Betrieb & Gewerkschaft
IG-Metall Tarifrunde
Wieder ein enttäuschender Abschluss nach kämpferischem Auftakt!

von Redaktion "Arbeit-Zukunft"

08-2013

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Es gab einen enttäuschenden Abschluss der IG Metall-Tarifrunde!

Und deshalb ist es ziemlich hoch hergegangen bei der Sitzung der Großen Tarifkommission der IG Metall in Baden Württemberg am Montag, dem 3.Juni 2013. Aber zunächst einmal die Fakten!

Die Tarifkommission hatte über die Übernahme und damit über die Annahme des im Tarifbezirk Bayern am 14. Mai 2013 ausgehandelten Tarifabschlusses zu entscheiden:

So sah das bayerische Ergebnis aus:

* Für Mai und Juli 2013 soll es nichts geben,

* ab Juli 2013 bis April 2014 3,4 %, also nur 10 Monate lang, und

* ab Mai 2014 bis Ende Dezember 2014 noch mal 2,2%.

Das ist das Ergebnis der - wie so oft - bei zigtausenden warnstreikenden Kolleg/innen ausgesprochen kampfbereit begonnenen IG-Metall-Tarifrunde.

Es gibt keine Struktur- bzw. Festgeldkomponente, wie sie zahlreiche Mitglieder fordern! Das war im Vorfeld schon abgebügelt worden, wir berichteten! Und es gab noch nicht einmal einen Einmalbetrag für die 2 Monate ohne prozentuale Erhöhung! Die IG Metall bei VW hatte im Haustarif-Abschluss, der ansonsten genauso aussieht, immerhin für die ersten zwei Monate einen Einmalbetrag erstritten. Aber für die Metaller/innen im Rest der Republik: nichts! 

2,85 %!, nicht 3,4%!

So begann denn das übliche Rechnen:

* Der IG Metallvorstand sagt, dass die Kolleg/innen ab Juli 2013 per Tarifliste 3,4% mehr haben, und ab Mai 2014 mit den zusätzlichen 2,2% dann sogar 5,6 %. Und so lautete die Propaganda denn auch ganz offiziell: Hurra, 5,6 % mehr! Nur dass die Kolleg/innen bis Ende Juni 2013 noch gar nichts davon spüren und bis Ende April 2014 nur 3,4%.

* Die stets „undankbaren“ kämpferischen Kolleg/innen rechnen anders: Die Tarifrunde ist schon beendet, aber da braucht mein Chef noch gar nichts tun. Vielmehr kann er unseren Lohnerhöhungsbetrag von 3,4% zwei Monate lang als Festgeld oder Tagesgeld anlegen und mit den Zinsen schon mal einen Teil der Lohnerhöhung ab Juli finanzieren. Legen aber wir für uns, wie üblich, die 10 Monate mal 3,4% auf die 12 Monate Laufzeit (mit den Leermonaten Mai und Juni) um, dann bleiben 2,85%. Mein Chef tut bekanntlich dasselbe, also muss er nur 2,85 % aufs Jahr rechnen, und wenn er von dem vorab angelegten Geld noch Zinsen kassieren kann, dann ist es noch weniger!

* Positiv vermerkt wurde im Allgemeinen, dass der Tarifvertrag keine Öffnungsklausel enthält, die es dem Kapital ermöglichen würde, einzelne, nicht so kampfstarke Belegschaft zu erpressen, um auch die Auszahlung dieser bescheidenen 3,4 % (2,2%) vielleicht noch weiter heraus zu zögern, weil es dem Unternehmen, ach!, so schlecht geht. Immerhin! 

Heiße Debatte in der Großen Tarifkommission! 

In der Tarifkommission ging es dann hoch her! Zahlreiche Redner kritisierten den Abschluss deutlich, einige scharf! Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende von Porsche, Uwe Hück lehnte den Abschluss unter Berufung auf seine Mitglieder ab, auch mehrere Redner von Mercedes Benz(!).

Hück ließ dann wissen, dass er sich bei Porsche betrieblich für einen Einmalbetrag, der als Rentenbaustein wirken sollte, einsetzen wollte. Eine einzelne kampfstarke Belegschaft soll sich einen Zuschlag holen!? Sieht so die Gemeinsamkeit aus?

Es gab auch Forderungen aus Vertrauenskörpern, den Abschluss abzulehnen, so z. B. von Festo in Esslingen. Ihre Stellungnahme wurde der Redaktion zugänglich gemacht:

„…Gerade in den Betriebsbereichen…, die sich überdurchschnittlich stark am Warnstreik beteiligten, gibt es viel Kritik. Die Kolleg/innen lehnen die lange Laufzeit bis 2015 ab. Mit den Nullmonaten bis Juli 2013 ergeben sich nur ca. 2,8%. Die Inflationsrate, steigende Lebenshaltung und vor allem Spritpreise werden so nicht ausgeglichen!...Bereits die Forderung war mit 5,5% viel zu niedrig, die von den Festo-Kollegen geforderte Festgeldkomponente von mindestens 200 Euro wurde gar nicht berücksichtigt…. Warum wird die kampfbereite Basis eigentlich nicht gefragt??

