SAFERCITY-Nachrichten
zur deutschen Sicherheits- und Ordnungspolitik

zusammengestellt von Thomas Brunst

08/04

trend

onlinezeitung

1.)
Fühlte mich wie Bin Laden
Amerikanische Sängerin Marla Glen wurde nach Einkauf von Polizei
kontrolliert


KASSEL. Eigentlich wollten die US-amerikanische Sängerin Marla Glen und ihre  Frau Sabrina gestern Mittag nur einen schönen Einkaufsbummel in der Kasseler Innenstadt machen. Aber was so nett begann, endete mit einem Polizeieinsatz. Das frisch verheiratete Paar (die beiden haben am 2. Juli geheiratet) wollte sich in dem Geschäft Top Girl im City-Point neu einkleiden. Mit Hosen und Blazer im Wert von rund 380 Euro gingen die beiden Frauen an die Kasse. Die Rechnung zahlten sie mit einem 500-Euro-Schein, einem Teil der Gage, den die 44-jährige Bluessängerin am Donnerstagabend für ihren Auftritt im Kulturzelt
bekommen hatte. Zuvor hatten die beiden Frauen schon mit einem  500-Euro-Schein im Kaufhof bezahlt. Das war kein Problem, sagt die 23-jährige Sabrina Glen. Im Top Girl sollte es aber zu einem Problem werden.
Zu einem sehr großen Problem für die beiden Frauen. Die Verkäuferin habe den  Schein mehrfach überprüft, ihn schließlich akzeptiert und das Wechselgeld herausgegeben. Die Glens verlassen den City-Point mit ihrem Einkauf. Als die Frauen sich auf der Unteren Königsstraße befinden, schneidet ihnen plötzlich ein Polizeiwagen den Weg ab, zwei Beamte steigen aus. Sie sagten, wir sollen in eine Gasse gehen und an der Wand stehen bleiben, sagt Sabrina Glen. Ifelt like Osama Bin Laden (Ich fühlte mich wie Osama Bin Laden), sagt dieweltberühmte Sängerin. Wie eine Kriminelle.
Die Beamten hätten dann ihr Geld kontrolliert und von einer blonden Frau und  einer schwarzen Person geredet, die verdächtigt werden, mit Falschgeld bezahlt zu haben, so Sabrina Glen. Polizeihauptkommissar Karl Ludwig Lamp von der Kasseler Polizei bestätigt, dass gegen 12.05 Uhr ein Anruf bei der Polizei vom City-Point eingegangen sei. Dort befürchte man, einen falschen 500-Euro-Schein angenommen zu haben. Plötzlich hätten die Beamten über Funk erfahren, dass der Schein echt ist, so Sabrina Glen. Daraufin hätten sich die Polizisten bei ihnen entschuldigt. The police was very nice (Die Polizei war sehr nett), sagt Marla Glen. Sauer ist die weltberühmte Sängerin aus Chicago nur auf die  Verkäuferinnen im Laden. Die hätten ihr die Polizei nur auf den Hals  geschickt, weil sie schwarz ist. Das ist rassistisch. Die Verkäuferin, die die Banknote mehrfach überprüft habe, hätte die Annahme ja auch verweigern oder darum bitten können, dass sie den Schein bei einer Bank wechseln, sagt  Sabrina Glen.Top-Girl-Chefin Barbara Olszewski ist der Vorfall peinlich und sie möchte sich bei dem Star persönlich für den Ärger entschuldigen. Das war
doch gar nicht unsere Absicht, sagt sie. Ihre 41-jährige Mitarbeiterin, eine Aushilfe im Geschäft, die die Glens bedient hat, sagt: Mir tut das schrecklich Leid. Sie habe noch nie
einen 500er-Schein in der Hand gehabt, habe ihn mit einem Gerät auf Echtheit  überprüfen wollen. Unsicher sei sie gewesen, berichtet sie, und habe deswegen den Sicherheitsdienst im City-Point benachrichtigt. Ich habe ja gar nicht behauptet, dass dieser Schein gefälscht war und habe auch die Kunden nicht verdächtigt, sondern wollte mich praktisch nur vergewissern, deshalb habe ich das weitergemeldet. Ob sie den Gutschein über 2,50 Euro, den die Glens beim Bezahlen bekommen haben, bei ihrem nächsten Besuch in Kassel einlösen werden, ist mehr als fraglich.
(Hessisch Niedersächsische Allgemeine, HNA, 10.07.04)

Kommentar: Rückschlag für Kassel
Ulrike Pflüger-Scherb über Gastfreundschaft

Noch nicht lange ist es her, dass Kassel sich das Ziel gesetzt hat, zur gastfreundlichsten Stadt in der Republik zu werden. Seit gestern ist man von dem Ziel wieder ein Stück weiter entfernt. Was der Sängerin Marla Glen in einem Geschäft widerfahren ist, ist unfreundlich und wirft ein schlechtes Licht auf die Stadt, die im Jahr 2010 Kulturzentrum Europas werden will. Da spielt es auch keine Rolle, ob die schwarze Sängerin eine Berühmtheit ist  oder nicht. So sollte kein Mensch behandelt werden. Zum Glück haben die Kasseler Polizeibeamten, die nur ihrer Pflicht nachgegangen sind, dazu beigetragen, dass das Ehepaar Glen die Stadt auch weiterhin gern besuchen wird. Von den vielen Fans, die der Künstlerin im Kulturzelt zugejubelt haben, einmal ganz abgesehen. (HNA, 10.0704)

Vor drei Jahren...
Die wollten nicht verstehen

Als unverhältnismäßig betrachten Zeugen das Vorgehen von Polizisten gegen vier Studenten aus Spanien, die beim Einparken ein Auto beschädigten. Die Polizei rechtfertigt ihr Verhalten.

