Die NaO-Legende
Ein weiteres Mal überarbeitet

Diesmal von Manuel Kellner, Michael Prütz und Michael Eff

07/2016

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Text 1

Die Neue antikapitalistische Organisation (NaO) ist aufgelöst - Woran ist sie gescheitert?

Hervorgegangen ist die NaO aus der Initiative (im Jahr 2011) seitens einer örtlichen politischen Gruppe in Berlin, der SIB, um Michael Prütz, Michael Schilwa und Rouzbeh Taheri.

Vorbild war die französische NPA (Nouveau Parti Anticapitaliste), die von der vormaligen Sektion der Vierten Internationale in Frankreich (der LCR) ins Leben gerufen worden war. Mit großen Hoffnungen geboren, ist diese NPA doch sehr rasch gescheitert. Die NPA hat heute deutlich weniger Mitglieder als zuvor die LCR und ist vor allem auf Leitungsebene durch heftige Fraktionskämpfe gelähmt.

Diejenigen, die die Initiative zur Gründung der NaO in Deutschland ergriffen hatten, überschätzten die positive Dynamik der NPA Frankreichs. Doch auch unabhängig davon hatten sie Illusionen darüber, inwieweit eine solche Dynamik in Deutschland ausgelöst werden könnte. Anfangs sprachen die Initiatoren von Tausenden, die sich in ziemlich kurzer Frist in einer NaO organisieren könnten. Unrealistische Durchbruchserwartungen, ein gewisser Triumphalismus und ein entsprechender Propaganda-Stil stellten von Anfang an Schwächen des NaO-Projekts dar.

Im Jahr 2014 wurde die NaO Berlin mit ca. 50 Mitgliedern gegründet, später auch der bundesweite Zusammenhang mit ein paar örtlichen Gruppen, wobei die Berliner Gruppe immer die deutlich mitgliederstärkste war.

Der gescheiterte Versuch des Aufbaus der NaO ist uns nicht äußerlich. Sowohl die isl wie auch der RSB hatten sich daran beteiligt. Für den RSB war die Haltung vergleichsweise neu, sich an Umgruppierungsprozessen zu beteiligen anstatt nur auf den Aufbau der eigenen kleinen Organisation zu setzen. Das war ein wirklicher Fortschritt. Für die isl war die Teilnahme Teil des für sie üblichen "Spagats", und im Übrigen war sie in ihren Reihen umstritten: ein Teil ihrer Mitglieder arbeitet in der Partei Die Linke und in deren antikapitalistischem Flügel mit, auch zur IL im Werden bzw. später zur IL bestanden und bestehen Verbindungen unterschiedlicher und wechselnder Intensität; eine Reihe von Mitgliedern der isl räumten dem NaO-Prozess von Anfang an wenig bis keine Erfolgschancen ein und fanden die Teilnahme daran eine Kräfte- und Zeitverschwendung.

Was Hoffnung machte

Beteiligt am NaO-Prozess waren neben einigen Einzelpersonen einige kleine bis sehr kleine politische Organisationen, Gruppen und Eimzelpersonen mit revolutionärem und marxistischem Selbstverständnis, von denen die meisten ausgeprägt sektiererische Züge trugen. Kleine politische Organisationen wie die isl und der RSB oder die GAM (Gruppe Arbeitermacht, Fünfte Internationale) galten in diesem Zusammenhang schon als "Schwergewichte" - das spricht Bände über die Dimensionen, um die es hier ging.

Doch gab es in der ersten Zeit des NaO-Prozesses ("Sommerdebatte", "Winterdebatte", Wochenendveranstaltungen mit Seminar-Charakter) nicht nur eine gewisse Aufbruchstimmung und ein Gefühl des Aufeinanderzugehens, sondern auch inhaltlich anregende Debatten auf einem guten Niveau. Auch Mitglieder der GAM erweckten in dieser Phase den Eindruck, durchaus bereit zu sein, über den eigenen Schatten zu springen, weniger doktrinär und altbacken argumentieren zu wollen und den anderen Betetiligten auf gleicher Augenhöhe zu begegnen.

