Quelle: www.friedenskooperative.de 

Zur Geschichte des Antikriegstages

von Barbara Petersen, Mani Stenner und Christian Golla
 
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Die Anfänge

Die Bemühungen um einen Antikriegstag bzw. Friedenstag lassen sich bis 1845 zurückverfolgen. Es waren pazifistisch gesonnene kirchliche Kreise in Großbritannien, denen es dann erst in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts gelang, den letzten Sonntag vor Weihnachten zu einem Friedenssonntag zu machen. In Deutschland gab es um 1900 in Freien evangelischen Gemeinden ähnliche Bestrebungen. Die katholische Geschichte begeht seit 1967 einen "Weltfriedenstag". Der Tag fällt normalerweise auf den 1. Januar und ist mit einer Weltfriedensbotschaft des Papstes verbunden, wird aber in bundesdeutschen Gemeinden inzwischen flexibel innerhalb der ersten 6 Wochen des Jahres begangen. Der Gedanke wurde in jüngerer Zeit auch von christlichen Teilen der Friedensbewegung aufgegriffen.

Ein anderer friedenspolitischer Ansatz ging ebenfalls von Großbritannien aus. Am 22.2.1896 trafen sich im Atelier des Malers Felix Moscheles pazifistische Künstler, u.a. Bernhard Shaw, und einige Minister zu einer Kundgebung für eine internationale Schiedsgerichtsbarkeit, welche Kriege durch rechtzeitige Klärung von Streitfragen verhindern sollte. Diese Kundgebung erregte so große Aufmerksamkeit, daß pazifistische Organisationen sich dafür einsetzten, zukünftig in jedem Jahr an diesem Tag in allen Ländern ähnliche Friedensdemonstrationen abzuhalten. Am 22.02.1906 wurden beispielsweise in etwa 600 Städten gleichzeitig Kundgebungen durchgeführt, auf denen eine Resolution angenommen wurde, die vorher vom Internationalen Friedensbüro festgesetzt worden war. Anklang fand der Tag auch bei staatlichen Stellen.

1. Haager Friedenskonferenz

Am 18.5.1898 wurde die 1. Haager Friedenskonferenz (s.a. Artikel im FriedensForum 1/98 zu den Vorbereitungen für die Haager Friedenskonferenz im Jahr 1999) mit staatlichen Vertretern aus 26 Nationen eröffnet. Die Regierungsvertreter beschlossen zur schiedsgerichtlichen Schlichtung zwischenstaatlicher Konflikte die Errichtung eines internationalen Schiedsgerichtshofes mit Sitz in Den Haag und erfüllten hiermit eine Hauptforderung der internationalen Friedensbewegung. Dieser 18. Mai wurde mehr oder weniger regelmäßig bis 1914 als Friedenstag begangen. In den Niederlanden und den USA, wo die Haager Konferenz als Vorläufer der hier entwickelten Idee des Völkerbundes (ab 1920) und der Vereinten Nationen (1945) stärker beachtet wurde als in anderen Ländern, überlebte er sogar den 1. Weltkrieg, tauchte jedoch 1932 zum letzten Mal auf. Auch der 27. August, der Tag, an dem 1928 in Paris Vertreter von 15 Staaten den Kriegsächtungspakt, der auch als Briand-Kellog-Pakt bekannt wurde, unterzeichnet hatten, geriet als vom Kongreß der Europäischen Union vorgeschlagener Weltfriedenstag schnell wieder in Vergessenheit.

Der 1. August als Antikriegstag

Nach der "Novemberrevolution" 1918/19 in Deutschland riefen die beiden damaligen bedeutendsten pazifistischen Friedensorganisationen, die von Bertha von Suttner mitgegründete "Deutsche Friedensgesellschaft (DFG)" und der Bund Neues Vaterland (BNV), unter der Parole "Nie wieder Krieg" eine Kampagne ins Leben, deren Ziel es war, die persönlichen Erinnerungen an die Kriegsgreuel durch alljährliche Massenkundgebungen am 1. August, dem Tag des Beginns des 1. Weltkriegs, wachzuhalten und die Menschen für die Durchsetzung einer dauerhaften Friedenspolitik zu aktivieren. In Dänemark und Schweden wurde dieser Tag schon während des Krieges als Antikriegstag begangen.