KASSEL Vicente Ballester Gil empfand die Situation, die sich vor fast 14 Tagen in seinem Restaurant El Meson an der Obersten Gasse zugetragen hat, als so unrealistisch wie in einer Szene von Kafka: Als vier Studenten aus Spanien, die beim Einparken ein Fahrzeug touchierten, kurz darauf zur Wache mitgenommen und dort Stunden festgehalten wurden. Was war geschehen?
Ballester erzählt den Verlauf der Geschichte (die die Polizeipressestelle, siehe unten stehender Artikel, ganz anders darstellt) so: Für einige Tage hatte er die vier aus  der Universitätsstadt Leon bei sich aufgenommen, die, wie in vielen spanischen Studentenverbindungen üblich, in den Ferien im Ausland in traditionellen Kostümen Ständchen bringen und sich so ihre Reise finanzieren. Am Samstag, 14. Juli, zwischen 18 und 19 Uhr hätten sie beim Einparken in der Obersten Gasse ein Auto berührt. Die jungen Leute, die alle kein Deutsch sprechen, hätten die Schramme fotografiert und sich im El Mezon erkundigt, was zu tun sei; darum gebeten, die Polizei anzurufen, ihre Versicherungsunterlagen aus dem Gepäck geholt und den Schaden ihrer Autovermietung in Spanien gemeldet. Noch während dieses Telefonats, nach wenigen Minuten, sei die Polizei
erschienen, mit der fixen Idee, so Ballester, dass die Studenten Unfallflucht begangen hätten voreingenommen seien die Beamten gewesen, obwohl die vier jungen Leute ja nicht flüchtig waren, sondern sich gerade in meinem Lokal mit der Schadensmeldung beschäftigten. Jeglicher Versuch, als Dolmetscher zu fungieren, das Verhalten des Quartetts zu erläutern, habe nichts gebracht. Ballesters Frau Meli Reyes sagt: Die wollten nicht verstehen. Im Gegenteil: Die Beamten fühlten sich bedroht, die Einsatzleiterin verlangte per Funk Verstärkung, so  Ballester. Sein Schwager habe nur gebeten, dass die Polizisten den Vorfall
draußen, nicht im voll besetzten Restaurant, klären sollten, und man habe  darauf gedrungen, dass ein Rechtsanwalt oder ein Vertreter des Konsulats benachrichtigt werden solle.

Wie bei einer Razzia

Der Eindruck, als nun weitere Beamte auf die Terrasse stürzten, so  Ballester, glich einer Razzia. Dem Fahrer wurden Handschellen angelegt, obwohl er keinen Widerstand leistete, alle vier wurden weggebracht. Nach Angaben des Gastronomen erfuhr niemand, wohin. Also folgte man der Kolonne bis zum 1. Polizeirevier. Ballester informierte das spanische  Magistratsmitglied Rogelio Barroso und Jesus Lopez Lermer, Leiter der  spanischen Kommission in Kassel, der als Berater für Arbeits- und Sozialfragen beim Konsulat in Hannover tätig ist. Stadtrat Barroso hatte die harmlosen Jungs ein paar Tage vorher kennen gelernt und für den kommenden Sommer zur documenta eingeladen. Sie hatten seine Visitenkarte dabei. Anrufen durften sie ihn nicht. Als er gegen 23 Uhr zur Dienststelle kam und seinen Dienstausweis zeigte, durfte er bei den Befragungen, zu denen ein Dolmetscher hinzugezogen worden war, dabei sein. Für völlig unangemessen hält er den Auftritt der Polizei im Restaurant, zumal der Schaden wirklich lächerlich war: ein Kratzer an der Stoßstange. Die Studenten haben laut Ballesters Schilderung die Halterin des Pkw, die
nicht aus Kassel kommt, bei deren Rückkehr auf die Schramme angesprochen und  Adressen getauscht. Andernfalls wäre sie einfach weggefahren. Auch Lopez, der auf der Wache nicht mit den Musikern sprechen durfte, meint, dass die Polizei sich nicht richtig benommen hat, weil die jungen Leute in ihren Kostümen offensichtlich keine Absicht hatten
zu flüchten. Sie wussten einfach nicht, wie sie sich verhalten sollten.  Barroso fragt sich, ob die Kosten für einen Dolmetscher nötig waren. Später trafen im 1. Revier zwei Rechtsanwälte ein. Sie hätten dafür gesorgt, so Ballester, dass der Fahrer seinen Führerschein behalten durfte. Erst weit nach Mitternacht konnten die Spanier gehen, nachdem der Fahrer in Begleitung  zweier Polizisten am Geldautomaten 600 Mark abgeholt und hinterlegt hatte.
Eine Blutprobe habe ergeben, dass der Fahrer keinen Alkohol getrunken hatte.  Eigentlich hatten die Studenten, die am Montag ihren Mietwagen in Leon zurückgeben mussten, in der Nacht starten wollen. Nach der Aufregung (der  Jüngste hat nur geweint, sagt Meli Reyes) kochte Ballester Gil erstmal: Wir haben bis um fünf Uhr morgens gefeiert und gesungen. Auch Barroso war dabei. Er sagt sarkastisch über das Erlebnis der jungen Leute: Zwei studieren Jura. Das war das eine gute Erfahrung. (HNA, 27.07.01)