Zudem waren – und sind – die Initiatoren der SIB Berlin keine politisch unbeschriebenen Blätter, sondern Urgesteine der linken Szene und der linken Politik in Berlin, teils verankert in den sozialen Bewegungen der Stadt, teils begabte politische Kommunikatoren, fähig, ihre Stimme über kleine Kreise hinaus zu Gehör zu bringen, Initiativen zu ergreifen und politische Events mit einigem Echo ins Leben zu rufen.

Eine kleine positive politisch-organisatorische Dynamik war also denkbar. Vor allem, wenn der verbale Konsens praktisch durchgehalten würde, die antikapitalistischen Kräfte innerhalb und außerhalb der Partei Die Linke in einem breiteren, notwendigerweise längere Zeit offenen Prozess zusammenzuführen, wofür sich vor allem die isl einsetzte. In der SoZ-Ausgabe vom März 2014 hatte Michael Prütz diese Herangehensweise ausdrücklich befürwortet, und es wurde dann auch ein Brief an die AKL in der Partei Die Linke mit der Aufforderung zu einem Gespräch geschrieben – als aber, wie zuvor schon die Kräfte der IL, auch die AKL nicht gleich darauf einging, war das Thema faktisch durch. Es wurde "Organisation gegründet" - ohne gleichwohl die Auflösung beteiligter Organisationen wie der isl und des RSB einzufordern, wohl auch, weil die GAM noch nicht einmal im (Alp-)Traum daran dachte, sich in der NaO aufzulösen, was aber die SIB Berlin sehr wohl tat.

Die NaO Berlin spielte eine bedeutende und positive Rolle bei zwei aufeinanderfolgeden "Revolutionären 1. Mai-Demos" in Berlin, organisierte ein um das andere Mal Veranstaltungen mit einigen hundert TeilnehmerInnen und sammelte schließlich 50.000 Euro oder mehr für "Waffen für Rojava" (wobei dies schon Ausdruck einer gewissen Einengung des politisch Blickwinkels war und einer selbstgewissen Positionierung in internationalen Konflikten, die eine Überschätzung der eigenen Urteilskraft mitbeinhaltete).

Was nicht funktioniert hat

Die Erarbeitung eines "Manifests" der NaO, mit dem programmatische Überzeugungen und Selbstverständnis der NaO artikuliert werden sollte, war ein mühsamer und langwieriger Prozess, in dessen Verlauf einige der Kleinstgruppen und sehr "radikal" auftretenden Einzelpersonen aus dem NaO-Prozess ausschieden. Der Text selbst war als Ausgangspunkt für weitere Verständigung für isl und RSB akzeptabel. Als Endpunkt und Ausgangspunkt einer NaO-"Gründung" auf Bundesebene taugte er aber weniger – zuviel "Proklamation", zuviel "Gewissheit", zuwenig Bereitschaft zur Reflexion ungeklärter Fragen und zur Auseinandersetzung mit anderen antikapitalistischen Kräften auf gleicher Augenhöhe kamen da zum Ausdruck.

Im weiteren Verlauf hat sich dann eine Art Allianz aus politischem Eventmanagement seitens eines Teils der NaO-Initiatoren aus der ehemaligen SIB und dem Kader der GAM und ihrer Jugendorganisation Revo ergeben, die zunehmend Gewicht in der NaO-Berlin und teils auch in dem kleinen und prekären bundesweiten NaO-Zusammenhang erlangten. Das Funktionieren als Organisation, die mal eben per Mehrheit (und wenig durch Suche nach Konsens) Beschlüsse zu wichtigen internationalen Konflikten und zu politischen Prozessen in anderen Ländern trifft – auch schonmal zur Verurteilung einzelner Linker in anderen Ländern wegen vorgeblicher Verfehlungen in der Vergangenheit – hat dann rasch eine Atmosphäre auf den Sitzungen geschaffen, die für viele Menschen nicht zum Aushalten war. Obwohl doch zu Anfang der Anspruch formuliert worden war, eine Organisation zu schaffen, in der sich "auch die Krankenschwester wohlfühlen kann".

