Vollversammlung "Rise up 4 Rojava" Berlin
Bericht und Erklärung

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08/2019

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onlinezeitung

Am 27.7. kamen in Berlin Menschen zusammen, um sich über den drohenden Angriff der türkischen Regierung auf die Föderation Nord- und Ostsyrien (Rojava) auszutauschen und gemeinsame Strategien zu entwickeln. 45 Menschen sind dem Aufruf des Widerstandskommitees Berlin gefolgt. Sie vertraten  unterschiedliche Organisationen der kurdischen und deutschen Linken.

Nach einer Schweigeminute im Gedenken an die im Kampf um die Freiheit Gefallenen wurde eine Audiobotschaft der Internationalen Kommune abgespielt. Die Internationalist*innen beschrieben und analysierten die aktuelle Lage in Rojava. Seit dem 9.7. zieht der türkische Staat vermehrt Truppen an der Grenze zu den Autonomen Gebieten zusammen. Es werden Gräben ausgehoben, Haubitzen und Panzerstellungen eingerichtet und dschihadistische Banden, die mit der Türkei verbündet sind, aufgestellt. Die offizielle türkische Politik ist es, eine sogenannte „Sichertheitszone“ auf der syrischen Seite der Grenze durchzusetzen. Geht es nach der Türkei reicht diese Zone bis zu 40 km ins Landesinnere und erstreckt sich an der gesamten 600 km langen Grenze. Die von den USA geführten Verhandlungen über alternative Ansätze scheiterten. Wie in Afrin ist es das Ziel der türkischen Regierung unter Recep Tayip Erdogan den Landstrich zu entvölkern und mit den Familien der dschihadistischen Banden zu besetzen. Die Konzentration militärischer Aktivitäten an der Grenze zu Gire Spi (Tell Abyad) legen einen Beginn der Operation in diesem Gebiet nahe, um die Kantone Cizre und Kobane voneinander zu trennen. Erdogans Versuche die nordsyrische Gesellschaft auf seine Seite zu ziehen misslangen allesamt. Die verschiedenen Gruppen erklärten, dass sie hinter der Befreiungsbewegung stehen und sich auf die Verteidigung vorbereiten. Sollte die Türkei Rojava angreifen, würde der Krieg an der gesamten Front eröffnet werden. In diesem Kampf geht es um Alles oder Nichts, um das Überleben der Revolution oder die Auslöschung der Befreiungsbewegung. Denn die Türkei bedroht nicht nur Rojava. In Başur (irakisch Kurdistan), Bakur und Şengal führt sie bereits Krieg gegen die demokratischen Kräfte. Bei dem Angriff auf Afrin waren wir unvorbereitet, dass wird dieses mal nicht passieren. Die Botschaft endet mit einem Aufruf an alle antifaschistischen Kräfte auf der Welt sich schützend vor die Revolution zu stellen und sich vorzubereiten.

In der anschließenden Diskussion wurde die Rolle der USA und die Strategie des türkischen Staates näher analysiert. Für die demokratischen Kräfte in der Türkei war der Sieg in den Kommunalwahlen ein Zeichen der Hoffnung, ein Zeichen dafür, dass die Diktatur nicht unbesiegbar ist. Der Machtblock der AKP/MHP Regierung bröckelt, deswegen versucht Erdogan durch einen aggressiven außenpolitischen Kurs gegen die kurdische Freiheitsbewegung seine Position wieder zu stärken. Neben der angeblichen Bedrohung durch die kurdische Bewegung, spielen hier auch konstruierte historische Ansprüche des türkischen Staates eine Rolle. Die legitime Grenze müsse laut den neoosmanischen Vorstellungen von Suruc bis Kerkuk verlaufen. Der Angriff zielt aktuell auf die Zentren der Bewegung in der Bradost Region, wo die Regierung unter Nezivan Barzani eng mit der Türkei kooperiert und eben in Rojava, wo versucht wird die Bewegung von der Gesellschaft abzutrennen. Die Türkei wird versuchen strategisch wichtige Korridore zu erobern und so die Koordination des Freiheitskampfes zu erschweren. Der türkische Staat verhandelt mit den verschiedenen Regionalmächten und versucht insbesondere die Großmächte USA und Russland gegeneinander auszuspielen. Die USA spielen dabei eine unklare Rolle. Sie kooperieren sowohl mit der SDF in Rojava, als auch mit dem NATO Partner Türkei. Klar ist, dass keiner der Akteure aktuell den Frieden garantieren kann und will. Der Mittlere Osten bleibt der Spielplatz des Imperialismus.

Nach diesen Ausführungen wurden auf der Vollversammlung verschiedene Ideen diskutiert, mit welchen Maßnahmen und Aktionen wir uns hier gegen den Krieg und die imperialistischen Strategien stellen können. Einige Vorbereitungen laufen bereits, es soll an einer besseren Kommunikation gearbeitet und Aktionen koordiniert werden. Ein Vorschlag war es das Symbol der Kampagne der internationalen Kommune zu nutzen und es in das Stadtbild zu bringen. Es wurde auch auf das „Rheinmetall entwaffnen!“ - Camp vom 1.- 9.9.19 in Unterlüß hingewiesen, dass als Rahmen genutzt wird, Profiteure des Krieges direkt zu bekämpfen.

Abschließend einigte sich die Vollversammlung auf eine gemeinsame Erklärung, die auch in weitere Städte getragen wird. Das nächste Treffen wird am 10.8. um 18.00 Uhr in den Mehringhöfen stattfinden.

Erklärung

Liebe Freund*innen,

Wir werden nicht warten! Die Revolution in Rojava hat uns allen Hoffnung gegeben, dass ein Leben jenseits von Staat, Kapitalismus und Patriarchat möglich ist oder wie es die internationale Kommune formulierte: „Sie ist ein Leuchtfeuer inmitten kapitalistischer Finsternis!“. Unsere Freunde sind in Rojava und in den Reihen der Freiheitsbewegung. Ihr Kampf gegen Unterdrückung und Faschismus ist auch unser Kampf. Es gilt das revolutionäre Projekt zu schützen. Wir dürfen dabei nicht auf Staaten und ihre Institutionen vertrauen. Der demokratische Widerstand der Gesellschaft in der kapitalistischen Metropole steht hinter den Menschen in Rojava, Basur, Bakur und Sengal. Wir bereiten uns auf einen Einmarsch der türkischen Armee vor. Im Vorfeld werden wir durch öffentliche Aktionen die Medienblockade durchbrechen.

Sollte es zu einem direkten Angriff auf die Föderation Nord- und Ostsyrien kommen treffen wir uns am selben Tag um 18.00 Uhr auf dem Oranienplatz in Kreuzberg und werden unsere Wut auf die Straße tragen. Am darauffolgenden Samstag wird es eine Großdemo geben. Wir rufen alle solidarischen Strukturen und Menschen auf sich anzuschließen. Bereitet euch vor!

Die nächste Vollversammlung wird am Samstag, den 10.8. um 18.00 Uhr in den Mehringhöfen stattfinden.

Lang lebe die Revolution von Rojava
Lang lebe die Freiheit

Widerstandskommitee Berlin
Vollversammlung „Rise up 4 Rojava“

Quelle für Text und Foto: Indymedia vom 28.7.2019