An diesem
Dienstag, den 25. Juni 13 wurden Maßnahmen zur
Auflösung dreier neofaschistischer Gruppen aus dem
gewaltbereiten, außerparlamentarisch-aktivistischen
Spektrum bekannt gegeben.
Am
Nachmittag gaben die Kleinpartei ,Troisième Voie’
(„Dritter Weg“, gemeint ist: zwischen Kapitalismus und
Marxismus) von Serge Ayoub und ihr schlagender Arm
Jeunesses nationalistes révolutionnaires
(JNR, „Revolutionäre nationalistische Jugend“) ihre
„Selbstauflösung“ bekannt. Serge Ayoub gab
dazu gegenüber der Presse an, er komme dadurch einer
staatlichen Auflösungsverfügung zuvor. Ayoub hatte knapp
zwei Wochen zuvor eine Anordnung des Innenministeriums
erhalten, das ihn über die Einleitung eines
Verbotsverfahrens gegen seine Gruppierung informierte
und ihm eine 14tägige Frist einräumte, um Argumente
gegen eine Verbotsverfügung vorzutragen.
Am
Montag, den 24. Juni war ferner bekannt geworden, dass
im südwestfranzösischen Agen sieben Jungnazis aus dem
Milieu von Troisième Voie festgenommen
wurden. Die sieben Jungmänner im Alter zwischen 22 und
35 Jahren, einige von ihnen Naziskins, sind zum Teil
„polizeibekannt“. Ihnen wird vorgeworfen, in der Nacht
vom Samstag zum Sonntag in Agen einen 25- und einen
33jährigen attackiert zu haben. Der jüngere von beiden
wurde, aufgrund seiner nordafrikanischen Herkunft,
rassistisch beschimpft. Die beiden Opfer befanden sich
auf dem Nachhauseweg von dem seit Jahren in Agen
stattfindenden linksalternativen Rockfestival La
Prairie. Beide trugen Gesichtsverletzungen
davon, eines der beiden Opfer wurde für zwei Wochen
krankgeschrieben. Voraussichtlich wird der Prozess gegen
die Täter bereits am kommenden Dienstag stattfinden.
Offenkundig zog Ayoub es vor, eine geordnete
Liquidierung seiner Gruppierungen einzuleiten;
sicherlich nicht, ohne zuvor die Konten geleert und
eventuelle materielle Werte auf die Seite gebracht zu
haben. Ein Artikel der konservativen Tageszeitung
Le Figaro mutmaßte ferner, die vorbeugende
„Selbstauflösung“ der beiden Gruppierungen diene auch
dazu, das Wesentliche in den Augen Ayoubs zu retten: das
rechtsextreme Zentrum Le Local, das 2007
durch Ayoub (damals noch zusammen mit dem
antisemitischen Schriftsteller Alain Soral) im 15.
Pariser Bezirk eröffnete.
Die
Kleinpartei ,Troisième Voie’ umfasste
mutmaßlich rund 500 Mitglieder, die JNR rund dreißig.
Der Urheber der tödlichen Schläge gegen den 18jährigen
Antifaschisten Clément Méric, der 20jährige Naziskin
Esteban Morillo, hat gegenüber den Ermittlungsbehörden
angehört, er habe Ayoubs Kleinpartei „sechs Monate
lang“ (angeblich nur in der Vergangenheit)
angehört zu haben.
Unterdessen spielte sich am selben Dienstag, den 25.
Juni eine Polemik zwischen französischen Medien ab, die
den Kontext der tödlichen Schläge betrifft. Der
notorisch rechtslastige Radiosender RTL behauptete,
Zugang zu einem Video erhalten zu haben, das die Polizei
dank einer Überwachungskamera der Pariser
Verkehrsbetriebe RATP in die Hände bekommen habe. Das
Video zeige, dass den tödlichen Schlägen eine Prügelei
vorausgegangen sei – und dass der Antifaschist Clément
Méric den Naziskin Morillo „zuerst“ und „in seinem
Rücken“ angegriffen habe, bevor dieser ihm im Gegenzug
einen tödlichen Schlag versetzte. Ohne dass man erkennen
könne, ob Letzterer dabei einen stählernen Schlagring
benutzte oder nicht; dafür sei die Auflösung des Videos
nicht gut genug. Die sozialdemokratische Tageszeitung
Libération widersprach dem Radiosender RTL
kurz darauf: Auch sie habe das Video einsehen können,
komme aber (ebenso wie die polizeilichen Ermittler) zu
anderen Schlussfolgerungen. Die Szene, die man in dem
Videoausschnitt sehen könne, zeige nur die Füße der
beteiligten Personen und lasse deswegen nicht erkennen,
wer wen geschlagen habe. Gesichert sei, dass den
tödlichen Schlägen eine Prügelei vorausgegangen sei.
Aber ebenso gut sei es möglich, dass Clément Méric
lediglich einer von Esteban Morillo bedrängten anderen
Person zu Hilfe geeilt sei. RTL erwiderte, man halte die
eigene Version aufrecht.
Unterdessen wurde am Abend des 25. Juni bekannt, auch
die militante neofaschistische Gruppierung
Jeunesses nationalistes (JN, „Nationalistische
Jugend“) habe eine Anordnung aus dem Innenministerium
erhalten, durch die sie über die Einleitung eines
Verbotsverfahrens informiert und zur Stellungnahme
aufgefordert werde. Die JN weisen maximal 100 Mitglieder
auf und waren im Oktober 2011 gegründet worden.
Alexandre Gabriac, der 2010 für den Front National als
damals jüngster Regionalparlamentarier Frankreichs (mit
20 Jahren) in Lyon – später Hochburg der JN – gewählt
wurde, wurde ein Jahr später durch die Partei
ausgeschlossen. Zuvor waren Fotos von ihm bekannt
worden, die bei Facebook publiziert worden waren und auf
denen er den Hitlergruß zeigt. Besonders während der
Demonstrationen gegen die Homosexuellenehe im Frühjahr
2013 hatten die JN versucht, sich zur militanten
Speerspitze aufzuschwingen.
Die JN
dienten auch als Jugendorganisation für die extrem
antisemitische Splitterpartei Oeuvre française (Ende
1968 gegründet, seit Anfang 2012 von Yvan Benedetti
angeführt, den der FN 2011 wegen antisemitischer
Äußerungen ausschloss). Derzeit bereiten sie sich
offenkundig auf ihre bevorstehende Auflösung vor.
Alexandre Gabriac erklärte am 25. Juni: „Das
System hat uns einen Schlag versetzt, aber wir werden
uns wieder aufrichten.“
Editorische Hinweise
Wir erhielten die Texte
vom Autor für diese Ausgabe.
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