Es ist der NaO Berlin nicht gelungen, die angestrebten kontinuierlichen Arbeitsfelder (Betrieb/Gewerkschaft und Stadtpolitik) aufzubauen. Die überwiegende Mehrheit der Mitglieder der isl in Berlin gehört zu den Menschen, die nicht bereit und in der Lage sind, an Sitzungen teilzunehmen, die davon geprägt sind, dass rivalisierende Gruppen, Strömungen und Einzelpersonen darum wetteifern, wer denn nun der radikalste und revolutionärste sei, und wer denn nun immer recht habe.

Die Rolle der GAM

Wenn Deutschland ein Schachbrett wäre, dann wäre die GAM darin nicht einmal der Schatten eines Bäuerchens. Im Schach ist es klug, die vorhandenen Kräfte auf einen Brettabschnitt zu konzentrieren, wo die eigene Partei Übergewicht erlangen kann. Das war für die GAM die NaO, und besonders die NaO Berlin.

Wo die GAM aufgrund des zahlenmäßigen Kräfteverhältnisses und der Bereitschaft ihrer Mitglieder zu einem hohen Aktivitätsgrad, zur Teilnahme an vielen Sitzungen mit einheitlichem Auftreten, Übergewicht erlangen konnte, suchten ihre Mitglieder keine Verständigung mehr und zeigten keine Bereitschaft zur reflexiven gemeinsamen Weiterentwicklung von Positionen. Vielmehr wurde dann abgestimmt, und die Abstimmungen wurden gewonnen. Um das als Karikatur noch einmal zu demonstrieren, setzten GAM- und Revo-Mitglieder auf einer abschließenden Telefonkonferenz zur Auflösung des bundesweiten NaO-Zusammenhangs per knappem Mehrheitsentscheid ihre Erklärung zur NaO-Auflösung durch, die sie bereits auch schon in der NaO Berlin durchgesetzt hatten.

Dieses Verhalten der GAM in Zusammenhängen mit anderen Linken ist nicht neu. Wir hatten dies seinerzeit bereits im Netzwerk Linke Opposition (NLO) erlebt. Zu Beginn eines solchen Prozesses wird Zusammenarbeit und Verständigung, um gemeinsam etwas aufzubauen, in den Vordergrund gestellt. Irgendwann aber wird "kapitalisiert" - es kommt zum Bruch mit diesen anderen Linken, und die GAM zählt nach, was sie bei der ganzen Prozedur an Mitgliedern gewinnen konnte. Im engsten Sinne des Wortes taktisch klug mag das sein – strategisch ist es unproduktiv, denn das Projekt, mit dem eigentlich eine neue Qualität linker und revolutionärer Organisierung erreicht werden sollte, geht ja in die Binsen: Operation gelungen, Patient tot. Es ist zu hoffen, dass es der GAM – wohlgemerkt bestehend aus ernstzunehmenden und zur solidarischen Aktion fähigen Genossinnen und Genossen – gelingt, sich eines Tages aus dieser politisch unproduktiven Logik zu befreien.

Impressionismus, Analogien und drei Dutzend Wahrheiten

RSB und isl haben keine Veranlassung, von oben herab auf das Scheitern der NaO zu blicken. Auch ihnen ist es nicht gelungen, eine positive Dynamik im NaO-Prozess auszulösen. Das mag mit den geringen investierten Kräften zusammenhängen oder auch mit der Unfähigkeit, in dem mit dem NaO-Prozess gegebenen Zusammenhang überzeugende und mitreißende Perspektiven zu formulieren. Jedenfalls waren isl- und RSB-Mitglieder in diesem NaO-Zusammenhang nicht die entscheidenden Akteure.

Gegen Ende des NaO-Prozesses hat sich der Niedergang auch in Respektlosigkeiten gegenüber isl-Mitgliedern (sie seien keine Revolutionäre usw.) seitens besonders sektiererischer NaO-Mitglieder manifestiert – so entsteht natürlich eine unerträgliche Atmosphäre; allerdings haben weder die große Mehrheit der NaO-Mitglieder noch der GAM-Mitglieder sich zu solchen Verhaltensweisen hinreißen lassen.

