Die Verdächtigen des Bangkok-Anschlags und deren Motivation

Eine Reflexion und Analyse von Susann Pham Thi

08/2015

trend
onlinezeitung

Am vergangen Montag versetzten zwei Bomben Thailands Hauptstadt in einen Schockzustand und rissen am Erawan-Schrein mind. 22 Menschen in den Tod. Nach offiziellen Medien-Informationen spekulieren Experten auf Regierungsgegner, muslimische Separatisten aus dem Süden Thailands oder sogenannte „Rothemden“, also Unterstützer der vorherigen Regierung. Auch erweist sich die Frage nach einem (inter-)nationalen Terrornetzwerk als schwierig. Nach Angaben der Thailändischen Polizeibehörde ist allerdings klar, dass mehr als 10 Personen am Attentat beteiligt gewesen sein müssen.

Folgender Artikel ordnet den Anschlag und deren möglichen Motive in den Kontext oppositioneller Bewegungen Thailands ein und wagt einen Blick auf terroristische Netzwerkverbindungen in Südostasien. Die drei eingangs aufgezählten Gruppierungen stellen gegenwärtig die Tatverdächtigen des Anschlags dar, weshalb ein intensiverer Blick auf genau diese zentraler Bestandteil einer vollständigen Analyse ist.

Seit dem Jahr 2005 herrscht in Thailand ein anhaltender politischer Konflikt, der im Jahr 2013/2014 zu Massenprotesten führte und das Land in eine Militärdiktatur stürzte. Im Oktober 2013 organisierten sich Regierungsoppositionelle zu monatelangen Massenprotesten gegen die Regierung unter Premierministerin Yingluck Shinawatra und ihrem zeitweilig im Exil lebenden Bruder Thaksin Shinawatra. Nur wenige Monate später, im Januar 2014, versammelten sich bereits Zehntausende auf den Straßen Bankoks, um sich ausdrücklich für den Rücktritt der genannten Premierministerin, sowie gegen Thailands‘ tief korrumpierte Marionettenregierung auszusprechen („Thaksin-System“). Der Höhepunkt der Proteste bildete die Kampagne "Bangkok Shutdown“ noch im selbigen Monat. Daraufhin enthob das Verfassungsgericht Yingluck ihres Amtes, was wiederrum zum Ausruf des Ausnahmezustandes und damit zum Kriegsrecht führte. Innerhalb von zwei Tagen kam es zu einem Staatsstreich, organisiert von General Prayuth Chan-ocha, der seither das Land unter seiner Militärdiktatur führt. Das Kriegsrecht wurde zwar aufgehoben, dafür aber das Militär mit einer besonderen Verfügung zur Machtausübung verstärkt. Demgegenüber stehen die sogenannten Rothemden, die sich zwar auch der Militärdiktatur widersetzen, allerdings zu der Unterstützerfraktion des geputschten Ministerpräsidenten Thaksin gehören. Ideologisch zweifeln die „Rothemden“ zwar die gesellschaftliche Machtverteilung, weniger aber die kapitalistische Wirtschaftsordnung an. Vielmehr noch plädiert der Großteil der Bewegung für die Förderung von Globalisierung, Unternehmertum und Marktwirtschaft.

Gegenwärtig wird das Attentat auf den Erawan-Schrein allerdings als ein klares Zeichen gegen Thailands Tourismusboom und Wirtschaft gedeutet, weshalb sich an dieser Stelle der Eindruck verfestigt, dass der Anschlag weder auf die Karte der Regierungsoppositionellen, noch auf die der „Rothemden“ zuzuschreiben ist. Beide Gruppen verfolgen nämlich das wesentliche Ziel zurück zur Demokratie zu kehren und verstehen damit den Sturz Prayuths und seiner Militärdiktatur als einziges Mittel, um dies zu erreichen. Einen eventuellen Missstand in der vorherrschenden Welt- und Wirtschaftsordnung wollen sie dabei jedoch nicht erkennen. Damit sind zwar weder ideologisch noch strategisch Parallelen zum Anschlag auf eine ihrer beliebtesten und heiligsten Stätten ersichtlich, allerdings bilden sie zum jetzigen Zeitpunkt auch keine absoluten Ausschlusskriterien.

Anders gestaltet es sich um die Situation der, seit Jahrzehnten um ihre Mitbestimmungsrechte und Unabhängigkeit kämpfenden, Muslime und Separatisten im Süden des Landes. Ethnisch und kulturell wurzeln ihre Verbindungen gewissermaßen im benachbarten Malaysia, weshalb sie von der buddhistischen Mehrheit und der Regierung, speziell unter Thaksin, durch aktive Assimilationspolitik (sog. „Thaiisierung“) unterdrückt werden. Die brutalen und tödlichen Auseinandersetzungen zwischen Militärs und Separatisten kosteten seither über 5.300 Menschen das Leben. Zudem verüben sie Ihre Anschläge gezielt auf Schulen und buddhistische Tempel und markieren in Südostasien die blutigsten Aufstände dieser Zeit.

Auffällig ist, dass die internationale Medienlandschaft nur wenig oder gar nicht vom muslimischen Konflikt in Thailand berichtet. Einige Zeitungen sprechen augenblicklich sogar vom tendenziellen Ausschluss eines muslimischen Attentats mit der vagen Begründung, jenes Bombenmodell sei nicht „typisch“. Auch die Vermutung, dass ein Netzwerk hinter den Angriffen steckt, wurde zwischenzeitlich von der thailändischen Polizei, fragwürdiger Weise, revidiert.

Gerade in Südostasien wächst das terroristische Netzwerk muslimischer Fundamentalisten spürbar an. Ihre Verbindungen reichen von Jemaah Islamyyiah in Indonesien über Abu Sayyaf auf den Philippinen bis zu Al-Qaeda und stellen mit fundamentalistischen Gruppierungen in Thailand wie „Pattani United Liberation Organization“ (PULO) und der „Barisan Revolusi Nasional“ nur einen Teil auflebender radikaler Islamisten. Fundamentalisten fordern nicht nur ihre absolute Machtstellung ein, sondern sind ein reaktionäres Phänomen der westlichen Moderne, welches sich gegen die vorherrschende Weltordnung stellt. Demnach sind terroristische Tendenzen und Bewegungen auch im südostasiatischen „Schatten“ der Welt von wesentlicher globaler Bedeutung und dürfen durch die derzeitigen Geschehnisse im sogenannten Nahen und Mittleren Osten durch keine territoriale Absteckung geschmälert werden.
Darüber hinaus handelt es sich hier deutlich um eine mediale Konstruktion, die sicher auch maßgeblich von der Regierung mitverantwortet wird, dem Zwecke dienend, Thailands friedliches Gesicht zu wahren und seine boomende Tourismuswirtschaft nicht zu schwächen. Denn die Möglichkeit, dass es sich um kein wirtschaftliches oder politisches Angriffsziel handle, sondern ein religiös motiviertes, blieb bisher unerwähnt. Es könne zu sehr an die derzeitige „Welle“ radikalisierter Muslime und Dschihadisten erinnern – ein Bild welches zukünftige Touristen mit Sicherheit abschreckt.

Editorische Hinweise

Den Artikel erhielten wir von der Autorin für die Ausgabe.

Susann Pham Thi ist Gründerin des SolidariGee e.V. Sie studiert „Moderne Süd- und Südostasienstudien M.A“ an der Humboldt-Universität zu Berlin. Neben dem Studium gibt sie ehrenamtlich Deutschunterricht für Asylsuchende und macht sich nunmehr stark für eine aktive und vernetzte Integrationspolitik in Berlin.