In der Sprache des heute
verbreiteten Feminismus in auflagenstarken Zeitschriften und
Verlagen hat das Geschlecht seine zeitgemäße Prägung, wobei das
kommerzielle Medium die Botschaft bestimmt und den Inhalt
parodiert. Mit dem verbreiteten Feminismus, zu dessen
Sprecherinnen ich auch den Orlanda-Verlag zähle, meine ich die
Strömung, die sich im demokratischen (Mit-)Sprechen verortet und
die keine Klassen kennt und im kapitalistischen Alltagsgeschehen
nicht mal "ihren Faden ins Gewebe einschlagen will",um eine
Formulierung von Hannah Arendt vom politischen Handeln
anzubringen, sondern nurmehr ihren Kommentar in die
Allgemeinsprache hineinzumischen.
Bedarf für Kritik wäre doch wohl
eine Menge da, aber mit Blick auf die Buchprogramme mancher
Verlage verwundert die Zahmheit, in der deutschen
Literaturlandschaft betätigen sich viele Autorinnen des
bürgerlichen Feminismus abseits vom klassenkritischen Wirken
einer Judith Butler oder Saskia Sassen, suchen keine
Präzisierung auf sozialer Ebene (mehr) und sind viel weniger
emanzipativ als medienstark. Es geht bei ihnen darum, im
kommerziellen Kulturbetrieb mitzumischen und "Selbstbestimmung"
in den Medientalk hineinzuwerfen, wenn andere Sprecher im
bundesdeutschen Talk ihre Kommentare ausspucken, wie letztes
Jahr der Politiker Rainer Brüderle mit seinem
Dirndl-Ausschnitt-Kommentar. Das ist bedauerlich, weil auf diese
Weise das Schweigen auch funktionieren kann - indem geredet
wird, indem nämlich im vulgären Diskurs auf der kommerziellen
Schiene weitergeredet wird.
Am Beispiel des Orlanda-Verlags
ist die Verflachung des feministischen Wirkens beklagenswert,
nachdem sich der Verlag vor zwei Jahrzehnten emanzipativ
betätigte besonders mit dem Werk "Farbe bekennen" afrodeutscher
Autorinnen, herausgegeben von Katharina Oguntoye und Mai Opitz,
später Mai Ayim. In "Farbe bekennen" verdeutlichten die
gesammelten Interviews und Essays der Frauen die Sprache und
Strukturen der rassistischen deutschen Gesellschaft. Im
autobiographischen Sprechen der Persönlichkeiten und mit dem
analytischen Blick auf Sprache und deutsche Historie bis zur
zeitgenössischen Gesellschaft wurde der Ausgrenzungsdiskurs
markiert, und hier wurde präzisiert: In Bezug auf den erfahrenen
Lebensraum, in Bezug auf soziale Missstände (Ayim schrieb
hierüber besonders sensibel) und die bundesdeutsche Politik bei
der Wiedervereinigung, sowie in Bezug auf koloniale Werte und
Sprachprägungen in den Institutionen.
Ob es ihnen damals eingefallen
wäre, einen offenen Brief an den Präsidenten Richard Weizsäcker
zu verfassen, um ihn darum zu bitten, die rassistische und/oder
sexistische Sprache in Regierung und staatlicher Kultur zu
beeinflussen? So bezähmt, sprachlich reduziert, zeigten sie sich
nicht. Denn von jenen afrodeutschen Autorinnen wurde
Selbstbestimmtheit gelebt, nicht proklamiert. Auch die
Mediensprache wurde von der Dichterin und Historikerin Ayim,
trotzdem sie an einigen Fernsehsendungen teilnahm, wiederholt
kritisiert. Dass Kritik und Abgrenzung notwendig war, um
einander in der Community zu finden und die Inhalte zu
formulieren, die die rassistische Realität entlarven, war die
selbstbewusste Erkenntnis der Schriftstellerinnen von "Farbe
bekennen".
Allerdings ist der Rassismus ein
speziell drängendes gesellschaftliches Thema damals und heute
erneut. Dass der Alltagssexsismus aber so verwässert abgehandelt
wird wie mit dem Buch "Ich bin kein Sexist, aber..Sexismus
erlebt, erklärt und wie wir ihn beenden." in demselben Verlag
2013, gibt Aufschluss von einer sozialen Oberflächensicht des
Verlags heute.
"Unter dem Stichwort #aufschrei
veröffentlichten in den vergangenen Monaten tausende Frauen ihre
Erfahrungen mit Sexismus auf Twitter. Und unter anderem auf der
Website alltagssexismus schreiben täglich viele Frauen ihre
Erlebnisse auf. Die Autorinnen Yasmina Banaszczuk, Nicole v.
