Bernard Schmid berichtet aus Frankreich

Front National

08/2015

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Jean-Marie Le Pen gewinnt alle drei Prozesse, welche er gegen seine eigene Partei anstrengte. Seine politische Zukunft und sein Verbleib beim FN bleiben ungewiss. Unterdessen ist bei der rechtsextremen Partei eine schwankende Linie in mehreren strategischen Fragen zu verzeichnen

Und aller guten, oder schlechten, Dinge sind drei. Am Dienstag, den 28. Juli 15 fiel das Urteil des Berufungsgerichtshofs von Versailles in der Causa Le Pen versus Le Pen. Es war bereits das dritte in Folge seit Anfang des Monats Juli und besiegelte endgültig den Versuch der seit viereinhalb Jahren amtierenden Parteiführung des Front National (FN), sich des Problems in Gestalt seines Altvorsitzenden Jean-Marie Le Pen auf administrative Weise zu entledigen. So einfach wird man ihn nicht loswerden, er klagt sich erfolgreich wieder hinein.

Seit April dieses Jahres schlagen die Wogen im innerparteilichen Streit hoch. Einer der Auslöser für die Eskalation dürfte damals gewesen sein, dass die französische neofaschistische Partei bei den Bezirksparlamentswahlen vom 22. und 29. März 15 nicht ganz so stark abgeschnitten hatte, wie Umfragen ihr vorauszusagen schienen. Zwar erhielt der FN damals mit 25,2 Prozent ein Rekordergebnis auf landesweiter Ebene. Doch die Meinungsforschungsinstitute hatten ihm in den Wochen zuvor in ihren Prognosen bis zu 33 Prozent prophezeit. Deswegen, und weil die Rechtsextremen entgegen manchen Voraussagen auch keine Bezirksregierung übernehmen konnten – eine solche Möglichkeit war etwa in den südostfranzösischen Départements Var und Vaucluse oder in Teilen der Picardie ins Auge gefasst worden -, verlor die „nationale Bewegung“ durch das Ergebnis an Dynamik. Trotz ihres an und für sich hohen Abschneidens verschärfte sich ihr Strategiestreit.

Dass der inzwischen 87jährige Jean-Marie Le Pen in der ersten Aprilhälfte 2015 zwei Interviews gab, mit dem Sensationsfernsehsender BFM TV (02. April) sowie der altfaschistischen Wochenzeitung Rivarol (vom 09. April), in denen er unter anderem den Marschall Pétain explizit in Schutz nahm, goss noch zusätzlich Öl ins Feuer. (Wir berichteten) Die Parteiführung unter seiner Tochter und Nachfolgerin Marine Le Pen fasste daraufhin zwei Beschlüsse. Seit Anfang Mai war Jean-Marie Le Pen von seinen Mitgliedsrechten „suspendiert“, das bedeutete, diese waren ihm auf unbestimmte Zeit hin entzogen. Zugleich ging die Leitung daran, an einer Überarbeitung der Parteistatuten zu arbeiten, um den Posten des „Ehrenvorsitzenden“ abzuschaffen. Dieser Titel war Jean-Marie Le Pen auf dem mittlerweile vorletzten FN-Parteitag im westfranzösischen Tours 2011 verliehen worden, als er formal den Vorsitz abgegeben hatte. In seinen Augen sollte er es ihm jedoch ermöglichen, hinter den Kulissen nach wie vor alle Vorgänge zu kontrollieren. Als „Ehrenvorsitzender“ stand ihm die Teilnahme an Sitzungen sämtlicher Parteigremien, mit Stimmrecht, offen.

