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junge linke gegen Kapital und Nation
Die Demokratie und ihre Idealisten

07/05

trend
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Inhalt:

1. Einleitung
2. Wahlen
3. politische Willensbildung und Protest
4. Ideologiekritik: Lob - wie kommt das zustande?
5. Zwischenfazit
6. Idealismus

Einleitung

Wenn man den Gegenstand Demokratie diskutiert, sei es nun in einer öffentlichen Veranstaltung oder in privaten Gesprächen, dann hat das in der Regel eine gewisse Eigenart. Diese besteht darin, dass bei der Betrachtung des Gegenstandes dieser selbst nicht zur Disposition steht. Also jenseits dessen, was bei der Prüfung der Herrschaftsform der Demokratie am Ende herauskommt, welche möglicherweise sehr schädlichen Resultate sie hervorbringt, so wird dies nicht der Demokratie selbst angelastet. Allenfalls werden dann Fehler einzelner Amtsträger in der Demokratie kritisiert oder es wird der Standpunkt vorgetragen, dass die einzelnen Schäden ihre Ursache darin haben, dass die Demokratie nur nicht richtig verwirklicht ist. Hier wird also die hiesige Demokratie an einem Ideal blamiert, daher soll das als Demokratieidealismus bezeichnet werden.

Im folgenden soll nun gezeigt werden, dass einerseits die hiesigen sozialen Beschädigungen keine Abweichungen sind, die nur mit dem richtigen demokratischen Personal beseitigt würden, und dass andererseits das Ideal der „wirklichen“ oder der „richtigen“ oder der „eigentlichen“ Demokratie konsequent zu Ende gedacht, auch nicht die Garantie für ein Leben bietet, in dem die persönlichen Bedürfnisse garantiert befriedigt werden. Und von daher kann den prinzipiellen Wertschätzungen der Demokratie auch nicht gefolgt werden.


Wahlen

Zunächst zum Procedere, welches maßgeblich für die Herrschaftsform der hiesigen Demokratie steht: Wahlen. In regelmäßigen Abständen werden die Untertanen einer Demokratie dazu aufgefordert, wählen zu gehen. Man sollte sich zunächst nichts vormachen über den Charakter dieser Veranstaltungen. Auch wenn Politiker in der Öffentlichkeit immer wieder den „Wählerwillen“ betonen oder von dem „Auftrag“, den die Wähler ihnen erteilt hätten, sprechen, so machen sich Politiker alles andere als abhängig von so einer Wahl.

Einerseits kann man das immer sehr schön daran erkennen, wenn sie über niedrige Wahlbeteiligung jammern. Die niedrige Wahlbeteiligung lässt sie ja keinesfalls aufhören mit ihren Staatsprogrammen. Vielmehr wird alles dann regelmäßig auf die mangelnde Vermittlung seitens der regierenden Demokraten geschoben und schließlich wird dann wieder das eine oder andere Projekt zur politischen Bildung ins Rollen gebracht.

Andererseits wissen die gewählten Parteien ja auch gar nicht, warum sie gewählt wurden, von daher wissen sie auch nicht – und wollen es auch gar nicht wissen – wovon sie sich abhängig machen müssten. Ein Kreuz, also zwei Striche, bei einer Partei oder einem Kandidaten sagt ja null und nichts über den Inhalt der Wahl. Und jede Abweichung vom Ankreuzen macht den Wahlzettel ungültig. Hier sieht man also die Gleichgültigkeit der Motive des Wählers für den Politiker bei der Wahl.

Und übrigens: Selbst wenn die Politiker wüssten, was der Grund ihrer Wahl ist! Nach der Wahl stellt die Verfassung da eindeutig fest: „Sie [die Abgeordneten des Bundestages] sind (…) an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen“ Die Gleichgültigkeit gegenüber den Wählermotiven im Wahlakt setzt sich hier fort nach dem Wahlakt und bedeutet umgekehrt nichts weiter als Gehorsam gegenüber den Beschlüssen der Volksvertreter. Wer da noch hartnäckig ist, der dürfte Tatbestände des Staatsschutzes verletzen und dann haben Knüppel und Knast das letzte Wort.
Wenn also Politiker von „Wählerauftrag“ reden, dann ist das nach dem bis hierhin gesagten, eine dicke Lüge und nur die Übersetzung davon, was sie an Staatsprogrammen vorhaben und durchsetzen.

Nun kommen ein paar Bemerkungen dazu, was zur Wahl steht und was damit logischerweise nicht. Zunächst sei einmal das genannt, worüber das Staatsvolk nicht abstimmt.

Erstens stimmen sie schon einmal nicht über grundlegende Prinzipien der hiesigen Rechtsordnung ab, d.h. einerseits über die ins Recht gesetzte Produktionsweise des Kapitalismus, mithin die Grundlagen für das eigene materielle Fortkommen, welches ja zumindest für die Mehrheit der Nichteigentümer an Produktionsmitteln einige Tücken und Beschädigungen bereithält.1 Andererseits bleibt die ins Recht gesetzte Herrschaftsordnung, die diese Produktionsweise durchsetzt und aufrechterhält, der Staat selbst also, unberührt. Dass dies nicht zur Disposition steht, wird im deutschen Grundgesetz sogar extra betont. Dies nennt sich deutlich Ewigkeitsgarantie.2

Zweitens steht auch nicht über das konkrete Regierungsprogramm, welches nach der Wahl ansteht, zur Disposition. Dieses - und das weiß ja auch der Volksmund, wenn er sagt: „die da oben machen ja nur was sie wollen!“ – ist ja auch erst Gegenstand, wenn die Koalitionsverhandlungen beginnen. Und selbst, wenn eine Partei die absolute Mehrheit erringt – auch das weiß noch jeder – heißt das längst nicht, dass die Wahlversprechen vor der Wahl eine konkrete Umsetzung erfahren. Wie schon erwähnt, sind die Volksvertreter an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und daher auch nicht an solche, die sie sich vielleicht einmal selbst auferlegt haben.