Horst, Dr. Mithu M. Sanyal und Jasna Strick gehören zu jenen,
die den #aufschrei initiierten, ihn begleitet haben und in den
klassischen Medien darüber sprachen. "
Dass das Sprechen im Netz ein
bedeutender Anteil am Alltagssprechen sei, wird von den
Autorinnen des Buchs "Ich bin kein Sexist, aber.." im
Orlanda-Verlag 2013 vorausgesetzt. Denn die Autorinnen als
Medienarbeitende übernehmen nun mal das virtuelle Medium als
einen maßgeblichen Anteil am öffentlichen Sprechen und berufen
sich beim gesellschaftlichen Ansatz auf die Hoffnung, dass mit
einem geänderten politischen Klima zukünftig mehr Sprecherinnen
aus ihrer Netz-Anonymität heraustreten könnten. So haben sie
maßgeblich die Blog-Auswertung zum sprachlichen Stoff genommen,
und bei der Befassung mit Sexismus beziehen sie sich
hauptsächlich auf die Userinnensprache, wozu desweiteren die
Sprache von kommerziellen Medien, von Politikerjargon ( wie die
genannte sexistische Bemerkung Brüderles von 2013) und Literatur
hinzugerechnet wird. Das Riskante, wenn frau das Buch als
exemplarisch ernstnimmt, liegt auf der Hand: bei der Übernahme
der Mediensprache als gesellschaftlich relevantes Sprechen wird
keine Differenz zum Talk gezogen, der sich als kommerzielles
Produkt verselbständigt und den beeinflussen zu wollen, müssiges
Hoffen heißt – ebenso frommes wie bürgerliches Wünschen. Die
Vulgärsprache der großen Medien wird hier als sozial bestimmend
vorausgesetzt, Diskursanalyse ist verabschiedet. Das ist wohl
kein Wunder, denn die Autorinnen arbeiten für Auftraggeber von
WDR bis Emma-Magazin, von Tagesspiegel bis Bundeszentrale für
politische Bildung, sie wollen ökonomisch bestehen und müssen
die vorgefundene Sprache ernstnehmen, da spielt der Wunsch mit,
diese Sprachwelt erträglicher zu gestalten.
Mit „Ich bin kein Sexist, aber...“
wird demokratisch gehofft, die Gesellschaft durch das Mittel der
Mediensprache lenken und regieren zu können. Die soziale Gruppe,
auf die Bezug genommen wird, ist die virtuelle Community, die
sich eines Tages zur reellen Community wandeln könne, wenn das
politische Klima frauenfreundlicher würde.
Bequemliche Konsequenz - hier geht
es um die Wählerinnengemeinschaft und bundesdeutsche Stimmung.
Die Mediensprache als demokratisches Forum, als erweiterter
Parlamentssaal läßt nur klägliche Wege des Agierens offen.
Entsprechend hat v. Horst, Kulturjournalistin und
Tagesspiegel-Mitautorin, auf ihrer Website alltagssexismus.de
einen offenen Brief an Bundespräsident Gauck publiziert, in dem
der herrschende Sexismus angeprangert wird, und ebenso eine
Petition an die staatlichen Fernsehsender ARD und ZDF, sich für
„gesellschaftliche Aufklärung“ über Sexismus einzusetzen. So
wird gehofft, die bürgerliche Gesellschaft auf dem Weg der
Medienbeeinflussung zu kurieren.Um Räume muss nicht (mehr)
gestritten werden, wird die ganze Gesellschaft als ein einziger
Plenarsaal erachtet.
Kläglich, wie es der Net-Sprache
manchmal eignet, nehmen sich auch die Kommentare aus, als Talk,
wenn wir beim Blog alltagssexismus.de hineinlesen, wo Betroffene
von Sexismus reden. Im Kommentar-Teil zeigt sich die Misere des
"sozialen Netzes" von Web-Userinnen, das auf keine reellen
Begegnungen aufbaut, sondern nur die vorangeschrittene soziale
Vereinzelung kennt. „Sexismus“ wird hier sprachlich und sozial
nicht klar definiert, und das Fehlen von vorausgegangener
Verständigung über den Begriff zeigt sich, wenn überwiegend
Episoden von ungutem Sex-oder Beischlaf-Erlebnis wiedergegeben
werden, Sexismus als soziales Erleben wird kaum gekannt, kaum
reflektiert. Unbenommen, dass sich unter den Episoden reelle
Opfererfahrungen befinden, trägt die Kommentarfunktion in
alltagssexismus.de doch zu einer Verwirrung über den Begriff
Sexismus bei und hat den Beigeschmack von ziellosem Gequatsche,
der nunmal daherrührt, dass bei Twitter und Userforen keine
Positionen bezogen werden: Wo keine Person, da keine Position
und wo kein Text, da keine Positionierung. Denn die Ichs sind
nun mal unverifiziert und die Beiträge nun mal Chats und keine
Texte.
