Abschluß bei Daimler, das Bürgertum jubiliert.

von
Max Brym

07/04

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Ein Blick in die bürgerlichen Gazetten genügt um festzustellen: Die bundesdeutsche Elite aus Politik und Wirtschaft ist in Festtagslaune. Der Abschluß bei DaimlerChrysler zwischen dem Betriebsrat der IG-Metall und den Bossen, läßt die Charaktermasken des Kapitals jubilieren. Sie haben auch allen Grund dazu, denn die Geschäftsleitung konnte jährliche Einsparungen von 500 Millionen Euro auf Kosten der Belegschaft durchsetzen

Welcher Vertrag wurde geschlossen ?

Betriebsratschef Erich Klemm sagte: „Die Unternehmensleitung hat uns erhebliche Beiträge zur Kostensenkung abverlangt, die uns sehr weh tun“ ( SZ 24/25 Juli 2004). Weiter sprach der Bürokrat über die „Neupositionierung von Entgeldstrukturen“. Hinter diesem seltsamen Wortungetüm, verbirgt sich nach Aussagen des Unternehmens eine „dauerhafte Gehaltssenkung“. In der Tat, für die Beschäftigten wird es nicht wie vereinbart im Jahr 2006 eine Lohnerhöhung von 2,8% geben. Eine direkte Lohnsenkung gibt es ab sofort für Menschen, die nicht direkt mit der Produktion von Automobilen befaßt sind. Arbeiter und Arbeiterinnen im Dienstleistungsbereich, so etwa in der Kantine oder beim Wachpersonal, wird die Arbeitszeit ohne Lohnausgleich bis zum Jahr 2007 auf 39 Stunden erhöht. Zudem wird der Dienstleistungsbereich vom Tarif in der Metallindustrie abgekoppelt Das ergibt eine geringere Bezahlung. Bei Forschung, Entwicklung und in der zentralen Planung, wo bisher nur 18% der Belegschaft mehr als 35 Stunden die Woche arbeiten durften, wird die 40 Stunden Woche zur Regel. Die „Fesseln der 35 Stundenwoche seien durchtrennt“, freut sich der DaimlerChrysler Personalvorstand Günther Fleig nach der Einigung mit der Gewerkschaftsbürokratie. Zudem wurden niedrigere „Einstiegslöhne“ für neu erworbene „Arbeitskräfte“ vereinbart Die Ärsche, die IG-Metall und Betriebsratsbüros vollsitzen, versuchen dennoch den Abschluß als positive Angelegenheit zu verkaufen. Als Begründung dient ihnen ein wertloser Fetzen Papier, in dem die Kapitalseite eine Beschäftigungsgarantie für 160.000 Menschen für die nächsten 8 Jahre abgibt. Was diese Zusage Wert ist, formuliert der Wirtschaftsredakteur der SZ Nikolaus Piper wie folgt: „Zwar kann diese Garantie (Beschäftigung) ihrer Natur nach nur solange gelten, wie das Unternehmen, die dafür nötigen Erträge erwirtschaftet.“ Was das zu bedeuten hat, weis jeder Arbeiter, Daimler erwirtschaftete im letzten Jahr einen Rekordgewinn von 3,4 Milliarden Euro. Dennoch oder gerade deswegen wurde an die Arbeiter apelliert zu kuschen, auf Lohn und Lebenszeit außerhalb der Fabrik zu verzichten. Eine „Beschäftigungsgarantie“ in einer Profit und Konkurrenzgesellschaft ist ein schlechter Witz. Für das „Unternehmen“ wird es stets Gründe geben, in dramatischen Farben die Marktlage zu beschwören, um weiteren Verzicht oder Arbeitsplatzverlust einzuklagen. Der „Beschäftigungspakt“ ist ein weiterer Baustein um die Macht des Kapitals zu stärken. Die Waffe der Arbeiter, ihre Einheit und Solidarität, wurde durch den Abschluß bei Daimler entscheidend geschwächt. Die Gewerkschaftsbürokratie akzeptierte größere Differenzierung innerhalb der Klasse, mit unterschiedlichen Löhnen und Arbeitszeiten bei genereller Verschlechterung für alle. Die Arbeitszeit wurde zugunsten des Kapitals verändert, auch die „Steinkühler Pause“ wird neu berechnet. An Forderungen nach mehr Beschäftigung dachte die IG-Metall Führung überhaupt nicht. Ein ernsthafter Kampf gegen das Daimler Kapital (er wäre möglich gewesen), lag nicht im Interesse der Gewerkschaftsbosse.