Und drittens bleiben auch eigene Interessen außen vor. Dabei soll noch einmal der Hinweis auf das Kreuz gemacht werden, ein doch ziemlich untaugliches Zeichen, um einen Inhalt eines Interesses zu präsentieren. Auf solche Eigeninteressen kann es mithin gar nicht ankommen im Wahlakt. Das geben demokratische Politiker auch immer knallhart zu Protokoll, wenn sie mit Kritik konfrontiert werden zu ihren Reformvorschlägen sowohl vor wie nach der Wahl. Die Probleme, die der Einzelne konkret hat, sei es ein Jobverlust, ein Mietrückstand, einen negativen BaföG-Bescheid; dies alles wird umgehend als Partikularinteresse zurückgewiesen. Demokraten weisen dann immer auf das „große Ganze“, das „Allgemeinwohl“, welches sie im Auge haben, welches eben nicht bedeuten kann, dass jeder all seine Interessen verfolgen kann, sondern eben auch (und das nicht zu selten) zurückstecken muss. Also bleiben wir bei den genannten Beispielen: Jobverlust und Mietrückstand – das hat der demokratische Staat ja grad so eingerichtet, dass ein Arbeitgeber und ein Vermieter rücksichtslos gegen die Interessen anderer vorgehen können, zugunsten ihres Geschäfts; also ist hier das Staatsinteresse das reibungslose Fortgehen der kapitalistischen Geschäfte; beim negativen BaföG-Bescheid geht es um optimale Staatshaushaltsführung. Man erkennt hier schon, dass es Interessensgegensätze zwischen Staat und Bürgern gibt. Der demokratische Staat hat ganz anderes vor, als den Leuten schädliche und stressige Lebensbedingungen vom Hals zu halten. Die sind ihm gleichgültig oder gerade recht, wenn seine Interessen dabei gut wegkommen.

Es bleibt also gar nicht so viel übrig, worüber man mit seinem Wahlkreuz entscheidet. Es ist lediglich ein minimaler Beitrag3 darüber, welche Personen die längst feststehenden Staatszwecke exekutieren, jenseits der Frage wie sie dies tun und was man persönlich davon hat. Der Stimmzettel ist also nichts weiter als eine abstrakte Zustimmung zum Regieren und Regiertwerden, also dazu, nichts weiter als Material des Staates zu sein.


Politische Willensbildung und Protest

Damit nun die schädigenden Resultate der beschriebenen Interessensgegensätze nicht in die Verweigerung der Zustimmung zur Demokratie (damit ist jetzt nicht nur das Nicht-Wählen gemeint, sondern es geht um die prinzipiellere Ablehnung) umschlägt, gibt es ein umfassendes Betreuungsprogramm, das politische Willensbildung heißt. Der Staatshaushalt hält da einiges an Mitteln bereit. Den Job übernehmen die am Regieren interessierten politischen Parteien, ihre Stiftungen oder NGOs, deren sich der Staat vorher versichert, ob sie die demokratische Zuverlässigkeit haben, die es für die politische Agitation der Bürger braucht. Was passiert nun dort genau?

Hier geht es darum, die schädlichen Maßnahmen, die demokratische Politiker vorhaben oder bereits ins Werk gesetzt haben, zu rechtfertigen. Es geht dabei quasi um ein permanentes Erinnern und Bestätigen von bereits z.B. in der Schule angelernten Begründungen, warum dieses Gemeinwesen seinen guten Ruf verdient. Damit soll dann auch gleich der Grund geliefert sein, warum man für so eine gute Sache zurückstecken sollte: Frage nicht, was Dein Land für Dich tun kann, sondern was Du für Dein Land tun kannst! (J.F. Kennedy)
Die Rechtfertigung erfolgt – auch dies wurde schon erwähnt – über das Allgemeinwohl, das meist flankiert wird von dem Ideal der Gerechtigkeit (Generationengerechtigkeit bei einer Reform der Renten, Gerechtigkeit ist, was Arbeit schafft wenn Arbeitsgesetze reformiert werden usw.) oder auch der Solidarität, was umgekehrt gleich immer folgende Aussage mitliefert: Ein Sonderinteresse muss da zurückstecken. Diese Relativierung der eigenen Interessen ist ebenfalls so eine Pflichtübung, wie man sie schon frühzeitig in Familie und Schule erlernt, jenseits der Frage, ob die Gründe des Zurücksteckens wirklich die attestierte Notwendigkeit hat. Jedenfalls ist das die gängige Methode, die Beschädigung der Leute als Dienst an ihnen erklärt. Man muss sich da beispielhaft nur einmal an die Rechtfertigungen für die Reform des Sozialstaates seitens Regierung und Opposition erinnern.4
Dieser Widerspruch: Mein Schaden ist gut für mich – führt leider weder zu einer Prüfung dessen, was der Staat denn für Interessen verfolgt, noch dazu, dass man die eigenen Interessen in ein Verhältnis dazu setzt.