Wenn die vier Autorinnen hier
gemeinsam einen dünnen Band (96 S.) aus dem medienkulturellen
Sexismus-Thema gemacht haben, läßt sich das als kleines
Protokoll vom Internet-Sprachgebrauch zum Thema noch an. Nur zur
Kritik schaffen sie es im Grunde nicht, und weil es eben der
einzige Orlanda-Beitrag zum Thema des deutschen Alltagssexismus
ist, klafft die soziale Thematik fühlbar auf, für die hier
anscheinend schon lange kein Interesse mehr besteht.
Das läßt das Thema vor sich hin
kümmern. Schön, dass wir mal drüber geredet haben, aber – bei
der selektiven Sicht des Verlages- keinen Blick mehr auf soziale
Strukturen und Klassen hierzulande: Ließen sich doch mehrere
Bände zum Alltagssexismus im zeitgenössischen kapitalistischen
Marktwahnsinn verfassen, wenn denn noch soziales Interesse
bestünde. Denn sexistische Sprecher, wissen wir aus der
Herrschaftstheorie, üben nicht nur einen Wortgebrauch oder
Jargon aus, sondern auch eine soziale Position, ein autoritäres
Inszenieren oder Dominanzgebaren, das den Sexismus mitführt.
Aktuelle Ausführungen müßten den erschreckenden Stand der Zeit
erweisen. Von der Ausgrenzung der Flüchtlingsfrauen in deutschen
Lagern am Rand der Gesellschaft und einer völligen
Ausgeliefertheit an das Willkürbeamtentum erzählen andere Werke,
wie Tobias Piepers „Die Gegenwart der Lager- zur Mikrophysik der
Herrschaft in der deutschen Flüchtlingspolitik“ (Westfälisches
Dampfboot 2008), und zu diesem Thema müßte auch heute wieder
eine aktuelle Bestandsaufnahme drängend sein. Auch von Sexismus
gegen Rrom und Sinti in ihrer besonders erschwerten Situation
als Mütter in rassistisch gebrandmarkten Gruppen müßte ein Thema
gehen; Alltagssexismus wäre auch zu besprechen in Bezug auf den
Bildungsbetrieb verkommerzialisierter Hochschulen, wenn an
Universitäten Werbeträger ihre sexistische Wuntertütenwerbung
(geschlechtergetrennt) verteilen dürfen, wie das
queerfeministische Info-Magazin des Asta an der Freien
Universität Berlin 2012/2013 berichtete, klar, es ging um die
die Ökonomisierung des Uni-Standortes, das wurde miterwähnt.
Alle die Ansatzpunkte für aktuelle
Kritik interessieren aber nicht in der bürgerlichen Gangart des
langjährigen feministischen Verlages, die vielleicht von der
Hoffnung herrührt, in den bestehenden Strukturen ökonomisch
erfolgreich zu sein und sich zugleich im Frausein akzeptiert zu
fühlen. Wenn aber mit solcher Oberflächlichkeit über „Sexismus“
und einen „Aufschrei“ publiziert wird, zeichnet sich ab, dass
die sexistische Realität des kapitalistischen gesellschaftlichen
Marktwahnsinns noch verschönert und legitimiert wird- durch den
ethischen Sprachjargon.
Ein beinahe hübsches Gegenbild zu
"Ich bin kein Sexist, aber..." bietet der Bildband "Frauenkörper
neu gesehen" im Orlanda-Verlag, der ebenfalls zu den
Neuerscheinungen zählt. Mensch könnte sagen: Beide Bücher
kreisen um die Leerstelle der gesellschaftlichen Frau, und
hängen sich an verschiedene Extremformen. Ist die Frau im obigen
Beispiel verallgemeinert als bundesdeutsche Wählerin, so ist sie
hier verallgemeinert als körperhafte Idealität und Typus in
ästhetischer oder medizinischer Abbildung. Sind die
Web-Userinnen von #aufschrei bzw. von "Ich bin kein Sexist,
aber..." keine sozial handelnden Personen, weil die Stimmen der
Republik, so ist frau in den Abbildungen von "Frauenkörper"
ebenfalls dem Sozialen entrückt, weil interessant als
Schönheitstypus oder medizinischer Typus im Bild. Beide Bände
können hoffen, mit der Absenz von Kritik am kapitalistischen
frauenverachtenden Diskurs zu punkten, und als feministische
Beiträge die bürgerliche Gesellschaft zu bereichern.
