Betrieb & Gewerkschaft
Kein Sterben auf Raten
Unzureichende Zukunftssicherung bei Opel teuer erkauft


von Carmen Stachowiak

08/2018

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Die neue Betriebszeitung der DKP Thüringen, „Der Motor“, ist erschienen und bei Opel in Eisenach verteilt worden. Mitglieder der DKP verteilten die Betriebszeitung vor dem Werkstor an die Nacht- und Frühschicht und im Anschluss in einem Wohngebiet, in dem zahlreiche Opelbeschäftigte wohnen. Die Betriebszeitung soll zukünftig einmal im Quartal erscheinen.

Man kann die Erleichterung förmlich spüren. Reim „Townhall Meeting" der Opel-Geschäftsleitung in Rüsselsheim herrscht fast gelöste Stimmung. Es gibt spontanen Applaus, als schließlich auch der Gesamlbetriebsratsvorsilzen-de Wolfgang Schäfer-Klug die Bühne betritt und seine Sicht auf die „Eck­punkte zur Zukunflssicherung aller Opel-Standorte" darlegt. Kernelemen­te: Begrenzung des Personalabbaus auf 3 700 Beschäftigte, Kündigungsschutz für die verbliebenen rund 15 000 Opel-Beschäftigten an den deutschen Stand­orten bis Sommer 2023 und Investi­tionen in alle Werke. 3 500 Kollegen hätten bereits über Altersteilzeit, Vor­ruhestand und freiwillige Abfindungen das Unternehmen verlassen oder ihren Willen bekundet, das zu tun. Somit sei die Umstrukturierung fast beendet. Jetzt könne wieder etwas Ruhe in den Betrieb einkehren.

Wenn es nach Schäfer-Klug gegangen wäre, hätte die Belegschaft uar nichts dafür gegeben, aber den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen gäbe es nun mal nicht umsonst. Und so soll das im Tarifabschluss der Metall- und Elektroindustrie mit Wirkung ab Januar 2019 vereinbarte tarifliche Zusatzentgelt von rund einem Vierte! eines Monatsge­halts plus 12,3 Prozent des monatlichen
Facharbeiter-Grundentgells bis 2023 ausgesetzt werden. Zukünftige Tarifer­höhungen ab 2020 werden um ein Jahr verschoben. Außerdem sollen übertarif­liche Entgeltbestandteile, die noch als Anpassungen

aus den Zeiten der ERA-Einführung existieren und in jeder Ent-geltgruppc sehr unterschiedlich ausfal­len, auf zukünftige Lohnerhöhungen angerechnet werden können. Faktisch könnten einige Kollegen so über fünf Jahre ohne Lohnerhöhungen dastehen. Das Geschenk der Belegschaft an Opel beläuft sich jährlich auf ein gutes halbes Monatsgehalt.

Damit ist der Kündigungsschutz teu­er erkauft. Aber nach monatelangem Hin und Her, Erpressungen und Hor­rorszenarien hatten viele wohl Schlim­meres erwartet. Was man noch nicht hat, vermisst man nicht - und so tut die Einigung noch nicht so richtig weh. Dass Opel damit über Jahre hinweg vom Flächentarifvertrag abweicht und den Verzichlsdruck auf andere Beleg­schaften erhöhl, kann keinen Gewerk­schafter froh stimmen. Kämpferische gewerkschaftliche Argumente haben in der Auseinandersetzung allerdings weit­gehend gefehlt. Die Verzichtslogik ist tief in der Belegschaft verankert. An der Re­aktion der französischen Gewerkschaft CFDT lässt sich dabei unmittelbar able­sen, dass Verzicht in eine Abwärtsspiia-le führt. Eine Sprecherin sorgt sich, dass Arbeit nun nach Deutschland verlagert werden könnt! und damit in Frankreich erneut Entlassungen drohten. Nachdem die französischen Kollegen schon drei Jahre auf Lohnerhöhungen verziehtet hatten, dürften sie jetzt nicht noch ein­mal die Zeche zahlen für die Sanierung des PSA-Konzerns. Das macht deut­lich: Mit dem aktuellen Verzicht ist die nächste Verzichtsrunde eingeläutet.

Für euer Werk in Eisenach, an dessen Zukunft die Auseinandersetzung zwi­schen IG Metall und Geschaftsleitung eskaliert war, wurden mit der Einigung die Investitionen für die Produktion ei­nes Fahr/cugmodclls freigegeben. Das SUV Grandland X soll dort ab 2019 im Zwei-Schicht-Betrieb gebaut werden -mit 450 Kollegen weniger als bisher. Die unmittelbare Gefahr für den Er­halt des Werks ist damit vom Tisch. Die Befürchtung, dass Eisenach einen „Tod auf Raten" stirbt, ist aber nicht ausge­räumt. Die langfristige Auslastung des Standorts ist mit der Produktion eines einzigen Modells nicht gesichert. Die Schließung des Opel-Werks in Bochum ist dafür Beispiel und Mahnung.

Es wird also keine Ruhe geben für uns Opelaner. Lind es darf keine Ruhe geben. Der Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen gewährt einen Aufschub, aber die nächste Erpressungsrunde kommt bestimmt. Damit Verzicht dann nicht wieder als die einzige gangbare Option erscheint, müssen wir intensiv an einer Standort- und konzernübergreifenden gewerkschaftlichen Gegenstrategie arbeiten.

Quelle: Der Motor Nr.1, Informationen der DKP Thüringen für die Kollehginnen und Kollegen von Opel Eisenach. Juli 2018 /S.1f - http://news.dkp.suhail.uberspace.de