Nein, was sich nun anschließt, ist ein sog. demokratischer Dialog, der allerdings ziemlich einseitig beschaffen ist. Der gewählte Demokrat macht sich ja, wie wir wissen, ganz und gar nicht von Weisungen und Aufträgen abhängig und so auch nicht von solchen in einem Dialog mit den Wählern. Da kann man auch noch einmal genau die Grenze der grundgesetzlich verankerten Meinungsfreiheit erkennen. Die vielgelobte Freiheit, alles, ja sogar politische Kritik äußern zu dürfen endet da, wo die Meinung des gewählten Abgeordneten anfängt. Das letzte Wort hat der demokratische Politiker immer noch selbst, wenn es um die politischen Beschlüsse geht. Die Meinungsfreiheit ist somit nur eine staatlich hergestellte Verlaufsform, wie man Kritik kanalisiert, ohne dass sie die Herrschaft in ihren Aufgaben beeinträchtigt, ebenso wie die Versammlungsfreiheit. Diese Freiheiten bekommen ihr Lob genau wie die Demokratie wieder nur durch den Vergleich mit Staaten, in denen diese Freiheiten nicht existieren; doch dazu gleich mehr.
Zurück zum demokratischen Dialog: Dieser zeichnet sich neben der bereits erwähnten Pflichtübung der Einsicht des Zurücksteckens durch eine weitere Eigenschaft aus.
Die gerade beschriebene Trennung der Meinung des Bürgers von der Entscheidung des Abgeordneten verpflichtet ersteren zusätzlich auf Konstruktivität in seiner Kritik, wenn er überhaupt gehört werden will. „Konstruktive Kritik“ und „Kooperationsbereitschaft“ heißen die Zauberwörter, die in Anschlag gebracht werden, wenn ein demokratischer Dialog geführt wird. Wer sich dem nicht unterordnet, wird sowieso gleich abgewatscht. Kritik wird damit ganz schön eingeschränkt, denn sie ist zumindest immer auch destruktiv. Dieses destruktive Wesen besteht ja darin, beim geprüften Gegenstand, die schädlich wirkenden Ursachen zu finden und sie dann zu beseitigen. Also wenn beispielsweise Studiengebühren auf die Tagesordnung gesetzt werden, stellt man fest, dass diese Verkürzung der eigenen Geldmittel dazu führt, dass die Lebensweise stark eingeschränkt wird und erklärt sich gegen Studiengebühren, weil dies ja der Grund für die Schädigung ist. Das wäre ein schönes Beispiel für Kritik, die keine Chance hätte, Anerkennung zu erhalten. „Einfach immer nur dagegen sein“ geht nicht; jenseits der Folgen, die dies für den Beschädigten hat. Wenn, dann müsste man hier gleich einen Verbesserungsvorschlag (= konstruktive Kritik) vorlegen, z.B. Studienkonten oder nachgelagerte Studiengebühren und was es da schon alles als konstruktive Kritik gab. Somit wird man gleich zum Gehilfen an der eigenen Schädigung. Und wie schon gesagt, auch Konstruktivität ist keine Garantie für irgendwas; das letzte Wort hat immer noch der jeweilige Staatsagent.

Zum Protest: Wenn dann immer noch jemand uneinsichtig ist, wartet die Demokratie noch mit eingerichteten Formen des Protestes auf, die eines gemeinsam haben: Sie sollen den Ablauf der Herrschaft nicht hindern. Es wurden schon zwei genannt: Meinungs- und Demonstrationsfreiheit. Diese Freiheiten finden ihre Grenze buchstäblich beim Hausrecht des Bundestagspräsidenten und den grünen Helfershelfern und sind daher lediglich eine andere Organisation des Unschädlichmachens von praktischer Kritik als es in den verglichenen finsteren Diktaturen passiert. Die Abwesenheit von Schädigungen bedeutet es jedenfalls nicht, nur weil man sie artikulieren kann, sei es in einer Talkrunde oder auf der Straße! Artikulation von Kritik ist nicht deren Berücksichtigung!

Die Parteigründung ist dabei noch zu nennen. Diese hindert den Ablauf demokratischer Herrschaft deshalb nicht, weil die gegründeten Parteien einer Inhaltskontrolle des Staates unterfallen und bei Feststellung einer Gegnerschaft zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung ein Parteienverbot ansteht. So wird die Verpflichtung der Parteien auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung hergestellt und damit die Verpflichtung auf all die eingangs erwähnten gesellschaftlichen Prinzipien: Staat und Kapitalismus. Diese Betonung ist deshalb so wichtig, weil es in der Vergangenheit immer wieder Leute gab und gibt, die meinten, gesellschaftliche Alternativen wären wählbar oder als Parteien gründbar.


Wie kommt das Lob zustande?

Nach wie vor gilt der Ausspruch des englischen Staatsmannes Winston Churchill vom 11. November 1947 bei einer Rede im Unterhaus: ‚Demokratie ist die schlechteste aller Regierungsformen, abgesehen von all den anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind’ Oder, mit einem Demokratieforscher formuliert, ‚die zweitbeste Demokratie ist immer noch besser als die beste Nicht-Demokratie’. (Hans Vorländer „Demokratie ist die beste Herrschaftsform“; aus „Materialien zur politischen Bildung“ Heft 284)

Wie schon eingangs erwähnt, erfährt die Demokratie eine weit verbreitete Wertschätzung der Untertanen dieser Herrschaftsform. Wenn man dann aber genau nachfragt, was denn nun die Begründung für diese Wertschätzung ist, erfährt man keine Argumente in Bezug auf die materiellen Verhältnisse, die auf dem Territorium einer Demokratie herrschen. Das ist zunächst mehr als merkwürdig. Man redet ja über die politische Organisation eines Gemeinwesens von Menschen, ergo wäre die Beurteilung eines solchen Gemeinwesens doch so beschaffen, dass man sich eben anschaut, wie die Menschen in diesem politischen Gemeinwesen wegkommen. Also ob Beschädigungen der Menschen durch materielle Armut, durch Krankheit, durch Kriege mit entsprechenden Maßnahmen beseitigt wurden.