Kommentar: Gäste auf dem Revier

Da ist ganz offensichtlich etwas sehr schief gegangen: Vier Studenten aus  Spanien werden einer in Handschellen, von mehreren Polizeiwagen ins Revier gebracht, weil sie beim Parken ein Auto angefahren haben. Dabei habe der Angestellte der Autovermietung, wie Gastgeber Ballester erzählt, am Telefon noch zu dem Studenten gesagt: Gut, dann lässt sich alles einfacher klären. Weil in dem Moment die Polizei das Lokal betrat. Pustekuchen. Von Anfang an muss die Atmosphäre aufgeladen gewesen sein, irgendetwas muss die Eskalation befördert haben. Die Voreingenommenheit der Polizisten? Oder weil sich  Landsleute einmischten, helfen, übersetzen und das Geschehen aus dem  Restaurant verlagern wollten? Es bleiben Fragen: Warum hätten die Musiker Unfallflucht begehen sollen, wenn der Schaden minimal und ihr Mietwagen Vollkasko versichert war, wie ihr Fürsprecher beteuert? Warum haben die jungen Männer gleich einen Vertreter des Konsulats verlangt? Allerdings: Einen deutsch sprechenden Begleiter zum Revier hätten die Beamten von vornherein nicht zugelassen, sagt Vicente Ballester Gil. Dass er so eindeutig und uneigennützig Partei für seine Landsleute ergreift, die doch längst wieder abgereist sind, spricht für seine Glaubwürdigkeit. Kost und Logis frei für ein paar Auftritte im Lokal die Familie zeigte sich gastfrei. Die Polizei ihrer Heimatstadt erlebten die Spanier, die seit Jahrzehnten in Kassel leben, nicht als gastfreundlich. Darüber sind sie erbost und tief enttäuscht. Und tatsächlich: Wenn nach einem harmlosen Unfall beim Einparken Handschellen gezückt werden, dann ist etwas sehr schief gegangen. (HNA, 27.07.01)

Ausländerbeirat: Aufklärung über Einsatz am El Meson gefordert

KASSEL Der Vorsitzende des Kasseler Ausländerbeirats, Kamil Saygin, fordert vom Polizeipräsidenten Wilfried Henning eine lückenlose Aufklärung über die Vorgänge vor und im Restaurant El Meson an der Obersten Gasse. Am 14. Juli hatten Polizisten vier Studenten aus Spanien wegen des Verdachts der Unfallflucht von dort zum Revier mitgenommen. Der Ausländerbeirat hält es für legitim, bei einem solchen Verdacht Ermittlungen anzustellen. Das vom Eigentümer des Restaurants, Vicente Ballester Gil, geschilderte Verhalten  der beteiligten Beamten danach war einer der Spanier in Handschellen gelegt worden betrachte er aber als unangemessen: Hier wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen, so Saygin. Gerade vor der Documenta XI sei es nötig, die Einsatzkräfte zu schulen, um die durch kulturelle Unterschiede bedingten Reaktionen besser einschätzen und angemessen reagieren zu können. Der Ausländerbeirat regt an, in Einzelfällen und als Fortbildung die Hilfe
ausgebildeter Mediatoren beim Kulturzentrum Schlachthof in Anspruch zu nehmen. (HNA, 03.08.01)

2.)

Ziviler Sicherheitsdienst
Aus Langeweile Obdachlose brutal gequält


Vier Mitarbeiter des Zivilen Sicherheitsdienstes (ZSD), der auch die  Schwarzen Sheriffs beschäftigt, stehen im Verdacht, drei Obdachlose schwer misshandelt zu haben.

Von Christian Rost

Ein Verdächtiger, der ein Teilgeständnis abgelegt hat, befindet sich in  Haft. Seinen Angaben zufolge gab es womöglich noch mehr Übergriffe auf Obdachlose. Der für die Stadt München tätige ZSD weist jede Verantwortung zurück.
Die bislang drei bekannten Opfer – zwei Männer im Alter von 52 und 58 Jahren  sowie eine 41-jährige Frau – sind von den Wachmännern offenbar massiv gequält worden. Vermutlich „aus Frust, weil nichts los war“, so Kriminaloberrat Peter Breitner, traktierten die Beschuldigten ihre Opfer mit Stiefeltritten, Schlagstöcken und einem Messer. Vor allem der in Untersuchungshaft einsitzende Andre P., 27 Jahre alt, soll dabei mitgewirkt haben, als der 41-Jährigen eine zehn Zentimeter lange und zwei Zentimeter tiefe Schnittwunde am Kopf zugefügt wurde. Der Schnitt reichte bis zur Schädeldecke.
Alle Opfer – die Übergriffe ereigneten sich stets in den Toiletten des  Stachus-Untergeschosses, die der ZSD für die Stadt kontrollieren soll – mussten in Krankenhäusern stationär behandelt werden. Die Frau war die einzige, die sich traute, selbst bei der Polizei Anzeige gegen die Wachmänner zu erstatten. In den beiden anderen Fällen informierten die
Krankenhäuser die Polizei. Die Ermittlungen gegen den ZSD begannen zunächst schleppend. Fast ein halbes Jahr dauerte es nach dem ersten bekannt gewordenen Übergriff, ehe Andre P. in Haft genommen wurde und die Ermittlungen gegen die anderen Beschuldigten  – Fabian K., 25, Denny U., 23, und Thorsten W., 23 – richtig in Gang kamen.
Zunächst nämlich nahm die Polizei versehentlich die U-Bahnwache ins Visier,  weil die Angaben der Geschädigten unvollständig oder ungenau gewesen seien, so die Polizei. Nach dem zweiten Übergriff ermittelten zwei Polizeidienststellen unabhängig voneinander und ohne Kenntnis von dem jeweils parallel bearbeiteten Fall. Erst die Anzeige der 41-Jährigen beendete das Gewirr.
Nach Aussage des Hauptbeschuldigten Andre P. gibt es möglicherweise noch mehr obdachlose Opfer des privaten Sicherheitsdienstes. In seinem Teilgeständnis sagte er, er wisse zwar nichts von weiteren Körperverletzungen, generell seien Obdachlose aber „hart angefasst“ worden. Was dies bedeutet, weiß die Polizei noch nicht. Laut Kriminaloberrat Breitner gestalteten sich die Ermittlungen sehr schwierig, weil im Obdachlosenmilieu große Angst herrsche und die Aussagebereitschaft dementsprechend gering sei. „Dann krieg ich’s erst recht, die halten doch alle zusammen“, soll ein Befragter zu Protokoll gegeben haben. Den beschuldigten Wachleuten droht laut Staatsanwalt Hannes Hedke wegen gefährlicher Körperverletzung eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.
Der ZSD will mit den Übergriffen nichts zu tun haben. Chef und Gründer Carl Wiedmeier sagte zur SZ, die Ermittlungen richteten sich gegen einzelne Personen und nicht gegen die Firma. Er sehe sich deshalb nur als „zweiter Ansprechpartner“. Seinen Angaben zufolge erfuhr der ZSD erst am 29. Juli von den Anschuldigungen. Da seien zwei der betroffenen Mitarbeiter wegen „unvollständiger Berichterstattung“ aber bereits entlassen gewesen. Ob die
beiden anderen Beschuldigten weiter im Wachdienst tätig sind, wollte  Wiedmeier, gegen den die Staatsanwaltschaft sehr wohl ermittelt, nicht kommentieren. Er sagte nur: „Über Interna gebe ich keine Auskunft, ich habe mich schon genug geärgert.“ (Süddeutsche Zeitung, SZ, 06.08.04)