Bei den Initiatoren des NaO-Prozesses in der vormaligen SIB-Berlin gab es neben den erwähnten Stärken auch gewisse Schwächen – vor allem in Hinblick auf die ungenügende Bereitschaft zu einer längerfristig angelegten Debatte zu den Problemen revolutionärer Strategie in Zeiten, in denen die sozialistische Revolution nicht gerade vor der Tür zu stehen scheint. Sie haben eine allzu starke Neigung, politische Prozesse aufgrund improvisierter Impressionen zu beurteilen.Im NaO-Mikrokosmos hatten sie daher den kurzschlüssigen Selbstgewissheiten der GAM-Kader allzuwenig entgegenzusetzen.

Diese Kader haben einen Kanon, eine Überlieferung: Die Oktoberrevolution von 1917, die Kommunistische Internationale bis 1922 und was Trotzki bis zu seiner Ermordung 1940 so gesagt und geschrieben hat. Nach der Bildung der Regierung Syriza-Anel in Griechenland hatten sie daher rasch eine Antwort parat: Raus mit den bürgerlichen Ministern! Warum? Weil das 1917 die Forderung der Bolschewiki an die zusammen mit bürgerlichen Kräften regierenden Menschewiki und Sozialrevolutionäre war – das ist Teil des Kanons der revolutionär-marxistischen ("trotzkistischen") Überlieferung.

Aufgrund dieses Urteilens über aktuelle Prozesse nach Analogien, die aus der Vergangenheit geschöpft sind, erscheinen Akteure, die sich auf diese "trotzkistische" Tradition berufen, oft als kostümierte Nachspieler einer heroischen Vergangenheit gewisser idolatrierter Vorbilder. Ihre drei Dutzend Wahrheiten können gelernt werden; ihre herausragenden Führungsfiguren gehen ziemlich souverän mit ihnen um und gruppieren sie je nach Tagesbedürfnis immer wieder neu (mit ihnen kann man sogar diskutieren, und gut); ihre mittleren Kader und Adepten aber können nur die drei Dutzend Wahrheiten artikulieren, und zwar so, wie es gerade von den Führungsmitgliedern ausgegeben worden ist. Mit ihnen (gut) diskutieren kann man nicht: Die Suggestion der verbürgten Wahrheiten ist zu stark, das Problembewusstsein für die schwer zu beantworteten Fragen und Probleme der Gegenwart zu gering.

Fragend vorwärts schreiten

Der NaO-Prozess ist eine abgeschlossene Episode. Sie hat kein gutes Ende genommen. Daraus müssen die richtigen Lehren gezogen werden. Die Idee aber, die antikapitalistisch gesonnenen Menschen, Strömungen, Organisationen, Gruppierungen innerhalb wie außerhalb der Partei Die Linke und der Interventionistischen Linken (IL) zusammenzuführen und mit den sich links neu politisierenden Generationen zu verbinden, bleibt gültig.

RSB und isl wollen sich zusammentun und eine gemeinsame Organisation aufbauen. Es ist ihnen dabei bewusst, dass die revolutionäre Partei der Zukunft in Deutschland – und die revolutionäre Internationale weltweit – nicht dadurch entstehen wird, dass ihre kleine Organisation immer stärker wird. Dafür sind vielmehr Verständigungsprozesse mit viel breiteren Kräften erforderlich.

Die Offenheit dafür, sich mit solchen Kräften zu verständigen und über die Zusammenarbeit in der Aktion hinaus zu einer gemeinsamen politischen Kraft zu verbinden, ist also entscheidend. Die Lehren, die wir aus den vergangenen Erfahrungen und dem Scheitern des Sozialismus im 20. Jahrhundert ziehen, wollen wir in solche Prozesse einbringen. Wir werden aber auch unsere Fragen und Zweifel nicht verschweigen: Denn wir haben nicht auf alle Gegenwartsprobleme die Antwort schon parat und wollen lernen, die richtigen Fragen zu stellen und uns den richtigen Antworten zu nähern – zusammen mit allen, die diese zerstörerische kapitalistische Klassengesellschaft satt haben und eine auf Solidarität beruhende zukunftsfähige Gesellschaft aufbauen wollen.