Bei der Gründung des "Friedensbundes der Kriegsteilnehmer" (FdK) am 02.10.1919 wurde festgelegt, alljährlich am ersten Augustwochenende Massenkundgebungen zur Erinnerung an den Kriegsbeginn 1914 zu organisieren, die den Friedenswillen des deutschen Volkes und die Distanzierung zum kaiserlichen Regime bekunden sollten.

Zur ersten Kundgebung am 01.08.1920 im Berliner Lustgarten riefen Organisationen der Friedensbewegung sowie der Arbeiterjugend und Jungsozialisten auf. Nach unterschiedlichen Quellen nahmen zwischen 15.000 und 18.000 Menschen teil. 1921 traten Vertreter der SPD, USPD und des ADGB dem Nie-wieder-Krieg-Ausschuß bei. Erst dieses pazifistisch-republikanische Bündnis machte aus den Antikriegsaktionen eine Massenbewegung. Am 31.07.1921 beteiligten sich im ganzen Reichsgebiet ca. 500.000 Menschen in etwa 250 Städten an den Kundgebungen.

Doch schon der Antikriegstag 1922 zeigte, daß die Nie-wieder-Kriegs-Bewegung ihren Höhepunkt überschritten hatte. In wiederum ca. 250 Veranstaltungen wurden nur noch 30.000 bis 150.000 Menschen gezählt. Bemerkenswert war jedoch die Ausweitung auf internationaler Ebene. Über die bereits genannten Länder hinaus wurden in der Schweiz, in Österreich, Portugal, Skandinavien und auf dem Balkan Antikriegstage durchgeführt. Dies geschah ohne zentrale Organisation allein durch persönliche Kontakte und Anstrengungen.

Die Parole "Nie wieder Krieg" war zwar unter dem unmittelbaren Eindruck des Krieges eine aufrüttelnde Protestformel, reichte jedoch als Integrationsformel auf die Dauer nicht aus. Die Organisationen im Aktionsbündnis waren sich nur in der Frage der Kriegsgegnerschaft, nicht aber über die Wege der Friedenssicherung, einig. Die Parole entwickelte sich so mit zunehmendem Abstand zum Krieg immer stärker zu einer Kompromißformel, die nur noch die unterschiedlichen Standpunkte verdeckte. Auch erwies sich die Antikriegsbewegung trotz ihrer beachtlichen Mobilisierungserfolge als zu schwach, um die Regierungen in ihrem Sinne beeinflussen zu können. Das zeigte sich schon beim ersten internationalen Konflikt, der französischen Ruhrbesetzung im Januar 1923, der zur Folge hatte, daß die Teilnahme französischer Redner an den Kundgebungen am 29.07. verhindert wurde und die Kundgebungen nur in geschlossenen Räumen stattfinden konnten. Die KPD veranstaltete in diesem wie in den kommenden Jahren in Konkurrenz einen "Antifaschisten-Tag".

Internationaler Antikriegstag am 3. Septemberwochenende 1924

Das Jahr 1924 stand ganz im Zeichen der 10. Wiederkehr des Kriegsbeginns. Der Internationale Gewerkschaftsbund (IGB) rief zu diesem Anlaß in Amsterdam im Mai des Jahres zu einem internationalen Antikriegstag am dritten Sonntag im September auf. Das ausgewählte Datum, das 1924 auf den 21. September fiel, bezog sich wahrscheinlich nicht auf ein zurückliegendes Ereignis, sondern zielte auf die zu diesem Zeitpunkt in Genf stattfindende Völkerbundsversammlung. Dort sollten "Beschlüsse über Schiedsgericht, Sicherheit und Abrüstung" gefaßt werden, die - wie der Dortmunder "General Anzeiger" euphorisch schrieb - "Wege zum Weltfrieden" sein könnten. Die Arbeiterorganisationen verlangten einen stärkeren Einfluß auf die Verhandlungen.

