Marxismus und Bochumer Programm
Stellungnahme zum Scheitern der Programmgruppe bzw. des Karl-Marx-Forums

von Robert Schlosser

07-2013

trend
onlinezeitung

Vorbemerkung: Am 15. Juni 2013 war auf dem Diskussionblog "Karl-Marx-Forum" eine Erklärung zur Neugründung des Forums zu lesen. Darin heißt es: "Mit den „Bochumern“ sollte um das neue Karl-Marx-Forum eine nicht näher definierte Gemeinsamkeit wachsen. Dass das nicht funktionierte, zeigte sich spätestens durch das Ausscheiden erst von Peter und dann von Robert aus dem Moderatorenteam." Von dem vorherigen Forumskonzept wollen sich  nun Franziska, Kim, Wal und Wat. ausdrücklich dadurch unterscheiden, dass sie jetzt "ein Diskussionsforum anbieten, wo unterschiedliche emanzipatorische Meinungen und emanzipatorische Konzepte aufeinandertreffen – nicht um sich gegenseitig schlecht zu machen und zu bekämpfen, sondern um miteinander die Bedingungen der eigenen [sic !] Emanzipation zu klären."

Eine ihrer ersten "Amtshandlungen" bestand darin "Peter", einem der MitunterzeichnerInnen des "Bochumer Programms" die Schreibberechtigung für vier(!) Wochen zu entziehen, damit er sich besinnt. Peter wollte nämlich nicht blanko erklären, dass er im KM-Forum grundsätzlich immer auf "Polemik" im Meinungsstreit verzichten wird.

Wir dokumentieren Robert Schlossers Stellungnahme zum Scheitern des Projekts und seine "Persönliche Erklärung" im KM-Forum. Übrigens wenige Minuten nach Erscheinen von Schlossers "PE" schlug  der Forum-Administrator Wal Buchenberg vor, den "Thread" zu schließen, damit darüber keine Diskussion entstünde. 

red. trend

Marxismus und Bochumer Programm

Vorbemerkung

Dies ist der Versuch einer Erklärung, warum ich mich aus Moderation und Administration des Marxforums zurück gezogen habe, warum ich „ausgeflippt“ bin. Nachdem mir Wal Buchenberg – ich betone: zu Recht! - das Schreibrecht im Forum entzogen hat, hat er nochmals kurz seine Sicht der Dinge dargelegt. Danach erscheint mein wildes um mich schlagen mit Worten als eine Angelegenheit ohne jede sachliche Grundlage. Für meine teils völlig überzogene und manchmal auch unsachliche Polemik, die ich vor allem in intern gemailten Texten an das Team des Forums formulierte, habe ich mich entschuldigt. Die Gründe in der Sache werde ich nochmals versuchen in möglichst knapper Form, unter Vermeidung übertriebener Polemik darzulegen. Wenn ich am Schluss doch noch einige sehr polemische Formulierungen benutze, dann bediene ich mich der Worte von Wal Buchenberg, die er benutzte in seiner Beurteilung der Frankfurter „Mitleidsdemo“, also aus Anlass der Demonstration für Versammlungsfreiheit und gegen die teils brutalen Übergriffe der Polizei. In dieser Frage bin ich so anmaßend, die Interessen der Mehrheit der DemonstrationsteilehmerInnen zu verteidigen, sozusagen in deren Namen zu sprechen. Schließlich sind das keine registrierten TeilnehmerInnen des Marxforums und die wenigsten werden es lesen. Sonst nämlich wäre im Forum ein kleiner „shitstorm“ losgebrochen.

Die meisten das Bochumer Programm erläuternden und verteidigenden Texte stammen wohl aus meiner Feder. Da die Diskussion und Entwicklung des Bochumer Programms der Grund meines engagierten Einstiegs beim Marxforum war, wird der Ausstieg nochmals ein vorerst abschließender Kommentar zu diesem kleinen Programm sein.

Nichts ist „selbsterklärend“!

In der Technik wurde immer wieder der Anspruch erhoben, sich selbst erklärendes zu fabrizieren. In jüngerer Zeit ging es dabei vor allem um Benutzeroberflächen für Software, oder Bedienungsanleitungen mit einfach gehaltener Symbolik etc. Aufgrund zahlreicher Untersuchungen und Tests im Bereich Technische Dokumentation, kann als gesicherte Erkenntnis gelten, dass es im Bereich Technik nichts „selbsterklärendes“ gibt. Nichts ist vor der individuellen Interpretation sicher! Eine solche Interpretation bedeutet Aneignung, „sich selbst von etwas überzeugen“ (von wegen, jemanden überzeugen!) vor dem Hintergrund individueller Erfahrung und bereits angeeigneter kultureller Standards

Den kompletten Text als PdF-Datei lesen.