Wie es sich für eine ordentlich demokratische Partei nach Art des FN gehört, wurde über die Änderung der Parteistatuten hochdemokratisch entschieden. Die Modifikationen wurden den Mitgliedern zur Abstimmung vorgelegt – doch hatte die Leitung dafür gesorgt, dass 33 Artikel, über die Hälfte der Statuten, abgeändert wurden. Manche Änderungen erweitern die Mitgliederrechte, zehn Prozent der Parteimitgliedschaft können demnach etwa eine Abstimmung zu einer Einzelfrage erzwingen. Über alle Abwandlungen konnte nur in einem Aufwasch abgestimmt werden, mit Ja oder Nein zum ganzen Paket, ohne im Einzelnen mitreden zu können. Die verbliebenen Parteigänger des alten „Ehrenvorsitzenden“, der die Partei selbst von ihrer Gründung 1972 bis Anfang 2011 geleitet hatten, monierten jedoch, nur ein Parteikongress könne über die Abschaffung eines Amtes entscheiden, das auf einem anderen Parteikongress vergeben worden sei. Daran solle es nicht scheitern, erwiderte die Leitung: Man beraume eben einen virtuellen Parteitag an, in Gestalt einer Urabstimmung auf postalischem oder – meist – elektronischem Wege. Das Votum per Brief oder e-Mail werde als die Abhaltung eines Parteitages, im virtuellen Raum, gewertet.

Juristischer Sieg auf der ganzen Linie

Diese Abstimmung begann am 19. Juni und sollte noch bis zum 10. Juli 15 dauern. Doch dann funkte die Justiz dazwischen. Am 02. und 08. Juli d.J. fielen ihre ersten beiden Urteile, erstinstanzlich. Das erste kam Jean-Marie Le Pen gegen seinen vorläufigen Ausschluss zu Hilfe: Da die Dauer der „Suspendierung“ nicht präzisiert worden sei, diese aber nur auf Zeit – bis zu einem endgültigen Ausschluss oder einer Wiederaufnahme – erfolgen könne, sei diese zu Unrecht ausgesprochen worden. Der alte Haudegen argumentierte daraufhin, da er als „Ehrenpräsident“ auf ungerechtfertigte Weise entfernt worden sei, er in dieser Eigenschaft aber an allen Gremiensitzungen teilnehmen hätte können, seien auch deren während seiner zweimonatigen Abwesenheit gefällte Beschlüsse unrechtmäßig zustande gekommen. Daraufhin attackierte er auch die Entscheidung zur Abhaltung des Mitgliedervotums.

Das zweite Urteil gab ihm auch darin Recht. Es wurde nun vergangene Woche in der Berufungsinstanz bestätigt. Die Richter zogen die Parteistatuten heran, denen zufolge nur eine „ordentliche“, nicht aber eine „außerordentliche“ Parteiversammlung auf postalischem Wege einberufen werden kann. Allem Anschein nach hatte die aktuelle Parteiführung ihre Sache amateurhaft angestellt und nicht einmal die eigene Satzung genau studiert – die Jean-Marie Le Pen sich dereinst hatte auf den Leib schneidern lassen. Auf die gerichtliche Annullierung der Urabstimmung antwortete die Parteiführung am Abend des 29. Juli, indem sie deren vorläufiges Ergebnis – obwohl es keine rechtliche Gültigkeit aufweist – veröffentlichte. 29.000 von derzeit 51.000 Parteimitgliedern nahmen bis zu ihrem Abbruch an der Abstimmung teil; und 94 Prozent von ihnen votierten für die Änderungen, mit denen Jean-Marie Le Pen der „Ehrenvorsitz“ durch dessen Abschaffung entzogen worden wäre.

Jean-Marie Le Pen bleibt der Partei also vorläufig als Mitglied erhalten, und er dürfte auch nicht zögern, sich als solches lautstark zu Wort melden. Ein eventueller Ausschluss – für den ein „echter“ Sonderkongress einberufen werden müsste - verkompliziert sich nun, denn nach der Sommerpause beginnt der Wahlkampf für die am 06. und 13. Dezember 15 in ganz Frankreich stattfindenden Regionalparlamentswahlen. Bei ihnen kann sich die extreme Rechte höhere Chancen ausrechnen als bei den Bezirkswahlen im März 15; bei Letzteren gilt das Mehrheits-, bei den Regionalwahlen jedoch das für den FN weitaus günstigere Verhältniswahlrecht. Misstöne im Vorwahlkampf kann die Partei da jedoch absolut nicht gebrauchen. Einige Parteigänger Jean-Marie Le Pens, besonders in Südostfrankreich, denken nun sogar lautstark darüber, ihre eigene Partei mit konkurrierenden Listen zu stören. Sich darauf einzulassen, dürfte für den Altvorsitzenden jedoch riskant sein. Denn die Unterstützung einer eigenen Liste von „Dissidenten“ könnte einen nunmehr handfesten Ausschlussgrund liefern.

