Bevor die Linke aus dem Urlaub zurück ist, ist die Rechte schon gegen Hartz IV am Start

von Peter Nowak

08/04

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Wird es dieses Mal doch etwas mit dem viel beschworenen "heißen Herbst" gegen Sozialabbau, der sich in den vergangenen Jahren zu oft als laue Luftnummer erwiesen hat? Zumindest gibt es einige Anzeichen dafür, dass der Widerstand gegen Hartz IV etwas konkretere Formen annimmt.

Schon Anfang August wurden die Montagsdemonstrationen aus seligen Bürgerrechtszeiten am Ende der DDR wieder belebt. Mehrere Tausend Menschen stimmten den unvermeidlichen Sprechchor "Wir sind das Volk" an. Doch wie vor fast 15 Jahren mischten auch diverse rechte bis neonazistische Gruppen kräftig mit. In Köthen taten sich die örtlichen Republikaner besonders hervor. In Magdeburg waren es eher freie Kameradschaften, die sich dort unbehelligt an die Spitze der Demonstration setzen konnten.

Andreas Erhold aus dem Umkreis der rechtskonservativen Deutschen Mittelstandspartei, auf dessen Privatinitiative die Montagsdemonstration zustande gekommen ist, will auch künftig niemanden von den Anti-Hartz-Protesten ausschließen. Schon fragt man sich besorgt, ob die in der letzten Zeit so oft beschworenen Revolten gegen Hartz IV etwa eine rechte Schlagseite bekommen.

Diese Entwicklung bedeutet einen schwierigen Spagat für die die von Erwerbslosengruppen und emanzipatorischen sozialen Initiativen getragenen Anti-Hartz-Proteste, die in Vorbereitung sind, aber so richtig erst im September starten sollen. Einerseits will man die Proteste den rechten Gruppen, die bisher eine allerdings lautstarke Minderheit auf den Demonstrationen darstellen, nicht überlassen. Anderseits werden linke Gruppen nicht einfach mit eigenen Inhalten an einer Demonstration teilnehmen, auf der offen neonazistische Gruppen zumindest ein tolerierter Bestandteil sind. Eine Bekämpfung der rechten Gruppen auf der Demonstration könnte in den Augen der politisch nicht festgelegten Mehrheit der Protestierer aber wiederum schnell als eine von au0en hineingetragene Ideologisierung interpretiert werden.

Die Entwicklungen bei den kommenden Protesten wird zeigen, ob sich bei die schweigende Mehrheit der Demonstranten gegen die Rechten wendet, und sei es nur, weil die ihren Anliegen in den Medien schaden. Oder findet die rechte Propaganda, die wie üblich Nichtdeutsche und die US-Konzerne für die soziale Misere verantwortlich macht, bei einem relevanten Teil der Unzufriedenen gar Gehör?

Dann könnte ein Szenario eintreten, wie es in Ansätzen bei den Demonstration für die Wiedervereinigung Anfang 1990 in Leipzig und Dresden zu beobachten war. Die Rechten waren dort ein eigenständig agierender, aber offen geduldeter Teil. Bei den Pogromen gegen Flüchtlinge in vielen ostdeutschen Städten bekamen sie dann oft mehr oder weniger offene Zustimmung von einer schweigenden Mehrheit. Sollte sich eine solche Entwicklung bei den Sozialprotesten wiederholen, könnte vor allem die NPD, die mittlerweile auf Basisarbeit vor Ort setzt, davon profitieren. Ein Einzug der dort konkurrenzlos rechtsaußen kandidierenden NPD in den sächsischen Landtag am 19.September wird zumindest nicht mehr ausgeschlossen ( Die Mitte der Gesellschaft?).

Natürlich gibt es auch Aktivitäten gegen Hartz IV ohne jede rechte Teilhabe. Doch auch an deren Sinnhaftigkeit darf man zumindest zweifeln. Als wäre die Anti-Bush-Bewegung aus den Zeiten des Irakkrieges wieder auferstanden, wird auch jetzt alles und jedes unter dem Label gegen Hartz initiiert. Hauptsache man ist in den Medien, scheint die Devise mancher Organisatoren von Anti-Hartz-Events zu sein.

Mit ihren Kettenbriefe gegen Schröder schafften es einige Kölner SPD-Funktionäre immerhin, im Sommerloch Aufmerksamkeit zu erregen.. Das dürfte den emanzipatorischen Anti-Hartz-Protesten ebenso wenig Impulse geben, wie der von der PDS-Sachsen initiierte Internetprotest. Zumal damit der Vorwurf nicht aus der Welt beschafft ist, dass auch die PDS in Berlin, wo sie in Regierungsverantwortung steht, die Ausführungsbestimmungen für Hartz IV mit umsetzt.

Die Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit, die auf Stimmen der wegen der Sozialgesetze Enttäuschten bei der nächsten Bundestagswahl hofft, leistet sich noch vor ihrer offiziellen Gründung schon mal einen handfesten Streit um Organisationsfragen mit dem Berliner Landesverband. Die Masse der von den Sozialkürzungen Betroffenen dürfte das wenig interessieren. Die Rechte aber wird es freuen. Schließlich hat die NPD mit ihrer ewigen Konkurrenzpartei DVU gerade ein Abkommen geschlossen, sich bei Landtagswahlen nicht mehr gegenseitig Konkurrenz zu machen.

Editorische Anmerkungen:

Dieser Artikel wurde uns vom Autor mit der Bitte um Veröffentlichung überlassen. Er war zuvor am 7.8.2004 auf Telepolis veröffentlicht worden.