Nach Geständnissen
Stadt will Schwarzen Sheriffs kündigen

Schwarze Sheriffs werden am Stachus bald nicht mehr zu sehen sein. Die Stadt  will den Vertrag mit dem Sicherheitsdienst ZSD "zum nächstmöglichen  Zeitpunkt kündigen". Wachleute hatten gestanden, mehrere Obdachlose misshandelt zu haben.

Von Philip Wolff

Die nach den jüngsten Misshandlungsfällen an Obdachlosen erneut in Verruf  geratenen Schwarzen Sheriffs sollen künftig weitgehend aus dem Stadtbild verschwinden. Die Stadt werde den Vertrag zur Bewachung des Stachus mit dem Sicherheitsdienst ZSD „zum nächstmöglichen Zeitpunkt kündigen“, sagte Christoph Gernhäuser vom Kommunalreferat.
Damit ziehe die Stadt die Konsequenzen aus den Ermittlungen gegen vier  ZSD-Mitarbeiter, die seit Donnerstag in Verdacht stehen, im Februar und Mai bei nächtlichen Einsätzen am Stachus drei Wohnungslose misshandelt zu haben. Oberstaatsanwalt Anton Winkler geht nach dem Teilgeständnis eines inhaftierten Verdächtigen davon aus, dass sich in den kommenden Tagen zusätzliche Opfer bei der Polizei melden werden. Die weiteren Verträge zur Bewachung „städtischer Objekte, in denen die ZSD-Wachleute allerdings kaum in Kontakt mit der Öffentlichkeit kommen“, will die Stadt nach Worten Gernhäusers vorerst aufrecht erhalten. Die Rathaus-SPD forderte am Freitag, auch diese Verträge schnellstmöglich zu kündigen.
Um wie viele und welche städtischen Gebäude es sich dabei handelt, teilte  „aus vertraglichen Gründen“ weder die Stadt noch die Firma ZSD mit. Die kommunalpolitische Sprecherin der Rathaus-SPD, Christl Purucker-Seunig, verlangt darüber jedoch – angesichts einer „langen Liste der massiven Gewaltübergriffe“ von ZSD-Mitarbeitern – jetzt öffentlich Auskunft. „Es sind nur ein paar Objekte“, sagte Gernhäuser zur SZ. Voraussetzung  dafür, dass dort weiterhin ZSD-Wachleute eingesetzt werden, sei eine umfassende Erklärung des Unternehmens: „Wir haben die Firma aufgefordert, darzulegen, wie es zu solchen Vorfällen kommen konnte“, sagt Gernhäuser. Zudem müsse das Unternehmen „darlegen, was es zu tun gedenkt, damit solche Dinge nicht mehr passieren“. Entsprächen die Ergebnisse nicht den Vorstellungen der Stadt, werde man „in letzter Konsequenz alle Verträge mit  ZSD kündigen“. Die künftige Bewachung des Stachus will die Stadt nun ausschreiben und eine
andere Sicherheitsfirma am Karlsplatz beschäftigen. „Es gibt dazu keine Alternative“, sagt Gernhäuser. „In solchen komplexen Gebäuden wie dem Stachus, in denen die Geschäftsleute einen Schutzanspruch haben, muss man als Hausherr eine gewisse Sicherheit gewährleisten.“
Die Polizei in diesem privaten Raum einzusetzen, der Eigentum der Stadt ist,  sei aus rechtlichen Gründen schwierig. „Wir brauchen solche Sicherheitsunternehmen auch weiterhin“, betont Gernhäuser. Im Zuge der Angebote, mit denen sich laut ZSD-Chef Carl Wiedmeier bis zu 40 Sicherheitsfirmen um jeden städtischen Objektschutzauftrag in München bewerben, verlangt die Stadt ein detailliertes Anforderungsprofil: Das  Personal muss technisch und juristisch geschult sein, das Unternehmen muss eine bestimmte Größe und Ausstattung vorweisen. Wiedmeier, der sich über sein betriebsinternes Vorgehen nicht äußern will, spricht von „hohen Anforderungen an Ausbildung und Auswahl der Mitarbeiter“
– sowie von einem „erbitterten Wettbewerb der Firmen“. Die  Vertragsvoraussetzungen zu verschärfen, plant die Stadt indessen nicht. „Man kann im Vorhinein sowieso nicht sicherstellen, dass nicht mal jemand ausrastet“, sagt Gernhäuser. „Jede Firma hat ihr schwarzes Schaf.“ (SZ, 7./8.08.04)

