Stadtumbau & Stadtteilkämpfe
Die Neuausrichtung linker Stadtpolitik vorantreiben
Der Gesprächskreis ‚Stadtpolitik’ der Rosa-Luxemburg-Stiftung

von Nico Grunze & Matthias Naumann

07-2014

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onlinezeitung

Stadtpolitik und städtische Konflikte sind in den vergangenen Jahren von ganz unterschiedlichen Seiten wiederentdeckt worden. Soziale Bewegungen in Städten können eine erstaunliche Mobilisierungskraft entwickeln. Dies zeigen auch die Berliner Volksentscheide der vergangenen Jahre. Kritisch hinterfragt wird darin die angeblich alternativlose Situation aufgrund angespannter öffentlicher Haushalte und geringer kommunalpolitischer Spielräume. Stadtentwicklung erfährt also vielerorts eine Repolitisierung. Zugleich versucht ein sehr heterogenes Spektrum von Aktivist_innen, Wissenschaftler_innen, Kulturschaffenden und anderen unter dem Motto ‚Recht auf Stadt’ soziale Widersprüche in Städten sichtbar zu machen, zu kritisieren und Gegenentwürfe zur bestehenden kapitalistischen Stadt zu diskutieren (vgl. als Überblick Holm/Gebhardt 2011). Grob vereinfacht können wir drei wesentliche Strömungen einer kritischen Auseinandersetzung mit Stadtpolitik in der Bundesrepublik identifizieren:
  1. Städtische soziale Bewegungen zu sehr unterschiedlichen Themen, die von Protesten gegen Mieterhöhungen und Zwangsräumungen sowie gegen die Privatisierung öffentlicher Unternehmen bis hin zu Initiativen für alternative Nutzungen städtischer Flächen reichen;
  2. eine immer weiter ausdifferenzierte Stadtforschung kritischer Tradition, die mittlerweile weit über die klassischen Disziplinen wie etwa Stadtsoziologie, Humangeographie und Planungswissenschaften hinausreicht und zahlreiche internationale Bezüge aufweist;
  3. lokale Gliederungen: Amts- und Mandatsträger_innen der Partei DIE LINKE, die – wenn sie sich in der parlamentarischen Opposition befindet – Bündnispartner_innen städtischer Bewegungen sind; die parteinahe Rosa-Luxemburg-Stiftung bietet kritischer Wissenschaft und sozialen Bewegungen ein öffentliches Forum; Bundes- und Landesarbeitsgemeinschaften der Partei arbeiten zu wohnungs- und stadtpolitischen Themen.

So positiv und vielversprechend diese Vielfalt auch wirkt – diese verschiedenen Strömungen agieren häufig weitgehend parallel, ohne Bezug aufeinander und manchmal sogar in gegenseitiger Abgrenzung voneinander. Mitunter ist eine Fragmentierung linker stadtpolitischer Initiativen in soziale Bewegungen, kritische Wissenschaft und Stadtpolitik der LINKEN festzustellen. Prominentestes Beispiel hierfür ist die Regierungsbeteiligung der LINKEN in Berlin von 2002 bis 2011, die zu großen Enttäuschungen und andauernden Zerwürfnissen mit stadtpolitischen Bewegungen geführt hat. So lehnten stadtpolitische Bewegungen in Berlin Bündnisse mit der LINKEN und deren Vertreter_innen mit dem Verweis auf deren Rolle als Regierungspartei explizit ab.

Die Idee des Gesprächskreises Stadtpolitik

Vor diesem Hintergrund möchte der im April 2013 gegründete Gesprächskreis ‚Stadtpolitik’ der Rosa-Luxemburg-Stiftung einer Neubestimmung linker Stadtpolitik ein spektrenübergreifendes und bundesweites Forum bieten. Unter dem Dach der Rosa-Luxemburg-Stiftung existieren zahlreiche Gesprächskreise zu unterschiedlichen Gebieten. Der Gesprächskreis ‚Stadtpolitik’ knüpft an die Kommunalakademie der Rosa-Luxemburg-Stiftung an, die sich an linke Mandatsträger_innen in Kommunen richtet und unter anderem mit der Buchreihe Crashkurs Kommune (zur Einführung vgl. Weck 2014) versucht, Ansätze einer linken Kommunalpolitik anhand verschiedener Themen zu entwickeln.