Möglicherweise rauft man sich also doch noch zusammen. Es zeichnet sich dabei sogar bereits jetzt ab, dass der 33jährige Florian Philippot dabei das Bauernopfer abgeben dürfte, denn er hat sich als Vizevorsitzender der Partei besonders weit gegen den Altfaschisten Jean-Marie Le Pen aus dem Fenster gelehnt. Und er wird wegen seiner Homosexualität zunehmend offen angegriffen. Auffällig ist zudem, welcher ideologischer Anspielungen sich der Altvorsitzende in seinem Kampagnenfeldzug parallel zum innerparteilichen Streit bemüht. In Presseaussendungen und Videobotschaften griff Jean-Marie Le Pen mehrfach gezielt Bemühungen seiner Nachfolgerin Marine Le Pen an und auf, das Abschwören ihrer Partei vom offenen Antisemitismus demonstrativ zur Schau zu stellen.

Streitpunktthema Antisemitismus

Ein Pressekommuniqué vom 25. Juni 15, bei dem es überwiegend um die diversen innerparteilichen Auseinandersetzungen geht, stellte der alte Herr etwa unter den Titel: „Der FN als Schutzschild der jüdischen Gemeinschaft?“ Dies spielt auf eine Formulierung von Marine Le Pen an, die sie wählte, als sie vor Jahren behauptete, die extreme Rechte schütze die französische jüdische Community vor einer angeblichen muslimischen Bedrohung, durch seine Ablehnung von Einwanderung.

Am 10. Juli 15 wiederum erschien eine seiner Videobotschaften, die er regelmäßig unter der Bezeichnung „Bordtagebuch“ veröffentlicht – seit seiner Jugend als Sohn eines bretonischen Fischermeisters liebt er Metaphern rund um das Kapitänswesen – im Netz unter der Überschrift: „Jean-Marie Le Pen zeigt sich erstaunt über das Treffen zwischen Marine Le Pen und einer Delegation des Europäischen Jüdischen Kongresses.“ In dem gut zehnminütigen Interview geht es um unterschiedliche Themen, aber dieses eine wurde durch den Gesamttitel in den Vordergrund gerückt. Die regelmäßigen Videobotschaften werden durch Jean-Marie Le Pen zusammen mit Marie d’Herbais hergestellt. Letztere ist die Ehefrau des faschistischen Aktivisten, Security- und Event-Managers sowie Lobbyisten des syrischen Regimes, Frédéric Chatillon. Ihre Mutter, die Gräfin Katherine d’Herbais, war in den neunziger Jahren Regionalparlamentarierin des FN; zu Prominenz gelangte sie durch die netten Tiere, die sie auf ihrem Grundstück in der Picardie hielt. Als ihre lieben Hundchen – zwei dänische Doggen – am 15. August 1996 für wenige Stunden ausbüchsten, rissen sie in kürzester Zeit 150 Schafe (davon 48 sofort tot).

