Kritik ganzdeutscher Rechtspraxis
"Beleidigung von Justizangehörigen" als Doppeltes Deutsches Recht

von Richard Albrecht

08/2019

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Der Ort, den eine Epoche im Geschichtsprozeß einnimmt, ist aus der Analyse ihrer unscheinbaren Oberflächenäußerungen schlagender zu bestimmen als aus den Urteilen der Epoche über sich selbst.“ (Siegfried Kracauer [1927])

Der hier erstgedruckte Text weist als sozialwissenschaftliche Dokumentation und Analyse systematisch-kritisch nach, daß und wie seit Jahrzehnten innerhalb der deutschen Justiz das, gemessen an Rechts- und Verfassungsgrundsätzen so illegale, weil undefinierte, wie fiktive und insofern „Phantom“-Delikt-, „Beleidigung“ manipulativ und repressiv gegen Justizkritiker angewandt wird. Und verweist damit auf einen praxisrelevanten Kernpunkt der ganzdeutschen Justiz: ihren Mißbrauch durch ihre eigenen Organe.

Was Ralf Dahrendorf 1965 so zutreffend wie abstrakt als „zentrale Rolle des Staatsanwalts im deutschen Strafverfahren"(1) erkannte, konkretisiert und illustriert diese mikroempirische Fallstudie Bei spiel der für den gesamten deutschen Justizapparat 1977 geschaffenen und seit 1994 bundeseinheitlich  geltenden „sonstigen Rechtsvorschrift“: den „Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren“ (RiStBV). Diese „Richtlinien“ haben keine Gesetzeskraft. Sie sind nur eine Verwaltungsvorschrift und doch justiziell-praktisch allgegenwärtig. Was strafrechtlich bewußt von 1871 bis heute als – im Sinne des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland – verfassungsfremde Leerformel verbleibt, wird in dieser staatsanwaltschaftlich und berufsrichterlich massenhaft angewandten „Richtlinie“ justizintern als „Beleidigung von Justizangehörigen“ gefaßt.

Die bis heute alltäglich praktizierte und insofern handlungsmächtige Anklage und Verurteilung von  Menschen wegen des Phantomdelikts „Beleidigung“ durch die beiden justiziellen Leitfiguren „Staats anwalt“ und „Richter“ veranschaulichen erstens die illegale Praxis eines Doppelten Deutschen Rechts  mit der Bevorrechtung von „Justizangehörigen“ als bevorrechteten Rechtssubjekten. Dies ist zweitens sowohl verfassungsfremd als auch bürgerverachtend und menschenrechtsfeindlich. Die Praxis des  Sonder(un)rechts „Beleidigung von Justizangehörigen“ ist drittens ein nachhaltiges gesellschaftliches  Scandalon: es zeigt, daß der erforderliche kulturelle Bruch mit der historischen antidemokratischen  Anklage- und Verurteilungspraxis des Kaiserreichs, des „Dritten Reichs“ und der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) bis heute nicht erfolgt ist.

Damit erfährt unterhalb der Ebene großer Politik und Debatte eine (im Sinne Siegfried Kracauers) scheinbar unscheinbare Einzelheit beängstigende Aktualität: 1956, im Jahr des K.P.D.-Verbots, hatte der Große Zivilsenat des obersten (damals bundes-) deutschen Strafgerichts, des Bundesgerichtshofs (BHG), im Zusammenhang mit der (Wieder-) Beschäftigung von im nationalsozialistischen Faschismus „belasteten“ Staatsdienern, den nach Artikel 131 des Grundgesetzes sogenannten Hunderteinunddreißigern, rechtskräftig entschieden, daß der nationalsozialistische Staat 1933-1945 „im Kern ein Rechtsstaat“ war.(2)

