Stadtumbau & Stadtteilkämpfe
...Mietendeckel hin, Mietendeckel her...
Wohnungen in kommunale Verfügung!

Editorial MieterEcho 410

08/2020

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Liebe Leserinnen und Leser,

der Mietendeckel ist seit dem 23. Februar dieses Jahres in Kraft und gilt rückwirkend zum 18. Juni 2019. Auch wenn die politischen Vertreter der Immobilienwirtschaft, die Parteien CDU und FDP,  auf der Berliner und der Bundesebene vor den jeweiligen Verfassungsgerichten Klagen eingereicht und damit vereint mit den Vermieter/innen viel Unsicherheit erzeugt haben, feiert er sein einjähriges Jubiläum. Grund genug, um nach seiner Wirkung zu fragen. Das hat die immowelt AG, eine Tochtergesellschaft des Axel Springer Konzerns, getan.

Sie kommt zu dem Ergebnis, dass die Angebotsmieten der Wohnungen, die vor 2014 gebaut wurden und für die der Mietendeckel gilt, um 8% gesunken seien. Wurden 2019 zwischen Januar und Mai durchschnittliche Mieten von 11,00 Euro/qm verlangt, so waren es im gleichen Zeitraum 2020 „nur“ noch 10,10 Euro/qm. Das ist, sollte es stimmen, sehr erfreulich. In den Berliner Bezirken ist der Rückgang laut immowelt unterschiedlich. Im Wedding war er mit 18% am deutlichsten, in Neukölln lag er bei 15% und in Reinickendorf bei 11%. Auch in Friedrichshain, dem inzwischen teuersten Bezirk Berlins, haben sich die durchschnittlichen Angebotsmieten von 14,50 Euro/qm (2019) auf 14,00 Euro/qm (2020) verringert. In Hohenschönhausen hingegen sind sie unverdrossen gestiegen. Im Erhebungszeitraum 2019 lagen sie bei 9,60 Euro/qm, ein Jahr später bei 10,70 Euro/qm. Wie das zustande kommt, hinterfragt die immowelt nicht. Offenbar ist sie sich auch nicht bewusst, dass sie damit so etwas wie eine Kriminalitätsstatistik für Hohenschönhausen liefert. Außerdem fehlt die Angabe, wie viele Verfahren in dem Bezirk wegen Verstoßes gegen das Mietendeckelgesetz eingeleitet wurden.

Auf die Neubauangebotsmieten hingegen, das heißt die Mieten der nach 2014 gebauten Wohnungen, verweist die immowelt mit ganz besonderem Nachdruck. Sie seien im gleichen Zeitraum um 17% gestiegen und damit drohe, was es auf jeden Fall zu verhindern gelte: die Spaltung des Wohnungsmarktes. Dieses Argument sollte ernst genommen werden. Schließlich ist ja auch nicht einzusehen, warum die sogenannten Neubauten unreguliert bleiben. „Mietendeckel für alle“ wäre nicht nur gerecht, sondern würde auch der Spaltung à la immowelt entgegenwirken.

Doch schließlich kann – Mietendeckel hin, Mietendeckel her –  davon ausgegangen werden: Markt bleibt Markt! Eine soziale Wohnungsversorgung lässt sich unmöglich mit dem Markt, auch nicht mit einem leicht gedeckelten, sondern nur jenseits des Marktes durch einen kommunalen Wohnungsbau herstellen. Das historische Beispiel des Roten Wiens ist ein unwiderlegbarer Beweis. Ein erster Schritt in diese Richtung wäre eine tatsächliche Enteignung der großen Wohnungsbaugesellschaften und die Rückführung ihrer Wohnungen in kommunale Verfügung. Würde sich die Politik diese Strategie zu eigen machen und konsequent betreiben, könnte auf einen Mietendeckel herzlich gerne verzichtet werden.


Ihr MieterEcho

Quelle: https://www.bmgev.de/mieterecho/archiv/2020/me-single/article/editorial-26/


Der Beitrag erschien in der Nr. 420 des MieterEchos - Mitgliederzeitung der Berliner Mietergemeinschaft


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