Philosophie
Die Mitarbeiter des ZSD®: Schwarze Sheriffs®

begründen ihre besondere Leistungsfähigkeit für ihre Auftraggeber durch die Verschmelzung von Budo – den asiatischen Kampfsportarten – und dem professionellen Wissen in allen Bereichen des Sicherheitswesens. Auf diese Weise sind alle Schwarzen Sheriffs® den hohen Anforderungen in ihrer Berufsausübung durch die Kombination aus theoretischen Kenntnissen, praktischen Erfahrungen und körperlicher Fitness gewachsen. Der Grundpfeiler
für das verantwortungsbewusste Handeln der Schwarzen Sheriffs® ist aber nach  wie vor die innere Einstellung. Kameradschaft, Respekt vor der Würde des  Menschen und die Anerkennung der Gesellschaftsordnung prägen ihr  Selbstverständnis getreu der Maxime des Zivilen Sicherheitsdienstes - ZSD® :  H O N O R E T J U S T I T I A.
(Quelle: http://www.ziviler-sicherheitsdienst.de/ssh/philosophie.htm )

3.)

Betrifft: "Aus Langeweile Obdachlose brutal gequält"(SZ, 06.08.04), "Stadt
will Schwarzen Sheriffs kündigen" (SZ, 7./8.08.04); Ausweitung der
Befugnisse für Mitarbeiter privater Sicherheitsdienste?


Liebe Leserinnen und Leser,

nachfolgender Schriftwechsel zwischen einem Mitarbeiter eines Münchner  Sicherheitsunternehmens und mir (sprechend für SAFERCITY.DE) zu Eurer  Kenntnisnahme. Die Antwort stellt gleichzeitig einen Kommentar dar.

Thomas Brunst schrieb am 12.08.04 für SAFERCITY.DE:

Lieber Stephan,

vielen Dank für Deine E-Mail. Den Artikel zum jüngsten ZSD-Skandal hatte ich  schon auf der Internetseite der Süddeutschen Zeitung gefunden. Es ist schon  interessant, dass die Mitarbeiter des ZSD bzw. der "Schwarzen Sheriffs" auch nach über 25 Jahren noch die gleichen Fehler begehen, die die Branche schwer belasten und zugleich die Kritiker privater Sicherheitsdienste bestätigen.  In ihren Zielen werden solche dokumentierten Skandale die Branche nicht weiterbringen, sondern das Image weiter schädigen.

Was die von Dir angesprochene Ausweitung der Befugnisse privater  Sicherheitsdienste angeht, strebt die Sicherheitsbranche, der Bundesverband Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen (BDWS) e.V., nach eigenen Aussagen keine Erweiterung an. Zudem steht der Artikel 33 (4) GG, das Gewaltmonopol der Bundesrepublik Deutschland, dem auch entgegen (ein neues Bewachungsgewerberecht das dieses explizit nicht vorsieht ist erst 2003 in Kraft getreten).
ARD-REPORT München berichtete vor einigen Monaten darüber, dass DB-Chef  Hartmut Mehdorn "Hilfspolizeistatus" für den Sicherheitsdienst der Deutschen Bahn (BSG) fordert (siehe hierzu: http://www.safercity.de/2004/bahn.html ). Bundesinnenminister Otto Schily lehn dies kategorisch ab.
(Siehe hierzu auch: "Private Sicherheitsdienste: Privatisierung  grundrechtsintensiver Polizeiaufgaben verfassungswidrig", von Bernhard
Weiner http://www.gdp.de/gdp/gdpcms.nsf/id/dp0201/$file/0102_05.pdf )

Wie Du vielleicht weißt, veröffentlicht SAFERCITY.DE regelmäßig Übergriffe  privater Sicherheitsdienste (Zeitungsmeldungen) im Internet. Jüngste Meldungen aus Berlin, München und Kassel belegen, dass es sich bei diesen Übergriffen häufig nicht um "situationsbedingte Auseinandersetzungen im Rahmen des Einsatzauftrages" (offizielle Branchenmeinung) handelt, sondern um gezielte Mißhandlungen von Personen z.B. durch Türsteher o. Kontrolleure (siehe hierzu "SAFERCITY.DE informiert: Private (Un)Sicherheit",
http://www.nadeshda.org/foren/cl.politik.repression/p457s457a20.html ).

Ich bin persönlich der Meinung, dass durch Übergriffs-Dokumentationen, durch  Medienberichte, der "Mär der bedauerlichen Einzelfällen", welche durch "schwarze Schafe" verursacht werden, erfolgreich wiedersprochen werden kann. Auch wegen der schlechten Entlohnung der Mitarbeiter, einhergehend mit einer "immernoch" unzureichenden Ausbildung des Basispersonals - bei teilweise bis zu 240 Monatsstunden - bin ich der Meinung, dass Übergriffe privater Sicherheitsdienste "systemimmanent" sind - die starke Abhängigkeit vom
Arbeitgeber/ Auftraggeber fördert dies.

Wenn Herr Wiedmeier meint, der ZSD, sein Unternehmen, hätte mit diesem  Skandal nichts zu tun, so irrt er: Der Vertrag zwischen Stadt und ZSD soll laut Süddeutsche Zeitung gekündigt werden. Bereits 1989 hatte das Unternehmen seinen Auftrag für die Bewachung der Münchner U-Bahn wegen Übergriffen und Mißhandlungen verloren. Da sich die Geschichte zu wiederholen scheint, läßt dies nur eine Schlußfolgerung zu: Herr Wiedmeier hat seinen ZSD bzw. seine "Schwarzen Sheriffs" nicht im Griff!

