Betrieb & Gewerkschaft
"Einstweilige Verfügung
gegen uns S-BahnerInnen!"

PM von Aktionsausschuss 100% S-Bahn

08-2012

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onlinezeitung

Samstag, 4. August 2012

Der Betriebsrat der S-Bahn Berlin GmbH hat auf seiner Sitzung am 01.08.2012 die Forderung eines Drit­tels von uns S-Bahner/innen nicht entsprochen und die zeitnahe Durchführung einer Gesamtbetriebsver­sammlung abgelehnt. Er tat dies mit dem Argument der "Unverhältnismäßigkeit" einer solchen Versamm­lung und dem Schaden am Ansehen der S-Bahn. Besser hätte es der Arbeitgeber auch nicht formuliert.

Ob jedem Betriebsratsratsmitglied sein Handeln als gewählter Interessenvertreter wirklich bewusst ist, dies können auch wir Euch nicht beantworten. Die Betriebsratsmehrheit unterstützte jedoch mit ihrem Ver­halten gegen eine Gesamtbetriebsversammlung objektiv all jene, die die Ausschreibung wollen!

Die verpflichtende Forderung der fast 1000 Mitarbeiter/innen nach einer Betriebsversammlung wird zwar erfüllt, aber erst am 20. September 2012 als eh geplante und altbekannte Teilversammlung in der Freizeit fast aller Schichtarbeiter. Bis dahin hat der DB Konzern und Berliner Senat in enger Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung der S-Bahn einen weiteren Teil für eine Ausschreibung des S-Bahnverkehrs in ihrem Sinne vorangetrieben. Auch den damit einhergehenden Abbau unserer Arbeitsplätze.

Welche Unverhältnismäßigkeit?

Scheinbar haben einige Betriebsräte vergessen, dass der Arbeitgeber durch fanatische Optimierung, ver­bunden mit einem rücksichtslosen Stellenabbau, der S-Bahn die Luft zudrückte. Dies wurde auf Kosten von uns Beschäftigten knallhart durchgezogen und gipfelte 2009 darin, dass die Berliner S-Bahn 14 Tage lang nicht auf der Stadtbahn fuhr und auch andere Linien massiv ausgedünnt wurden. War das verhältnis­mäßig? Wir S-Bahner/innen mussten doch die unverhältnismäßig belastenden Situationen aushalten! Hat uns der Arbeitgeber da gefragt und hat uns da der Betriebsrat vor dem unverhältnismäßigen Handeln des Arbeitgebers und der zu Recht aufgebrachten Fahrgästen geschützt? Wer schützt uns S-Bahner/innen und unsere Fahrgästen nun vor den Folgen einer Ausschreibung und Zerschlagung der Berliner S-Bahn?

Dieses Verhalten der Mehrheit der Mandatsträger im Betriebsrat wird schon jetzt von Kollegen/innen als Vertrauensmissbrauch und Interessenverrat kritisiert. Die Unterwerfung einiger Betriebsräte unter die Vor­gaben ihrer Gewerkschaftsfunktionäre, erinnert schon sehr, an die “Ära-Hansen“! Die wenig kämpferischen Gewerkschaftsfunktionäre, die derzeit mit der Politik und dem Arbeitgeber hinter für uns verschlossenen Türen über so genannte „Sozialstandards“ bei der Ausschreibung und Zerschlagung unserer Arbeitsplätze verhandeln, statt sich mit uns, ihren Mitgliedern, mittels unterschiedlichster Arbeitskampfmaßnahmen für den Erhalt von 100% S-Bahn und unseren Arbeitsplätze einzusetzen. Das spiegelt sich nun auch im Han­deln der Betriebsratsmehrheit wieder, der lieber den Willen eines Drittels aller S-Bahner/innen für eine Gesamtbetriebsversammlung in den Skat drückt, anstatt gemeinsam mit ihren Kollegen/innen zu kämpfen.

Um welche Interessen geht es?

