Aus Betrieb & Gewerkschaft 
Wie ein Streik in Trier gewonnen wurde


Von
Jacob Moneta

07/04

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Die Parole »Streik«, Wenn nicht gar »Generalstreik« geht vielen Linken leicht über die Lippen. Aber wissen sie auch, welche Vorbereitungen nötig sind, um erfolgreich zu sein?
Bei der MM Graphia Trier GmbH wurden Zigarettenschachteln auch für bekannte Marken gedruckt. Es gab einen Haustarifvertrag, mit dem Management. Seit 1999 lagen die Löhne und Gehälter mit einem Facharbeitereckgehalt von monatlich etwa 3100 Euro nicht mehr auf dem bundesweiten vertraglich hohen Niveau der Zigarettenindustrie, sondern um einige Prozentpunkte darunter.

Die Geschäftsleitung versuchte trotz hoher Gewinne in das Tarifgebiet der Papier- und verarbeitenden Industrie überzugehen und trat deren Unternehmerverband bei. Dort liegen die von Verdi vereinbarten Entgelte bis zu 30% unter dem Haustarifvertrag von MM Graphia. Auch andere soziale Vorteile wären so weggefallen.

Aber die Gewerkschaften NGG und Verdi ließen sich nicht gegeneinander ausspielen. Die faktische Tarifzuständigkeit bildete die Grundlage zur gemeinsamen Verteidigung der Tarifbindung der Graphia Trier mit der NGG.

Hierbei war es außerordentlich wichtig, dass 95% der Belegschaft gewerkschaftlich organisiert war. Wichtig war aber auch, dass der Vorsitzende der NGG, Franz-Josef Möllenberg, hinter ihnen stand und streikerfahrene Funktionäre wie Horst Gobrecht und Jürgen Hinzer vor Ort eingesetzt wurden. In einer Urabstimmung sprachen sich 96% der gewerkschaftlich Organisierten für den Arbeitskampf aus. Ab dem 11.Mai 2004 standen die meisten Maschinen still. Der Geschäftsführer der Druckerei, Rainer Schmidt, der sich geweigert hatte, die Tarifverhandlungen wieder aufzunehmen, versuchte nun mit den wenigen Streikbrechern, die im Betrieb waren, recht und schlecht zu produzieren.
Belegschaften zahlreicher Betriebe unterstützten den Streik nicht nur mit Sympathieerklärungen, sondern auch durch Hilfe zur Versorgung der Streikenden und Beteiligung an den Streikposten. Als Jürgen Hinzer an der Spitze einer mit zahlreichen Fahnen und Transparenten ausgestatteten Demonstration erklärte, Karl Marx wäre stolz gewesen auf solch einen Streik in seiner Heimatstadt, erhielt er tosenden Beifall.
Nach einem achttägigen Arbeitskampf musste die Geschäftsleitung aufgeben. Sehr rasch nahm sie wieder Verhandlungen mit der NGG auf. Eine Lohnerhöhung von 2,6% wurde bewilligt und »nebenbei« wurde der viele Rechte und soziale Leistungen regelnde Manteltarifvertrag wieder in Kraft gesetzt.

Die Schlussfolgerungen der unmittelbaren Organisatoren Horst Gobrecht und Jürgen Hinzer, die fragten, was andere Belegschaften aus diesem Streik lernen könnten, lauteten:
»Einen Streik zu führen und die ganze Anspannung und Verantwortung zu spüren ist keine Sonntagsschule. Viele Beteiligte zeigten im Streikalltag auch verstärkt Interesse an Diskussionen über die größeren politischen Zusammenhänge und Fragen des Wirtschaftssystems. Belegschaften, die sich selbst mit den Folgen von Ausgliederung einzelner Unternehmensteile und Tarifdumping herumschlagen müssen, haben gesehen, man kann einen solchen Kampf gewinnen!

Der legendäre kämpferische Metaller Willi Bleicher hatte offenbar auch Recht, als er sagte: ›Es geht nicht immer nur um Mark und Pfennig. Es geht auch um die Ehre und das Selbstbewusstsein der Arbeiter in den Betrieben!‹«
 

Editorische Anmerkungen:

Der Artikel ist eine Spieglung von http://members.aol.com/sozlmn/0407042.htm