Manuel Kellner, 12. Mai 2016, überarbeitet am 1. Juni 2016

Vom isl-Sekretariat zur Veröffentlichung gebilligt

Quelle: http://www.islinke.de/nao_bilanz.htm

Text 2

Manuel Kellners NaO-Bilanz: Viel Lärm und Nichts

0) Vorbemerkung: Nach langer, fünfjähriger Aufbauphase ist die NaO gescheitert. Die „Berliner Erklärung“, was auch immer man inhaltlich von ihr halten mag, ist der öffentliche und offizielle Schlussstrich. Obwohl der NaO-Prozess durchaus auch positive Reaktionen im linksradikalen Lager ausgelöst hatte, hat diese Auflösung in der radikalen Linken keine große Resonanz erfahren. Um so erfreulicher ist es, dass mit Michael Kellner (M.K.) überhaupt jemand Position bezieht. Wir stellen nicht den Anspruch, ein weiteres „NaO-Bilanzpapier“ zu erstellen. Uns geht es lediglich darum, ein paar Punkte aus dem Papier von Manuel Kellner „Die Neue antikapitalistische Organisation (NaO) ist aufgelöst. Woran ist sie gescheitert?“ klarzustellen.

1) Was wir ähnlich sehen

In drei Punkten können wir Manuel Kellner (M.K.) zustimmen: a) Es ist wohl richtig, dass die „positive Dynamik“ einer möglichen NaO-Entwicklung überschätzt wurde und darüber Illusionen bestanden; b) der Propagandastil war kritikwürdig. Schon in unserem Papier vom 24.6.15 „ ‚Vernunft kann es nur in Verzweiflung und Überschwang aushalten’ (Adorno)“ schrieben wir: „D. h., unsere Propaganda hat in aller Regel zu erklären und nochmals zu erklären und nicht aufzurufen. Der Stil im ‚Nieder mit…’ und umfangreiche Forderungskataloge am Schluss wirken einfach lächerlich. Unsere Ausdrucksweise ist manchmal etwas schablonenhaft und ein Schuss Humor und Selbstironie würde uns ganz gut anstehen.“ (Wir wissen allerdings nicht, ob M.K. dieses Papier zur Kenntnis genommen hat); c) es stimmt, dass es NaO-Berlin nicht gelungen ist, „die angestrebten kontinuierlichen Arbeitsfelder (Betrieb/Gewerkschaft und Stadtpolitik) aufzubauen.“

2) Polemik ohne Inhalte

M.K. bringt es fertig, auf über vier Seiten einen Vorwurf an den anderen zu reihen, ohne eine einzige Begründung oder einen beispielhaften Beleg. Da ist die Rede von:

„Triumphalismus“
„ Gruppen und Einzelpersonen… von denen die meisten sektiererische Züge trugen“
„Einengung des politische Blickwinkels“ und
„Überschätzung der eigenen Urteilskraft“;
„Allianz aus politischem Eventmanagement“, dass
„Strömungen und Einzelpersonen darum wetteifern, wer nur der radikalste und revolutionärste sei“;
„keine Bereitschaft zur reflexiven gemeinsamen Weiterentwicklung von Positionen“ (mit wem denn, wenn RSB und isl durch personelle und/oder programmatische Abwesenheit glänzten? M.P., M.E.);
„kurzschlüssigen Selbstgewissheiten der GAM-Kader“;
„kostümierte Nachspieler einer heroischen Vergangenheit gewisser idolatrierter Vorbilder“;
„ihre mittleren Kader und Adepten aber können nur die drei Dutzend Wahrheiten artikulieren“;
„Die Suggestion der verbürgten Wahrheiten ist zu stark, das Problembewusstsein für die…Probleme der Gegenwart zu gering“.