Der Arbeitgeber fordert uns S-Bahner/innen jeden Tag immer mehr Flexibilität, Arbeitskraft und Freizeit ab, ohne dass unsere Interessen überhaupt noch Berücksichtigung finden. Wollen wir S-Bahner/innen auf­grund der bedrohlichen Situation, durch die Ausschreibung und Zerschlagung unserer Arbeitsplätze, auch nur einen Tag für eine gemeinsame, übergreifende und gesetzlich verbriefte Interessenbekundung aller S-Bahner/innen nutzen, wird sie uns nun von durch uns gewählten Betriebsräten verwehrt. Jeden Tag der nun verstreicht wird uns eine öffentlich wirksame Möglichkeit genommen, um uns gegen die Umsetzung der politischen und unternehmerischen Pläne einer Ausschreibung unserer Arbeitsplätze zu erwehren.

Erwartet wurde, dass der Arbeitgeber mit seiner Rechtsabteilung gegen unser Recht an einer Gesamtbe­triebsversammlung aller S-Bahner/innen während der Arbeitszeit gerichtlich vorgeht. Dass jedoch der eige­ne Betriebsrat und damit auch die eigenen Gewerkschaftsvertreter diese von ihren eigenen Kollegen/innen und Gewerkschaftsmitgliedern eingeforderte Gesamtbetriebsversammlung verhindert, wird bei vielen Be­schäftigten und Gewerkschaftsmitgliedern einen sehr bitteren Beigeschmack erzeugen. Aber warum han­deln unsere gewählten Interessenvertreter gegen den Willen ihrer eigenen Kollegen/innen und Gewerk­schaftsmitglieder? Agieren sie gar als Handlanger des Arbeitgebers? Fragt sie selber. Vielleicht geben sie Euch eine nachvollziehbare Antwort.

Alle Gründe wurden von der Betriebsratsmehrheit gesucht, warum eine Gesamtbetriebsversammlung nicht stattfinden kann, statt einen Weg zu finden wie die Forderungen der S-Bahner/innen umgesetzt werden können. Einige wenige Betriebsräte sehen den Beschluss der Betriebsratsmehrheit gegen den Willen der eigenen Kollegen/innen als groben Verstoß des Betriebsrates an, werden ihn jedoch als Mehrheitsent­scheidung des Betriebsrates respektieren müssen. Die mit dem Beschluss des Betriebsrates hervorgerufe­ne Missachtung der Interessen der S-Bahner/innen jedoch nicht.

Beschwerden, E-Mails und Anrufe!

Diejenigen von Euch, die Ihr mit Eurer Unterschrift die unverzügliche Herbeiführung einer rechtlich ge­schützten Gesamtbetriebsversammlung aller S-Bahner/innen während der Arbeitszeit gefordert habt und nun eine Stinkwut gegen die Missachtung Eurer Forderungen durch den eigenen Betriebsrat habt, tut es nicht durch Austritte aus Eurer Gewerkschaft, denn so ändert sich nichts an unserer Situation. Empört Euch mit einer Beschwerde an den Betriebsrat und/oder Eurer Gewerkschaft per E-Mail oder einem Anruf. (s-bahn-berlin-betriebsrat@deutschebahn.com / 030297 43907) Dort trefft Ihr auf die die Eure Forderungen missachten, unsere Arbeitsplätze und die Zukunft unserer Familien kampflos mit aufs Spiel setzen.

Solange der Betriebsrat gegen seine eigenen Kollegen/innen agiert, freut sich allein der Arbeitgeber über die Spaltung von uns Beschäftigten. So nutzt er nun das Loch, welches der Betriebsrat mit seiner Entschei­dung öffnete, um mit eigenen Veranstaltungen seine Ausschreibungs- und Zerschlagungspolitik unters Volk zu bringen. Erreicht wurde daher nur, dass sich tiefe Gräben der Verachtung und des Misstrauens zum Be­triebsrat auftun. Die offenen Türen zu einer offenen und sachlichen Zusammenarbeit von uns S-Bahner/in­nen mit allen von uns gewählten Betriebsräten wurde zugeschlagen. Jedoch nicht von uns S-Bahner/innen!

Der Kampf geht weiter!

Der „Aktionsausschuss 100% S-Bahn“ hat bereits in der Vergangenheit und wird auch zukünftig gemein­sam mit jeder interessierten Kollegin und jedem interessierten Kollegen über unser Vorgehen als S-Bah­ner/innen reden, um die Forderungen nach Informationen, einem Ergebnis offenen Meinungsaustausch und der Umsetzung eigener Forderungen nachzukommen. So werden wir Euch wie bisher über alle weite­ren Aktionen und Entwicklungen informieren, soweit die freie Meinungsäußerung von uns Beschäftigten bei der S-Bahn Bahn Berlin GmbH nicht behindert wird.