Problemstellung

Eigene Erfahrungen(3) mit und Veröffentlichungen(4) zur „Beleidigung“ sowie zur Rechts- und Justizkritik im allgemeinen und zur Kritik des ganzdeutsch wirksamen tiefen, geheimen oder Arcanstaats im besonderen dokumentierten: Immer wenn vom Leitsatz des bürgerlichen Strafrechts (StGB § 1) „Keine Strafe ohne Gesetz“ [nulla poena sine lege; auch „nullum crimen sine lege“: Kein Verbrechen ohne Gesetz] ausgegangen wird, ist „Beleidigung“ ein virtuelles oder „Phantomdelikt“. Hier geht es um mehr: Den Nachweis des massenhaft praktizierten doppelten Rechts auch in der ganzdeutschen „Zivil“- oder genauer „Bürgergesellschaft“ und des mit dem Schlagwort doppeltes deutsches Recht zu bezeichnenden Sonder- oder Kasten“rechts“ immer dann, wenn es um „Beleidigung“ und „Justizangehörige“ geht als besondere und/oder angebliche „Beleidigung“ von „Justizangehörigen“.Damit bewegt sich dieser justizkritisch-rechtskulturelle Kurzbeitrag unterhalb der ´großen´ Ebenen von Rechtsprechung durch Rechtsbeugung(5) und vermachteter „staatsverstärkter“ Kriminalität(6): Es Hier geht es ebensowenig um einen speziellen justitiablen Sachverhalt (§ 339: „Rechtsbeugung“) im strafrechtlichen Sinn(7) wie um „Perversionen von Rechtsordnungen“ und „Rechtsperversionen“(8) als Ausdruck einer „doppelten Rechtsordnung“(9). Hier geht es entsprechend des in Form eines Kracauer-Leitzitats vorangestellten sozialwissenschaftlichen Ansatzes um die alltägliche Justizpraxis eines sonder- und/oder standesrechtlichen doppelten Rechts in Deutschland oder/und um das massenhaft praktizierte und nachhaltig wirksame doppelte deutsche Recht im Zusammenhang mit „Beleidigung“ und „Justizangehörige“, genauer: Der angeblichen „Beleidigung von Justizangehörigen“. Und en détail auch darum, wie dieses doppelte deutsche Recht unterhalb der Ebenen von Gesetz(en) und Verordnung(en) seit 1977 und zuletzt bundeseinheitlich seit 1994 durch eine bestimmte Richtlinie hergestellt wurde und bis heute (prozeß)produziert wird.

Da nicht auf das juristisch Spezielle (§ 339 StGB „Rechtsbeugung“) abgehoben wird, interessiert hier das im Speziellen aufscheinende Besondere auch als Ausdruck des Allgemeinen. Gegenüber juristisch bekannten Bezeichnungen wie etwa „Rechtsperversion(en)“ und „Rechtsbruch“ wird hier jedoch der auch im internationalen Strafrecht (1947) geschaffene Ausdruck „Rechtsverdrehung“ (englisch: tort, umgangssprachlich auch shystery) bevorzugt: er spricht begrifflich Allgemeines an und meint: „Verweigerung eines ordnungsgemäßen Verfahrens.“(10)

Diesem allgemeinen Aspekt entspricht auch die historische Analyse des nationalsozialistischen Herrschaftssystems durch Franz Leopold Neumann. Dieser sah insbesondere im NS-Rechtssystem „eine Technik der Massenmanipulation durch Terror in Rechtsform“ und beschrieb ihre wesentlichen Merkmale als Abschaffung der Gewaltentrennung, als Beseitigung des Laienrichtertums, als Reduktion der deutschen Berufsrichterschaft „auf den Status von Polizisten“ (oder bloßer „Polizeibüttel“ [Rosa Luxemburg]) und als Aushöhlung des „nulla poena sine lege, nullum crimen sine lege“-Grundsatzes im Strafverfahren(11).

