Widerstandsaktionen wurden im Jahre 1944
nicht nur von Offizieren, sondern auch
von deutschen Arbeitern in den Betrieben
ausgeführt. Und auch von
Zwangsarbeitern.
Gleichzeitig mit den Massenverhaftungen im
Rahmen der Aktion „Gitter“ zur Verhaftung
von Politikern aus der Zeit vor 1933 sowie
mit den Massenhinrichtungen im Gefolge des
20. Juli 1944 wurde deutlich, dass das
NS-Regime den gemeinsamen Aufstand deutscher
und ausländischer Arbeiter befürchtete. Es
war ihm nicht entgangen, was bereits im
Oktober 1943 im „Kaderbrief“ der illegalen
KP-Widerstandsorganisation um Anton Saefkow
über die ausländischen Arbeiter und
Kriegsgefangenen ausgesagt wurde: „Ihre
Bereitschaft, sich aktiv am Kampf gegen das
Hitler-Regime zu beteiligen, ist im
allgemeinen bereits größer als der aktive
Widerstand der deutschen Arbeiter. Das ist
unbestritten.“
Dem 20.Juli
1944 folgten neun Monate verstärkter
Verfolgungen der Nazigegner. Höhepunkt war
die Aktion vom 24. Januar 1945 um 22.05 Uhr.
Da spuckte der Ticker der Geheimen
Staatspolizei die Befehle des
Reichssicherheitshauptamtes aus. „Die
gegenwärtige Gesamtlage wird Elemente unter
den ausländischen Arbeitern und auch
ehemalige deutsche Kommunisten veranlassen,
sich umstürzlerisch zu betätigen.» Und
weiter: „Es ist in allen sich zeigenden
Fällen sofort zuzuschlagen. Die Betreffenden
sind zu vernichten, ohne im formellen Weg
vorher beim RSHA Sonderbehandlung zu
beantragen.“
In Dortmund
war mit dem Aufruf „Kumpel an Ruhr und
Rhein“ ein leidenschaftlicher Appell
sowjetischer Kriegsgefangener an die
deutschen Arbeiter aufgefunden worden. Darin
heißt es: „Es rufen dich die Kumpel der
russischen Kriegsgefangenschaft. Kumpel, wie
lange willst du noch helfen, den Krieg in
die Länge zu ziehen? Mit jeder Tonne Kohle,
die du lieferst, forderst du unzählige
Menschenleben, Krüppel und Witwen. Spürst du
nicht, daß die Kriegsgewinnler auf deinem
Rücken sitzen und dich in den Nacken treten,
um noch mehr zu liefern? (…) Du bist ein
moderner Sklave. Man braucht dich unbedingt,
ohne Kohle läuft kein Rad. Du hast es in den
Händen, wie lange noch du diesen
Schicksalsweg gehen willst und wie lange
noch das Kriegsrad sich drehen soll. Macht
Schluß damit. Scheut nicht die Spitzel,
bildet Komitees, diskutiert über die Sache.
Die unterdrückten Völker schreien nach
Frieden.“ Verfasser des Flugblattes, das
heimlich in Zechen verbreitet wurde, waren
sowjetische Zwangsarbeiter, mit denen sich
Hans Grüning, ein 27jähriger kommunistischer
Arbeiter aus Dortmund-Barop, zusammengetan
hatte. Bekannt wurden als Mitstreiter
Grünings Alexander Nekrasow (geb. 1924 in
Uspenskaja bei Rostow) und Wassil Stuschke
(geb. 1913 in Charkow). Gegen die beiden
wurden von der Gestapo laut einem
Polizeiprotokoll „staatspolizeilichen
Maßnahmen“ ergriffen, das heißt: sie wurden
ermordet ohne Gerichtsurteil.
Hans
Grüning wurde am 9. Juni 1944 wegen
„Verbreitung feindlicher Rundfunkhetze“
mittels Flugblättern und Aufforderung zur
„Arbeitssabotage“ vom Volksgerichtshof zum
Tode verurteilt und am 24. Juli 1944 in
Brandenburg hingerichtet. Das war vier Tage
nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 auf
Hitler. Nach diesem Tage setzten verstärkt
Hinrichtungen Inhaftierter ein.
Bemerkenswert ist – wenn auch unabhängig vom
Geschehen in der Brandenburger
Hinrichtungsstätte – dass nach dem Attentat
in Brandenburger Betrieben ein Flugblatt
verbreitet wurde, in dem Widerstandskämpfer
ausführten: „Der Stein ist im Rollen“. Das
faschistische Regime „kann eine solche
Untergrabung seiner Autorität nicht lange
überleben“. Weiter: „1918 trugen die
deutschen Arbeiter in entscheidender Weise
dazu bei, den schon verlorenen Krieg
abzukürzen und Schluss zu machen, ehe die
volle Katastrophe über Deutschland
hereinbrach. Damals gab es keine 12
Millionen Fremdarbeiter im Herzen
Deutschlands wie heute. Sie bilden einen
Teil der Massen innerhalb des Reiches, die
dazu beitragen können, den Zusammenbruch
Hitlers zu beschleunigen.“ (Zitiert von Kurt
Fichter, Illustrierte Hefte Nr. 56, Berlin
1990)
Dortmunds
Oberbürgermeister Günter Samtlebe (SPD)
würdigte in einem Geleitwort zu einer
Biografie von Heinz Junge über Hans Grüning
im Juli 1973 den Kampf der deutschen und
sowjetischen Widerstandskämpfer: „Zeugnisse
dieses Widerstandes, wie z.B. der Aufruf
‚Kumpel an Rhein und Ruhr‘, von sowjetischen
Kriegsgefangenen verfaßt und von deutschen
Widerstandsgruppen verbreitet, sind äußerst
selten erhalten geblieben.“ Samtlebe:
„‘Kumpel an Ruhr und Rhein‘ behandelt das
organisatorische Zusammenwirken deutscher
Widerstandskämpfer und sowjetischer
Patrioten.“
Ebenfalls
am 24. Juli 1944 und ebenfalls im Zuchthaus
Brandenburg wurde 44jährig der
Grubenschlosser Wilhelm Knöchel
hingerichtet, der lange Zeit in Dortmund
gewirkt und am Widerstandskampf an Rhein und
Ruhr teilgenommen hat. Er war der Leiter der
illegalen KPD, deren Widerstand er im Inland
von 1942 bis 1944 anleitete. Er war vor 1933
in derselben Parteiorganisation wie Hans
Grüning. 1939 war er ins Exekutivkomitee des
Internationalen Bergarbeiterverbandes
gewählt worden.
Aus einem
Aufruf von Wilhelm Knöchel an die deutschen
und ausländischen Werktätigen: „Die Arbeiter
haben vielseitige und außerordentlich
wirkungsvolle Kampfmittel, weil von ihrer
Hände Arbeit, die Rüstungsproduktion, die
Kohleförderung und der Kriegstransport
abhängen.“
Quelle:
https://gewerkschaftsforum.de/anlaesslich-des-20-juli-sei-auch-daran-erinnert-deutsche-und-auslaendische-widerstandskaempfer-aus-der-arbeiterschaft-agierten-im-jahre-1944-verstaerkt-gegen-das-ns-regime/#more-6896
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