Viele Kolleginnen und Kollegen unterstützen bereits den Kampf um unsere Zukunft. Kollegen/innen der BVG solidarisieren sich mit uns, Kollegen/innen aus der Schweiz und selbst aus Japan haben uns bereits solidarische Grußbotschaften zugesandt. Vertreter aus Städten und Gemeinden im Berliner Umland, Berli­ner Abgeordnete, Parteien und Organisationen haben uns S-Bahner/innen ihre Solidarität erklärt und uns ihre Unterstützung in unserem Kampf angeboten. Die Mitstreiter/innen vom S-Bahn Tisch stehen bereits seit langem an unserer Seite. Diese aktive Solidarität gilt allein uns S-Bahner/innen!

Euch allen, die Ihr Euch bereits nach Euren Möglichkeiten am übergreifenden Kampf von uns S-Bahner/innen beteiligt, bzw. zukünftig beteiligt, sei Respekt ausgesprochen! Ihr habt den ersten Schritt gemacht, sich gegen die Angriffe der Politiker und Manager zu erwehren. Mit Eurem Willen und der Kraft von uns 3000 S-Bahner/innen, können wir 100% S-Bahn und unsere Arbeitsplätze er­halten. Zu verlieren haben wir dabei nichts, was uns nicht schon längst genommen wurde!

Solidaritätserklärung des Sozialforums Königs Wusterhausen

Liebe Kolleginnen und Kollegen vom Aktionsausschuss „100% S-Bahn“, liebe Kolleginnen und Kollegen der S-Bahn Berlin,

das Sozialforum Königs Wusterhausen sendet Euch solidarische Grüße in Eurem Kampf gegen die Zerschlagung der Berliner S-Bahn!

Der Berliner SPD/CDU-Senat hat am 19. Juni beschlossen, das Netz der S-Bahn Berlin in drei Teile zu zerschlagen und diese Teile dann einzeln auszuschreiben. Das Vergabeverfahren für den S-Bahn-Ring soll bereits in einigen Wochen beginnen, die anderen beiden Abschnitte sollen 2014 ausgeschrieben werden. Zur Begründung dieses Schritts wird auf die seit drei Jahren anhaltenden Probleme und Verspätungen im Zugbetrieb verwiesen.

Was hier als Lösung angeboten wird, ist tatsächlich aber Ursache des Problems: Wegen des vom früheren Bahn-Chef Hartmut Mehdorn angestrebten Börsengangs der Bahn waren die Züge der Tochter S-Bahn über Jahre nur mangelhaft gewartet und auch sonst Personal und Mittel nur unzureichend bereit gestellt worden. Statt nun aber endlich damit aufzuhören, die S-Bahn kaputtzusparen, soll sie - ganz im Sinne der neoliberalen Vorstellungen in Wirtschaft und Politik – zerschlagen werden mit der Konsequenz, dass unsere S-Bahn dann direkt zum Objekt privater Renditeerwartungen wird. Die Folgen werden weiterer Sozialabbau und Arbeitsverdichtung für die Beschäftigten, weniger Bahn, weniger Sicherheit und höhere Preise für die Bahnkunden, mehr Autos auf den Straßen sowie sinkende Attraktivität der Berliner Randgebiete und Umlandgemeinden sein.

Wir bestärken die Kolleginnen und Kollegen des Aktionsausschusses „100%S-Bahn“ und allen anderen bei der S-Bahn beschäftigten Kolleginnen und Kollegen darin, diese Bestrebungen des Senats nicht widerstandslos hinzunehmen. Der Aktionsausschuss und die Beschäftigten der Bahn handeln dabei auch im Interesse der S-Bahn-Kunden. Wir verstehen, dass es zu Auswirkungen auf den S-Bahn-Verkehr kommen wird, wenn Ihr Euch wirksam zur Wehr setzen werdet. Wir werden uns bemühen, unseren Familien, Freunden, Kollegen und vor allem den S-Bahn-Kunden aus Königs Wusterhausen den Sinn Eures Widerstands verständlich zu machen.


Mit solidarischen Grüßen
Königs Wusterhausen, Juli 2012
Das Sozialforum Königs Wusterhausen

 

Editorische Hinweise

Wir spiegelten den Artikel vom Blog http://www.aktionsausschuss.blogspot.de/