Dereinst positionierte sich Jean-Marie Le Pen selbst genau, wie seine Tochter heute: Durch demonstrative Kontakte zu bestimmten jüdischen Institutionen oder Gruppen versuchte er, seit den fünfziger Jahren bekannte Hitler-Sympathien hintan zustellen und darauf zielende Vorwürfe zum Schweigen zu bringen, sich also einen „Persilschein“ abzuholen. Im Februar 1987 traf er deswegen in New York mit einzelnen Vertretern des Jüdischen Weltkongresses sowie Repräsentanten der rechtsnationalen israelischen Herut-Partei - Vorläuferin des Likud-Blocks – in den USA zusammen, und vor allem mit Letzteren fand er auch eine gemeinsame Sprache und erntete Applaus. Diese Politik kam jedoch ins Wanken, nachdem er im September 1987 wegen seiner erstmals im Fernsehen getätigten, Auschwitz offen relativierenden – wenn nicht bestreitenden – Äußerungen angegriffen wurde. Jean-Marie Le Pen war zuvor ehrlich überzeugt gewesen, er habe doch „den Juden“ gesagt, was sie hören wollten; und da sie unter einer Decke steckten, so sein Raisonnieren, habe er nun seine Frieden. Daraufhin warf Jean-Marie Le Pen die von ihm seit 1956 und seit den Kolonialkriegen Frankreichs in Nordafrika sowie der Suez-Expedition, bei dem das koloniale Frankreich mit Israel verbündet war, verfolgte und ostenstativ zur Schau gestellte pro-israelische Orientierung über den Haufen. Seitdem ist er wie besessen von dieser Erfahrung: Er glaubt noch immer, damals hinters Licht geführt und überlistet worden zu sein, und dass die extreme Rechte – falls sie in einschlägigen Kreisen lieb Kind zu sein, und Antisemitismusvorwürfe abzustreifen suche – auf Dauer nur ein abhängiger Büttel einschlägiger „Lobbys“ und „antinationaler Kreise“ sein könne. Deswegen ist es ihm ein ideologisches Anliegen, sich von solchen Bestrebungen gänzlich freizuschwimmen. Seine Tochter ist hingegen, wie ein Großteil der nach den 1960er oder 1970er Jahren politisierten Generationen der extremen Rechten, überzeugt davon, mit Versuchen zur Rehabilitierung des historischen Faschismus und des Antisemitismus sei strategisch kein Blumentopf zu gewinnen. Dem vor allem gegen zeitgenössische Einwanderung gerichteten Rassismus gehöre allein die Zukunft.

Konfliktschauplatz Wirtschaftspolitik

Auch entlang einer anderen Frage sind strategische Konflikte aufgebrochen. Und zwar wurde und wird die wirtschafts- und sozialpolitische Ausrichtung des Front National verstärkt zum Streitgegenstand. Seit 1990 setzte die dominierende Fraktion der rechtsextremen Partei – die in den frühen 1980er Jahren noch scharf wirtschaftsliberal ausgerichtet war und damals erklärtermaßen auf Ronald Reagan und Margaret Thatcher schwor - verstärkt auf soziale Demagogie, die bisweilen nach einem modernisierten und etwas Strasser-Kurs (unter Anspielung auf eine Phase in der Geschichte der NSDAP) klingen konnte. Hauptsächlich in der Erwartung, aufgrund ihrer Prognose „Der Marxismus ist tot“ – vor dem Hintergrund von Berliner Mauerfall und Krise der UdSSR – die Linke verdrängen und als alleinige „Opposition gegen die herrschende Ordnung“ dastehen zu können. Doch dies hat nicht vollständig funktioniert, und die extreme Rechte schaffte es insbesondere nicht, die Gewerkschaften zu verdrängen. Marine Le Pen hat diese Orientierung im Diskurs des FN, die bereits vor 25 Jahren begonnen hatte, nur fortgesetzt und verstärkt. Auch wenn bürgerliche Journalisten sich heute oft auf naive Weise darüber erstaunt zeigen, dank Marine Le Pen zeige ihre Partei heute vermeintlich plötzlich auch eine „soziale Sensibilität“.

Seit einigen Monaten ist der FN jedoch genau deswegen scharfen Angriffen ausgesetzt. Die konservativ-wirtschaftsliberale stärkste Oppositionspartei – früher UMP, inzwischen in Les Républicains umbenannt – griff ihn scharf wegen angeblicher „Linkslastigkeit“ seiner Programmatik an. Die wegen rassistischer Ausfälle berüchtigte konservative Abgeordnete Nadine Morano kreidete dem FN im April 15 gar ein „linksradikales Wirtschaftsprogramm“ an. Jean-Marie Le Pen griff und greift ebendiese Kritik auf, in seinen Interviews im April dieses Jahres zunächst eher leise, heute eher laut und von einem „Linkskurs“ schwadronierend. Andere Kreise in der Partei, darunter die zwischen ihrer Tante Marine und ihrem Großvater Jean-Marie Le Pen stehende 25jährige Parlamentsabgeordnete Marion Maréchal-Le Pen, schlossen sich dem in der Sache an.