Mit freundlichen Grüßen
Thomas Brunst, SAFERCITY.DE

From: "Stephan G."
To: thomas.brunst@safercity.de
Subject: Safecity - Städtereport
Date: Wed, 11 Aug 2004 20:56:14 +0200

Lieber Thomas,
über einen Artikel in Telepolis, bin Ich auf die Webseite von Safecity  gelangt. Ich bin angenehm überrascht von der mit Aufwand betriebenen Seite und der Idee zur Aufklärung über privatisierung des öffentlichen Lebensraumes,  Datenschutz, Übergriffe von privaten Sicherheitsfirmen.
Vielleicht ein paar kurze Sätze über mich, meinen Werdegang, politischer,  rechtlicher Überzeugungen. Über mein Studium bin Ich in die Sicherheitsbranche gelangt und arbeite dort nun mit voller Begeisterung. Derzeit bin Ich im Personalbüro einer mittelständischen Münchner Sicherheitsfirma angestellt, pflege dort Kundenkontakt und setze mich mit  dem typischen Alltagsgeschäft der Branche auseinender.

Ich beobachte eingehend die Arbeitsweisen andere Sicherheitsfirmen im Münchner Raum und Umland. Ich bin der Überzeugung das eine Ausweitung von Befugnissen für die private Sicherheitsbranche unumgänglich ist, um ein Höchstmaß an Dienstleistung zu erbringen,

Anbei ein Artikel der Sueddeutschen Zeitung über die üblichen Vorgehensweisen des Zivilen Sicherheitsdienstes. http://www.sueddeutsche.de/muenchen/artikel/757/36721/

Herzliche Grüsse,
Stephan G.

4.)

Protest wird ignoriert

Kontrolliert die Kontrollettis! rief die taz Sie, liebe LeserInnen, am 1.  Juni auf. Es war höchste Zeit, den bei privaten Sicherheitsfirmen angestellten BVG-Kontrolleuren mal genauer auf die Finger zu schauen, dachten wir - nachdem sich zuvor Übergriffe wie Pöbeleien oder tätliche Angriffe gehäuft hatten. Hier nun eine Auswahl Ihrer ganz persönlichen  BVG-Erlebnisse.

Mittags stieg ich an der Schönhauser Allee aus der U 2, Schmerz- und Hilfeschreie empfingen mich. Ich eilte in diese Richtung, sah die Gruppe von Zivi-Kontrolleuren und in der Mitte dann ihr schreiendes Opfer. Zwei "Sheriffs" drehten ihm die Arme auf den Rücken und drückten seine Hände fast bis zum Nacken hoch, während sie es vor sich her stießen.

Meine Proteste wurden ignoriert, der etwa 30-jährige Mann auf eine Bank  geschleudert und bewacht. Der Geschundene rief, sobald er wieder Macht über seine Hände hatte, die Polizei an und gab später noch an, ins Gesicht geschlagen worden zu sein. Jedenfalls wurde ich bei meiner Zeugenaussage danach gefragt.

Christian Begemann, per E-Mail
"Blutergüsse an den Oberarmen"

Anfang Mai wurde ich selbst aus heiterem Himmel Opfer der Aggressivität der BVG-Kontrolleure. Mit einem gültigen Fahrschein wurde ich angehalten und darauf hingewiesen, dass die Einzelfahrscheine nur noch in eine Fahrtrichtung gelten.

Noch während dieser Erläuterungen griffen zwei der vier Kontrolleure einen  anderen Fahrgast an, hielten ihn auf brutalste Art fest und zerrten ihn hin und her. Diese Gewalttätigkeit war so schockierend, dass ich anfing zu rufen, sie sollen mit der Gewalt aufhören, sie hätten kein Recht, den Mann so zu behandeln. Prompt packte mich die eben noch sachlich sprechende
Kontrolleurin bei meinen Oberarmen, etwas später kam eine zweite dazu ().  Eine Woche später waren noch große Blutergüsse auf meinen beiden Oberarmen zu sehen. Mit Hilfe anderer Fahrgäste konnte sich der Mann losreißen. Mich schleppten sie in den BVG-Dienstraum und stellten sich zu viert zwischen mich und die Tür. Das sei keine Freiheitsberaubung, so lange die Tür noch offen bleibe, so eine der Kontrolleurinnen. Das Erschreckende an der Aggressivität ist, dass sie unter dem Deckmantel des Rechts von der BVG propagiert wird: Die Kontrolleure hätten das Recht, jemanden mit Gewalt festzuhalten, wenn er sich nicht ausweisen will oder kann. ()

Die BVG hat mein Angebot zu einer außergerichtlichen Einigung mit den Worten  abgelehnt, ihre Kontrolleurinnen würden von einer Anzeige gegen mich absehen. Verkehrte Welt. Dennoch, mit einer Anzeige und einem folgenden Gerichtsverfahren kann man immer nur die konkreten Kontrolleure erreichen (). Das Kopfgeldjägerprinzip aber wird auch weiterhin gelten.

Jekaterina Anzupowa, per E-Mail
"Die Anführerin schrie mich an"

Ich musste am 27. April mit dem Fahrrad in der U-Bahn fahren. Ich war nie zuvor mit dem Fahrrad in der U-Bahn und ging davon aus, dass die 2,50-Euro-Fahrradkarte für den Fahrgast und das Rad gültig ist. Aber nein.