In "Frauenkörper neu gesehen" mit
über 200 Abbildungen des weiblichen Körpers soll Sexualanatomie
und Gesundheit der Frau thematisiert werden, sowie die sehr
breitgefächerte Thematik von Körpern, Identitäten, Sprache und
Sexualität besprochen werden. Die Herausgeberin Laura Méritt,
Kommunikationswissenschaftlerin und Pädagogin, hat den Anspruch,
"ihre Inhalte anschaulich und frei von Berührungsängsten" zu
vermitteln.
Damit wird die Kursrichtung klar.
Sex sells, und wie viel besser noch die Kombination
Sex-und-Bild. Die Anschaulichkeit ist unbezweifelbar, aber auch
abgedroschen. Für manche Frauen, die selbst von sexualisierter
Gewalt betroffen waren, dürfte sie schon die erste Barriere
bedeuten. Das Titelbild zeigt eine junge Frauenschönheit von
gewohnter Norm, die die Jeans herunterstreifend sich nackt bis
zum Oberschenkel präsentiert. Längst zählen Anschaulichkeit,
Schauen und Show zum Usus bei der weiblichen
Verkommerzialisierung seit Jahrzehnten, und das Buch
signalisiert einfach sein Einverständnis mit der Sexualisierung
des weiblichen Körpers. Wie erhellend, dass hier bei den
Textbeiträgen "Selbstbestimmung" draufsteht, wo viel
Schaulust-Kompromiss drin ist. Wieviel Emma-Jargon auch immer
mitgeliefert wird in den Texten, die Bildersprache ist ja selbst
eine Sprache und vereint alle Beiträge in dem sonderbaren
thematischen Sammelsurium, ob ästhetisch oder medizinisch: In
der Bildersprache ist das Zitat aus der Schokoladenwerbung oder
dem Sex-Pop-up im Internetfenster mitgeliefert. Bei den Inhalten
über Sexualanatomie und Gesundheit, die die zahlreichen
Autorinnen sogar vom Frauengesundheitszentrum Berlin FFGZ, von
den gesundheitspolitischen, kulturwissenschaftlichen und
sexpsychologischen Autorinnen, liefern, wurde eine Entscheidung
gefällt. Auch das FFGZ sollte sich dessen bewußt sein: Opfer von
sexualisierter Gewalt dürften das Buch schwerlich kaufen, weil
die gewohnte pornographische Abbildung der Frau jene Opfer sehr
wahrscheinlich abstößt; die Girl-Titelvorlage des Buches ist
konventionell und erinnert an die Nacktbilder eines Helmut
Newton. Es muss Verlogenheit dazugehören, hier gar kein Zitat
der gewöhnten kommerziellen Bilderindustrie gebracht haben zu
wollen.
Und diese
Verlogenheit bringt Orlanda auf ebenso wie die Autorinnen. Im
Gegenteil müsste zur Frage stehen, ob wichtige psychologische
Inhalte, wie bei der Clio-Zeitschrift, nicht gerade einen
Verzicht auf das erotische Bildsstimulans nahelegen würden.In
der konventionellen Auffassung der Autorinnen und der
Herausgeberin Méritt, die mit dem Forum "Sexclusivitäten" in
Berlin Seminare gibt, bedarf die Gesellschaft (noch) mehr
sexueller Aufklärung und weiblicher Ausstellung. So wird , weit
entfernt, die intime Auslieferung des Einzelnen ans Öffentliche
mit Michel Foucault in "Der Wille zum Wissen" zu kritisieren,
noch einmal ein beträchtlicher Anteil an sozialer Realität
geleugnet, der gesellschaftliche vermarktungstechnische Gang,
der die Frau in der Bilderindustrie entwürdigt. Und der Blick
auf den Buchumfang stimmt nachdenklich: Die bürgerliche
Blickrichtung geht bemerkenswerterweise auf das Panorama des
Körpers und das Buch kennt weitläufiges Schweigen in Bezug auf
gesellschaftliche Mechanismen zu gesundheitlichen und
psychologischen Themen: Tiefenpsychologisches könnte uns zeigen,
dass die kommerzielle Prägung uns in infantilen oder pubertären
Stadien festhält, Besitz- und Machtstrukturen könnten erörtert
werden, die sozial regeln, wer mehr sichtbar auftreten kann und
wer weniger sichtbar sein kann, Erwerbszwänge würden
verdeutlichen, dass den Menschen Zeit genommen ist, einander und
sich selbst wahrzunehmen, Männlichkeitskult könnte dargelegt
werden bis hin zu "Imponiergehabe", das sich noch in den Rängen
von Managern auslebt (siehe dazu auch Pierre Bourdieus "Die
männliche Herrschaft").