Genau dies wird allerdings nicht angeführt, wenn die Demokratie gelobt wird. Da wissen die Fans der Demokratie wohl selbst, dass das eine dicke Lüge wäre. Denn Armut, Hunger, keine ausreichende Gesundheitsversorgung für jeden einzelnen kennt die Demokratie wie das politisch immer vorgebrachte Gegenstück, die Diktatur. Ebenfalls sind Kriege keine ausschließliche Angelegenheit von finsteren Diktaturen, man erinnere sich an den „war on terror“ oder den Krieg der NATO gegen Serbien. Auch wenn Demokratien im Gegensatz zu Diktaturen immer noch das zusätzliche Argument des Krieges für Demokratie anbringen können, so ist dem Demokraten die Vernichtung und Unterwerfung von unliebsamen
Staatskonkurrenten mittels Soldaten und Kriegswerkzeug nicht unbekannt.

Das Lob geht anders. Es kommt durch den Vergleich mit anderen Formen politischer Herrschaft zustande, die entweder schon Vergangenheit sind (Absolutismus) oder gegenwärtig existieren, namentlich „totalitäre Systeme“ wie Monarchien in der arabischen Welt oder „kommunistische Diktaturen“. Maßstab ist also, wie die Staatsgewalt ausgeübt wird. Und da heißt es z.B. im Grundgesetz:

„Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe […] ausgeübt“ Art 20 II 1 GG

Der Vergleich geht nun so, als dass die Abwesenheit der Trägerschaft des Volkes als Staatsgewalt in anderen Staaten als einerseits schlechter Ausweis für diese gelten, aber eben auch als Lob für die Anwesenheit hier. Es werden also schlichtweg die Methoden der Ausübung von Staatsgewalt verglichen und darüber das Lob von Volksherrschaft konstruiert. (siehe das eingangs zu diesem Punkt Zitierte: „immerhin noch besser als…“ ist die Botschaft) Also beispielsweise: Während in der Vergangenheit das Recht des Stärkeren waltete oder die Herrschaft nach Verwandtschaftsmaßstäben ausgeübt wurde oder gegenwärtig ein Diktator, eine Partei die Staatsgewalt ausüben, wird dies hier durch das Volk getan.

Selbst, wenn nicht nur auf die Trägerschaft der Staatsgewalt abgestellt wird, sondern der Inhalt des Vergleichs erweitert wird, wie gleich gezeigt wird, so bleibt es schlicht bei einem Vergleich von Herrschaftstechniken:

Die moderne Demokratie ist gemäßigt, basiert auf Gewaltentrennung, […] und, ganz entscheidend, auf Recht und Verfassung. (ebenda)

Der Rechtsstaat (Gewaltenteilung, Bindung der Staatsgewalt an das Gesetz), der hier als Element demokratischer Herrschaft vorgestellt wird, bedeutet die Beschränkung der Staatsagenten. Jenseits der Frage, wieso das so ist und welche Zwecke dem zugrundeliegen, soll hier erst einmal festgehalten werden, dass auch hier nur ein Vergleich von Herrschaftstechniken stattfindet, der in einem Lob für die Demokratie münden soll. Hier nämlich der Vergleich mit einer Herrschaft, deren Souverän „willkürlich“ handelt und – der Schluss wird gleich mit nahegelegt – damit nur für sich herrscht statt für alle („Allgemeinwohl“).

Auch hier gilt: Das Herausstellen der Differenz im Verfahren einer Herrschaft (Rechtsstaat vs. Willkürherrschaft) ist noch lange keine Auskunft über den Inhalt, der ja gerade entscheidend ist für die Beurteilung einer solchen Herrschaft. Und daher entpuppt sich der nahegelegte Schluss: Wenn kein Diktator, sondern eine an Recht und Gesetz gebundene Regierung herrscht, dann ist nicht mehr das Sonderinteresse des Diktators, sondern das „Wohl aller“, ergo auch meines eigenen, Maßstab des Regierens, als Fehlschluss. Ob man in einer Herrschaft „Wohl“ erfährt, hängt an dem aufgeherrschten Inhalt der Herrschaft und nicht an deren methodischem Vorgehen. Und dass dieser Inhalt auch in einem Rechtsstaat allerlei Beschädigungen für viele Leute bereithält, wurde schon an Beispielen ausgeführt.5

Zu dieser Vergleicherei sollen noch ein paar Anmerkungen gemacht werden. Erstens geben Fans der Demokratie damit zu Protokoll, da sie ja nur Herrschaftsformvergleiche anstellen, dass sie Herrschaft, also immerhin ja das Bestimmen über Interessen von Leuten durch ein Gewaltmonopol für eine unhinterfragbare Notwendigkeit erachten. Das heißt also, dass ihnen wohl gute Gründe für die Anwesenheit einer Herrschaft mit all ihren Zwecken eingeleuchtet sein müssen. Das sei an der Stelle erst mal nur so festgehalten, weil das ja auch keine Selbstverständlichkeit ist, auch wenn dies in unseren Zeiten immer wieder vorgetragen wird.