Dies zeigt auch Wirkung, und es kam in Ansätzen bereits zu einer Kurskorrektur (welcher unterschiedliche Medien wie die Tageszeitung ,Libération’ vom 23. Juli 15 oder die rechtskonservative Webseite ,Les 4 vérités’ bereits eigene Artikel widmeten). So schwächte Marine Le Pen in den letzten Wochen ihre Kritik am Wirtschaftsliberalismus spürbar ab, griff im Juli 15 vor allem die Steuerbelastung für kleinere und mittlere Unternehmen an und setzte der Staatsintervention Grenzen: Nach wie vor spreche sie sich für einen Staat als „strategischen Wirtschaftsplaner“ aus, dieser dürfe jedoch kein „aufdringlicher Staat“ gegenüber der Privatwirtschaft sein. In der westfranzösischen Region Pays-de-la-Loire wirbt der dortige Spitzenkandidat zu den Regionalparlamentswahlen, Pascal Gannat, zum Auftakt seines Vorwahlkampfs überwiegend mit der Forderung nach Steuersenkungen für Unternehmen und der Idee einer „Befreiung wirtschaftlicher Energien“ (durch weniger Regulierung usw.). Auch Marion Maréchal-Le Pen ist davon nicht weit entfernt. Ihrerseits wirbt sie im Vorwahlkampf für „weniger Wirtschaftsliberalismus nach außen und mehr Wirtschaftsliberalismus nach innen“, also für weniger Marktöffnung für die außerfranzösische oder jedenfalls außereuropäische Konkurrenz, doch mehr Politik zugunsten der „heimischen“ Unternehmen. Nationalliberalismus statt Sozialdemagogie vom Strasser-Typus.

Gekoppelt ist diese Debatte auch um jene rund um die Situation in Griechenland. In demagogischer Absicht hatte der FN sich zu Anfang des Jahres, als Syriza die Wahl vom 25. Januar 15 gewann, als angeblichen französischen Unterstützer der Absichten der griechischen Partei aufgespielt – weil man angeblich beiderseits gleichermaßen den Euro loshaben wolle. Noch im Februar d.J. am allerdings eine gegenläufige Reaktion vom FN, indem er Syriza in Reaktionen auf die Forderung nach Schuldenstreichung der „Unverantwortlichkeit“ zieh.

Rund um das Referendum vom 05. Juli 15 machte das Führungsmitglied Florian Philippot neue Vorstöße und freute sich demonstrativ über das griechische Votum, als angebliches Anzeichen für ein baldiges Auseinanderfallen der Eurozone. Zu Hilfe kamen der extremen Rechten dabei auch bürgerliche Reaktionen. Der Wirtschaftsminister der rechtssozialdemokratischen Regierung, Ex-Geschäftsbanker Emmanuel Macron, behauptete beispielsweise am 06. Juli d.J. kackfrech, hierzulande sei der FN die französische Entsprechung zu Syriza. Und das konservativ-wirtschaftsliberale Wochenmagazin Le Point publizierte am 09. Juli d.J. einen Rotztitel unter der Überschrift: „Tsipras, Iglesias, Mélenchon, Le Pen – Die Scharlatane gegen Europa.“ (Den Hintergrund dazu bildet das Konterfei von Alexis Tsipras.) Nun ist Marine Le Pen eine französische Neofaschistin; hingegen sind Alexis Tsipras, Pablo Iglesias und Jean-Luc Mélenchon mehr oder minder etablierte Linkspolitiker in Griechenland, Spanien und Frankreich.

Die Aussichten auf eine Profilierung als „Protestkraft“ schienen also glänzend. Philippot wurde dennoch schnell zurückgepfiffen. Marine Le Pen sprach sich gegenüber Le Monde gegen einen Ausstieg Griechenlands aus der Eurozone aus, und selbst Philippot relativierte den vermeintlich positiven Charakter eines griechischen Abschieds vom Euro zeitweilig erheblich. Inzwischen nutzt er allerdings die Gunst der Stunde, um vor allem Syriza die griechische „Kapitulation“ (vom 13. Juli 15 in Brüssel, beim Abschluss des Eurozonen-Gipfels) vorzuwerfen.

Die dem FN nahestehenden mittelständischen Unternehmer- sowie reaktionären Rentnerkreise reagieren allergisch auf Ankündigungen, die auf einen Euro-Austritt gerichtet sind: Die Furcht um die eigenen Ersparnisse wiegt in dem Falle stärker als nationalistische Ideologie.

Editorische Hinweise

Den Artikel erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe.