einer Partei, die innerhalb eines Jahrzehnts gleich mehrfach ihre politische Ausrichtung wechselte und immer weniger an den Sinn eines eigenen Mediums glaubte, war so eine Zeitung rettungslos verloren. […]

Nach und nach haben die Führer der DS eine Modernisierung der Partei nach amerikanischem Vorbild verfolgt. D.h. sie bemühten sich darum, die Partei für ein breites Meinungsspektrum zu öffnen, das sich in demokratischer Wahl im Bündnis, dem "Olivenbaum" beweisen und bestätigen soll, das aber nicht mehr die Partei selbst zur Propagierung oder gar zur (Meinungs-)Bildung braucht. Vielmehr werden diese Meinungen von Lobbys in die Welt gesetzt und verbreitet, will sagen, von offen und legal agierenden Interessengruppen. Die ehemaligen Aktiven, so forderten Veltroni und andere, sollten endlich verstehen, dass sie nichts anderes als Wähler sind, als solche sollten sie sich benehmen. Also Schluss mit den teuren Parteizellen und -lokalen. Mitglieder wählen oder kandidieren für ein Wahlamt. Jene zwei Ex-Aktivisten, die die Altlast L‘Unità nicht mehr mitschleppen möchten, gehören Interessengruppen an. […]

Die Unità, die jetzt zu Tode kam, gab es gar nicht mehr. Die, die nun entstehen wird, wird etwas ganz anderes sein. Wahrscheinlich unter einem Leiter, der nicht aus den DS kommt… So etwas wie eine Mini- Repubblica.

Aber was soll mit jenen geschehen, die an die verstorbene Zeitung geglaubt und für die Umsetzung von deren Idealen gelebt und gearbeitet haben? Mit jenen, die sich fragen, welches Ende die Partei nehmen, wo sie in einem Jahr sein wird?

Nun, das ist ein ganz anderes Thema.

*Aus der schweizerischen Wochenzeitung Woz Nr.31.