Bernard Schmid berichtet aus Frankreich

Wenn einer eine Reise tut, auf die Krim
Rechte französische Abgeordnete plädieren für Annäherung an Putin

08/2015

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Nicht alle Franzosen sind jederzeit überall beliebt. Zehn Abgeordnete der Pariser Nationalversammlung etwa erhielten am Donnerstag, den 30. Juli 15 ein dreijähriges Einreiseverbot in der Ukraine aufgebrummt. Der Grund war ihre jüngste Reise auf die seit März 2014 an die Russische Föderation angeschlossene Halbinsel Krim, die erklärtermaßen eine Annäherung ihres Landes und seiner offiziellen Politik an Russlands Machthaber unter Präsident Wladimir Putin befördern sollte. Am Vortag war bereits ein fünfjähriges Einreiseverbot in die Ukraine über den französischen Schauspieler Gérard Dépardieu verhängt worden. Dépardieu ist, unter anderem aus steuerlicher Gründen, in Russland ansässig geworden und dort in Mordwinien wohnhaft, einer von ausgedehnten Straflagern geprägten Region.

In beiden Fällen wurden die Einreiseverbote offiziell durch Kommuniqués oder durch eine Sprecherin des ukrainischen Nachrichtendienstes SBU verkündet. Respektive bestätigt, da jenes für Dépardieu zuvor vom ukrainischen Kulturminister Iwan Kirilenko angekündigt worden war. Diese augenscheinliche politische Rolle des Geheimdiensts dürfte nichts Gutes für die ukrainische Demokratie verheißen. Es war jedoch gewiss nicht die Sorge um demokratiegefährdende Bestrebungen auf ukrainischer Seite, die die zehn französischen Abgeordneten – alle aus der bürgerlichen Rechten – umtrieb, als sie vom 22. bis 25. Juli die Krim bereisten. Denn mehrere von ihnen fielen bereits in der Vergangenheit als ausgewiesene Diktatorenversteher, wenn nicht –fans auf.

Dies gilt für den Initiator der Reise, den früheren Transportminister unter Nicolas Sarkozy und jetzigen Parlamentsabgeordneten für die Auslandsfranzosen, Thierry Mariani. Er machte im September 2002 durch eine Reise in den damals noch von Saddam Hussein regierten Irak auf sich aufmerksam (vgl. http://jungle-world.com/artikel/2002/39/23197.html ). Dort traf er unter anderem den kürzlich verstorbenen Vizepräsidenten der Diktatur, Tarik Aziz. Der Mann, der Anfang August 57 wird, leitet ansonsten den Rechtsaußenflügel der konservativen Partei Les Républicains – bis vor kurzem hieß die Partei noch UMP – in Gestalt der Strömung La Droite populaire, und machte des Öfteren durch Vorstöße zur Verschärfung der Ausländergesetze auf sich aufmerksam. Ähnliches gilt für Jacques Myard, den konservativen Rechtsausleger aus dem Raum Versailles. Letzterer zählte im Februar dieses Jahres zu den französischen Parlamentariern, die den Chef des syrischen Folterregimes Bascher Al-Assad trafen und eine Lanze für eine politische Rehabilitierung von dessen Regime brechen wollten. (Vgl. http://jungle-world.com/artikel/2015/11/51589.html )