So reiht sich das über vier Seiten hin ohne eine einzige inhaltliche Begründung. Umgangssprachlich formuliert: M.K. ist ein Sprücheklopper.

3) Nebulöse Andeutungen

a) Zur Kampagne „Waffen für Rojava“ schreibt M.K.: „wobei dies (die Parole ?, M.P., M.E.) schon Ausdruck einer gewissen Einengung des politischen Blickwinkels war und einer selbstgewissen Positionierung in internationalen Konflikten, die eine Überschätzung der eigenen Urteilskraft mit beinhaltete).“

Geht’s bitte schön noch ein bisschen kryptischer? Wieder keine einzige inhaltliche Silbe. Sieht so die von M.K. geforderte „reflexive(n) gemeinsame(n) Weiterentwicklung von Positionen“ aus? Dabei wären doch hier ein paar selbstkritische Bemerkungen angebracht gewesen, dass die trotzkistische Bewegung mit wenigen Ausnahmen nichts für die Rojava-Solidarität getan hat. Dabei hat im Trotzkismus die internationale Solidarität mit Befreiungsbewegungen (z.B. algerischer Befreiungskampf, Vietnam, Salvador etc.) durchaus eine große Tradition. Diesmal herrschte eine weitgehende Ignoranz vor. Wenn hier jemand, bei aller möglichen Kritik, aus dem trotzkistischen Lager seiner internationalistischen Pflicht nachgekommen ist, dann die NaO.

b) Zum NaO-Manifest finden wir folgende erhellende Ausführungen: „Der Text selbst war als Ausgangspunkt für weitere Verständigung für isl und RSB akzeptabel. Als Endpunkt und Ausgangspunkt einer NaO-‚Gründung’ auf Bundesebene taugte er aber weniger – zuviel ‚Proklamation’, zu viel ‚Gewissheit’, zu wenig Bereitschaft zur Reflexion ungeklärter Fragen…“

Kein einziger Satz als Begründung, kein Beispiel, kein Textbeleg – nichts.

c) Zu Griechenland; hier scheint es zunächst inhaltlich zu werden. „Nach Bildung der Regierung Syriza-ANEL in Griechenland hatten sie daher rasch eine Antwort parat: Raus mit den bürgerlichen Ministern! Warum? Weil das 1917 die Forderung der Bolschewiki an die zusammen mit bürgerlichen Kräften regierenden Menschewiki und Sozialrevolutionäre war – das ist ein Teil des Kanon der revolutionär-marxistischen (‚trotzkistischen’) Überlieferung.“

Der Vorwurf lautet dann eines „Urteilens über aktuelle Prozesse nach Analogien, die aus der Vergangenheit geschöpft sind“. Das ist schlicht eine Unterstellung. Die Begründung der Forderung nach Aufkündigung der Koalition war nicht eine historische Analogie, sondern dass ANEL eine bürgerliche Partei ist (weit rechts stehend, auch mit besten Verbindungen zu griechischen Großreedern und zur orthodoxen Kirche) und dass ein solches Bündnis nur bedeuten kann, der herrschenden Klasse zu signalisieren, dass der Kapitalismus nicht infrage steht, dass man den Klassenkampf nicht mobilisieren werde. Der Verzicht auf eine solche Mobilisierung aber zieht dann die Kapitulation in Brüssel nach sich. So lautete (verkürzt) die Argumentation und in diesem Argumentationszusammenhang sind dann historische Analogien durchaus zulässig. Man mag diese Argumentation teilen oder nicht, aber man baue doch keinen Popanz auf, dass man nur mit historischen Analogien arbeite!

M.K. selbst enthält sich in dem Papier – wieder einmal – vornehm einer inhaltlichen Positionierung zur Koalitionsfrage. In diesem Zusammenhang wären schon ein paar selbstkritische Bemerkungen zu der Art der politischen Unterstützung der isl gegenüber Tsipras schön gewesen.

4) Passivität als Prinzip – zur Rolle von RSB und isl

Wir gehen davon aus, dass, wenn eine Organisation etwas unterschreibt, sie das auch alsOrganisation mitträgt. Wenn Bedenken bestehen, unterschreibt man das NaO-Manifest nicht (im äußersten Fall stellt man seinen Mitglieder frei, sich daran zu beteiligen).