Die Kontrollettis sind plötzlich aufgetaucht und haben mich aufgefordert  auszusteigen. Ich versuchte ihnen zu erklären, dass es sich um ein Missverständnis handelt. Wenn ich wirklich schwarz fahren wollte, hätte ich mir die 2,50 Euro für die Fahrradkarte ebenfalls sparen können! Egal, die Anführerin der Kontrolletti-Brigade hat wegen meines Protestes angefangen, mich anzuschreien (). Es ging so weit, dass andere Fahrgäste sich  eingemischt haben. Letztendlich hat sie damit gedroht, sofort die Polizei zu  rufen, wenn ich ihren Zettel nicht gleich ausfülle. Am Ende fühlte ich mich sehr gedemütigt und hilflos.

Oriol Poveda, per E-Mail
"Immer korrekt verhalten"

Ich bin schon oft kontrolliert worden. Die Kontrolleure haben sich dabei mir  gegenüber immer korrekt verhalten. Mir ist auch nicht aufgefallen, dass andere Fahrgäste despektierlich behandelt worden wären.

Christoph Bruch, per E-Mail
"Ich ziehe jetzt die Notbremse

Ich saß in der U-Bahn und wurde (wie so oft) kontrolliert. In meine Musik  und mein Buch vertieft tat ich erst so, als ob ich es nicht mitkriegen würde und suchte dann ganz langsam meinen Fahrschein [], damit es vielleicht ein paar Schwarzfahrer schaffen wegzurennen. Dies war aber leider nicht der Fall, da zu wenig Leute in der U-Bahn waren.

Zwei Jugendliche hatten keinen Fahrschein, baten aber die BVG-Leute, doch  noch eine Station weiterfahren zu dürfen, da sie dort sowieso rausmüssten, und währenddessen die Personalien aufzunehmen. Der eine BVG-Mann aber, wahrscheinlich erfreut darüber, dass er jemanden erwischt hatte, meinte doch tatsächlich: "Ich ziehe jetzt die Notbremse und das kostet 200 Euro pro Sekunde" - was er daraufhin auch wirklich tat. Die beiden Jungs sind dann natürlich ausgestiegen, ob sie das Geld bezahlen mussten, weiß ich nicht.  Ich denke aber eher nicht, da sich der BVG-Mann wohl etwas zu viel geleistet hat. Das habe ich auch an den Gesichtern der anderen Fahrgäste gesehen.

Daliah
"Ja, mein Freund ist Deutscher"

Berlin, letztes Jahr, im April oder Mai bei einer Fahrkartenkontrolle. […] Ich habe mein Semesterticket von der FU, aber keinen Pass dabei. Der Typ, der mich kontrolliert, sagt, dass das Semesterticket ohne Pass ungültig ist.

Ich muss bei der nächsten Haltestelle mit aussteigen. Ich werde nervös. […]  Ich gebe aus Versehen eine falsche Hausnummer an. Der Kontrolleur sagt, dass er mich zum Polizeirevier bringen soll. […] Ich erkläre ihm, dass ich sehr in Eile bin, aber einfach eine Geldstrafe zahlen kann. Auf einmal duzt er mich, fragt, woher ich komme, ob ich türkisch bin. Er selber sieht nach türkischer Abstammung aus. Ich […] bin Französin, das erkläre ich ihm. Er
fragt, ob mein Freund deutsch ist. Ja, mein Freund ist ein Deutscher. Er  fragt, warum ich mit einem Deutschen zusammen bin. Na, warum denn nicht? Ich will weiterfahren. "Das geht nicht, Sie müssen zum Polizeirevier."

Wie es mir manchmal passiert, wenn ich mich unter Druck fühle, kriege ich  einen leichten Asthmaanfall. Ich bekomme schlecht Luft und fange an zu weinen. Er redet die ganze Zeit. Ich bitte darum, eine Pause zu kriegen […]. Nee, sagt er, ich muss zum Polizeirevier, gleich. Ich kriege Panik, dass es mir noch schlechter gehen wird. "Eine Minute, ich brauche nur ein paar Minuten, um mich zu beruhigen." Er lässt mir keine Ruhe: "Hast du Geld?"  Nein, ich habe kein Geld dabei, aber ich kann Geld abheben. Na dann, kann er mir einen Gefallen tun. Ich muss nicht zum Polizeirevier mitkommen, er kann mich zum Geldautomat begleiten und ich brauche ihm nur 30 Euro zu geben. […] Ich könne dann weiterfahren. Da es mir in der Situation immer schlechter geht, sage ich ja, ja, machen wir das. […] Er freut sich und sagt, dass das Ganze doch ganz gut für uns beide gelaufen ist. Ich gehe nach rechts in Richtung U-Bahn, er nach links. Auf einmal höre ich, dass er laut pfeift, und sehe, wie seine drei Kollegen […] aus dem Nichts wieder auftauchen. Als wäre es kein Ausnahmefall gewesen.

Agnes Bensussan, per E-Mail
"Eine Lanze brechen"

Ich möchte eine Lanze für die Kontrolettis brechen. Meine Erfahrungen mache  ich jeden morgen auf der U 7 zwischen Kleistpark und Rathaus Spandau. Da wird fast täglich kontrolliert, und ich habe noch nie etwas Negatives erlebt. Im Gegenteil, die meist blutjungen Leute bemühen sich sehr um Höflichkeit und lassen auch schon mal den ein oder anderen weiterfahren, z.B. kürzlich einen älteren Mann, der es nicht geschafft hatte, sein Ticket
abzustempeln.

Die Jobs sind - nehme ich mal an - scheiße bezahlt, und keineR macht das, weil es sein/ihr Traumjob ist! Vermutlich sind viele, die kontrollieren, noch kurz vorher selbst auf Sozialticket gefahren.

Silke Karcher, per E-Mail (taz Berlin, 07.07.04)
(Siehe hierzu auch: http://www.taz.de/pt/2004/06/02/a0239.nf/text )

5.)