Der Band "Frauenkörper" bezieht
sich auf Natur und verschweigt alltägliche Unnatur in der
rigoros organisierten Gewinngesellschaft, so partizipiert
man/frau (schon wieder) an idealisierter Erotik, der Alltag muss
draußenbleiben. Sehr problematisch ist die Untermauerung der
Sexualisierung der Frau als vermeinte „Selbstbestimmung“, hier
wird es begriffsverwirrend, wenn das Objekt im Bild andauernd
als Subjekt angeführt wird. Und mit dem Buch "Frauenkörper-neu
gesehen" sieht mensch den Frauenkörper nicht neu, sondern
konventionell mal anders, objektiviert wie immer. Es ist ein
weitererer Beitrag zur Verdinglichung des menschlichen und
zuallererst des weiblichen Körpers. Seit Madonna ist keine
Neuheit mehr, dass sich "selbstbewusste Schönheit" in
Zurschaustellung formulieren will...hier wird die Kurve nicht
gekriegt, es geht hier nicht unwesentlich um Vermarktung der
weiblichen Nacktfotografie reloaded.
Die Autorinnen, die sich für "Lust
und Entdeckungsfreude" aussprechen ( doch wie viel
Entdeckungsfreude verbleibt noch, wenn Schauen und Blicken
längst überbewertet wurden), befinden sich weiter entfernt von
gesellschaftlichem Gespür als der Kulturtheoretiker Byung – Chul
Han, der die "Agonie des Eros" vermutet. Und es scheint, dass
Han uns zum Stand der Gesellschaft und der Erotik mehr zu sagen
hat. "Während Intimität und sexualisierte Bildwelten zunehmend
den öffentlichen Raum prägen, befinden wir uns auf dem Weg in
eine Gesellschaft, in der die privaten Umgangsformen sich in
umfassender, aber kaum merklicher Weise nach den Imperativen des
Konsums richten. Als Ergebnis steht eine Gesellschaft ohne
Erotik, denn Erotik bleibt immer bestimmt vom Reiz des Anderen
und nicht von seiner Verfügbarkeit." (Texteinführung des
Bildungswerks der Heinrich-Böll-Stiftung) Der Autor Han hält
derzeit Vorträge in Deutschland, auch beim Bildungswerk der
Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin.
Die Lust, achja, das ist auch ein
vielzitiertes verdinglichtes Fühlen, von dem zu fragen ist, ob
es schon wieder befreit und herausgelockt werden muss
gleichfalls wie von hunderten Girlie-oder-Frauenmagazinen, die
von nichts anderem reden. Wird immer nochmal über Sex geredet
und wird in der Werbeindustrie auch noch die Zahnbürste
sexualisiert, so muss zugleich nicht nachgedacht werden über die
psychotische Prägung der Besitzgesellschaft, über den Antrieb zu
bulimischem Konsumieren und Bildungskonsumieren, über den
Sinnverlust unter Wachstumswahnsinn oder über die Herabwürdigung
des Menschen, der ohne Status oder ohne Paß aus der Gesellschaft
ausgegrenzt wird.
So zeigt sich beim Orlanda-Verlag,
wie auch mit früheren Romanveröffentlichungen im Verlag etwa mit
dem Titel "Jungfernhaut", eine Ausrichtung auf die breite Bahn
des Geläufigen entlang der sexuellen Sensation, fort von der
schwierigeren Bahn der Emanzipation der Ausgegrenzten oder der
Gewaltbetroffenen, die an der sexualisierten Abbildung der Frau
kein Vergnügen finden können.
Der Orlanda-Verlag publiziert
heute für die Sichtbaren und für das Sichtbare, für die
Sexualisierung aber nicht gegen den Sexismus. Das Bestehende zu
bekräftigen, ist eine bürgerliche Betätigung und heißt, Kamellen
als Befreiung der Frau zu verkaufen, während von brennenden
Themen geschwiegen wird.
Editorische Hinweise
Wir erhielten den Text von der
Autorin zur Veröffentlichung in dieser Ausgabe.
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