Kommentare zum Zeitgeschehen

Führer befiehl - wir folgen
Geschichte wiederholt sich doch!

von
Augustin

07/2016

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onlinezeitung

Die "Weisheit", dass sich Geschichte nicht wiederholt, wird gerade in der Türkei auf dramatische Weise widerlegt. Und zeigt uns, wie sehr sich die Methoden der Diktatoren dieser Welt gleichen, wenn es darum geht, uneingeschränkte Kontrolle auszuüben und jeden Widerspruch oder Andersdenkende zu beseitigen. Der gescheiterte Putsch von Teilen der Armee war das Signal zum finalen Rundumschlag, mit dem der neue "Kalif von Ankara" die Reste der Opposition und vermeintliche Gegner enthauptet. "Legitime" Grundlage für diese Menschenjagd der "Sicherheitskräfte" sind die neuen Anti-Terror-Gesetze. Der Jubel der AKP-Anhänger wurde instrumentalisiert als Zustimmung für Erdogan. Angestachelt durch religiöse "Heilsbringer" wurde die Menge zum Mob. Und so war es möglich, dass 5 junge Wehrpflichtige auf der Bosporus-Brücke gelyncht wurden. Dabei hatten sie doch nur den Befehlen ihrer Vorgesetzen gehorcht, wie man es ihnen beigebracht hatte! Und um diesem Amoklauf zur Rettung der Freiheit und Demokratie und des Volkes berechtigten Zorn den Mantel der "Rechtmäßigkeit" umzuhängen, braucht man einen Grund, einen Sündenbock. Und sei er auch noch so abwegig. Die Hauptsache ist, dass das Volk ihn akzeptiert. Der Staatsfeind Nr.: 1 heißt für Erdogan Fethulla Gülen!

Nun kann man denken: Bei uns nicht möglich. Doch es drängen sich schmerzliche Parallelen zu unserer Vergangenheit auf.

Schauen wir zurück in unserer Geschichte bis in die Nacht vom 27. auf den 28. Febr. 1933. Da brannte in Berlin das Reichstagsgebäude. Ursache: Brandstiftung! Und man hatte auch gleich einen Schuldigen, einen Sündenbock: den Niederländer Marinus van der Lubbe. Und was ihn zum idealen "Corpus Delicti", zum Beweis seiner Schuld machte, war: Er war Kommunist!

Noch am Brandort sagte der preußische Innenminister Hermann Göring: "Das ist der Beginn des kommunistischen Aufstandes, sie werden jetzt losschlagen! Wir dürfen keine Minute versäumen!"

Man darf dabei nicht vergessen, dass Adolf Hitler und die NSDAP erst am 30. Jan. 1933 legal an die Macht gekommen waren. Ihre Hauptgegner waren die KPD unter ihrem Vorsitzenden Ernst "Teddy" Thälmann. Und es war Wahlkampf für die Reichstagswahlen am 05. März 1933.

Deshalb forderte Hitler noch am Abend des 28.02. vor Kadern der SA: "Es gibt jetzt kein Erbarmen. Wer sich uns in den Weg stellt, wird nieder gemacht. Das deutsche Volk wird für Milde kein Verständnis haben. Jeder kommunistische Funktionär wird erschossen, wo er angetroffen wird. Die kommunistischen Abgeordneten (Anm. die KPD war im Reichstag wie auch in den Landtagen vertreten) müssen noch in der Nacht aufgehängt werden. Alles, was mit dem Kommunismus in Verbindung steht, ist festzusetzen!"

Am 28.02.1933 beschloss das Kabinett unter Reichskanzler Hitler per Notverordnung das Gesetz "Zum Schutz von Volk und Staat"! Damit wurden alle Grundrechte außer Kraft gesetzt. Der Polizei und ihren "Helfern" aus den Reihen der SA war es nun möglich, willkürliche Verhaftungen ohne Angabe von Gründen vorzunehmen ("Der Verdacht machte die Betroffenen verdächtig"), rechtlichen Beistand zu verweigern, die Unversehrtheit von Wohnung und Eigentum war ausgesetzt. Das Post- und Fernmeldegeheimnis wurde ebenso aufgehoben wie die Presse- und Meinungsfreiheit.

Und ebenso wie in der Türkei wurde für verschiedene "Terrordelikte" wie Brandstiftung die Todesstrafe rückwirkend wieder eingeführt!

Bis Mai 1933 wurden fast 100.000 Menschen, überwiegend Kommunisten, in "Schutzhaft" genommen und, da sie Gefängnisse übervoll waren, in neu errichtete "Konzentrationslager" gesperrt. Unter den "Schutzhäftlingen" waren auch besonders viele linke Intellektuelle und Menschen jüdischen Glaubens wie Alfred Apfel, Fritz Ausländer, Felix Halle, Wilhelm Kaspers, Rudolf Bernstein, Egon Erwin Kisch, Erich Mühsam, Carl von Ossietzky, Ernst Schneller, Werner Scholem und Wilhelm Pieck.

Nun werden natürlich viele sagen, dass man das Hitler-Regime nicht mit der Türkei vergleichen kann. Das ist richtig. Aber ich zeige auch nur die Parallen auf, die sich augenscheinlich ergeben. Und was sich für mich so verheerend für unsere Auffassung für Demokratie und Menschenrechte auswirkt, ist die Tatsache, dass Europa nichts unternimmt, um den Despoten Erdogan zu stoppen. Denn man hat sich ihm mit dem schmutzigen Flüchtlings-Abkommen bis zu den Schultern rektal unterworfen. Er macht für die EU die "Drecksarbeit", um die Menschen, die vor den von den "westlichen Demokratien" vom Zaun gebrochenen Kriegen zum Schutz von geostrategischen und wirtschaftlichen Interessen fliehen, zu stoppen. Damit die Heuchler und Intriganten ihr "Gesicht" wahren können. Aber gerade hier gilt: Eine Hand wäscht die andere nicht, denn dabei werden jetzt beide schmutzig!

Die Türkei unter Erdogan ist kein verlässlicher Partner und gehört nicht in die EU. Was sich nach Einführung der Todesstrafe auch wohl erledigen wird. Aber ich befürchte, dass unsere Pseudo-Demokraten auch da einen Winkelzug finden, um ihren Sprechblasen aus Appellen, erhobenen Zeigefingern und der Augenwischerei, das Recht verteidigen zu wollen, dem Recht des Stärkeren nachgeben werden. Denn für Erdogan war der Putsch "ein Geschenk Gottes". So wie bei uns der Reichstagbrand für Hitler. Ein Ökonom würde, sollte er eine eine Kosten/Nutzen Rechnung aufstellen müssen, zu dem Ergebnis käme: Ohne Aufwand wurde die größte Wirkung erzielt! Verlierer waren beide Male die Menschen!

Denn nach den Repressalien und dem Wüten des Erdogan wird es still werden in der Türkei. Unsere Pflicht ist es, mitzuhelfen, dass aus der Stille keine Totenstille wird.

Wie immer möchte ich ein weises Wort, passend zum Thema, an das Ende meines Diskussionsbeitrages stellen. Und vielleicht als "Wegweiser" annehmen, damit sich Geschichte doch nicht wiederholt.

"Die Welt wird nicht bedroht von Menschen, die böse und machtgierig sind, sondern von denen, die es zulassen!" (Albert Einstein)
 

Zusendung per Email vom Autor am 20.7.2016

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