Kommentare zum Zeitgeschehen
Nach dem Rücktritt
Ein offener Brief an Mehmet Özil

von
Deniz Naki

08/2018

trend
onlinezeitung

An die Presse und Öffentlichkeit

Im Rahmen der ethischen Regeln, ist es nicht akzeptabel einen Sportler, einen Fussballer, aufgrund seiner Sichtweise oder Gedanken zur Zielscheibe zu machen.

Wie ich es bereits immer gesagt habe, gibt es nichts selbstverständlicheres als einen Fussballer, der unabhängig vom Sport, in seinem Umfeld, seinem Land oder in dem gelebten Land, sich für gesellschaftliche Ereignisse, gegen Kriege oder Ungerechtigkeiten im Rahmen seiner Werte einsetzt.

Die letzten Ereignisse in Deutschland, dessen Staatsbürger ich bin, in Bezug auf die Situation des Nationalfussballspielers Mesut Özil sind natürlich traurig.

Egal von wem diese kommen, egal wo auf der Welt diese passieren; faschistische, rassistische, und nationalistische Angriffe, unabhängig davon gegen wen diese sich richten, sind nicht zu tolerieren.

Da es sich um den türkeistämmigen Mesut Özil handelt, halte ich es für angebracht, eine Stellungnahme abzugeben, um einen objektiven Beurteilungsspielraum im Kontext zu ermöglichen.

Ich als kurdischstämmiger habe drei Jahre lang in der Türkei für Amedspor gespielt. In dieser Zeit gab es Kämpfe in Amed und Kurdistan. Menschen sind gestorben. Damit die Menschen nicht sterben, habe ich mehrmals für den Frieden Haltung gezeigt. Ich war nicht unsensibel gegenüber gesellschaftlichen Konflikten oder Geschehnissen. Es waren kurdische Kinder, kurdische Mütter und kurdische Jugendliche die gestorben sind, es waren kurdische Städte die zerstört wurden. Ich wollte nicht, dass Menschen sterben, ich wollte dass Menschen leben.

Aufgrund dieser Haltung und aufgrund meiner kurdischen Wurzeln, wurde ich innerhalb von diesen drei Jahren in den Auswärtsspielen in der Türkei, unzählige Male beleidigt aber auch körperlich angegriffen. Seitens der türkischen Faschisten, wurde ich mehrmals bedroht. Wochenlang bekam Ich Spielverbote. Das letzte Mal wurde in Deutschland ein Anschlag auf mich ausgeübt und ich wurde zu einer Zielscheibe gemacht. Dieses war jedoch nicht ausreichend; von TFF habe ich eine Strafe von 273 Tausend Lira (knapp 47.895 Euro) bekommen. Meine Fussballlizenz wurde unbefristet entzogen und ich wurde gesperrt und musste aufhören. Trotzdessen habe ich meinen Glauben an den Frieden nie verloren und dieses habe ich auch immer wieder betont.

Weil ich mit dem Vorsitzenden der prokurdischen Oppositionspartei HDP (Demokratische Partei der Völker) Selahattin Demirtas auf einem Foto zu sehen war, wurde ich mehrmals in der Türkei gelyncht. Ich verstehe das Anliegen.

Diese Rechtswidrigkeiten sind in der Türkei passiert, zu dessen Staatsbürgern Mesut Özil und ich ebenfalls zählen. In Anbetracht dieser Ungerechtigkeiten möchte Ich Mesut Özil fragen:

-In deiner Erklärung, gehst du berechtigt auf den dir begegneten Rassismus und deine diesbezüglichen Gründe die Nationalmannschaft zu verlassen, ein. Wieso zeigst du diese Reaktion nicht, wenn es in der Türkei immer mehr zu rassistischen und faschistischen Angriffen auf mich oder auf kurdischstämmige oder anderen Minderheiten zugehörenden Fussballer kommt?

-Du sagst, du findest die Erklärungen der DFB falsch, findest du die Entscheidungen von TFF über mich ebenfalls rassistisch?

-In der Türkei wurde die Karriere von einem Fussballer beendet. Ein, für den Frieden stehender Mensch wurde als Terrorist abgestempelt, wie war deine Reaktion diesbezüglich?
-Warum sehen diejenigen, die dich in der Türkei als „heimisch“ und „national“ betrachten mich als „Terroristen“ ?

-Warum akzeptieren diejenigen die dein „Türkendasein“ unterstützen, mein „Kurdendasein“ nicht?

Bitte denk dran; diejenigen die dich bei der nächsten Reise in die Türkei mit offenen Armen empfangen, werden genau dieselben sein, die mich rassistisch angreifen. Zwischen Faschisten unterscheidet man nicht, diese sind überall, in jedem Land gleich.

Du kannst diesen Menschen von mir ausrichten: „Schöne Grüsse von dem sein Land liebenden, aus Dersim stammenden Kurden Deniz Naki mit deutscher Staatsbürgerschaft, der die Türkei zu einem bunterem Ort macht.“

Aus diesem Grunde lieber Kollege muss man, gegen jeglichen Faschismus, Rassismus, Ungerechtigkeit Despotie, und alles was die Menschenwürde runterschraubt, kämpfen unabhängig davon wo es stattfindet.

Aus diesem Grunde fordere ich dich dazu auf, nicht nur gegen den Rassismus in Deutschland zu kämpfen, sondern auch gegen jegliche Arten davon auf der Welt.

Ich fordere dich dazu auf, den in der Türkei den Kurden entgegengebrachten Rassismus und Faschismus sensibel wahrzunehmen und diesen ebenfalls zu bekämpfen.

Rassismus ist eine Krankeit; gestern hat es mich betroffen; heute betrifft es dich; und übermorgen wird es jemand anderes sein.

Für eine freie, friedliche Welt voller Hoffnung und ohne Rassismus und Ausbeutung.

Quelle: https://www.facebook.com/deniznaki62/posts/2051045554966841

Zur Person Deniz Naki: https://de.wikipedia.org/wiki/Deniz_Naki

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