Zweitens ist aus einem Vergleich kein Lob möglich. Der Grund liegt in der Logik eines Vergleichs. Ein solcher zeichnet sich dadurch aus, dass bei verglichenen Gegenständen einerseits ein gemeinsamer Oberbegriff gefunden wird und andererseits Unterschiede festgehalten werden. Also nehmen wir zum Beispiel einen Vergleich von Äpfeln und Birnen, beides ist Obst, aber die Früchte haben unterschiedliche Formen und Farben usw. Daraus folgt aber noch lange kein Lob von wahlweise Äpfeln oder Birnen. Genau so bei dem Vergleich von Herrschaftsformen. Nur, weil man feststellt, dass ein Diktator lebenslang herrscht oder alle 4 Jahre die Herrschaft vom Volk gewählt wird, kommt noch lange kein Lob für letztere Form der Herrschaft heraus. Ein Vergleich ist eben kein Argument, also keine Art Beweis. Das Ganze erwächst nur so zum „Argument“, wenn man bereits mit dem Vorurteil herangeht, dass Demokratie die „beste aller Welten“ ist und umgekehrt dann natürlich zu dem Ergebnis kommt, dass deren Abwesenheit schlecht sein muss. Die ganze Vergleicherei entpuppt sich somit als schlichte Schummelei.


Zwischenfazit

Wenn es nun so wenig positives an und in der Demokratie gibt und sie trotzdem so gut funktioniert – was ist der Grund für das Mitmachen und das Festhalten der Leute an ihr? Der Grund liegt darin, dass sie sich ganz prinzipiell auf den Standpunkt stellen, dass ein Staat in ihrem Leben notwendig ist, jenseits der Frage, wer ihn regiert. Die unterliegende Minderheit bei einer Wahl fängt ja in der Regel nicht an zu revoltieren, weil ihre Favoriten verloren haben. Dass sie sich auch unter eine andere Regierung unterordnen, ist ihnen folglich völlig klar. Der Wille zur Unterordnung unter einen Souverän, hervorgehend aus der Kalkulation, den Staat als Mittel für das eigene Fortkommen zu betrachten (Nationalismus) ist somit Voraussetzung für einen Wähler.


Idealismus

Wie eingangs erwähnt, gibt es neben Fans der Demokratie wie sie gerade kritisiert wurden, auch solche, die Kritik an der hiesigen Demokratie im Namen der Demokratie, und zwar der „eigentlichen“ oder „richtigen“ üben. Gemein ist diesen Vorstellungen also, dass sie die hiesige Demokratie an einer Ideal-Demokratie messen und regelmäßig zu dem Ergebnis kommen, dass die hiesige Demokratie diesem Ideal nicht gerecht wird.

Man hat es also wieder wie bei den Ideologen der hiesigen Demokratie mit einem simplen Vergleich zu tun, der als Argument taugen soll, nur dieses Mal in die umgekehrte Richtung und mit einem anderen Zweck. Während vorher aufgrund des Vergleichs mit Diktaturen ein Lob der Demokratie herausspringen sollte, soll nun eine Kritik der hiesigen Demokratie durch den Vergleich mit einem Demokratieideal herauskommen.

Auch dieser Vergleich muss sich erst einmal gefallen lassen, dass er kein Argument ist, sondern eben nichts weiter als ein Vergleich, ein Abgleich von Gemeinsamkeiten und Unterschieden. Wichtig ist dabei, dass auch hier gar nicht erörtert wird, was denn nun der Grund für Kritik an der hiesigen Demokratie bzw. was Grund für das Blamieren an einem Ideal ist. Also wenn etwas als schlecht an der hiesigen Demokratie festgestellt worden ist, sich einmal anzuschauen, wieso das nun so ist und ob der Grund möglicherweise mit der Demokratie selbst zusammenhängt, statt einfach nur mit einem Demokratieideal zu vergleichen. Das ganze ist also ein ziemlich verwurschteltes Verfahren, dass letztendlich nur von der Sache, die man kritisieren will wegführt und so den Gründen für die Kritik gar nicht auf die Spur kommt. Es wird nur wieder gesagt:Es gibt bestimmte Dinge im hier und jetzt nicht, die es in meinem Ideal aber gibt und deshalb ist das Hier und Jetzt nicht gar nicht wirklich demokratisch oder nicht demokratisch genug.

Desweiteren ist es, betrachtet man sich die Idealmaßstäbe, die Demokratieidealisten an die Demokratie hier anlegen, höchst fraglich, ob diese nun so erstrebenswert sind, wenn man sie konsequent zu Ende denkt. Dazu sollen paar Zitate von Demokratieidealisten Aufschluss geben und ein paar Anmerkungen dazu diese kritisieren.

Die Bürgeraktion Mehr Demokratie e.V. setzt sich für das Recht auf Volksentscheid ein. In den Gemeinden, den Ländern und auf Bundesebene sollen die Menschen die Möglichkeit bekommen, in wichtigen Sachfragen direkt zu entscheiden. Wir wollen weg von der Zuschauerdemokratie und hin zu einer Kultur der Beteiligung und des Dialogs. In den Bundesländern und auf Kommunalebene setzen wir uns für eine direkte Demokratie mit fairen Spielregeln ein. Alle 16 Länder sehen Volksentscheide vor. Doch die Hürden sind zu hoch. [Selbstdarstellung Mehr Demokratie e.V.]