Arbeitsagentur heuert selbst an

In Wuppertal fühlt sich die Arbeitsagentur nach eigenen Angaben von Erwerbslosen bedroht. Daher heuerte sie für eine Demonstration in der vergangenen Woche einen privaten Wachdienst an

VON ELMAR KOK

Die Arbeitsagentur Wuppertal hat kein Vertrauen in die Wuppertaler Polizei  oder ist mit der Firma Kötter mehr verquickt, als sie zugibt. Denn für eine Demonstration von rund 50 Erwerbslosen vor der Agentur am vergangenen Donnerstag heuerte sie private Sicherheitsleute der Firma Kötter Security  an.
Was das gekostet hat, kann Holger Schopmeier, der für die Buchung des Sicherheitsdienstes durch die Arbeitsagentur verantwortlich ist, gegenüber der taz nicht sagen. "Wir bekommen die Rechnung erst noch", sagt er. Schopmeier, der nach eigenen Angaben "erste Fachkraft für Strukturen und Finanzen" der Agentur ist, hat sich nach seinen Angaben auch um andere Security-Angebote bemüht. Das ist schwer nachzuvollziehen. Denn die andere Sicherheitsfirma in Wuppertal hat von der Arbeitsagentur keine Anfrage für
einen Gebäudeschutz bekommen. "Uns hat niemand kontaktiert, weder per Fax,  noch per Telefon", sagt Alexandra Sopp von der Firma First Class Security. Ein Gebäude während einer Demonstration schützen zu müssen, sei ein seltsamer Auftrag, sagt Sopp. "Denn eigentlich müsste die Polizei das machen."
Auch die Polizei wundert sich über den zusätzlichen Wachschutz für das  Gebäude. Denn Schopmeier von der Arbeitsagentur hatte den zusätzlichen Schutz gegenüber der taz so begründet: "Nach den Gesprächen im Vorfeld der Demonstration mit der Polizei haben wir uns entschlossen, das Gebäude noch zusätzlich zu sichern." Das wäre gar nicht nötig gewesen, sagt Alexander  Kresta, Sprecher der Wuppertaler Polizei. Er hat sich nach der Anfrage der taz alle Gesprächsprotokolle angesehen und sagt: "Es gibt in den Gesprächen
keinen Hinweis darauf, dass die Arbeitsagentur sich besonders gefährdet  hätte sehen können." Nach Krestas Ermessen hätte es eine private Bewachung nicht gebraucht. Schließlich ist Kresta vom Potenzial der Polizei überzeugt.
"Wir können jeden Einsatz handlen", sagt er. Pikant wird der Einsatz von  Kötters Wachmännern aber auch dadurch, dass Kötter in Wuppertal eine Personal Service Agentur betreibt, die Prämien von der Arbeitsagentur für die Vermittlung von Jobs bekommt. Der Auftrag sei korrekt vergeben worden,  sagt Sylvia Göbel von Kötter Security Wuppertal. Über die Ausschreibung der Agentur dürfe sie aber nichts sagen. Regina Kerwin, Sprecherin der
Agentur-Regionale in NRW, ist sich sicher, dass alles mit rechten Dingen  zugegangen ist. "Die Agenturleitung hat das in Abstimmung mit der Polizei  geregelt", sagt sie. In der Agentur gebe es einen Posten für Bewachungen. "Es gab ja schon Farbbeutelaktionen und Bombendrohungen." (taz Ruhr, 31.03.04)


agentur bucht security
Partnerschaft

Das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit schützt nicht nur die, die protestieren wollen. Auch die, gegen die sich die Aktion richtet, müssen sich auf den Staat verlassen können. Erst recht, wenn es sich um öffentliche Einrichtungen handelt. Wenn sich die Arbeitsagentur Wuppertal - Rechtsnachfolgerin des Arbeitsamtes - angesichts einer kleinen Demonstration
von Arbeitsloseninitiativen die Dienste eines Sicherheitskonzerns sichert, dann ist das ein paar Fragen wert.

KOMMENTAR VON CHRISTOPH SCHURIAN

Was mag die Ex-Behörde dazu veranlasst haben, eine private Firma anzuheuern,  um das Gebäude zu sichern? Zumal vor Ort auch Polizei zugegen war. Und weshalb hat die Arbeitsagentur ausgerechnet die Firma Kötter angeheuert, die als Dienste nicht nur Objektschutz bietet, sondern auch eine Personal Service Agentur gegründet hat, die eng mit den Arbeitsagenturen zusammen arbeitet?
Die dürren Antworten, die die Wuppertaler Arbeitsagentur anbietet, können da kaum weiter helfen. Wahrscheinlicher ist, dass die Geschäftsbeziehungen zwischen Agentur und Personalvermittler, die durch das neue Public-Private-Partnership auf dem Arbeitsmarkt entstanden sind, nun auch auf anderen Feldern funktionieren.
Dass ausgerechnet die Firma Kötter bei einer Demonstration öffentlich  rechtlich angefordert wurde, ist bezeichnend: Die Essener Sicherheitsfirma gilt dabei ohnehin als Pionier. Seit Jahren ist sie auch im bundesdeutschen Justizvollzug im Einsatz. (taz Ruhr,31.03.04)

(Mehr Informationen zu Kötter Services unter:
http://www.workfare.ipn.de/buch/index.php?option=content&task=view&id=24&Itemid=2 )
 

Editorische Anmerkungen:

Die SAFERCITY-Nachrichten werden Thomas Brunst regelmäßig herausgegeben. Sie wurden uns zur weiteren Verbreitung überlassen.

Vorausgegangene (aktuelle) SAFERCITY-Nachrichten unter:
http://www.nadeshda.org/foren/cl.politik.repression/p457s457a20.html