Dokumentation

Es folgt der fünfte Abschnitt "Beleidigung“ der seit 1977 bestehenden und seit 1994 bundeseinheitlich wirksamen „Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren“ (RiStBV).(12) Er gilt als eine der „sonstigen Rechtsvorschriften“. Der spezielle Abschnitt besteht aus vier Nummern:

„229 Erhebung der öffentliche Klage (1) Von der Erhebung der öffentlichen Klage soll der Staatsanwalt regelmäßig absehen, wenn eine wesentliche Ehrenkränkung nicht vorliegt, wie es vielfach bei Familienzwistigkeiten, Hausklatsch, Wirtshausstreitigkeiten der Fall ist. Liegt dagegen eine wesentliche Ehrenkränkung oder ein Fall des § 188 StGB vor, so wird das öffentliche Interesse meist gegeben sein. Auf Nr. 86 wird verwiesen. (2) Auch wenn ein Strafantrag nach § 194 Abs. 3 StGB gestellt ist, prüft der Staatsanwalt, ob ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht. Will er es verneinen, so gibt er dem Antragsteller vor der abschließenden Verfügung Gelegenheit, sich hierzu zu äußern. (3) Ist kein Strafantrag nach § 194 Abs. 3 StGB gestellt, so folgt daraus allein noch nicht, daß kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht. Will der Staatsanwalt die öffentliche Klage erheben, gibt er dem nach § 194 Abs. 3 StGB Berechtigten Gelegenheit, einen Strafantrag zu stellen. Dies gilt sinngemäß, sofern eine Beleidigung nur mit Ermächtigung der betroffenen politischen Körperschaften (§ 194 Abs. 4 StGB) zu verfolgen ist. 230 Wahrheitsbeweis Dem Versuch, die Zulassung des Wahrheitsbeweises zur weiteren Verunglimpfung des Beleidigten zu missbrauchen und dadurch den strafrechtlichen Ehrenschutz zu unterlaufen, tritt der Staatsanwalt im Rahmen des § 244 Abs. 2, 3 StPO entgegen. 231 Öffentliche Bekanntmachung der Verurteilung Ist nach § 200 StGB die Bekanntgabe der Verurteilung anzuordnen, so hat der Staatsanwalt darauf hinzuwirken, dass der Name des Beleidigten in die Urteilsformel aufgenommen wird. Ist die öffentliche Bekanntgabe der Verurteilung zu vollziehen (§ 463c StPO), so sind die dazu ergangenen Vorschriften der Strafvollstreckungsordnung zu beachten. 232 Beleidigung von Justizangehörigen (1) Wird ein Justizangehöriger während der Ausübung seines Berufs oder in Beziehung auf ihn beleidigt und stellt die vorgesetzte Dienststelle zur Wahrung des Ansehens der Rechtspflege Strafantrag nach § 194 Abs. 3 StGB, so ist regelmäßig auch das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung im Sinne des § 376 StPO zu bejahen (vgl. Nr. 229). (2) Wird in Beschwerden, Gnadengesuchen oder ähnlichen Eingaben an Entscheidungen und anderen Maßnahmen von Justizbehörden oder -angehörigen in beleidigender Form Kritik geübt, so ist zu prüfen, ob es sich um ernst zu nehmende Ehrenkränkungen handelt und es zur Wahrung des Ansehens der Rechtspflege geboten ist, einzuschreiten (vgl. Nr. 229 Abs. 1). Offenbar haltlose Vorwürfe unbelehrbarer Querulanten oder allgemeine Unmutsäußerungen von Personen, die sich in ihrem Recht verletzt glauben, werden regelmäßig keine Veranlassung geben, die öffentliche Klage zu erheben, es sei denn, dass wegen falscher Verdächtigung vorzugehen ist. (3) Für ehrenamtliche Richter gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend."

Die hier vollständig zitierte Nr. 232 ist die einzige Stelle der 300 Nummern umfassenden Richtlinien für Berufsrichter und Staatsanwälte, in denen überhaupt - und in dieser Formulierung - von "Justizangehörigen" ausdrücklich die Rede ist. Damit erweist sich die Richtlinie zur „Beleidigung von Justizangehörigen“ als "Alleinstellungsmerkmal" (“unique feature” bzw. “unique selling proposition”) im gesamten RiStBV-Text.