Persönliche Erklärung zu meinem Rückzug aus dem Marxforum

Die folgenden Zeilen wenden sich an LeserInnen wie TeilnehmerInnen. Ich versuch es kurz zu halten.

Mit jeder Zeile, die hier gerade zum neues Selbstverständnis des Marxforums geschrieben wird, wird mir klarer, dass ich mich erneut verlaufen habe. Mit welchen Illusionen bin ich hierher gekommen und habe mich so stark engagiert?

Marxforum hieß für mich, anknüpfend an der materialistischen Geschichtsauffassung und der Kritik der Politischen Ökonomie die radikale Kapitalkritik weiterzuführen.

Marxforum hieß für mich auch – anknüpfend an der Pariser Kommune, den Erfahrungen der Genossenschaftsbewegung und in Abgrenzung zum Staatssozialismus – bestimmte politisch-programmatische Konsequenzen aus einer solchen radikalen Kapitalkritik zu ziehen. Letzteres war überhaupt der Anlass für meinen Einstieg hier. Letzteres war auch mit bestimmten praktischen Illusionen darüber verbunden, was man mit dem Bochumer Programm heute möglicherweise bewirken könne.

Bestätigt sehe ich meine Skepsis in Bezug auf den Zustand der heutigen Linken, was überhaupt die Voraussetzungen und Fähigkeit zur Bildung einer „neuen antikapitalistischen Organisation“ anbetrifft. Mit dieser Skepsis hatte ich mich in die Diskussion um NAO eingeklinkt und mit dieser Skepsis entstand auch der Kontakt zu Wal und seinem Forum.
Mein Engagement im Forum führte dazu, dass ich vieles von dem, was ich eigentlich machen wollte, liegen ließ. Was ich vor allem machen wollte und will, das ist: einen Beitrag zu leisten, der in Anlehnung an Marx, untersucht, wie das Wertgesetz sich heute durchsetzt, wie sich die Klassenverhältnisse verändert haben … jenseits dieser unsäglichen „Imperialismustheorie“ von Lenin. Dazu habe ich vieles angearbeitet und manche These steckt in den Manuskripten und Arbeitspapieren, die auf meiner Homepage stehen. Das alles habe ich angearbeitet nach einer oft harten Lohnarbeit und unter oft schweren persönlichen Belastungen. Mit meiner Rente sah ich die Chance und hatte die Hoffnung, wenigstens einiges halbwegs systematisch ausarbeiten zu können. Forum und Bochumer Programm sind mir dazwischen gekommen.

In den jüngsten Beiträgen von Wal und dem neuen Team schält sich heraus, dass das Forum etwas ganz anderes sein soll. Hier können und sollen jetzt Menschen im Interesse von Emanzipation diskutieren und sich zusammenraufen, die extrem gegensätzliche theoretische Positionen haben. (Ich halte das wiederum für eine Illusion, der ich mit Sicherheit nicht mehr aufsitzen werde!) Menschen, die an der marxschen Kapitalkritik anknüpfen wollen und Menschen, die sich eine grundlegende Kritik derselben erarbeitet haben. Für mich ist das kein „Marxforum“! Gäbe es im Marxforum eine ausreichende Zahl an theoretisch arbeitenden Leuten, dann wäre es sinnvoll, in einer besonderen Rubrik sich auch mit solchen grundsätzlichen Kritiken an der marxschen Kapitalkritik zu befassen. Diese Leute gibt es aber nicht und ich denke nicht daran, die vielleicht nur noch kurze Zeit meines Lebens damit zu vertun, grundlegende theoretische Fragen zu klären, die für mich geklärt sind! Das sage ich bei allem Respekt vor Franziska und ihren Anstrengungen in Sachen Kritik an Marx!

Ich war in den vergangenen ca. 40 Jahren nie nur theoretisch aktiv, sondern immer auch praktisch … die meiste Zeit als „Einzelkämpfer“ im Betrieb. Auch da habe ich rigoros sortiert, mit wem und worüber ich diskutiere und mit wem nicht! Was die Theorie anbetrifft haben die Autoren und Richtungen, die ich bisher kritisiert habe, das auch so gehalten und – weil sie meine Kritiken als bedeutungslos einschätzen – hat sich niemand mit meinen Kritiken auseinandergesetzt. Es hat einige Zeit gedauert, bis ich das akzeptiert habe. Sollen sie!

Speziell mit Wal möchte ich Fragen der Kritik der Politischen Ökonomie gerne weiter diskutieren! Aber nicht in diesem Forum, mit dieser Ausrichtung! (Er hat sowieso schon vieles von mir per Mail bekommen, was andere nicht lesen konnten.) Da gibt es viele grundsätzliche Gemeinsamkeiten! In anderen Fällen nicht, die ich aber weder ihm mitgeteilt habe, noch sie hier mitteilen will. Das würde überhaupt nur spruchreif, wenn ich meine Sachen etwas mehr ausgearbeitet habe.

Internet-Diskussionsforen, in denen man sich Meinungen mitteilt, sind überhaupt nicht mein Ding. Sie mögen nützlich und notwendig sein, aber sie sind nicht mein Ding. Ich möchte einen Beitrag zur wissenschaftlichen, theoretischen Klärung bestimmter Fragen leisten. Das mag vermessen sein, aber es bleibt meine persönliche Ambition.
Im Forum wollte ich auch testen, inwiefern hier eine theoretische Diskussion über theoretische Fragen geht. Das Ergebnis ist aus meiner Sicht sehr ernüchternd. Einige meiner Beiträge haben zwar ordentliche Zugriffszahlen, aber Diskussion darüber fand fast nie statt … auch dann wenn ich ausdrücklich dazu aufforderte. Ich weiß aber – und gebe mich auch damit zufrieden – dass da draußen Leute sind, denen meine Beiträge helfen, sich in ihrer Praxis gegen die Sektierer und gegen wirklichen „Reformismus“ zu wehren.

Wenn ich dazu eingeladen werde – wie gerade passiert - vor KollegInnen und Kollegen von Daimler Benz und Opel über die Frage zu referieren, warum sich die heutigen LohnarbeiterInnen etwa in Deutschland so schwer tun mit Fragen sozialer Emanzipation, dann ist mir das zehnmal wichtiger als bestimmte Debatten hier im Forum … und ich bedauere es sehr, wenn ich die Gelegenheit nicht beim Schopf ergreifen konnte.

Was ich da gesagt hätte, wäre auch wieder ein Beweis für meine „Bolschewismus-Parnoia“ gewesen. (Hier findet ihr die Thesen, die ich den KollegInnen trotz allem zugesandt habe: http://www.rs002.de/Soziale_Emanzipation…rbewegung-1.pdf  )

Und damit wäre ich abschließend beim Thema „Polemik“. Der Mattis hat mich sehr gut verstanden und das polemisch zugespitzt. Ich habe eine „Bolschewismus-Paranoia“! Will sagen, der Bolschewismus ist – aus meiner Sicht - eine der wichtigsten Krankheiten des heutigen Linksradikalismus! Wenn Mattis dann empört darauf regiert, dass ich ihm „Staatssozialimus“ vorwerfe, dann drückt das aus meiner Sicht aus, dass er nicht weiß, was er schreibt, und sich nicht darüber im Klaren ist, wie weit ihn solche Einstellungen prägen! (Das werde ich hier nicht anhand von Zitaten belegen! Der Zug ist abgefahren!)

Polemik soll jetzt im Forum verboten werden! Ich wünsch euch viel Glück dabei! Für mich ist Polemik des Salz in der Suppe. Zuwenig Salz produziert eine fade Suppe! Zu viel Salz macht die Suppe in der Regel ungenießbar! Das richtige Maß findet man durch Abschmecken, also in der Praxis! Kochen ohne Salz ist nicht mein Ding. Wer das tun will, soll es tun! Ich bin nicht dabei, weil ich das prinzipiell nicht kann und auch nicht will!

Wal und Franziska haben hier ziemlich lange „kommunikationstheoretische“ Beiträge zur „Polemik“ geschrieben. Ich könnte darauf antworten mit doppelt so vielen Zeilen. Das mach ich aber nicht mehr, sondern wende mich meinen Sachen zu. Jetzt bin ich auch als Teilnehmer weg, was ja nicht auf immer sein muss.

In diesem Sinne ein letztes Mal viele Grüße an alle
Robert

p.s.: Soweit mein "Ausrasten" nicht nur die Teamer sondern auch das Forum erreicht hat, entschuldige ich mich auch an dieser Stelle noch einmal. Wenn Illusionen platzen, scheint das aber unvermeidlich ... bei mir zumindest.

 

Editorische Hinweise
Die Erklärung wurde im Juni 2013 unter dem Titel Gescheitert! Abschließender Kommentar zum "Bochumer Programm" auf der Homepage des Autors erstveröffentlicht. Die persönliche Erklärung wurde gespiegelt von: http://marx-forum.de/Forum, wo sie am 24.6.2013 erschien.