Die Treffen des Gesprächskreises finden an jeweils wechselnden Orten statt und werden von lokalen Aktivist_innen in Zusammenarbeit mit einer bundesweiten Vorbereitungsgruppe organisiert. Damit sollen unterschiedliche, an konkrete regionale Auseinandersetzungen geknüpfte Themen in den Gesprächskreis einfließen. Unregelmäßig werden darüber hinaus öffentliche Veranstaltungen organisiert, um aktuelle Konflikte auch in einer breiteren Öffentlichkeit zu diskutieren. So fanden 2013 im Vorfeld der Treffen des Gesprächskreises in Leipzig und Hamburg Veranstaltungen zum Leitbild der ‚unternehmerischen Stadt’ und möglichen stadtpolitischen Gegenstrategien statt. Geplante Themenschwerpunkte, die unterschiedliche Zugänge und Praktiken linker Stadtpolitik künftig bündeln könnten, sind unter anderem die Erarbeitung von Strategien für eine soziale Wohnungspolitik, die Diskussion neuer Eigentumsformen und der Ausgestaltung von Rekommunalisierungen sowie die Entwicklung sozialökologischer Perspektiven auf Stadtentwicklung jenseits des Wachstumsparadigmas. Ziel des Gesprächskreises ist es, Gemeinsamkeiten und Schnittmengen der verschiedenen Spektren und Generationen linker Stadtpolitik herauszuarbeiten. Dem Arbeitskreis reicht allerdings Vernetzung als Selbstzweck nicht aus. So sinnvoll es ist, Kompetenzen, Erfahrungen und Kontakte aus unterschiedlichen Kontexten zusammenzubringen: Warum sollten sich Aktivist_innen von Mieter_inneninitiativen, kritische Stadtsoziolog_innen und Landtagsabgeordnete der LINKEN regelmäßig miteinander treffen? Was könnten mögliche Ergebnisse sein?

1. Der Gesprächskreis kann städtischen sozialen Bewegungen die Möglichkeit für regelmäßige bundesweite Treffen bieten, die mit den Ressourcen lokaler Initiativen allein nur schwer zu realisieren sind. Die lokalen Bewegungen können damit von den Erfahrungen von Kämpfen in anderen Städten ebenso profitieren wie von konkreten Maßnahmen und Instrumenten linker Kommunalpolitik, die über zeitlich begrenzte Kampagnen hinausgehen.

2. Kritische Stadtforscher_innen können den Gesprächskreis einerseits für einen ‚Realitätscheck’ wissenschaftlicher Ansätze nutzen, zum Beispiel zur Frage: Wie kann akademisches Wissen lokale Mobilisierungen unterstützen? Andererseits können hier Akteure konkreter stadtpolitischer Auseinandersetzungen ihren Bedarf nach neuen Konzepten und internationalen Erfahrungen an eine kritische Stadtforschung richten.

3. Für Vertreter_innen und Mandatsträger_innen der LINKEN kann der Gesprächskreis Anregungen zu neuen Ideen aus den sozialen Bewegungen und der kritischen Wissenschaft liefern. Es kann geprüft werden, wie sie in kommunalen Verwaltungen, Haushalten und Ordnungen umsetzbar sein könnten. Übergeordnete Fragen wären hier: Was wären Alternativen zu neoliberalen Leitbildern der ‚unternehmerischen Stadt’? Wie könnte ein linkes Demographie-oder Regionalentwicklungskonzept aussehen?