Die Entscheidung des IGB für einen Antikriegstag in gewerkschaftlicher Trägerschaft führte keineswegs zu einem klaren Trennstrich zu den Nie-wieder-Krieg-Kundgebungen der Friedensbewegung. Je nach örtlichen Gegebenheiten hielt die Friedensbewegung an ihrem Datum fest oder nahm an den gewerschaftlich organisierten Demonstrationen teil.

Als Einleitung zu einer europäischen Friedenswoche fand am 06. August 1924 in Paris eine Kriegsgedenkfeier internationaler Pazifisten statt, bei der etwa 60 Delegierte aus 20 Ländern, u.a. auch aus Deutschland, teilnahmen.

Der 27. Internationale Bergarbeiterkongreß in Prag widmete den 06. August einer "Kundgebung für den Frieden und gegen den Krieg". Der Kongreß forderte den internationalen Ausschuß einstimmig auf, zum Zeichen des Protestes sobald wie möglich einen geeigneten Tag für einen eintägigen Generalstreik auf allen Gruben der Welt zu wählen, um die Regierungen aller Länder vor einem neuen Kriegsausbruch zu warnen.

"Gedächtnistag für die Opfer des Weltkrieges"

Die Antikriegsfeiern des Jahres 1924 standen, zumindest was die Beachtung in der Presse anging, im Schatten des "Gedächtnistages für die Opfer des Weltkrieges" am 03. August (auch "Opfertag" und "Totensonntag" genannt) und des Verfassungstages am 10. August. Diese Veranstaltungen fanden 1924 erstmals statt und waren stark von nationalen Tönen durchsetzt. Zwar war der "Opfertag" offiziell als Versöhnung der innenpolitischen Gegensätze über den Kriegsgräbern und nicht als Gegenfeier zum Antikriegstag gedacht, mußte aber so wirken. Die PazifistInnen verurteilten ihn als "Sobaldalsmöglich: Wieder Krieg" - Demonstration und Verhöhnung des Antikriegstages. Der Verfassungstag gehörte zu den Gedenktagen, die zwar nicht als Antikriegstag ins Leben gerufen, aber durch Friedensbekundungen geprägt wurden. In diese Reihe gehörte auch der 1. Mai; besonders 1925 waren die Maifeiern die eigentlichen Antikriegskundgebungen.

Nach dem bewegten Jahr 1924 wurde es um so ruhiger um die Antikriegstage. Es waren die politische und wirtschaftliche Stabilisierung im Innern und die außenpolitische Entspannungsphase 1924-28, die von den Organisatoren selbst mit herbeigeführt worden war und ihnen jetzt die Massen entzog. Der Friedensbewegung gelang es nicht mehr, die Nie-wieder-Krieg-Kundgebungen wiederzubeleben. Insgesamt mag die Zahl der örtlichen Aktivitäten immer noch beachtlich gewesen sein, der Wiederaufrüstung Deutschlands, die bereits 1928 offen begann (Panzerkreuzerbau), konnte sie nichts entscheidendes entgegensetzen. Ohnmächtig mußte die Nie-wieder-Krieg-Bewegung auch den Aufstieg der NSDAP und ihrer Organisationen, von denen sie immer wieder diffamiert und terrorisiert worden waren, mitansehen. 1932 verzichtete das Organ der Deutschen Friedensgesellschaft "Das andere Deutschland" schließlich auf seine traditionelle Nie-wieder-Krieg-Sondernummer mit der Begründung, der Krieg sei zu einer Gegenwartserscheinung geworden.

