Typisch Tübingen ?
Die Linke linkt die Basis !

von Siegfried Buttenmüller

08/2015

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Die Tübinger Linke ist sozusagen außerordentlich erfolgreich. Der Kreisverband der Linken in der zwölftgrößten Stadt des Landes Baden-Württemberg stellt mit Tobias Pflüger einen stellvertretenden Bundesvorsitzenden der Partei und mit Bernd Strassdeit den langjährigen Sprecher des Landesvorstandes und Landesgeschäftsführer. Heike Hänsel sitzt im Bundestag für die Linke Tübingen, die außerdem im Gemeinderat sowie im Kreistag des Kreises Tübingen vertreten ist. Außerdem stellte die Linke Tübingen mit Tobias Pflüger bis 2009 einen der wenigen Europaabgeordneten der Partei.

 

So ist es nicht verwunderlich das sich die Parteibasis mit ihren Anliegen eben an diese Tübinger Linke wendet, um Unterstützung zu bekommen.

 

Da gibt es zum Beispiel Opfer von schweren Krankheiten und Unfällen die auch nach Genesung einfach in Pflegeheime abgeschoben werden und keine Möglichkeit auf ein selbstbestimmtes Leben mehr haben. Diese Leute haben es schwer aus den Mühlen der Bürokratie und der Sozialindustrie wieder heraus zu kommen, wie auch am Fall des Gustl Mollath bundesweit bekannt geworden ist. Einige kämpfen sich jedoch heraus und gewinnen dadurch auch sehr gute Kenntnisse über die Mißstände in diesem Bereich und haben Vorschläge wie sie abgestellt werden könnten. Auch an die Tübinger Linke ist entsprechend herangetreten worden. Eigentlich wäre davon auszugehen gewesen das die Linke auf die Mißstände hinweist und auf deren Beseitigung dringt, doch die blockt total ab. Kreistagsmitglied und Landesgeschäftsführer Strassdeit gab trotz mehrfacher Nachfragen keine Auskunft über seine Meinung zu dieser Angelegenheit, geschweige denn das er sich der Sache wohlwollend prüfend angenommen hätte. Das Thema gibt es für ihn einfach nicht wie in seiner Rede zum Kreishaushalt im Kreistag ersichtlich wurde, wo er sich total in das kapitalistische System integriert hat. Auch die anderen hohen Funktionäre wie Hänsel und Pflüger blockten ab. Dennoch wurde versucht das Thema in die Linke einzubringen und bekannt zu machen und es wurde zu diesem Zweck der Beitritt zur Partei erklärt. Dagegen hat der Kreisvorstand der Tübinger Linken, in Person seiner Sprecherin und Ehefrau von Bernd Strassdeit, Gerlinde Strassdeit, Wiederspruch eingelegt. Frau Strassdeit ist jedoch in dieser Angelegenheit in mehrfacher Hinsicht befangen da sie im Aufsichtsrat der Altenhilfe Tübingen GmbH ist, Personalrätin beim Uni Klinikum Tübingen und in weiteren Gremien, wo Sie nicht die Patienten sondern Kapital und Bürokratie vertritt. So ist die Partei und Wählerbasis von Die Linke entmündigt von einer allmächtigen Partei und Staatsbürokratie, die eng verflochten und abgehoben ihre eigenen Interessen verfolgt.

 

Wähler und Mitglieder sind von dieser Bürokratie die auch von Die Linke Besitz ergriffen hat, bereits abgeschreckt. So kamen zur Kandidatenaufstellung für die Landtagswahl im Wahlkreis Tübingen, der aus der Stadt Tübingen und dazu dem größten Teil des Kreises Tübingen besteht, gerade mal 38 Mitglieder. Davon darf man ganz sicher die Hälfte zu den genannten Mandatsträgern, ihren Mitarbeitern und Verwandten zählen. So ist es nicht verwunderlich das sich Bernd Strasdeit mit großer „Mehrheit" durchsetzen konnte und auch auf dieser „Versammlung" das einige Leute von der Basis bewegende Thema „Patientenrechte" nicht diskutiert werden durfte.

 

Im letzten Jahr hatte sich bereits ein ähnlicher Fall in Tübingen ereignet. Anlas waren die olympischen Winterspiele im russischen Sotchi gewesen, was die Tscherkessen, Opfer eines dort stattgefunden Völkermordes im 19 Jahrhundert, auf den Plan rief. Die bürgerliche Presse berichtete über das Schicksal des Volkes der Tscherkessen und verglich dies häufig mit dem Völkermord an den Armeniern. Auch an Die Linke Tübingen wendete sich dieses bedrohte Volk mit konkreten Vorschlägen, so zum Beispiel die Geschichte und die Kultur ihres Volkes genau zu erforschen und zu dokumentieren. Außerdem hätte gegen diese ungeheure Geldverschwendung und das neuerliche Vertreiben von größeren Bevölkerungsteilen wegen Olympia in Sotchi protestiert werden sollen.

 

Doch auch dies wurde von den Bürokraten in Tübingen in gleicher Weise abgeschmettert, auch dieTscherkessen sind wie die Patienten nur eine kleine und unwichtige Minderheit, die dem Bürokratendasein nicht förderlich sind. Recht, Gerechtigkeit, Menschenrechte oder gar Grundwerte des Sozialismus zählen nichts gegen Geld und Macht der Bürokratie.

 

Die Krankheit die Die Linke in Tübingen und nicht nur dort befallen hat, heißt Kapitalismus.
Politik ist im Kapitalismus eine Ware die verkauft werden muss und Profit und Lohn einbringen muß. Es geht eben nicht um politische Veränderungen sondern um möglichst gute Anpassung an das System und seine Institutionen und seine Bürokratie. Man geht als Parteibürokratie Hand in Hand mit der Bürokratie anderer Parteien, des Staates und der Bürokratie der Gewerkschaften und unterstützt und zahlt sich gegenseitig. Patienten, bedrohte Völker, kämpfende Arbeitnehmer, Friedensbewegte und sonstige Bewegungen haben in diesem Tanz der Bürokratie keinen Platz, es sei denn sie sind ihr zu Diensten und von nutzen. Die Bürokratie gehört zum Kapitalismus und wird mit ihm untergehen, erst dann werden die Menschen frei sein.

 

Die Geschäftsgrundlage der „linken" Bürokratie ist schon deutlich kleiner geworden, weshalb Leute wie Hänsel und Pflüger von den Grünen zu Die Linke wechseln mußten. Doch mit dem kapitalistischen Wirtschaftssystem verschwindet auch diese letzte Geschäftsgrundlage weil Kapitalismus einfach Krieg und nicht Frieden bedeutet. Frieden, Menschenrechte und kleine Leute haben keinen Platz in kapitalistischen und bürokratischen Parteien wie auch an der Unterstützung der Kriegswahnwichtel durch Tübinger MandatsträgerInnen zu sehen ist.

 

Die Menschen müssen sich zusammenschließen um die Bürokratie zu ersetzen und Probleme wirklich angehen zu können. Und das nicht nur in Tübingen sondern überall. Der Kampf gegen den Kapitalismus ist auch ein Kampf gegen die kapitalistische Bürokratie, die durch Selbstverwaltung, gleiche Rechte für Alle und direkte Demokratie ersetzt werden muß. Wir brauchen eine „Partei neuen Typs" die für die Menschen da ist, was auch die Linke anfänglich einmal werden wollte aber nie geworden ist. Wir brauchen eine Partei im Sinne von Rosa Luxemburg, nämlich ohne Bürokratie. Nur eine unbürokratische und unkapitalistische Partei wird auch eine antikapitalistische, demokratische und unbürokratische Gesellschaft erkämpfen können.

 

Editorische Hinweise

Wir erhielten den Artikel von Siegfried Buttenmüller für die Ausgabe.