Eine pluralistische linke Stadtpolitik entwickeln

Die zentrale Gemeinsamkeit aller drei Ansatzpunkte ist die Frage nach einer Neubestimmung linker Politik auf der städtischen Ebene, nach ihren Utopien und ihren konkreten Maßnahmen. Der bundesweite Gesprächskreis richtet sich dabei nicht nur an Aktivist_innen aus Großstädten, sondern explizit auch aus Klein- und Mittelstädten. Linke aus innerstädtischen Quartieren mit hohem Verwertungsdruck treffen somit auf Vertreter_innen aus schrumpfenden Städten, die mit Abwanderung und der Überalterung der eigenen Strukturen zu kämpfen haben; außerparlamentarische Initiativen begegnen langjährigen Bürgermeister_innen und Stadträt_innen aus ostdeutschen Kommunen. Verhandelt wird, was eine linke Stadtpolitik ausmacht, die in der Lage ist, für ganz unterschiedliche Kontexte Antworten zu liefern.

Auch wenn der Gesprächskreis dazu beitragen kann, wechselseitig Wissen und Verständnis um die Rollen der einzelnen Akteur_innen zu schaffen, bleiben die jeweils eigenen – und lokal mitunter sehr verschiedenen – Logiken und Zwänge der unterschiedlichen Beteiligten bestehen. Für das Selbstverständnis außerparlamentarischer Initiativen ist häufig eine Abgrenzung zu Parteien und deren Organisationen wichtig; Wissenschaftler_innen bearbeiten Fragen zunächst mit dem Ziel der Wissensgenerierung und -reflexion, haben den Anwendungsbezug oft weniger vor Augen und sind zudem an die Verwertungslogiken wissenschaftlicher ‚Exzellenz’ gebunden; die parteigebundene Linke ist den wechselnden Machtverhältnissen innerhalb ihrer Partei sowie den Legislaturperioden unterworfen. Die grundsätzliche Spannung innerhalb der LINKEN „zwischen unpolitischem Dogmatismus und politisch haltlosem Pragmatismus" (Nelken 2011: 50) findet sich auch im Gesprächskreis wieder: Utopien und Visionen für eine linke Stadtpolitik auf der einen Seite reiben sich mit konkretem kommunalpolitischem Handeln und dessen realpolitischen Restriktionen auf der anderen Seite. Die Diskussion der damit verbundenen Widersprüche wird alles andere als leicht sein und verspricht keine einfachen, allgemeingültigen Antworten – aber genau darin liegt auch ihr Reiz.

Das nächste Treffen des Gesprächskreises ‚Stadtpolitik’ ist für Juni 2014 geplant. Nähere Informationen und einen Kontakt zum Gesprächskreis gibt es über Katharina Weise, weise@rosalux.de.

Autor_innen

Matthias Naumann ist Geograph. Er arbeitet zu Stadt- und Regionalentwicklung, Infrastruktur und kritischer Geographie. naumann@irs-net.de

Nico Grunze ist Geograph und arbeitet zu Stadt- und Regionalentwicklung.

Literatur

Holm, Andrej / Gebhardt, Dirk (Hg.) (2011): Initiativen für ein Recht auf Stadt. Theorie und Praxis städtischer Aneignungen. Hamburg: VSA-Verlag.

Nelken, Michail (2011): Integration und Vielfalt, Transparenz und Ermächtigung. Möglichkeiten und Grenzen „linker" Stadtplanung und Stadtentwicklungspolitik. In: Andrej Holm/ Klaus Lederer/ Matthias Naumann (Hg.), Linke Metropolenpolitik. Erfahrungen und Perspektiven am Beispiel Berlin. Münster: Westfälisches Dampfboot, 50-58.

Weck, Felicitas (2014): Linke Kommunalpolitik. Für Einsteiger_innen und Fortgeschrittene. Aktualisierte Ausgabe. Hamburg: VSA-Verlag.

Editorische Hinweise

Der Aufsatz wurde der Zeitschrift s u b \ u r b a n 2014, Band 2, Heft 1 entnommen.
Das komplette Heft kann kostenlos im Netz als PdF-Datei geladen werden.