Kerngehalt der RiStBV-Nummer 232 ist dieser Verfahrenshinweis: Nachdem diejenigen, die als (was immer folgende Kombination von Adjektiv und Substantiv bedeuten soll) „unbelehrbare Querulanten“ zum einen und subjektiv Rechtsverletzte zum anderen subsumtiv ausgesondert wurden, ist gegen den verbleibenden Rest „zur Wahrung des Ansehens der Rechtspflege […] öffentliche Klage wegen falscher Verdächtigung“ (§ 164 StGB) zu erheben. Das meint nun aber, daß es nicht mehr um eine justiziell unterwertige Strafsache wie das Phantomdelikt „Beleidigung“ geht. Sondern um „falsche Verdächtigung“ (§ 164 StGB). Und damit um ein Verbrechen, das „mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft“ wird.

Das bedeutet zugleich nicht nur die justizielle Konstruktion eines speziellen Tätertyps durch Transformation eines deliktischen Beleidigers in einen verbrecherischen Falschverdächtiger als besondere „Repressivideologie vom Täterttypus“(13). Sondern auch und weitergehend die Schaffung einer im Artikel 101 des Grundgesetzes ausdrücklich verfassungsrechtlich geächteten „Ausnahmegerichtsbarkeit“ (hier für „Justizangehörige“).

Das RiStBV-Konstrukt ist mehrfach umstritten: die psychiatrische Diagnose F22.8 „Querulantenwahn“ (paranoia querulans) im ICD-10-Klassifikationsschema ist als „sonstige anhaltende Störung“ ebenso problematisch wie die sich daran anschließende, inzwischen in verschiedenen deutschen Berufsgruppen gebräuchliche, Bezeichnung „Gerechtigkeitswahn“.(14) Und vor allem ist nicht Aufgabe rechtsstaatlich arbeitenden Staatsanwaltschaften, parapsychiatrische Ferndiagnosen zu verbreiten; sondern strafrechtlich relevante Handlungen zu untersuchen und gegebenenfalls zur öffentlichen Anlage zu bringen. „Querulanz“ wie „Gerechtigkeitswahn“ sind wie „Beleidigung“ keine justiziell zu verfolgenden und/oder zu bestrafenden Handlungen. „Querulanten“ und „Gerechtigkeitsfanatiker“ mögen als sozio-moralische Dissenter, politische Abweichler oder „true believer“(15) rigide, autoritäre oder bizarre Persönlichkeiten und nervige Zeitgenossen sein. Die in der 1810 erstveröffentlichten bewegenden Novelle von Heinrich v. Kleist (1777-1811) literarisierte Figur des Michael Kohlhaas als sich aufs Treu-und-Glauben-Prinzip guter Herrschaft verlassender – und folgend von allen guten Geistern verlassener – rigoristischer Pferdehändler sollte auch staatsanwaltschaftlich-strafrichterlich bekannt sein. Jedenfalls sind „Gerechtigkeitsfanatiker“ als solche keine staatsanwaltschaftlich als „verhaltensgestört“ auszuschließende, zu exkludierende oder/und zu diskreditierende Bürger/innen. Tätertypjustiz sollte gestern gewesen sein. Gesinnungsjustiz(16) auch.

Die seit 1994 bundesweit geltende und einheitlich angewandte RiStBV produziert eine weder verfassungsrechtlich noch gesetzlich vorgesehene bevorrechtete Sozialkategorie. Diese ist sowohl Bundestagsabgeordneten(17) als auch „Mitgliedern der im Geltungsbereich dieses Gesetzes errichteten diplomatischen Missionen, ihren Familienmitgliedern und ihren privaten Hausangestellten“(18) vergleichbar: „Justizangehörige“. Sie unterliegen nach dem tyrannisch-diktatorischen und so prä- wie antidemokratischen Grundsatz, demzufolge Herrscher keinem Gesetz unterworfen sind (princeps legibus solutus), dem privilegierten Sonderrecht der doppelten Rechtsprechung: „Sich selbst und die Seinen“ – so der justizielle Justizkritiker Egon Schneider – mißt die deutsche Justiz „mit ganz anderen Maßstäben als Fremde.“(19)