Diese Leute haben recht wenig an der hiesigen Demokratie zu kritisieren. Weder am Inhalt der herrschaftlich verordneten Zwänge des gängigen Geschäftetreibens mit all seinen Beschädigungen noch an der Tatsache, dass ein Gewaltmonopol dafür nötig ist. Das ist aus mehreren Gründen ein höchst bescheidenes und nicht weniger schädliches Anliegen als der gängige demokratische Alltag. Sie machen ja auch nur Verbesserungsvorschläge bei der Verfahrensart der Herrschaft. Da stellen sie die schon dargestellte Trennung der eigenen Meinung von der praktischen Entscheidung durch den Abgeordneten fest und geben sich unzufrieden mit dieser Verfahrensart. „In wichtigen Sachfragen“ sollen Volksentscheide auf Bundesebene her und die „Hürden“ der Volksentscheide auf Landesebene sollen geringer gestaltet werden.

Der Witz dabei liegt auf der Hand: Wenn es um den Inhalt des politischen Handelns gar nicht geht, sondern lediglich um das Verfahren der Herstellung eines politischen Aktes, dann sind die Resultate dieses Aktes bei richtiger Verfahrensweise für die Untertanen hinzunehmen und nicht kritikabel, egal wie schädlich sie sind. Es geht ja gerade nicht darum, eine Sache ihrem Inhalt nach zu bestimmen, die Argumente für/gg. sie zusammenzutragen und dann zu diskutieren bis man ein für die Betroffenen annehmbares Ergebnis erzielt. Vielmehr soll auch hier genau davon abstrahiert werden, die Motive und Argumente werden auf eine Ja/Nein Entscheidung zu einer Sachfrage reduziert und alles unterschiedslos zusammengerechnet. Wer am Ende unzufrieden ist, kann nicht meckern, denn das Verfahren stimmt und er konnte ja abstimmen.

Also es sei nur einmal ein Beispiel angeführt: Wenn in einer Volksabstimmung zur Debatte steht, ob die Wehrpflicht abgeschafft werden soll und eine Minderheit sagt ja – weil sie vielleicht noch diesen Scheißdienst absolvieren muss und nicht möchte und die Mehrheit lässt sich die aktuellen Argumente vom Struck für die Wehrpflicht einleuchten und stimmt mit „nein“, dann ist das Verfahren eingehalten, aber inhaltlich der gleiche Schaden für die Betroffenen da, egal ob nun der Bundestag oder das Volk entschieden hat.

Mehr steckt hinter diesem Vorschlag dieses Vereins nicht und diese Bescheidenheit gibt der ja auch selbst zu Protokoll, wenn es lediglich darum geht, „weg von der Zuschauerdemokratie und hin zu einer Kultur der Beteiligung“ jenseits der Frage des Erfolges bei dieser „Beteiligung“.

JungdemokratInnen/Junge Linke setzen sich für die Demokratisierung aller Lebensbereiche ein und treten ein für den gesellschaftlichen Abbau von Herrschafts- und Machtverhältnissen, um die selbstbestimmte Gestaltung der Lebensverhältnisse eines jeden Einzelnen zu ermöglichen. Die Idee der Demokratie, durch formale Verfahrensgarantien allen Betroffenen die gleiche Chance auf Partizipation zu eröffnen, darf nicht länger nur auf einen schmalen Bereich des Staates begrenzt bleiben. Deshalb darf es Demokratie nicht nur alle vier Jahre geben, sondern täglich, in der Schule, im Betrieb, in der Familie ...: einfach überall, wo kollektiv verbindliche Entscheidungen getroffen werden müssen. Weil in unserer Gesellschaft entscheidende gesellschaftliche Bereiche demokratischer Kontrolle entzogen sind (wie z.B. die Wirtschaft) bzw. autoritär organisiert sind (wie z.B. Schule oder Polizei) kritisieren Jungdemokraten/Junge Linke den undemokratischen Charakter dieser Gesellschaft und treten für ihre Veränderung ein. [Selbstdarstellung Jungdemokraten]

Diese Leute scheinen da schon anspruchsvoller in ihrem Demokratieideal. Hier ist die Rede von „Abbau von Herrschafts- und Machtverhältnissen“ und „selbstbestimmte Gestaltung der Lebensverhältnisse“. Dies sehen diese Leute derzeit nur unzureichend verwirklicht und kritisieren die hiesige Gesellschaft als „undemokratisch“. Was erst einmal auffällt bei diesen Leuten, ist die Tatsache, dass sie ganz offensichtlich Demokratie und Herrschaft/Autorität als einen Gegensatz begreifen. Das ist aber schon deshalb ein Widerspruch, weil sie ja nicht die autoritäre Staatsgewalt beseitigen, sondern nur deren Verfahren auf andere gesellschaftliche Bereiche übertragen wollen. Demokratie ist hier eine „Idee […] durch formale Verfahrensgarantien allen Betroffenen diegleiche Chance auf Partizipation zu eröffnen“, die eben nach deren Vorstellung nicht auf den „schmalen Bereich des Staates“ beschränkt sein soll. Wie aber Autorität abgebaut wird, in dem man sie einem Verfahren unterwirft, bleiben die Autoren schuldig. Eine andere Methode der Herrschaft bedeutet ja gerade nicht deren Beseitigung. Die Autoren machen dabei den Fehler, Methode und Inhalt zu verwechseln. Aber auch aus anderen Gründen ist dieser Standpunkt ist ein höchst bescheidener und anspruchsloser.

Auch hier geht es wie gerade bei den anderen Demokratieidealisten wieder weg vom Inhalt einer Entscheidung. Und das in mehrererHinsicht.

Einerseits, weil man gar nicht weiß, worüber denn eine Chance auf Partizipation bestehen soll. Worüber soll denn zB in „der Wirtschaft“ partizipiert werden? Über den Warentausch prinzipiell oder nur über die Löhne, also anders formuliert: über den produzierten Reichtum insgesamt oder nur einen Teil davon?

Andererseits heißt ja Chance auf Partizipation gerade nicht Garantie der Partizipation! Auch hier gilt, wenn das Verfahren stimmt und man am Ende trotzdem keinen vollen Magen hat, dann hat man den Salat bzw. nicht. Beschweren kann man sich nicht, denn man hatte ja die Chance auf gleiche Teilhabe.

Man kann hier also das gleiche Argument wie gegen die Fans der Volksentscheide bringen: Ein Verfahrensvorschlag macht noch keinen Inhalt. Gerade von dem „worüber“, also dem Inhalt einer Entscheidung hängt doch ab, ob ich einen Vorteil habe oder nicht, wenn ich davon betroffen bin und nicht die Tatsache, ob ich da mitmachen darf, wenn wieder diverse Stimmen verrechnet werden und ich wie in einer Lotterie hoffen darf, dass mein Interesse befriedigt wird.

Zwei wichtige Sachen sind noch ergänzend zu nennen:
Erstens: Das Bestehen auf demokratischen Verfahren ist die Folge einer Unterstellung, nämlich der, dass eines permanenten Misstrauens und eine andauernden Konkurrenz der Leute. In dieser Gesellschaftsvorstellung kommt es also zu diversen Interessenskollisionen. Man merkt hier, dass Konkurrenz und Interessensgegensätze als eine Art Naturzustand unterstellt werden, die diese Leute nicht mit einem demokratischen Zentralstaat in eine Verlaufsform bringen wollen, sondern eben basisdemokratischen Entscheidungen in „allen gesellschaftlichen Lebensbereichen“. Da ist einerseits schon wieder die Herrschaft antizipiert, denn es muss ja jemand da sein, der die Überwachung führt, dass die ganzen Verfahren ihren Gang nehmen. Andererseits können sich diese Leute offenbar überhaupt nicht vorstellen, dass sich entweder Interessen auch ignorieren oder eben inhaltlich einig werden können. Da kommt’s dann aber nicht auf ein Verfahren, sondern auf die Sache, mit der man sich auseinandersetzt an, auf die Argumente, Einwände usw. und nicht auf Mehrheiten/Minderheiten, Über- und Unterordnung.

Also zusammengefasst: Nicht die Beseitigung von Interessensgegensätzen, die übrigens hier gerade durch den demokratischen Staat erst durch das Eigentum eingerichtet werden, sondern ein Verbesserungsvorschlag zum Verlauf dieser Gegensätze wird gemacht, der gar nicht auf eine Beseitigung von Über- und Unterordnung abzielt. Kein Wunder übrigens, dass die gleichen Leute die Mitbestimmung von Arbeitnehmern und Gewerkschaftern in Betrieben und Tarifverträgen für einen Fortschritt halten und nicht für eine Verlaufsform des vorherrschenden Klassengegensatzes. Den „Fortschritt“ kann man dann immer beobachten, wenn der Betriebsrat über Kündigungen mitbestimmen darf oder die Gewerkschaften in Tarifverträgen über Lohnsenkungen.

Zweitens noch was zum Thema Selbstbestimmung, also wie es hier hieß „selbstbestimmtes Gestalten der Lebensverhältnisse“. Das ist ein Gedanke, der davon ausgeht, dass dies derzeit nicht so ist. Da wird so getan, als würde etwas der Selbstbestimmung entgegenstehen, was in dem jeweiligen Demokratieideal verwirklicht wäre. Auch fällt zunächst wieder die Inhaltsleere dieses Begriffs auf. Selbstbestimmen über sich und seine Lebensverhältnisse sagt noch längst nichts darüber aus, was da für welche herauskommen, welchen Zweck die haben.

Desweiteren bestimmt doch jeder längst über seine Lebensverhältnisse selbst. Der Witz ist doch beispielsweise im Kapitalismus nicht der, dass man nicht selbst bestimmen kann. An dem eigenen Willen kommt kein „Fremdbestimmer“ herum. Vielmehr ist doch entscheidend, ob die Mittel zur Realisierung des eigenen Willens zur Verfügung stehen, oder ob sie einem vorenthalten werden, wenn man sein Fortkommen organisiert, sprich eine Trennung von Willen und den zur Realisierung notwendigen Mitteln herrscht; wie z.B. im Kapitalismus das Privateigentum. Einen Apfel essen wollen kann jeder, ihn auch zu bekommen, ist eine ganz andere Sache. Dazwischen liegt das Recht von Apfeleigentümern, mit diesen nach Belieben zu verfahren und andere davon auszuschließen.

Zusammenfassend wäre also bei Demokratieidealisten folgendes festzuhalten. Auch sie abstrahieren in ihren Demokratie-Idealen, wie beim Wahlzettel entwickelt, vom Inhalt der Entscheidung, stellen sich gleichgültig dazu. Wichtig ist ihnen lediglich, dass ein Verfahren mit Möglichkeit der Teilhabe stattgefunden hat. Ergo stellen sie sich auch dem Resultat dieser Entscheidung nach dem Verfahren gleichgültig gegenüber. Obwohl doch gerade das Resultat einscheidend ist für den Einzelnen, wenn es um seine Interessen geht.