Die Bürokraten der Kamin und das Ritual

Der IG-Metall Vorsitzende Peters sprach von einer „guten Lösung bei Daimler“ Einen „Sieg der Vernunft“ nannte Schröder der Kanzler des Kapitals den Abschluß. Von Wolfgang Clement über Angela Merkel sind alle des Lobes voll über die Gewerkschaftsführung. Auch Jürgen Schrempp (Boß von Daimler), zeigte sich mit der Gewerkschaftsführung „zufrieden“. Der Schreiberling des großen Geldes Nikolaus Piper vermerkte in der SZ: „Der Kompromiß wurde im Rahmen der bestehenden Tarifstrukturen gefunden“ und weiter „Vielleicht ist doch keine Revolution nötig, um den deutschen Arbeitsmarkt wieder funktionsfähig zu machen“. Genau um den letzten Punkt geht es der Gewerkschaftsbürokratie, sie möchte am Kamin und im Tarifritual an den Angriffen auf die Arbeiterklasse beteiligt sein. Die Rolle als „ehrlicher Makler“ um den „Standort Deutschland“ zu verteidigen, sagt der Gewerkschaftsführung zu. Um vom Kapital ernst genommen zu werden, muß sie gelegentlich die Arbeiter scheinbar gegen das Kapital mobilisieren. Anschließend schlägt man sich einige Nächte um die Ohren, um gegen Morgen mit geröteten Augen und bekleckertem Schlips vor die Kamera zu treten. Wichtig ist der Bürokratie ihre eigene Unentbehrlichkeit. Um die Sache geht es den Bürokraten nicht, die Herrschaften wollen wichtig sein und bleiben. Das Lob von allen Seiten rinnt den IG-Metall Funktionären wie süßer Honig den Hals hinunter. In Wahrheit ruiniert die Gewerkschaftsbürokratie mit ihrer Nachgiebigkeit nicht nur die Arbeiterbewegung, sondern längerfristig auch sich selbst. Wer in Baden Württemberg nicht im Stande oder Willens ist, dem Kapital Widerstand entgegenzusetzen, von dem kann nicht erwartet werden, dass er an anderer Stelle kämpft. In den siebziger und achtziger Jahren wurden die Metallgewerkschafter von Daimler und die Metaller in Baden Württemberg innerhalb der IG-Metall, „unsere Engländer“ genannt. Jede größere Streikbewegung hatte in Baden Württemberg ihren stärksten Rückhalt. Wenn ausgerechnet in Sindelfingen bei Daimler der Posten geräumt wird, dann ist dies eine entscheidende Maßnahme der IG-Metall Führung, um kurzfristig ihre Reputation im Bürgertum zu erhöhen. In der Realität wird mit solchen egomanischen Aktionen der Bürokratie die Arbeiterklasse ruiniert. Es steht die Frage innerhalb der Gewerkschaften, ob diese Führung noch hinnehmbar ist. Wenn es der IG-Metall Leitung gelingt, weiter die Sessel in den Gewerkschaftshäusern zu besetzen, dann ist mittelfristig die ganze Gewerkschaftsbewegung bedroht. Denn wenn keine wichtigen Aktionen und Streiks stattfinden, verliert nicht nur die Arbeiterklasse, am Ende hat auch die Bourgeoisie das Interesse an den Kaminrunden mit den Bürokraten verloren.

Editorische Anmerkungen:

Max Brym stellte uns diesen Artikel am 24.07.2004 zur Veröffentlichung zur Verfügung. Er lebt als freier Journalist in München.