Alle richterliche Rechtsprechung hat zwei zentrale Voraussetzungen: (1) "Der Richter muss sich für jede Entscheidung, die er fällt, auf einen Rechtssatz berufen"; und (2) "Alle Entscheidungen sind aus dem Gesetz zu begründen." Entscheidend ist für die richterliche Entscheidungsbegründung. Fehlt diese, gilt: "Nach unseren logischen Überlegungen [...] reicht die Möglichkeit aus, daß das Urteil auf einer Gesetzesverletzung beruht" - und zwar immer dann, wenn die Berufung auf einen Rechtssatz und/oder die Begründung aus dem Gesetz fehlt. Das sind dann jeweils materielle Rechtsverletzungen und im Sinne der Strafprozeßordnung (§ 337) bzw. der Zivilprozeßordnung (§ 548) Revisionsgründe, weil Rechtsnormen sei´s gar nicht sei´s falsch angewandt wurden: wenn weder Rechtssätze noch Begründungen im richterlichen Entscheid mitgeteilt werden, kann auch nicht überprüft werden, ob Gerichtsentscheide rechtsnormenkonform sind oder nicht.“ (Egon Schneider, Logik für Juristen. Die Grundlage der Denklehre und der Rechtsanwendung. Berlin; Frankfurt/M. 1965: 102 ff.; 104)

Ausblick

Bisher wurde mir seit 1994 kein Einzelfall aus dem spätbürgerlichen Ganzdeutschland bekannt, in dem befaßte Staatsanwälte bei den Landgerichten und/oder (Einzel-) Richter bei den Amtsgerichten sich n i c h t an diese Richtlinien im allgemeinen und ihre Nummer 232 im speziellen gehalten hätten, etwa als unabhängige und nur dem Gesetz unterworfene Berufsrichter instrumental durch Verfahrensaussetzung nach GG Artikel 100 (1)(20) oder fundamental durch grundsätzliche Nichtannahme aller Strafverfolgungsanträge von "Beleidigung" (§ 185 StGB) unter ausdrücklichem Verweis auf den strafgesetzlichen Leitsatz "Keine Strafe ohne Gesetz" (§ 1 StGB).

Der Sachverhalt realexistierenden doppelten deutschen Rechts im justiziellen Feld bestätigt formal, was Ralf Dahrendorf (1965) als Erscheinungsform des staatlichen Juristenmonopols herausarbeitete – die zentrale Rolle des Staatsanwalts im deutschen Strafverfahren. Diese wurde am ganzdeutschen Beispiel des gesetzlich eingeforderten, jedoch typischerweise - und im einzelnen sogar in vier von fünf Fällen - mißachteten „Richterprivilegs bei der Telefonüberwachung“ von straftatverdächtigen Bürger(inne)n empirisch untersucht(21). Und was die Problematik der Realexistenz des doppelten deutschen Rechts [als ddR-Syndrom] in der formell demokratisch verfaßten ganzdeutschen „Bürgergesellschaft“(22) zur Bevorrechtung von Justizangehörigen durch die RiStBV betrifft, möchte ich nicht ausschließen, daß es hier einen empirisch ermittelbaren Implementationsfaktor von 99 % geben könnte ;-)

Anmerkungen

1) Ralf Dahrendorf, Gesellschaft und Demokratie in Deutschland. München 1965: 260-276: Die Juristen des Monopols, 162

2) BGHZ 13: 265-319

4) Zum Komplex „Beleidigung“ als „Phantomdelikt“ vgl. im Zusammenhang mit Praktiken deutschbürgerlicher „StaatsRache“ meine Texte http://www.grin.com/e-book/36391/staatsrache-justizkritische-beitraege-gegen-die-dummheit-im-deutschen (als Buch udT. StaatsRache. München ²2007); sowie meine BVerfG/EGMR-Beschwerden 2005/06 http://www.grin.com/e-book/110332/beleidigung-verfassungsbeschwerde; http://www.grin.com/e-book/110333/menschenrechtsbeschwerde-2006-an-den-europaeischen-gerichtshof-fuer-menschenrechte; grundlegend: Bürgerrechte und Staatspflichten in Deutschland. Entscheide des deutschen Bundes(verfassungs)gerichts und ihre Konsequenzen [2003] http://www.heidelberger-lese-zeiten-verlag.de/archiv/online-archiv/buergerrechteneu.pdf; Staatspflichten & Bürgerrechte; in: myops, 5 (2011) 12: 24-28