Die Passivität von isl und RSB in der NaO aber grenzte an Boykott (mit Ausnahme der Kölner und einzelner GenossInnen). Man kann anderen schlecht vorwerfen, dass sie eine Position durchsetzen, wenn man selbst personell und programmatisch kaum anwesend ist. Statt einer weitgehend inhaltslosen Polemik gegen die aktiven Teile der NaO stünde RSB und isl eine umfassende selbstkritische Einschätzung gut zu Gesicht. Stattdessen folgender Eiertanz: “Für die isl war die Teilnahme Teil des üblichen ‚Spagats’, und im Übrigen war sie in ihren Reihen umstritten: ein Teil ihrer Mitglieder arbeitet in der Partei Die Linke und in deren antikapitalistischem Flügel mit, auch zu IL im Werden bzw. später zur IL bestanden und bestehen Verbindungen unterschiedlicher und wechselnder Intensität; eine Reihe von Mitgliedern der isl räumten dem NaO-Prozess von Anfang an wenig bis keine Erfolgschancen ein und fanden die Teilnahme daran eine Kräfte- und Zeitverschwendung.“ Und, weiter unten: „RSB und isl haben keine Veranlassung, von oben herab auf das Scheitern der NaO zu blicken (immerhin! M.P.,M.E.). Auch ihnen ist es nicht gelungen, eine positive Dynamik im NaO-Prozess auszulösen. Das mag mit den geringen investierten Kräften zusammenhängen oder auch mit der Unfähigkeit, in dem mit dem NaO-Prozess gegebenen Zusammenhang überzeugende und mitreißende Perspektiven zu formulieren. Jedenfalls waren isl- und RSB-Mitglieder in diesem NaO-Zusammenhang nicht die entscheidenden Akteure“.

„Nicht die entscheidenden Akteure“, – diese Formulierung ist ein schlechter Witz und/oder eine klassische Nebelkerze – RSB und isl stellten (mit wenigen Ausnahmen) kaum „Akteure“.

Isl und RSB haben nicht eine einzige Initiative ergriffen, die das NaO-Projekt vorangetrieben hätte. Nur als ein Beispiel der passiven bis destruktiven Haltung von RSB und isl: Als wir 2013 in Berlin die Veranstaltung mit Besancenot planten, wurde uns lediglich die Vergeblichkeit einer solchen Veranstaltung vorgehalten („Da kommen höchstens 50 Leute“). Es kamen aber über 300. Aber auch dann keinerlei Initiative, diesen Erfolg im Bundesgebiet zu verbreitern.

5) Unklarheit als Prinzip

Wir haben in unserem Papier „Vernunft kann es nur in Verzweiflung und Überschwang aushalten“ (siehe oben) im Abschnitt über „Programmatische Klarheit und ihre Grenzen“ einiges gesagt, was wir hier nicht wiederholen wollen, aber was M.K. in dem Papier zum Aufbau einer antikapitalistischen Linken im Abschnitt „Fragend vorwärts schreitend“ an inhaltsloser Phrasendrescherei liefert, ist kaum zu überbieten. Da ist die Rede von „antikapitalistisch gesonnenen Menschen…zusammenzuführen“ (?), von „Verständigungsprozesse mit viel breiteren Kräften“ (?) und sich „mit solchen Kräften zu verständigen…zu einer gemeinsamen politischen Kraft zu verbinden“.

Kann alles richtig sein, aber ebenso auch alles falsch. Genau das zeichnet inhaltslose Phrasendrescherei aus.

Eine ironische Schlussbemerkung sei uns gestattet: Dass ein derart inhaltsloses Papier „Vom isl-Sekretariat zur Veröffentlichung gebilligt“ werden muss, entbehrt nicht einer gewissen Komik.

Berlin, 3.7. 2016

Michael Prütz, Michael Eff

Quelle: http://www.arbeitermacht.de/infomail/893/kellner.htm

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