Der Antikriegstag nach dem zweiten Weltkrieg

Am 1. September 1957 wurde in der BRD zum ersten Mal der "Antikriegstag" begangen. Das Datum erinnert an den deutschen Überfall auf Polen 1939. Zu diesem 1. Antikriegstag aufgerufen hatte die "Antimilitaristische Aktion", ein Bündnis der Sozialistischen Jugend - Die Falken, der Solidaritätsjugend, der Naturfreundejugend und der Verband der Wehrdienstverweigerer. Im Juli 1956 war die allgemeine Wehrpflicht beschlossen worden und am 1.4. 1957 zogen die ersten Wehrpflichtigen in die Kasernen der Bundeswehr ein.

Der Antikriegstag in den 50er und 60er Jahren

Der 1. September stand in den 50er und 60er Jahren meist im Schatten der Ostermärsche (zu deren Geschichte siehe die gesonderte Infosammlung zur Ostermarsch-Geschichte bei www.friedenskooperative.de ) statt, die 1960 von britischen PazifistInnen initiiert wurden und ab 1961 auch in der Bundesrepublik stattfanden. Sie erhielten immer mehr TeilnehmerInnen, 1968 waren es bei allen dezentralen Veranstaltungen zusammengerechnet 300.000 Menschen.

Der Antikriegstag geriet durch den Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen in die CSSR am 21. August 1968 in seine große Krise. Die Bildung der SPD-FDP Regierung 1969 entzog dem Antikriegstag nach Ansicht von SPD- und DGB-Vertetern seine Existenznotwendigkeit, denn zur Friedenspolitik von Willy Brandt gäbe es "keine Alternative" - so die Begründung. Viele gewerkschaftliche Gruppen nahmen nur noch am Volkstrauertag teil.

Der Antikriegstag in den 70er Jahren

Erst die Einsicht, daß mit den Ostverträgen der Frieden keineswegs sicherer geworden war und daß das Wettrüsten nicht beendet wurde, führte zum Umdenken. Es war das neugegründete "Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit" (KOFAZ), das Mitte der 70er Jahre mit der Aktionswoche im Mai diese Tradition wiederbelebte. Motor waren u.a. der DKP nahestehende oder ihr angehörige Aktivisten, so daß SPD und DGB mit Abgrenzungsbeschlüssen reagierten, ohne zunächst eigene Aktionen alternativ anzubieten. Die DGB-Jugend sprach sich 1977 für den eigenen Antikriegstag und die KOFAZ-Initiative aus. 1978 war der Antikriegstag zunächst für den Landesverband NRW des DGB wieder zentrales Anliegen mit einer großen Veranstaltung in Essen. Zum 1.9. 1979 rief der DGB Bundesverband unter dem Motto: "Nie wieder Krieg! Abrüstung - Gewinn für uns!" bundesweit zum Antikriegstag auf. Auf der zentralen Veranstaltung in Dortmund sprach der damalige Vorsitzende Heinz Oskar Vetter.

Die sich verschärfende internationale Lage, die zunehmende Abkehr der Supermächte von einer Politik des Friedens und der Verständigung hin zu weltweiter Konfrontation und Hochrüstung, aber auch die Konfliktherde im Nahen Osten, in Mittelamerika und der Nord-Süd-Konflikt lösten innerhalb der Kirchen, der politischen Parteien aber auch bei zahllosen bis dahin kaum engagierten Bürgerinnen und Bürgern Diskussionen aus, an deren Ende die Entstehung einer in der bisherigen Geschichte der Bundesrepublik einmaligen Friedensbewegung stand. Auch der DGB wurde mehr und mehr von ihr beeinflußt.

Der Antikriegstag in den 80er Jahren

Der Antikriegstag 1980 wurde ganz offiziell vom DGB-Bundesvorstand zum "Tag für friedenspolitische Aktionen der Gewerkschaften" deklariert.

1981 erhielten die Aktivitäten des DGB zum Antikriegstag mit der Initiierung einer bundesweiten Unterschriftsaktion gegen die Stationierung von Mittelstreckenraketen in Europa und gegen die Produktion von Atomwaffen eine neue Qualität. Bis zum Antikriegstag am 1. September 1982 wurde dieser Aufruf von 1,5 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern unterschrieben. Die Hinwendung des DGB zu stärkerem friedenspolitischen Engagement vollzog sich allerdings nicht ohne Konflikte aufgrund der unterschiedlichen politischen und weltanschaulichen Positionen innerhalb des DGB, die sich insbesondere zwischen DGB-Jugend und Gesamtorganisation zeigten.

Das Jahr 1983, in dem der Nato-Doppelbeschluß in Westeuropa in Kraft gesetzt werden sollte, war für die gesamte Friedensbewegung und damit auch für das friedenspolitische Engagement der Gewerkschaftsjugend bzw. des DGB von besonderer Bedeutung. Der Antikriegstag am 1. September 1983 stand ganz im Zeichen dieser Diskussion. Zahlreiche Veranstaltungen wurden im gesamten Bundesgebiet durchgeführt. Der Bundesvorstand forderte unter amderem:
  • eine konsequente Fortsetzung der Entspannungspolitik,
  • eine Beendigung der Wettrüstens in Ost und West,
  • einen sofortigen Verzicht auf die Entwicklung, Erprobung und Stationierung neuer Nuklearwaffen sowie von Waffen für den Einsatz im Weltraum,
  • ein Verhandlungsergebnis in Genf, das die Stationierung atomarer Kurz- und Mittelstreckenraketen in Europa überflüssig macht.

Am 5. Oktober ruhte in der Zeit von 11:55 bis 12:00 Uhr in vielen Betrieben der Bundesrepublik die Arbeit. Wenige Wochen später, am 22. Oktober 1983, demonstrierten in Stuttgart, Bonn und Hamburg zehntausende gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegen die bevorstehende Stationierung. Es handelte sich um gemeinsame Großdemonstrationen von DGB und Friedensbewegung.

Am 22. November 1983 sprach sich der Deutsche Bundestag für die Stationierung von Pershing II und Cruise Missiles in der Bundesrepublik aus. 1983, das Jahr in dem sich zum fünfzigsten Male die nationalsozialistische Machtergreifung in Deutschland jährte, wurde zum Stationierungsjahr. Damit war aber weder für die Friedensbewegung noch für den DGB das friedenspolitische Engagement beendet.

In den sieben Punkten zum Anti-Kriegstag 1984 setzte sich der DGB u.a.

  • für die Entwicklung alternativer Sicherheitsstrategien auf der Basis der Sicherheitspartnerschaft,
  • für die Schaffung von atom- und chemiewaffenfreien Zonen in Mitteleuropa mit dem Ziel eines atomwaffenfreien Europa sowie die Fortsetzung der Rüstungskontroll- und der Abrüstungsverhandlungen ein.

Darüber hinaus beachtete der DGB nun stärker sein eigenes Aktionsfeld, die Betriebe: Immer deutlicher wurden seine Forderungen nach Einstellung des Rüstungsexportes, nach der Umstellung von Rüstungs- auf Friedensproduktion. Gerade die Diskussionen um alternative Sicherheitskonzepte, um Rüstungskonversion, aber auch das wachsende Engagement vieler Gewerkschaftlerinnen und Gewerkschaftler für die Sicherung der Menschenrechte besonders in der Dritten Welt gaben den jeweiligen Veranstaltungen zum Anti-Kriegstag in den 80er Jahren immer neue Akzente.