5) Günter Spendel, Rechtsbeugung durch Rechtsprechung. Sechs strafrechtliche Studien. Berlin 1984

6) Wolfgang Naucke, Die strafjuristische Privilegierung staatsverstärkter Kriminalität. Frankfurt/M. 1966

7) Volker Käswieter, Der Begriff der Rechtsbeugung im deutschen Strafrecht. Aachen 1999

8) Fritz v. Hippel, Die Perversion von Rechtsordnungen. Tübingen 1955

9) Egon Schneider, Recht und Gesetz. Die Welt der Juristen. Eine Darstellung juristischer Grundbegriffe und eine Einführung in das juristische Denken für Laien. München 1967, 158 ff.; angemessener wäre m.E. der Ausdruck: Rechtsunordnung

10) FALL 3. Das Urteil im Juristenprozeß gefällt am 4. Dezember 1947 vom Militärgerichtshof III der Vereinigten Staaten von Amerika. Hg. P.A. Steiniger; L. Leszcynski. Berlin 1969, 40 ff.

11) Franz Neumann, Behemoth. The structure and practice of National Socialism 1933–1944 [²1944]; pb. ed. New York ³1966; reprint 1983, hier 440 ff., Zitate 444, 447, 453, 458; dt.spr. Ausgabe: Behemoth. Struktur und Praxis des Nationalsozialismus. Frankfurt/M. 1984, 517 ff.

12) Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) [vom 1. 1. 1977 in der ab 1. 9. 1994 (bundeseinheitlich) geltenden Fassung] http://www.verwaltungsvorschriften-im-internet.de/bsvwvbund_01011977_420821R5902002.htm

13) Richard Albrecht, SUCH LINGE. Vom Kommunistenprozeß zu Köln zu google.de. Sozialwissenschaftliche Recherchen zum langen, kurzen und neuen Jahrhundert. Aachen 2008: 57-65: „Die ´Polizei – Freund und Helfer´“, 65

14) Beispielsweise ist im Jahresbericht des Vereins für Jugendhilfe 2010 vom jugendlichen „moralischen Gerechtigkeitswahn“ die Rede: 72, http://www.verein-fuer-jugendhilfe.de; oder im Editorial des Hartmannbund Magazins 1/2012: 3, vom „deutschen Gerechtigkeitswahn“

15) Eric Hoffer, The True Believer. Thoughts on the Nature of Mass Movements [1951]; dt.spr. Ausgabe udT. Der Fanatiker. Eine Pathologie des Parteigängers. Reinbek 1965

16) Hannes Hofbauer, Verordnete Wahrheit, bestrafte Gesinnung. Rechtsprechung als politisches Instrument. Wien 2011

19) Schneider, Recht und Gesetz, aaO, 159

20) "Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt." http://dejure.org/gesetze/GG/100.html

21) Otto Backes; Christoph Gusy et.al., Wer kontrolliert die Telefonüberwachung? Eine empirische Untersuchung zum Richtervorbehalt bei der Telefonüberwachung. Frankfurt/M. 2003

22) Ralf Dahrendorf, Der moderne soziale Konflikt. [Neuausgabe] Stuttgart 1992: 44


Editorische Hinweise

Dr. Richard Albrecht ist historisch arbeitender Sozialwissenschaftsjournalist. Leitkonzept The Utopian Paradigm (1991). Kolumnist des Linzer Fachmagazins soziologie heute. Autor der Berliner Netzzeitung trend. Erstdruck des hier leicht gekürzten Beitrags mit dem Untertitel Zur politischen Soziologie des ganzdeutschen Justizapparats in: soziologie heute, 7 (2014) 35: 28-32

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