Editorial

Antifaschismus als Appendix
von
Peter Schulz
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Die taz versuchte unlängst durch ihre "Steckbriefausgabe" sogar visuell deutlich zu machen, daß Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Faschismus nicht aus der Mitte der Gesellschaft kommen, sondern Phänome der gesellschaftlichen Ränder sind. Gerade aber an dem dort auch abgebildeten Horst Mahler, zur Zeit Mitglied der NPD, früher FDP, davor KPD und RAF, immer noch Wirtschaftsanwalt und im schönen Kleinmachnow wohnhaft, zeigt sich, daß solche schlichten, eher geografisch gestrickten Erklärungsmuster nicht greifen.

Nun schickte uns Wal Buchenberg einen Aufsatz mit der Bitte um Veröffentlichung, worin er die Herkunft von "Ausländerfeindlichkeit" mittels der "politischen Ökonomie" herauszufinden sucht. Dies schlägt offensichtlich fehl. Er verkürzt die Marxsche Kritik der politischen Ökonomie zu einer Soziallehre, mithilfe derer er den Grad der Ausländerfeindlichkeit gleichsam aus der Höhe der Tageseinnahmen abzulesen versucht. Schließlich - auf der Suche nach einer gerechten Lösung - sollen die Gewerkschaften darüber befinden, wer als Nichtdeutscher in Deutschland leben darf und wer nicht.

Es steht außer Zweifel der Autor will Antifaschist sein. Aber was ist das für ein Antifaschismus, der Immigration danach bewertet, welchen volkswirtschaftlichen Nutzen sie bietet - und sei es auch vom sogenannten Standpunkt des sogenannten Proletariats aus? Wo liegt nun der qualitative Unterschied, was ist hier links? Kosten-Nutzen-Überlegungen und sachgerechte Beregelung von Immigration treiben sowohl den Berliner Innensenator Werthebach um als auch den oben erwähnten Neofaschisten Horst Mahler - natürlich von anderen Interessen geleitet als Wal Buchenberg und andere Lösungen im Auge habend.

Wir haben Buchenbergs Artikel dennoch hier veröffentlicht. Uns war er Lehrbeispiel dafür, wohin ein Untersuchungsansatz führt, der seine eigenen Prämissen nicht kritisch hinterfragt.

Die soziale Frage im Kontext ihres nationalen Bezuges lösen zu wollen, wie es hier versucht wird, ist als Aufgabe objektiv erledigt, weil die Wertvergesellschaftung sich ihrer nationalen Garotte schon längst entledigt hat. So kommt es nicht von ungefähr, dass nun die Reaktion, NPD-Mahler und Co. den Nationalsozialismus als Rollback-Strategie wieder entdecken und allerlei Gelichter anziehen, die diesen Weg diskursiv à la Rabehl & Friends begleiten.

Bekanntlich ist der letzte gemeinsame Bezugspunkt der heillos zerstrittenen antikapitalistischen Linken der Antifaschismus. Es zeichnet sich jedoch ab, seitdem die herrschenden Eliten im Frühsommer gegen den völkischen Haider Front machten und nun daheim gegen völkisches Denken vorgehen, daß diese Linken wegen ihres nationalbornierten Antifaschismus, der ihrem marxologischen Antikapitalismus geschuldet ist, zum Appendix von Schily & Co. mutieren. So auch Wal Buchenberg - wenn er vorschlägt, "demokratisch legitimierte" Einwanderungsquoten zu schaffen.