Die Entwicklung des Antikriegstags seit Mitte der 80er Jahre

Mit zunehmender Entspannung zwischen Ost und West wurde es seit Mitte der 80er Jahre für Friedensbewegung und DGB immer schwieriger, für Aktivitäten zum Antikriegstag zu mobilisieren. Insbesondere nach 1989 wurde eine militärische Auseinandersetzung zwischen Ost und West nicht mehr als akut bedrohlich empfunden und die Notwendigkeit öffentlichkeitswirksamer Aktionen am 1. September war einer breiten Öffentlichkeit nicht mehr vermittelbar. Ehrenamtliches Engagement nahm seit Mitte der 80er Jahre in allen Bereichen von sozialen Bewegungen ab, wovon auch der Antikriegstag betroffen war.

Die vergangenen 10 Jahre schienen von einem gesamtgesellschaftlichen Konsens über Abrüstung, Rüstungskonversion und außenpolitischen Entspannung geprägt. Dennoch verschärften sich viele außenpolitischen Konflikte insbesondere im Nord-Süd-Verhältnis aber auch innerhalb von Europa. Im Zuge von Diskussionen über eine sogenannte "Weltinnenpolitik" und "das Erwachsenwerden von deutscher Außenpolitik" fand langsam und nahezu unbemerkt eine schleichende Militarisierung von deutscher Außenpolitik statt.

"Out of area"-Einsätze der Bundeswehr  führten seit Anfang der 90er Jahre zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Regierungs- und Oppositionsparteien über die Rechtmäßigkeit und Notwendigkeit solcher Einsätze. Im Kosov@-Krieg von März-Juni 1999 wurde schließlich die neue NATO-Strategie mit deutscher Beteiligung erprobt - begründet und ideologisch aufgeladen als Interbention für die Menschenrechte. Somit ist eine Beteiligung Deutschlands an einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg 50 Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkriegs und der Beschwörung der Parole "Nie wieder Krieg" wieder möglich geworden.

Die zwei Parolen "Nie wieder Krieg" und "Nie wieder Ausschwitz" (Scharping, Fischer; "Neue Ausschwitzlüge") wurden im Kosovo Krieg so verbunden, dass eine Akzeptanz bzw. Tolerierung des Krieges "als kleineres Übel" in breiten Bevölkerungskreisen erreicht wurde.

Eine Mobilisierung von in den Medien sichtbaren "Massen" gegen diesen Krieg ist der deutschen Friedensbewegung während des Krieges nicht gelungen. Dennoch gab und gibt es zahlreiche Diskussionen und Antikriegsaktivitäten in der gesamten Republik, in denen intensiv über die "Lehren aus diesem Krieg" nachgedacht und z.T. auch gestritten wird.

Der aktuelle Antikriegstag am 1. September 1999 wird in vielen Städten dazu genutzt werden, die friedenspolitischen Lehren aus dem Kosovo-Krieg in die Öffentlichkeit zu tragen und an die Tradition der "Nie wieder Krieg"-Bewegung anzuknüpfen. Mit Mahnwachen, Demonstrationen, Podiumsdiskussionen und möglichst großer Präsenz in den Medien kann dieser Tag dazu genutzt werden, vor dem weiteren Weg in die Sackgasse militärischer "Konfliktbewältigung" zu warnen und die Möglichkeiten, Mittel und Methoden ziviler und präventiver Konfliktbearbeitung bekannter zu machen und einzufordern.

Barbara Petersen, Mani Stenner und Christian Golla unter Verwendung der Quellen:

  • VVN/BdA: Antifaschistische Bochumer Blätter. - Bochum, [ca. 1998], 4 S.
  • DGB Bundesvorstand, Abt. Gesellschaftspol.; Abt. Gewerkschaftl. Bildung; Abt. Jugend (Hrsg.): Nie wieder Krieg - Kurze Geschichte des Antikriegstages. - Friedens- und Sicherheitspolitik: Materialien zur gewerkschaftlichen Bildungsarbeit. Düsseldorf, [ca. 1985], 36 S.

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