Betrieb & Gewerkschaft
Betriebratswahlen
Eine erste Bilanz

von Frederik Haber (GAM)

07-2014

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Die Betriebsratswahlen sind gelaufen und seitens der Gewerkschaftszentralen gibt es Erfolgsmeldungen. "Die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass die IG Metall ihre Stellung in den Betrieben festigen konnte. Drei von vier gewählten Betriebsräten gehören der IG Metall an", erklärte z.B. Jörg Hofmann, 2. Vorsitzender der IG Metall, am 24.4. (Pressemitteilung Nr. 13/2014). Eine endgültige Auswertung gebe es aber erst Ende des Jahres.

Die Daten, die von den Gewerkschaften veröffentlicht werden, sind dünn und nicht vergleichbar. Aus einem Betrieb werden „100% IGM“ gemeldet, aus anderen die Anzahl der Sitze. Die Listen sind unvollständig. Bei anderen Gewerkschaften ist es ähnlich.

Sicher ist, dass sich eine Tendenz verstärkt hat, über welche die IG Metall nicht redet: Zweite Listen, die von MetallerInnen kommen. Üblicherweise kamen zweite Listen oft aus gewerkschaftsfernen Angestelltenkreisen, gelegentlich mit Unterstützung der Personalabteilungen. Noch heute ist bei vielen GewerkschafterInnen die erste Reaktion auf eine zweite Liste: „Steckt die Geschäftsführung dahinter?“. Doch das ist immer seltener der Fall.

Auch bei Betriebsratsvorsitzenden gibt es ein gewisses Interesse an zweiten Listen, denn bei Listenwahl kann die eingereichte Platzierung der Listen nicht verändert werden, der erste Platz bleibt der erste. Zweitens setzen gerade in den Großbetrieben die Unternehmensleitungen stärker auf ihre gewohnten kooperativen Vorsitzenden als auf „Abenteuer“.

Auch die ausgesprochen links begründeten Gegenkandidaturen sind eher rückläufig, ebenso die Anzahl geschulter Linker in den Betrieben. Was also steckt hinter dieser neuen Welle?

Oft sind es Vertrauensleute der IG Metall, die solche Listen aufstellen. Die Motive sind Unzufriedenheit mit der Betriebsratsführung, aber auch bessere Chancen, in den Betriebsrat zu kommen. Während bei Personenwahl pro Wahlberechtigte/n so viele Stimmen vergeben werden können, wie Mandate zu vergeben sind, ist es bei Listenwahl nur eine Stimme. Das Quorum für einen oder zwei Sitze ist schnell erreicht, während bei Personenwahl im Regelfall mehr als 20% der WählerInnen für eine/n KandidatIn stimmen müssen, damit es zum Einzug in das Gremium reicht. Gerne werfen deshalb die etablierten BetriebsrätInnen solchen Kandidaturen Karrierismus vor, was aber aus solchen Mündern eher komisch wirkt.

Um eine solche Tendenz zu erklären, ist mehr nötig, als nur ein verstärktes Drängen auf die Plätze im Betriebsrats-Büro. Die Produktions- wie die FacharbeiterInnen sind seit Jahren die VerliererInnen innerhalb der IG Metall. Sie haben bei ERA und allen „Standortsicherungen“ verloren, ihre Arbeitsplätze sind permanent unter Druck, die Arbeitszeiten werden schlechter durch Ausweitung von Schichten. Auch wenn immer mehr Angestellte ebenfalls proletarisiert werden, so wird zumindest verbal viel von „familienfreundlicher“, flexibler Arbeitszeit geredet, die meist nur Angestellte betreffen kann. Bei Verlagerungen stehen sie weniger im Focus und die IG Metall macht eine Werbekampagne nach der anderen in Richtung dieser Zielgruppe, die regelrecht hofiert wird.

Frustration

In den Kernschichten der IG Metall macht sich Frust breit - seit Jahren. Zugleich hat die IG Metall selbst die Vertrauenskörper immer stärker den Betriebsräten untergeordnet, das klassische gewerkschaftliche Betätigungsfeld der ArbeiterInnen also entwertet. Der Drang in die Betriebsratsgremien ist also verständlich. Meist wächst in den Betrieben auch der Angestelltenanteil, so dass Kandidaturen bei Personenwahlen noch weniger aussichtsreich sind.

Es ist diese Mischung verschiedener Motive, die hinter der neuen Welle eigener Listen steckt. Die IG Metall-Bürokratie tut sich noch schwer damit, diese einzuschätzen. Bei der Rechnung á la Hoffmann „drei von vier sind Mitglied der IG Metall“ werden diese - oftmals recht erfolgreich neu gewählten - BetriebsrätInnen vorerst schnell vereinnahmt.

Sie für eine andere Betriebsratsarbeit gegen das Co-Management der Betriebsratsfürsten und den Kampf für eine klassenkämpferische Gewerkschaftspolitik zu gewinnen, ist Aufgabe der Gewerkschaftslinken.

Editorische Hinweise

Wir erhielten den Artikel von:

ARBEITERMACHT-INFOMAIL
Nummer 760
29. Juni 2014

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