Bertolt Huber hat früh auf eine 3 vor dem Komma orientiert. Solche Erklärungen vor Beginn der Streiks schaden! Eine IG Metall, die den Kampf beendet, bevor er richtig begonnen hat, verzichtet auf Anziehungskraft… Wir wollen aber stärker werden als IG Metall!...

Die Tarifkommissionsmitglieder fordern wir auf, Nein zu sagen! Für die Entfaltung der vollen Kampfkraft zur Durchsetzung unserer berechtigten Forderungen!“

Soweit die Festo-Kollegen. Das fasst alles zusammen, was die kämpferische Basis sagt. Insbesondere wird die Verbitterung immer größer, dass die Forderungsdiskussionen an der Basis vom Vorstand abgewürgt wird, weil er immer im Vorab schon Zahlen nennt, die durch nichts legitimiert sind, aber die Diskussion faktisch beenden und unterdrücken! Immer lauter wird die Forderung, dass der Vorstand im Vorfeld der Tarifrunde den Mund zu halten habe und nichts in der Öffentlichkeit zu schwätzen habe!!

Trotzdem ging der Abschluss in der Abstimmung dann mehrheitlich durch.

Die Konsequenz eines „Nein!“ wäre gewesen, dass der Kampf in den Betrieben hätte wieder aufgenommen werden müssen. Es war daher eine auffällige Strategie der Bezirksleitung, dass die Abstimmung so spät stattfand. Gleich nach dem bayrischen Abschluss hatte schon eine Tarifkommissionssitzung stattgefunden, in der es ebenfalls Kritik am Abschluss gab.

Aber es gab in dieser Sitzung keine Abstimmung über den Abschluss. Die wurde bis in den Juni verschoben. Bis dahin war der betriebliche Alltag wieder eingekehrt, und es war kaum noch realistisch, eine Tarifrunde neu aufzulegen, die Stimmung jedenfalls war nicht mehr danach. Geschickte Dramaturgie? Zudem ist es mehr als fraglich ob der Vorstand bei einer mehrheitlichen Ablehnung in Baden Württemberg überhaupt noch seine Zustimmung zur Urabstimmung gegeben hätte.

Trotzdem schwelt jetzt die Kritik weiter: Wieder einmal wurde eine gute Chance für eine kräftige Lohnerhöhung vertan, weil die IGM dem Streik aus dem Wege gegangen ist. Somit versanden auch die Streikerfahrungen immer mehr und damit kämpferisches gewerkschaftliches Bewusstsein.

Die Kritik an der sozialpartnerschaftlichen Tarifpolitik wird lauter, insbesondere in Baden-Württemberg. Aber nur dann, wenn die kritischen Stimmen außerhalb Baden-Württembergs gleichfalls mehr und lauter werden, ist eine Kursänderung in der IGM zu erwarten.

Immerhin meinte die Stuttgarter Bezirksleitung der IG Metall, mit einem Diskussionspapier auf die wachsende Kritik reagieren zu müssen, das bereits in der Tarifkommissionssitzung am 3.Juni vorgelegen haben soll. Darin wird auf die Kritik der Kollegen eingegangen, dass die IG-Metall-Führung gar nicht mehr willens sei, überhaupt noch einen Arbeitskampf zu führen!

Über diese Kritik soll Presseberichten zufolge (z. B. Mathias Schiermeyer in der Stuttgarter Zeitung, 04.06.2012) Ende Juli und auf einer IG-Metall-Veranstaltung beraten werden, deren Termin und genauen Charakter wir noch nicht herausfinden konnten. Wir werden aber weiter berichten

Außerdem sollte die Kritik auf dem soeben einberufenen außerordentlichen Gewerkschaftstag am 24. und 25. November 2013 in Frankfurt /Main zum Thema gemacht werden. Wir rufen alle kämpferischen Kolleg/innen, Metaller/innen und Vertrauensleute auf, sich aktiv an dieser Debatte zu beteiligen! Die Basis sollte einen kämpferischen Kandidaten oder eine solche Kandidatin für die Vorstandswahl präsentieren, die sich dieser Kritik und einer kämpferischen IG Metall verpflichtet fühlt.

Die Lehre aus dieser Tarifrunde ist eigentlich schon lange bekannt. Die Basis muss laut werden, sie darf sich ihre durchaus vorhandene, zum Teil scharfe Kritik (Siehe die Stellungnahme der Festo Kollegen!) nicht länger von den Sozialpartnerschaftsvertreter/innen in der IG Metall abkaufen und so faktisch den Mund verbieten lassen.

Editorische Hinweise

Wir spiegelten den Artikel von "Arbeit-Zukunft", wo er am 11. Juli 2013 erschien.