Sie tun aber gerade so, als wäre gerade ein Verfahren identisch mit erfolgreicher Interessenverfolgung. Die reine Interessensartikulation in einem Verfahren bedeutet aber noch längst nicht deren Verwirklichung. Der Unterschied zur hiesigen Demokratie ist dabei der, dass das eingesetzte Verfahren den Entscheidungsträger, also den Abgeordneten ersetzen soll. Eine Garantie, dass eine Interessensverwirklichung stattfindet, gibt es aber auch im schönsten Demokratie-Ideal nicht.

Fußnoten


1
Die Tücken und Beschädigungen resultieren aus dem beschriebenen vom Staat gewährten Privateigentum an den Mitteln, die notwendig sind, um sich die Dinge des materiellen
Fortkommens herzustellen (Produktionsmittel: Maschinen, Fabriken usw.). Dadurch dass die Mehrheit der Leute von diesen Mitteln gewaltsam getrennt ist, ist sie gezwungen, ihre Arbeitskraft an die Eigentümer der Produktionsmittel zu verkaufen, um sich so die Lebensmittel mit dem verdienten Geld zu besorgen. Für den Produktionsmittelbesitzer ist dieses Geld (der Lohn für die Arbeiter) jedoch bei seinem Profitinteresse eine Kost, die es gering zu halten gilt. Daher reicht so ein Lohn trotz des massenhaft vorhandenen Reichtums auch hinten und vorne nicht zur Befriedigung der eigenen Interessen.

2
Vgl. Art 79 III Grundgesetz
3
Wobei so ein Beitrag ja auch zu einer Nullnummer verrecken kann, wenn die Partei die Fünf-Prozent-Hürde nicht schafft oder der Gegenkandidat mehr Stimmen bekommt.
4
Dazu nur einmal zwei Zitate: „Sozialstaatlichkeit heute bedeutet vor allem die ebenso eindeutige wie zwingende Rückführung überzogener Leistungs-, Verteilungs- und
Versorgungssysteme auf ein Maß voraussetzt und aktualisiert, das (wieder) finanzierbar ist, das sich wieder des notwendigen Konnexes von Leistungs- und Lastengerechtigkeit besinnt und dass vor allem (wieder) zukunftsfähig ist, also Sozialstaatlichkeit wieder im Sinne von auch generationengerechter Nachhaltigkeit begreift.“ (Rupert Scholz [CDU] „Das grundgesetzliche Sozialstaatsprinzip und seine Konkretisierung im Bundesstaat“ aus „Sozialer Bundesstaat“; einer Broschüre der CDU-nahen Konrad-Adenauer Stiftung) „Die Kosten der Arbeit reduzieren, darum geht es […] Wir sollten klar machen, dass wir uns umumkehrbar auf einen Reformweg begeben haben, der von vielen etwas abverlangt. […] Das ist unser Beitrag zur Gerechtigkeit, auch zur Gerechtigkeit der Generationen. Liebe Freundinnen und Freunde, weniges – das will ich hier auch sehr deutlich sagen – ist mir in meiner Regierungszeit soschwer gefallen, wie die Entscheidungen, die wir zur Rente haben treffen müssen. Ich weiß das aus eigenem Erleben sehr, sehr gut, dass diese Maßnahmen auch ältere Menschen treffen, die es wahrlich nicht dicke haben und die nicht unbedingt
Kinder haben, die ihnen helfen können. Mir muss keiner erzählen, es vielen Rentnerinnen und Rentnern bei uns geht.“ (Rede G. Schröder auf dem Parteitag in Bochum 17.11.03)
Diesen Zynismus dieser Burschen sollte man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Welche Zwecke diese Rot/Schwarzen Armutsprogramme verfolgen, wenn sie den Sozialstaat reformieren, bzw., was so ein Sozialstaat ist, soll hier nicht geklärt werden. Allerdings kann man sich die Kritik in dem Text von Junge Linke „Sozialstaat gibt’s, wenn man Dich trotzdem braucht“ begreiflich machen.

5
Der letzte Vergleichsmaßstab, mit dem Demokraten ihre Herrschaft loben, soll hier nur nebenher erwähnt werden: Stabilität. „ Einer dieser Vorteile ist ihre Lernfähigkeit, die sie in die Lage versetzt, auch große Herausforderungen zu bestehen, Probleme zu bewältigen und dabei ihre Nachteile so zu verarbeiten, dass sie gestärkt aus Krisen hervorgeht.“ (ebenda) Hier wird wieder nicht auf den Inhalt der Demokratie abgestellt, allerdings auch nicht auf die Methode der Herrschaft, sondern nur noch auf das Resultat. Das ist nur blöde Tautologie. Logisch: Wo eine Herrschaft ihre Untertanen so weit gekriegt hat, dass diese den Herrschern per Kreuz sogar freiwillig zustimmen, da herrscht Stabilität, was sonst? Aber nur weil die Leute zustimmen, ist wieder längst nichts darüber gesagt, wozu sie zustimmen, also was der Inhalt der Herrschaft ist. (Jenseits der Frage, ob die Zustimmenden eine richtige Erklärung über den Inhalt der Zustimmung haben.)

Editorische Anmerkungen

Wir spiegelten diesen Text von http://www.junge-linke.de

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