Um Frieden und Völkerverständigung geht es dabei natürlich nicht, wenn diese Gestalten auf internationalem Parkett unterwegs sind, sondern um ein Plädoyer für eine stärker nationalstaatlich ausgerichtete, sich von den USA und der EU-Kommission absetzende Außenpolitik. Dies hat in Frankreich zwar auf der gaullistischen und mittlerweile längst postgaullistischen Rechten eine gewisse Tradition. Doch wenn dies unter dem 1970 verstorbenen Charles de Gaulle manchmal noch annähernd progressive Züge aufwies, sind diese längst verloren gegangen. De Gaulle hatte sich 1966 in seiner Rede von Phnom Penh gegen den mörderischen Krieg der USA in Vietnam gewandt. Zuvor hatten Emissäre de Gaulle, sehr indirekt, auf der Tricontinentale-Konferenz in La Havanne im Januar desselben Jahres repräsentiert, die progressive antikoloniale Bewegungen versammelte. Besonders die Franko-Amerikanerin Josephine Baker, die in Frankreich vor allem als Tänzerin bekannt war, aber als Mitglied der Résistance im Zweiten Weltkrieg und aktive Unterstützerin der US-Bürgerrechtsbewegung in Wirklichkeit eine wichtige politische Rolle spielt, war dabei als Bindeglied zwischen de Gaulle und Fidel Castro tätig. Doch in späteren Zeiten bedeutete eine „eigenständige Außenpolitik“ für den Teil der Konservativen, der sich eine in solche Tradition zu stellen versucht, eher das Bündnis mit mörderischen Regimes wie seit den siebziger Jahren im Irak.

Jacques Myard brachte die Dinge auf den Punkt, als er, zu seinem Abstecher auf die Krim interviewt, erklärte: „Ich bin weder pro-amerikanisch noch pro-russisch. Ich bin pro-französisch!“ Myard erklärte wörtlich, die Krim habe sich ihm als „in Schlaraffenland“ (pays de Cocagne) dargestellt. Alle Menschen dort seien froh, wieder zu Russland zu gehören, und „alle Sprachen – Russisch, Ukrainisch, Tatarisch – sind voll anerkannt“. Zumindest von den Krim-Tartaren verlautbarte jedoch wiederholt, dass sie über die Angliederung an Russland nicht nur glücklich seien, und die Abstimmung vom 16. März 2014 genügte nicht den Grundsätzen für eine freie, unbehinderte und faire Wahl.

Die zehn Abgeordneten trafen auch den russischen Parlamentspräsidenten Sergej Naryschkin – er empfing in jüngster Vergangenheit auch zwei mal Marine Le Pen, und beglückwünschte ihre rechtsextreme Partei im Mai dieses Jahres – und besuchten einen französischen Soldatenfriedhof. Die Präsenz dieser Gebeine war ihnen ein Argument dafür, warum Frankreich auf der Krim präsent bleiben müsse. Die Soldaten sind allerdings schon eine Weile tot, denn sie fielen im Krimkrieg der Jahre 1853-56.

In einem Kommuniqué sprachen die Abgeordneten auch von glänzenden Investitionsaussichten für französische Unternehmen, etwa im Tourismus, und forderten eine einseitige Aufkündigung der EU-Sanktionen gegen die Russische Föderation durch Frankreich. Ferner erklärten sie, Russland könne eine friedensstiftende Rolle im Mittleren Osten spielen, mutmaßlich aufgrund seiner engen Kontakte zum syrischen Regime. Der Pariser Abgeordnete der Mitte-Rechts-Partei UDI, Yves Pozzo di Borgo, trug bei seiner Reise ein T-Shirt mit der russischsprachigen Aufschrift: „Obama, Du bist ein Idiot.“

Einige Spitzenvertreter des konservativen Lagers in Frankreich teilen im Kern ähnliche Positionen wie die reisenden Abgeordneten. Nicolas Sarkozy unternahm am 7. Februar dieses Jahres einen Vorstoß, indem er seinem Nachfolger im Präsidentenamt Nicolas Sarkozy vorwarf, die Kontakte zu Wladimir Putin zu vernachlässigen – er behauptete, „nicht zu verstehen, warum Hollande ein Jahr warten musste, um Putin infolge der Ukrainekrise zu treffen“, was nicht zutraf, da Hollande ihn binnen eines Vierteljahrs zwei mal getroffen hatte. In derselben Rede meinte Sarkozy auch, die Einwohner der Krim „wollten zu Russland gehöre, ich sehe nicht, was man ihnen daran vorwerfen könnte“. Sarkozys früherer Premierminister, und jetziger (eher aussichtsloser) Rivale für die konservative Präsidentschaftskandidatur, fordert seinerseits ein offenes Bündnis mit den Machthabern in Russland und im Iran im Kampf gegen die sunnitischen Extremisten des IS.

Editorische Hinweise

Den Artikel erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe.