Die Entstehungsgeschichte Israels von 1882-1948

von Nathan Weinstock

07/04

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8. Die Entwicklung des jüdischen Gemeinwesens in Palästina unter dem britischem Mandat


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Infolge des Scheiterns der Proletarisierung jüdischer Mittelschichten rekrutiert der Zionismus seine Anhänger vorwiegend aus dem verarmten Kleinbürgertum Osteuropas. Die Hauptursache für den Zustrom zionistischer Einwanderer während der zwanziger Jahre ist die chronische Wirtschaftskrise, in der sich das polnische Judentum befindet. (Die russischen Zionisten treten noch einige Jahre nach der bolschewistischen Revolution in Erscheinung, aber dann verschwindet die Bewegung endgültig von der sowjetischen Bildfläche.) Es ist sehr schwierig, die Anhängerschaft der zionistischen Bewegung genau zu beschreiben. 1936, als Hitler bereits sicher an der Macht ist, werden die organisierten Zionisten - und damit der aktive Teil der Bewegung - auf nur 125000 geschätzt. Diese Zahlen jedoch sind ziemlich anfechtbar, da sie weder die gewaltigen zionistischen Jugendbewegungen, von denen einige zu diesem Zeitpunkt mehrere zehntausend aktive Mitglieder umfassen, noch die Schüler miteinrechnen, die die zionistischen Tarbut-Schulen besuchen. Trotz allem steigt am Vorabend des 2. Weltkrieges die Zahl der eingeschriebenen Mitglieder auf 1040540, von denen 167540 von den palästinensischen Juden gestellt werden, [1]

Eine Verordnung von 1920 sieht ein Kontingent von jährlich 16500 zionistischen Einwanderern vor, aber diese Regelung wird nach den Schwierigkeiten von 1921 aufgehoben. Einige Monate später ergreift der Hohe Kommissar neue Maßnahmen in bezug auf die Einwanderung: die Einreiseerlaubnis erhalten bevorzugt solche Personen, die nachweisen können, daß sie von einem palästinensischen Arbeitgeber eingestellt werden. 1925 annulliert eine neue Verordnung alle vorhergehenden; sie stellt mehrere Kategorien von Einwanderern auf, und zwar nach Berufsstand und zur Verfügung stehendem Kapital. Ob ein Arbeiter einwandern darf oder nicht, hängt von der Vorlage eines Beschäftigungsnachweises ab, der nur vom zionistischen Exekutivrat ausgestellt wird. Das Kriterium für diese Regelung - deren Geltung 1933 durch eine neue Abänderung eingeschränkt wird - ist die »Aufnahmekapazität« des Landes. [2] In der Kolonisationsgeschichte lassen sich mehrere aufeinanderfolgende Phasen unterscheiden; jede hat den Yischuw auf verschiedene Weise geprägt. Die erste ist die der Siedler von 1882, die zweite die der Pioniere von 1904, die die Parole von der »Arbeiterkolonisierung« ausgeben. Eine dritte Periode zionistischer Einwanderung beginnt nach dem l. Weltkrieg. Die Neuankömmlinge sind Jugendliche, geprägt durch die zionistischen Jugendbewegungen, die in Osteuropa eine große Ausdehnung erreicht hatten. Diese Pioniere begeistern sich für Ideale, wie die Bewachung nationalen Bodens, manuelle Arbeit und Siedlungskollektive. Ein glühender Glaube beseelt sie. Diese Chalutzim (plur. von Chalutz: Pionier) träumen von einem gemeinschaftlichen und brüderlichen Sozialismus. Der Kibbuz ist die Verkörperung ihres Ideals. Diese »kommunistischen« Bauernhöfe, der ganze Stolz des Zionismus, sind in ihren Augen die Keime einer zukünftigen sozialistischen Gesellschaft. Aus diesen Siedlungskollektiven, in denen sich avantgardistische Methoden der Landwirtschaft mit egalitären Lebensformen verbinden, ist jeder Luxus verbannt. Der »Chalutzische« Pioniergeist bildet den ideologischen Rahmen der zionistischen Kolonisierung. Und, der Glaube versetzt Berge. Auch während der folgenden Jahre noch kommen immer weiter Jugendliche nach Palästina, aber niemals mehr werden sie das Leben des Yischuw in so entscheidender Weise prägen, wie zu jener Zeit.

Ihre Ankunft in Palästina stellt sie vor ein zentrales Problem: wovon sollen sie leben? Sie kommen an ohne einen Pfennig Geld. Ihr einziger Reichtum sind ihr unbeugsamer Wille und ihre nackten Arme. Nun, »fast alle Arbeiten wurden durch nicht-jüdische Arbeitskräfte ausgeführt. Die Juden waren Eigentümer oder Aufseher. Wenn die Fellachen aus dieser Gegend nicht ausreichten, ließ man Beduinen aus entlegeneren Gegenden kommen, die zusammen mit ihren Familien für Hungerlöhne arbeiteten.« [3] Mit diesen arabischen Landarbeitern zu konkurrieren, ist schlechthin unmöglich. Industrie? Existiert so gut wie gar nicht. Einige Jahre lang organisieren die Einwanderer sich in Eisenbahnerkollektiven und führen Erdarbeiten für die Verwaltung aus. Auf die Straßenarbeiten folgen Transport- und Hafenarbeiten. Sie leben in Kollektiven mit gemeinsamer Kasse. Auf diese Weise organisieren sich zahlreiche Gruppen. Die bekannteste von ihnen ist Gdud Haawoda (Arbeitsbrigade), der mehrere Jahre lang besteht, und die Absicht hat, alle jüdischen Arbeiter in Palästina in eine riesige Kommune zu integrieren. [4] 1929 schließlich löst sich die Gruppe auf. Einige ihrer Mitglieder kehren nach Sowjetrußland zurück.

Neuen Auftrieb erhält die Kolonisierung durch die Landkäufe des jüdischen Nationalfonds. Mehrere kibbuzim werden gegründet; die ersten moschawim tauchen auf, bäuerliche Siedlungskollektive, die im Gegensatz zu den kibbuzim weder die gemeinsamen Einkünfte aus der kollektiven Bewirtschaftung zusammenlegen noch sonst ein Gemeinschaftsleben kennen. Sehr bald stellt sich heraus, daß die Arbei-terkolonisierung als einzige in der Lage ist, den einwandernden Pionieren Arbeitsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen; man kann nicht ad infinitum Landstraßen bauen. Von 1923 ab werden 2300 jüdische Arbeiter arbeitslos.

Eine solche Situation zwingt die Neuankömmlinge, von neuem die Kampagne der »Eroberung der Arbeit« in den Siedlungen einzuleiten. In der Praxis bedeutet das soviel wie den Ausschluß von Arabern aus jüdischen Betrieben. Aus diesem Grund wird 1920 die Histadrut (Allgemeine Konföderation der jüdischen Arbeiter von Palästina) gegründet. Es handelt sich hier um eine Gewerkschaft auf ethnischer Basis zur Förderung des Zionismus und der jüdischen Arbeit. Der jüdische Arbeiter mit westlichem Lebensstandard, der im Rahmen einer Expansion kolonialen Stils nach Palästina gekommen ist, kann sich seinen Platz in der Wirtschaft nur durch die unerbittliche Ausschaltung des Gegners erkämpfen; dadurch, daß er schlechthin jede arabische Konkurrenz aus dem jüdischen Wirtschaftssektor verbannt. Die entscheidenden Schritte zu dieser strikten Aufteilung der Wirtschaft werden in dieser Epoche gemacht, in der die Arbeiterkolonisierung beginnt, die wirtschaftliche und landwirtschaftliche Infrastruktur aufzubauen, die die Integration der künftigen Einwanderer gewährleisten soll.

1924 beginnt die vierte jüdische Einwanderungswelle. Im Gegensatz zu den vorhergehenden sind diese Einwanderer keine Idealisten, die sozialisieren wollen, sondern Kleinbürger, die durch die ökonomische Krise und den offiziell in Polen wütenden Antisemitismus ruiniert worden sind. Die meisten von ihnen lassen sich in den Städten nieder und versuchen ihre kommerzielle oder handwerkliche Lebensweise wiederaufzunehmen. Die Bodenspekulation erreicht einen vorher nie gesehenen Stand. Nahezu 34000 Einwanderer kommen allein im Jahre 1925 in Palästina an. Zwei Jahre später ist die jüdische Bevölkerung Palästinas auf 150000 angewachsen: das sind 16,3% der Gesamtbevölkerung. Der auf diese Weise entstandene Wohlstand bricht während der Krise von 1927 - (die mitten im Aufbau natürlich mit ganz besonderer Schärfe empfunden wird) - ganz plötzlich zusammen. Mehr als ein Viertel der jüdischen Arbeiter wird arbeitslos. 1926 verlassen mehr als 7000 Auswanderer das Land, während nur 13 000 Zionisten einwandern. 1927 ist die Ein- und Auswanderungsbilanz negativ: 2700 Ein- gegen mehr als 5 000 Ausreisen. Die Zionistische Organisation muß ihre Aktivitäten auf Volksspeisungen für die Arbeitslosen und die Verteilung von Almosen beschränken. [5] Aber es gelingt, die Krise zu überwinden: »dank des neuen Einsatzes von Kapital im Baugewerbe und im Orangenanbau ist Palästina in der Lage, eine neue und umfangreichere Einwanderungswelle einzuleiten« . [6] Um die finanzielle Basis der Bewegung zu erweitem, fördern die Zionistenführer den Anschluß nicht-zionistischer, jüdischer Kapitalisten an den zionistischen Exekutivrat, der sich von jetzt an »jüdische Agentur für Palästina« nennt.

Einer der Faktoren, die dazu beigetragen haben, die Krise zu überwinden, ist das Heranziehen von Arbeitslosen zu öffentlichen Arbeiten: [7] unter den oben erwähnten Bedingungen kann man die Bedeutung der Konzession ermessen, die Ramsey MacDonald machte, als er grundsätzlich gestattete, jüdische Arbeiter für öffentliche Dienste einzustellen; und zwar nicht im Verhältnis zu ihrer zahlenmäßigen Stärke, sondern im Verhältnis zu den Steuereinnahmen aus dem jüdischen Wirtschaftssektor. Diese Politik hat wesentlich dazu beigetragen, die Zukunft des Zionismus zu einem Zeitpunkt zu retten, als die Wirtschaftskrise die Anziehungskraft einer Auswanderung nach Palästina beträchtlich geschwächt hatte.

Der Aufstieg des Faschismus und die Erschütterungen, die die kapitalistische Wirtschaftskrise für die jüdischen Gemeinschaften in Osteuropa mit sich brachte, werden die Situation noch einmal grundlegend ändern. Die Machtergreifung Hitlers führt zu einer massiven Auswanderung des deutschen Judentums. Allein diese Flüchtlinge machen schon etwa ein Viertel der neuen zionistischen Einwanderungswelle aus. Mehr als 150000 Juden aus Deutschland, Polen und Mitteleuropa lassen sich zwischen 1933 und 1935 in Palästina nieder. 1935 zählt das jüdische Gemeinwesen in Palästina 443000 Einwohner bei einer Gesamtbevölkerung von 1500000: das sind 29,6%. Wenn man die Entwicklung der palästinensischen Bevölkerung zwischen 1922 und 1945 betrachtet, dann wird deutlich, daß 36% des demographischen Zuwachses an jüdischen Einwohnern in dieser Zeit der Einwanderung zu verdanken sind (340550 Einwanderer). Der Einwanderungsanteil der christlich-arabischen Bevölkerung, die in verhältnismäßig großer Anzahl aus den Nachbarländern ausgewandert ist, beträgt 28%, der der mohammedanischen nur noch 4%. Im großen und ganzen gleicht die Einwanderung von Arabern aus den Nachbarländern mit 11,6% die zionistische Einwanderung aus. Aber etwas kommt noch hinzu. 1933 hat die Zionistische Organisation ein Abkommen mit dem nationalsozialistischen Deutschland über den Transfer des Kapitals deutscher Juden nach Palästina getroffen. Diese gewiß beunruhigende, heimliche Übereinkunft mit den Herren des 3. Reiches war die schreckliche, wenn auch logische Konsequenz aus der zionistischen Doktrin. In den Tagen der Weimarer Republik hatte der deutsche Zionistenführer Kurt Blumenfeld dem jüdischen Minister Rathenau bereits angedeutet, daß »ein Jude in gar keinem Fall das Recht hat, die Angelegenheiten eines ändern Volkes zu vertreten«. Das zionistische Organ >Die Jüdische Rundschau< hatte dem Naziregime gegenüber eine zumindest zweideutige Haltung eingenommen. Ben Gurion selbst hat in einem Brief vom 17. Dezember 1938 dem jüdischen Exekutivrat seine Befürchtung mitge-teilt, daß es den verfolgten Juden nicht gelingen werde, in die westlichen Länder zu flüchten: »wenn die Juden (des Westens, N. W.) zu wählen hätten zwischen den Flüchtlingen, d. h. zwischen der Rettung der Juden aus den Konzentrationslagern und der Unterstützung eines Nationalmuseums in Palästina, dann würde das Mitleid siegen, und die ganze jüdische Energie würde durch die Rettung der Juden der verschiedenen Länder in Anspruch genommen« und »der Zionismus würde sehr schnell von der Tagesordnung verschwinden . . .« Das Resultat dieser Transaktionen ist, daß die jetzt einsetzende Einwanderungswelle sich in ihrer Klassenstruktur qualitativ von allen vorhergehenden und allen folgenden unterscheidet. Während der größte Teil der Einwanderer bisher sich hauptsächlich aus Elementen des Kleinbürgertums ohne großes Kapital zusammensetzte, brachte diese neue Welle zahlreiche Angehörige der kapitalistischen Mittelschichten.

Die Statistiken machen den zunehmenden Anteil von »kapitalistischen« Einwanderern - also diejenigen die über mindestens £ 1000.— verfügen - sehr deutlich.

Mehr noch als die vierte »Aliyah« steht diese Welle von Neuankömmlingen auf Grund ihrer Lebensweise und ihrer sozialen Zusammensetzung in Kontrast zu dem Grund-und-Boden-Egalitarismus Yischuws. Bezeichnend ist, daß die wohlhabenden deutschen Einwanderer unter sich bleiben und sich in bestimmten Wohnvierteln von Haifa, Natan-ya und Nahariya ansiedeln. [8] Kapitalisten aus Deutschland gründen mehrere Banken (Ellern's, Feuchtwanger). So stößt die arabische Revolte nicht nur auf den Widerstand eines umfangreicheren und besser als je zuvor organisierten jüdischen Gemeinwesens, sondern darüber hinaus sorgt der beträchtliche Kapitalzufluß aus den Jahren 1934 und 1935 auch dafür, daß die zionistische Wirtschaft während des Generalstreiks einen entscheidenden Schlag gegen die arabische Wirtschaft ausführen kann.

Über Europa breitet sich der Schatten des Nationalsozialismus aus, und so muß Palästina den unterdrückten jüdischen Massen als der letzte Zufluchtsort des Friedens erscheinen. Selbst in einer solchen Zeit jedoch haben die verfolgten Juden nicht unbedingt die Absicht, sich in Palästina niederzulassen. A. Yarmolinski macht darauf aufmerksam, daß sich 1940 in Bialystok 27000 Juden bereiterklären, in das autonome jüdische Gebiet in der Sowjetunion, nach Birobidjan zu gehen; und man weiß, daß die jüdischen Gemeindewahlen, die in Polen am Vorabend des 2. Weltkriegs stattfanden, ein Triumph des antizionistischen Bundes auf Kosten der zionistischen Parteien waren. [9] Dennoch hat die Zionistische Organisation am Vorabend des 2. Weltkrieges mehr als eine Million Mitglieder. [10]. Von den insgesamt 2562000 Verfolgten des Naziregimes, die zwischen 1935 und 1943 ins Ausland flüchten konnten, haben sich 8,5% in Palästina niedergelassen. Die USA haben nur 170000 (6,6%) und Großbritannien 50000 (1,9%) Juden die Einreise gestattet. (Nach anderen, bei Sykes zitierten Quellen [11] ist die Anzahl derer, die nach Großbritannien und den USA flüchten, ein wenig höher: sie würde für England etwas mehr als 67000 betragen und für Amerika 182 000.) Die große Mehrheit der europäischen Juden jedoch, die dem Massaker entkommen konnten, haben in der Sowjetunion Zuflucht gefunden: 1930000 Personen, das sind 75,3% aller geflüchteten Juden. [12] Nach den Untersuchungen von Schwartz [13] beruhen die so oft zitierten Berichte von der systematischen Evakuierung, der von der Ausrottung durch die sowjetischen Machthaber bedrohten jüdischen Bevölkerung, auf einer offensichtlichen Übertreibung. In Wahrheit war die Bedeutung des Eingreifens der sowjetischen Machthaber auf diesem Gebiet sehr beschränkt. Die Schätzungen des Institute for Jewish Affairs, die wir oben wiedergegeben haben, schließen wahrscheinlich die Juden Ostpolens und der sowjetisch besetzten baltischen Länder mit ein.

Diese Ziffern sind ein ausreichendes Indiz dafür, daß der Umfang der Katastrophe es kaum zuläßt, das Problem des europäischen Judentums durch die Auswanderung nach Palästina zu lösen. Ebenso unterstreichen sie die schwere Verantwortung, die die westlichen Regierungen bei dem Völkermord an den Juden auf sich nehmen, wenn sie ihr Eingreifen darauf beschränken, eine symbolische Anzahl von Flüchtlingen in ihr Land hereinzulassen. Es ist gut, sich daran zu erinnern, wenn die Großmächte sich heute mit heuchlerischer Fürsorglichkeit um das Wohlergehen der Israelis kümmern, die den Gasöfen entkommen sind.

Der palästinensische Boden ist wenig fruchtbar. Selbst »die modernsten und intensivsten Anbaumethoden erbringen dort nur Ernten, die denen des Balkanbauern mit seiner primitiven und extensiven Landwirtschaft vergleichbar sind«, schreibt ein Landwirtschaftsexperte des Vorderen Orients. [14] Die sehr kostspielige Bewässerung- (Volcani schätzt, daß die Bewässerungskosten 28 Pfund pro Acre betragen; ein Acre = 0,405 ha) - steigert den Ertrag nicht einmal auf westeuropäisches Niveau. Wenn es den Juden, wie es die Legende sagt, wirklich gelungen ist, »die Wüste zum Blühen zu bringen«, dann dank einer aufreibenden Arbeit und Investitionen, die vor dem 2. Weltkrieg 700 t pro Betrieb ausmachen. [15] Und trotzdem bleiben die zionistischen Siedlungen, deren Mitglieder europäischen Lebensstandard haben, Defizitbetriebe; trotz der Zuschüsse aus den zionistischen Fonds und trotz der Regierungshilfe. Ende 1926 steigt das Defizit der zwölf wichtigsten Kibbuzim auf 18% des investierten Kapitals an. Die Entwicklung der Gewinne und Verluste von 1924 bis 1926 zeigt an, daß es keiner einzigen Siedlung gelungen ist, ihr Budget in diesen drei aufeinanderfolgenden Jahren auszugleichen. Nur drei Kibbuzim ist das zwei Jahre hintereinander gelungen. [16] Warriner zitiert den Fall von Siedlungen in der Gegend von Haifa, die im Laufe des 2. Weltkrieges bis zu 50 Pfund pro Acre auf nicht bewässertem Land investiert haben (den Bodenpreis nicht inbegriffen). Und trotzdem beziehen sie 20% ihres Einkommens aus nichtlandwirtschaftlichen Beschäftigungen, und trotzdem sind sie völlig verschuldet und weisen zum größten Teil sogar Verluste auf. [17] Gerade diese katastrophale wirtschaftliche Lage ist es, die die fortschrittliche Orientierung der Kibbuzim auf nichtlandwirtschaftliche, einträglichere Beschäftigungen hin erklärt. Diese betragen 1940 37% ihres Einkommens. [18]

Unter diesen Bedingungen muß sich die jüdische Landwirtschaft-ein künstliches Gebilde, das auf ideologischen Beweggründen und nicht auf ökonomischen Argumenten basiert - gezwungenerweise auf eine intensive Landwirtschaft mit hoher Produktivität ausrichten, die beträchtliche Investitionen erfordert. Und doch hält sich die Milchverwertung auf dem Binnenmarkt nur dank zionistischer Unterstützung und dem künstlichen Schutz, der durch den Boykott der arabischen Produktionen organisiert worden ist. Von den zwanziger Jahren an wenden sich die jüdischen Bauern dem Anbau von Zitrusfrüchten zu, dem einzigen Zweig, mit dem die palästinensische, landwirtschaftliche Produktion auf dem Weltmarkt konkurrieren kann. Er erfährt dann auch einen gewaltigen Aufschwung. [19] Die Orangenpflanzungen aber erfordern große Investitionen, um so mehr, als die Ausfuhr erst nach sechs Jahren Anbau erfolgen kann. Von daher versuchen die Landwirte natürlich, arabische Arbeitskräfte einzusetzen.

Die Zitruspflanzungen befinden sich hauptsächlich auf dem Land der P.J.C.A.*, das sich 1925 über 468000 Dunams erstreckt (Judäa nicht inbegriffen.) (Die Ausweitung der der P. J. C. A. gehörigen Landflächen ist nicht bedeutsam, wenn man die häufige Übertragung von Land an jüdische Siedler, die es dann bebauen, in Betracht zieht.) [20] Diese Organisation verschafft dem Bauern die notwendigen Grundlagen für die Errichtung seines Bauernhofes. 1936 schätzt man den Gesamtbetrag der P. J. C. A.-Kapitalanlagen seit dem Beginn der Siedlungsaktivitäten in Palästina auf 12—14 Millionen Dollar. [21] Im Gegensatz zum Keren Kayemet (dem jüdischen Nationalfonds) verbietet die P.J.C.A. keineswegs die Beschäftigung von arabischen Tagelöhnern. Ebenso ist es der einzige jüdische Landwirtschaftssektor, wo jüdische und arabische Lohnarbeiter Seite an Seite arbeiten. Der jüdische Nationalfonds dagegen ist das eigentliche Instrument der Arbeiterkolonisierung.

Er gründet sich auf das separatistische Prinzip des »beharrlichen und bewußten Boykotts der arabischen Arbeitskraft«. [22] Die Quellen, über die er verfügt, sind beträchtlich: seine Einkünfte betragen 11862000 palästinensische Pfund für den Zeitraum von 1907 bis September 1945. [23]

Die Einkünfte des Fonds zur Niederlassung von Siedlern, des Keren Hayessod, der sich um alle neuen Einwanderer kümmert, belaufen sich auf 19977000 palästinensische Pfund in der Zeit von 1921 bis 1945, von denen 5892000 Pfund in die Landwirtschaft investiert worden sind. [24]

Dank dieses zionistischen Nationalfonds kann der jüdische Bauer im Gegensatz zum Fellachen sicher sein, Geldanleihen zu niedrigen Zinssätzen aufnehmen zu können.

Verlauf der zionistischen landwirtschaftlichen Kolonisierung [25] (1922-1941)

Von besonderer Bedeutung waren die Bodentransaktionen der Jahre 1921, 1925 und 1935. Ein Irrtum wäre es zu glauben, daß alle diese Gebiete zum Zeitpunkt ihres Ankaufs ungeeignet zur Bearbeitung gewesen wären: oft handelt es sich sogar um besonders fruchtbare Länder (die Ebenen von Estraelon, die Umgebung des Sees von Tibe-rias, die Gegend um Haifa). [26] Aber zweifellos haben die jüdischen Pioniere die Sümpfe ausgetrocknet, unergiebiges Land fruchtbar gemacht, die Hügel aufgeforstet und grün gemacht; und das alles mit Hilfe der geschickten Anwendung einer fortschrittlichen Technik, die auf einer rationellen und intensiven Bewässerung beruht. Wie wir bereits angedeutet haben, wird ein bedeutender Teil des jüdischen Landes brach liegen gelassen und bildet die Bodenreserve für zukünftige jüdische Einwanderer. Das dem jüdischen Nationalfonds gehörige Land umfaßt 1935 472770 Dunams. [27]

Auf dem Binnenmarkt stoßen die jüdischen Landwirte auf die Konkurrenz der arabischen. Von jetzt an wir die Rentabilität der jüdischen Landwirtschaft durch eine zentrale Verkaufsorganisation, die Tnuwa, künstlich gesichert, die die Belieferung des jüdischen Marktes monopolisiert. Diese Verkaufskooperative garantiert die Rentabilität zionistischer Betriebe mit Hilfe eines protektionistischen und separatistischen Systems, das sich auf den Boykott von Produkten aus dem arabischen Wirtschaftssektor durch die jüdischen Städte stützt. Die

Entwicklung der jüdisch-bäuerlichen Bevölkerung (1914-1941)

 

* 1 Pal. Dunam: ca. 1000 m2

Entwicklung der jüdischen, bäuerlichen Bevölkerung zeigt vor allem einen gewaltigen Aufschwung des kollektivistischen Sektors. [28] Der kollektivistische Sektor weist also ein stetes Wachstum auf, das noch deutlicher ist, als das der Kibbuzim allein. Dennoch muß bemerkt werden, daß die gesamte jüdische Landwirtschaft in weitem Umfang auf Lohnarbeit basiert. 1936 stellen die Landarbeiter 37,5% der im Landwirtschaftssektor tätigen jüdischen Bevölkerung dar. [29] 1944 bearbeiten 17% der rein kapitalistischen Siedlungen (44 von 259) 41% des jüdischen Landes und erzeugen 54% der Gesamtproduktion. Sie besitzen 108000 von 120000 Dunams der jüdischen Zitruspflanzungen. [30] Wenn man die Produktivität der syrischen Landwirtschaft von 1934 bis 1935 mit dem Index 100 angibt, dann kommt die jüdische Landwirtschaft auf den von 642 und die arabisch-palästinensische auf den von 183. [31] Aber woher kommt das von den Zionisten gekaufte Land? Sie haben es von den Effendis, d.h. den Großgrundbesitzern gekauft. Die folgende Tabelle zeigt für die Periode von 1920 bis 1936 die jeweilige Quelle der Bodenankäufe an. [32]

Herkunft des jüdischen Bodenbesitzes nach der Art des Verkäufers (1920-1936)

 

Hier wird ganz deutlich, daß es eine Entwicklung gegeben hat: die abwesenden Großgrundbesitzer spielen nach 1922 nur noch eine zweitrangige Rolle, während der Anteil der Effendis, die auf dem Lande ansässig sind, oder der der Fellachen ab 1928 sichtbar zunimmt.

Um 1880 herum sind die einzigen Industrieunternehmen von Palästina die Seifenfabriken von Nablus, einige Mühlen und rückständige Handwerksbetriebe. Durch den Antrieb der zionistischen Kolonisierung erwacht das Land aus seiner Erstarrung: die Exporte im Hafen von Jaffa erreichen 1900 264000 £ und 1911 682000 £. [33] 1918 zählt man etwa 1230 Betriebe, in denen mindestens vier Lohnarbeiter angestellt sind. Das arabische Handwerk spielt dort noch eine große Rolle, ebenso wie die deutschen Siedler, die übrigens eine eigene Bank gegründet haben: die Bank der Tempelgesellschaft. Zu dieser Zeit ist man sich einig in der Annahme, daß die Industrie in Palästina keine Zukunft hat. Und in der Tat läßt sich die Industrialisierung des Landes nur erklären, durch die zionistische Politik. [34]

Um Erfolg zu haben, ist dieses Unternehmen auf die Einführung der ökonomischen Apartheid angewiesen, auf den Boykott arabischer Arbeitskraft und auf eine »verständnisvolle« Politik der Gewerkschaftsführer dem Unternehmertum gegenüber. Wir werden noch sehen, daß die Histadrut diese beiden Voraussetzungen voll erfüllt. Ein Blick auf die folgende Tabelle, die sich auf die jüdischen Investitionen in der untersuchten Periode bezieht, zeigt den Kapitalfluß nach Palästina (vor allem mit der 5. Einwanderungswelle 1932—1939): [35]

In Palästina investiertes jüdisches Kapital

* Einzige Möglichkeit für die deutschen Juden, über ihr Vermögen zu verfügen.

Die folgenden Angaben, besonders die, die sich auf den Anteil der Löhne pro Betrieb beziehen, machen den handwerklichen Charakter der palästinensischen Industrie bis zum Ende dieser Periode deutlich. [36] Die Industrie umfaßt eine große Anzahl kleiner Werkstätten:
92,6% des investierten Kapitals ist konzentriert auf nur 10% aller Unternehmen: [37]

Entwicklung der jüdischen Industrie (alle Industriezweige) 1925—37

Palästinensische Industrie (1935)


*
'* Die drei jüdischen Konzessionsbetriebe verbuchen 90% der Aktivitäten dieser Gesellschaften.

Die statistischen Ergebnisse von 1935 verdeutlichen das Kräftespiel zwischen den nationalen kapitalistischen Bereichen. In diese Statistiken sind sichtlich nur Betriebe von einem gewissen Umfang ab aufgenommen worden. [38] Zwischen der englischen Hochfinanz und der zionistischen Industrie gibt es zahlreiche Verbindungen. [39] Als religiöse Gemeinschaft - und die jüdische Bevölkerung ist zum Zeitpunkt des Einsetzens der zionistischen Kolonisierung kaum etwas anderes - genießen die palästinensischen Juden durch die Vermittlung ihres Rabbinerrates eine gewisse religiöse und kulturelle Autonomie. Dieser Status mußte den Zionisten mißfallen. Sie versuchten dann 1903 auch, auf Initiative von Ussischkin eine jüdische Nationalversammlung in Palästina einzuberufen. »Aber diese Versammlung war nicht wirklich repräsentativ für die Gesamtheit der jüdischen Bevölkerung, denn die alten jüdischen Gemeinden der heiligen Städte - Jerusalem Safed, Tiberias und Hebron - verweigerten die Teilnahme. Die religiösen Häupter der Gemeinden, deren Mitglieder ihre Einkünfte hauptsächlich der >Chalukah< verdankten, einem >0bulus< des Auslands für die heiligen >Torah< in Palästina, verfolgten mißtrauisch alle nationalen Bestrebungen und Forderungen.« [40] Dennoch haben die zionistischen Siedler in der osmanischen Periode wichtige Vorrechte erhalten, die ihre zukünftige Autonomie ahnen lassen: sie drucken ihre eigenen Banknoten, die in benachbarten Städten ganz selbstverständlich angenommen werden, und haben ihre eigenen Versicherungspolicen, ihre halbmilitärische Wachorganisation, der Ha-schomer, wird von der lokalen türkischen Regierung de facto anerkannt. [41]

Ein zionistischer Beobachter beschreibt den Status der jüdischen Siedler unter osmanischer Verwaltung folgendermaßen. [42] »Die Siedler genießen eine gewisse kulturelle Freiheit. Die türkische Regierung, die sich kaum in die inneren Angelegenheiten der Siedlungen einmischt, steht mit ihnen über den jüdischen Gemeindemann in Verbindung, der durch die Siedler selbst gewählt worden ist.« Erst das Mandat jedoch wird die Grundlagen für die jüdische Autonomie legen. Nach den Bestimmungen des Artikels 4 des Mandats sollte eine »Jüdische Agentur« der Verwaltung beratend zur Seite stehen und mit ihr zusammenarbeiten. In einem ersten Stadium wird das die internationale Zionistische Kommission sein und später dann der aus der Zionistischen Organisation hervorgehende Zionistische Exekutivrat. 1929 wird der Exekutivrat den »Juden der reichen und einflußreichen Kreise zugänglich gemacht, die der palästinensischen Entwicklung bisher gleichgültig gegenübergestanden hatten«. [43] Diese neue Organisation soll »Jüdische Agentur für Palästina« heißen (heute »Jüdische Agentur für Israel«}.

Inzwischen rufen die zionistischen Führer eine auf Grund des allgemeinen Wahlrechts gewählte »Abgeordnetenversammlung« (Assefat Hamvcharim) zusammmen, die einen »Nationalrat« ernennt. Seinen Verfügungen nach handelt es sich um ein religiöses Gemeinwesen. [44] In Wirklichkeit aber hat dieses Gemeinwesen nationalen und weltlichen Charakter, so daß die orthodoxen Juden, die von der alten palästinensischen Gemeinschaft herkommen, die Teilnahme verweigern, da sie auf keinen Fall mit ungläubigen Juden in einer Organisation zusammenarbeiten wollen, die die Gläubigen vertreten soll, und da sie sich entschieden dagegen wehren, den Frauen das Wahlrecht zu bewilligen. Auf Grund ihrer Opposition übrigens kann das Statut erst so spät verkündet werden. Sie selbst schließen sich zu einer eigenen Vereinigung gläubiger Juden zusammen, der »Agudat Israel«. Der Führer dieser radikal antizionistischen Richtung, der holländische Dichter Dr. Israel Jakob De Haan, ist in Jerusalem zu Beginn der zwanziger Jahre unter mysteriösen Umständen umgebracht worden, wahrscheinlich eine Tat der Haganä. [44a] Ganz flüchtig wollen wir noch auf die Hartnäckigkeit dieser Divergenzen zwischen der alten, einheimischen jüdischen Gemeinschaft und den zionistischen Einwanderern hinweisen. Diese Opposition spiegelt die Feindseligkeit des alten Yischuw gegen die Kampagne wider, die der jüdischen Bevölkerung den Gebrauch des Hebräischen vorschreibt, das von der Verwaltung als eine der drei offiziellen Landessprachen anerkannt wird. (Die berühmte zionistische Parole: »Daher Ivrit!« Sprich hebräisch! [45]) Schließlich jedoch sind die orthodoxen Juden von den Neuankömmlingen absorbiert worden und haben sich seit 1931 an die Zionisten angenähert.

Die jüdische Agentur und der Nationalrat arbeiten eng zusammen und zögern nicht, durch ihren Einfluß auf die Verwaltung und die jüdische Bevölkerung einen Staat im Staat oder, wie Hurewitz schreibt, eine »Quasi-Regierung« zu konstituieren. Von 1923 an delegiert der Nationalkongreß zwei Vertreter in den zionistischen Generalrat. Der Nationalrat und die Jüdische Agentur verfügen über ein beträchtliches Budget und organisieren die Einwanderung, alle wirtschaftlichen und kulturellen Angelegenheiten - es gibt ein ganzes Netz von Geldinstitutionen, das von der Anglo-Palestinian Bank beherrscht wird - und das Unterrichtswesen. Die politische Abteilung der Jüdischen Agentur verhält sich wie ein Ministerium für Auslandsangelegenheiten. Die jüdische Quasi-Regierung verfügt in der Haganä über eine mächtige, geheime Miliz. Sie hat die Kontrolle über die jüdischen Beamten der Kolonialverwaltung: eine Macht, die noch unmäßig anwächst auf Grund der Tatsache, daß diese vorstaatliche zionistische Organisation sich auf die Histadrut stützen kann; dieser zionistische Gewerkschaftsleviathan, der mehr als dreiviertel der jüdischen Arbeiter auf sich vereint, ist eng verbunden mit den Verkaufsund Produktionskooperativen und nach der Regierung der Hauptarbeitgeber. Will man nach Palästina, muß man vor der die Einwanderungszeugnisse ausstellenden zionistischen Organisation die Karten auf den Tisch legen. Sucht man Arbeit, so erweist sich, daß die Arbeitsbörse von der Histadrut zugunsten ihrer Schützlinge beherrscht wird. [46]

Um die zionistische Hegemonie-im-Judentum im In- und Ausland zu demonstrieren, wird nun vom Jüdischen Nationalfond die Einhaltung des Sabbats im Yischuw und die Beachtung der rituellen Vorschriften in den Tnuwa-Restaurants eingeführt. Im Innern des zionistischen Lagers bildet die Rechte - die beiden Flügel der Partei der Allgemeinen Zionisten - die Opposition. Sie stützt sich auf die Bauern der alten Siedlungen und die der Plantagen, die Unmengen von, häufig arabischen, Arbeitskräften beschäftigen und bekämpft auf Grund dessen die separatistische Politik der Histadrut. An ihrer Basis findet man außerdem die jüdischen Industriellen von Palästina. Der gemäßigte Flügel der Rechten, dem auch Weiz-mann angehört, spielt die Rolle des Schiedsrichters zwischen dem Arbeiterflügel der zionistischen Bewegung und der eigentlichen Rechten. Auf der extremen Rechten befindet sich die Revisionistische Partei, die von den gleichen sozialen Kräften finanziert wird. Sie repräsentiert in mancher Hinsicht den jüdischen Faschismus. Das Programm dieser Gruppe ist die Verwirklichung der »historischen Heimat« an den beiden Ufern des Jordan. Ihr Führer, Jabotinsky, ist förmlich besessen von der Idee der Notwendigkeit einer jüdischen Legion, die er Großbritannien zur Aufrechterhaltung der Ordnung im Nahen Osten zur Verfügung stellen möchte. Die eigentliche Ursache für seine Entlassung aus dem jüdischen Exekutivrat ist eine Untersuchung gewesen, die die zionistische Arbeiterpartei über seine Verhandlungen mit dem General Petlioura von 1919 bis 1921 anstellen wollte; dieser General war einer der Führer der konterrevolutionären Armeen und obendrein noch Hauptverantwortlicher für die furchtbaren Pogrome, die seine Truppen ausgelöst hatten. Die Besprechungen zwischen Jabotinsky und Petlioura zielten auf die Errichtung einer jüdischen antisowjetischen Militäreinheit. Jabotinsky war mit Sla-vinski, einem Minister der Regierung Petlioura, übereingekommen, eine jüdische Polizeitruppe aufzustellen, die unter dem Vorwand der jüdischen Selbstverteidigung mit den Weißen zusammengearbeitet hätte. [47] Dem Beispiel Herzls folgend möchte Jabotinsky mit den Staatschefs unter vier Augen verhandeln, selbst mit so verbissenen Antisemiten wie dem Marschall Pilsudsky. Die Revisionisten tragen als Emblem die Umrisse von Palästina und Transjordanien, darüber einen Arm, der ein aufgepflanztes Bajonett hält mit der Devise Rak Kach/Nut so! Dieses Symbol wird später wieder aufgegriffen von der revisionistischen Miliz, der Irgun Zwai Leumi. Einer ihrer intellektuellen Führer, Aba Ahimeir, hat übrigens in der Tageszeitung >DoarHayom< eine Chronik mit dem Titel »Tagebuch eines Faschisten« veröffentlicht. Angeregt durch Mussolini, dem Jabotinsky - immer auf der Suche nach einem Schirmherrn - 1922 einen begeisterten Brief geschrieben hat, schicken die Revisionisten einen Sonderbeauftragten zum Duce. 1924 kommt ein offizieller Vertreter der faschistischen Partei, Dr. Mandni, nach Palästina, um Nachforschungen über die »jüdische, faschistische Partei« anzustellen. [48] Der erste Revisionistenkongreß wird übrigens 1932 in Mailand abgehalten, und zwar mit der Parole: eine »italienische Ordnung« für den Orient. Dankbar für die Unterstützung, die die Revisionisten Zions Italien bei der Eroberung Abes-siniens gewährt haben, grüßt die faschistische Presseagentur Oriente Moderno herzlich den Revisionistenkongreß von 1935. Von 1935 an jedoch veranlaßt der spezifisch antisemitische Charakter des deutschen Faschismus den Führer der zionistischen extremen Rechten, sich von seinem italienischen Pendant ein wenig zu distanzieren. [49] Wie zu erwarten, eröffnen die zionistischen Faschisten den Kampf gegen die jüdische Arbeiterbewegung in Palästina, indem sie bei Streiks Streikbrecher organisieren (sie gründen eine »nationale Gewerkschaft«, die Histadrut Haleumit} und Terrorakte gegen die Arbeiterorganisationen begehen. Ihre wahnwitzigen Angriffe auf den »Kommunismus« können in Arbeiterkreisen einen gewissen Erfolg verzeichnen auf Grund der durch die zionistische Arbeiterzentrale praktizierten Zusammenarbeit der Klassen, die die Arbeiterinteressen in der Tat verrät. Den größten Teil ihrer Anhänger jedoch rekrutieren sie aus dem ruinierten, polnischen Kleinbürgertum, das ihren Argumenten für die Verteidigung des Privatkapitals und ihrer spektakulären Demagogie gegenüber sehr empfänglich ist. Den Palästinensern gegenüber betreibt die Revisionistenmiliz (3 000 Leute) eine Politik blinden, aber systematischen Terrors: Bomben auf arabischen Märkten, Schießereien auf Autobusse etc. Der 1931 gegründete ETZEL (Militärische Nationalorganisation) ist bis 1937 die Geheimmiliz der gesamten zionistischen Rechten gewesen, im Gegensatz zur Hagana, die die zionistischen Arbeiterinteressen vertrat. Der ETZEL wurde von Jabotinsky kommandiert, während der Rabbiner Bar-Ilan für die Einhaltung der politischen Richtung sorgte.

Ein grundlegendes Charakteristikum des Faschismus scheint den Revisionisten jedoch gefehlt zu haben: Volksverhetzung. Das israelische Kabinett und das Parlament haben 1964 beschlossen, die sterblichen Überreste Jabotinskys mit großem Pomp nach Israel zu überführen: welch ein Symbol!

Der Separatismus und der Boykott der arabischen Produktion sind im zionistischen Projekt implizit schon enthalten. In den ersten Jahren des Mandats entwickelt sich der jüdische Wirtschaftssektor ganz bewußt in völliger Autonomie; d. h., die Entwicklung des Yischuw ist Hand in Hand gegangen mit der systematischen und fortschreitenden Ausschaltung der Araber aus bestimmten Wirtschaftszweigen. Eins zeichnet sich auch hinter der zionistischen Forderung ab, daß jedem Voranschreiten auf dem Weg zur palästinensischen Autonomie oder zur »vollständigen Parität« zwischen jüdischer Minderheit und arabischer Mehrheit die Etablierung einer jüdischen Mehrheit vorangehen müsse: die klassische Weigerung des Siedlers, der einheimischen Mehrheit die Ausübung ihrer demokratischen Rechte und ihres Gesetzes zuzugestehen. »Aber die Juden konnten nicht einmal prinzipiell anerkennen, daß das Schicksal des Landes durch die dort wohnende Bevölkerung entschieden werden müßte und nicht durch internationale Organisationen, die ebenso berücksichtigen würden, daß das jüdische Volk keine Heimat hatte und in Palästina konzentriert werden müßte. Das war der Grund für ihre entschiedene Ablehnung der Vorschläge des Hohen Kommissars«, schreibt Yehuda Bauer. [50] Tel-Aviv ist das Symbol dieser prinzipiellen Absonderung. Seine Expansion zielt ganz »natürlich« darauf, »die Altstadt von Jaffa nach und nach in eine arabische Enklave inmitten eines bedeutenden jüdischen Stadtzentrums (umzuwandeln)«. [51] Das von Sir Ellis hinter-lassene Vermächtnis über die Gründung einer Landwirtschaftsschule, die allen Palästinensern ohne Unterschied zugänglich sein soll, ist schlagender Beweis für den zionistischen Separatismus: der zionistische Exekutivrat wandte sich dagegen unter dem Vorwand, daß eine solche Institution den zionistischen Prinzipien widerspräche: die Schule müsse in jedem Fall »nationalen Charakter« haben. [52] Die separatistische Philosophie spiegelt sich im Innern des jüdischen Gemeinwesens wider: die Juden orientalischer Herkunft (Yemeniten, Kurden, Bucharier . . .) werden Opfer der ethnozentristischen Verfemung durch die westlichen Zionisten. Es gelingt ihnen kaum, sich in die Institutionen des Yischuw zu integrieren, sie bilden eigenständige politische Gruppierungen. [53] Gezwungen zu den härtesten und am schlechtesten bezahlten Arbeiten und verachtet von den zionistischen Siedlern, stoßen sie zudem noch auf die Gleichgültigkeit der zionistischen Institutionen und auf jeglichen Mangel an Wohlwollen beim Jüdischen Nationalfonds, der sich »sträubt, (ihnen) Land zuzuteilen«. Ein Fachmann auf diesem Gebiet hat ihre Situation in folgender treffender Formel zusammengefaßt: »Die Yemeniten beklagten sich bitter und sagten: >Wir sind nichts als Fremde auf fremden Boden.« [54] Aber vor allem ist es die Überspanntheit der zionistischen Ideologie, die das Klassenbewußtsein der jüdischen Arbeiter untergräbt. Die jüdischen Arbeitgeber fordern das Eingreifen des zionistischen Exekutivrats zur Beendigung der Streiks und versuchen gleichzeitig, den Arbeitern klarzumachen, daß ihre »Forderungen den nationalen, jüdischen Interessen entgegenstehen«. [55] Es ist kein Zufall, daß die weißen Führer Südafrikas und Rhodesiens gerade zu diesem Zeitpunkt dem Zionismus gegenüber immer häufiger ihre Sympathie bekunden: sie haben begriffen, daß die zionistische Arbeiterbewegung ein ausgezeichnetes Bollwerk gegen die Revolution im Vorderen Orient darstellt. [56]

Der Zionismus folgt seiner eigenen, immanenten Logik, und die zionistische Besiedlung wird Folgen haben. Erste Konsequenz des Zionismus: Enteignung der Fellachen. »Das Landproblem rührte hauptsächlich daher, daß abwesende Grundeigentümer große Flächen Land an Individuen oder an zionistische Gewerkschaften verkauften. Ein gängiger Begleitumstand dieser Verkäufe war die Enteignung jener, die dort lebten, denn welches Interesse sollte wohl für die Zionisten der Besitz an Land haben, das an Araber verpachtet war? So sahen sich die Unglücklichen, die ihren Lebensunterhalt oft Generationen hindurch auf eben jenem Boden verdient hatten, von Haus und Hof vertrieben und ohne jede Entschädigung der einzigen Unterhaltsmöglichkeit, die sie hatten, beraubt. (. . .) Die enteigneten Pächter, die eigentlichen Opfer der jüdischen Einwanderung, waren der Kern des Palästina-Problems.« [57] Richtig ist zwar, daß dieses Land von den Großgrundbesitzern für gutes Geld verkauft worden ist. Die Fellachen jedoch sind nie gefragt worden, ebenso wie die palästinensischen Massen nie veranlaßt wurden, ihre Meinung zu dem zionistischen Projekt abzugeben, weder vor noch nach der Erklärung Balfours.

Eine weitere Wirkung dieses Vorganges: die von der zionistischen Bewegung verfolgte separatistische Politik schließt die Araber aus der jüdischen Industrie aus. Da sie nicht über die finanziellen und technologischen Mittel der jüdischen Einwanderer verfügen, wird die Herausbildung einer arabischen Kapitalistenklasse durch die wirtschaftliche Expansion der Zionisten behindert. Die Folge ist, daß es kaum Arbeitsmöglichkeiten für arabische Arbeitskräfte gibt, außer in der Verwaltung und im öffentlichen Dienst. Auf diese Weise wird die zionistische Kolonisierung die sozio-ökonomische Struktur der palästinensischen Bevölkerung völlig verändern. Die politische Führung der nationalen arabischen Bewegung bleibt auf Grund des Fehlens einer Bourgeoisie und eines starken Proletariats in den Händen einer reaktionären und rückständigen feudalen Clique, selbst dann noch, als sie sich die soziale Basis durch den Verkauf ihres Landes eigenhändig entzogen hatten. [58] Diese Verzerrung der sozialen Struktur ist vielleicht eine Erklärung für die fanatischen und oft rassistisch-chauvinistischen Verirrungen der arabischen Nationalbewegung in Palästina. Sie blockiert den arabischen Nationalismus in der Sackgasse innerarabischer Auseinandersetzungen. Dem Zionismus muß ebenfalls die Entfremdung der einheimischen Juden von ihrer sozio-kulturellen und historischen Umgebung angerechnet werden. In vieler Hinsicht ist ihr Schicksal mit dem der Juden Algeriens vergleichbar, die der französische Kolonialismus mit allen Mitteln von der Masse zu lösen versuchte, indem er ihnen einen besondern politischen Status einräumte (Dekret von Cremieux). Die Absorption der Juden des »alten Yischuw« durch das zionistische Unternehmen wurde 1929 durch die blutigen Vorfälle in Hebron gekrönt. Es ist bezeichnend, daß viele Juden in dieser Stadt von ihren Nachbarn gerettet wurden und daß die Einwohner die Überlebenden dieses Massakers angefleht haben, zurückzukehren. [59] Hier haben wir ein Phänomen vor uns, das allmählich immer allgemeinere Züge annimmt und bis zum heutigen Tag in der gesamten arabischen Welt zu finden ist: die jüdischen Minderheiten erleiden Verfolgungen, ausgelöst durch die spontan von den Massen vorgenommene, vom Zionismus beabsichtigte (und von reaktionären Elementen propagierte) Identifikation von Juden und Zionisten. Ein Beweis dafür ist das regelmäßige Zusammenfallen von antijüdischen Exzessen und militä-. rischen Unternehmungen von seiten der Israelis. (Das hat man im Juni 1967, in Libyen, in Ägypten, in Aden etc. beobachten können . . .) Dennoch sollte man nicht verschweigen, daß die zionistische Kolonisierung auch positive Auswirkungen auf die arabische Bevölkerung von Palästina gehabt hat. Dies war der Fall auf den Gebieten der Einführung von Landwirtschaftstechniken, marktwirtschaftlichen, industriellen und gesundheitlichen Methoden. Aber bei alledem handelt es sich lediglich um Nebenwirkungen der Kolonisierung.

Anmerkungen

 

1 A Survey of Palestine, Bd II.,S.907.

2 Vgl. bes. Regulations made by the High Commissioner for Palestine under the Immigration Ordinance 1925, Art. 7 und 8 in Report by His Britannic Majesty's Government to the Coundl of the League of Nations on the Administration of Palestine and Transjordan for theyear 1925, London 1926, S. 136 und ff.

3 Ebd. S.102.

4 M. mandel, a.a.O. S. 16-17.

5 REvusKY,a.a.O.S-35.

6 Ebd. S. 36.

7 kisch, a.a.O. S. 230-234.

8 alex weingrod, Group Relations in a New Society, London 1965, S. 10.

9 Universal Jewish Encyclopaedia, V, Birobidjan.

10 La Docum. franc., Nr. 2910 (Les institutions et l'economie d'Israel), S. 5.

11 SYKES,a.a.O.S.447ff.

12 Angaben aus dem Institute of Jewish Affairs in New York, rit. nach S. adler-rudel, The Agony of a People, in The Future of the Jews, an von J.J. Lynx herausge­gebenes Symposium, London 1945, S. 38, Tabelle 2.

13 ScHWARTZ,a.a.O.S.222ff.

14 WARRINER,a.a.O.S.52.

15 Ebd. S. 69.

16 VANDERVELDE.a.a.O.S. 148.

17WARRINER, a.a.O. S. 70-71. Contra: maurice konopnicki, La cooperation en milieu rural israelien, Liege - La Haye 1968, S. 119.

18 A Survey of Palestine, Bd l,S.385.

19 D. horowitz, Arab Economy in Palestine, in Palestine's Econornic Future, hrsg. von J. B. Hobmann, London 1948, S. 59.

20 Vgl.GRANOTT,a.a.O.S.280.

21 REVUSKY,a.a.O.S.52.

22 rapport hope-simpson, zit. von Sykes, a. a. 0. S. 145.

23 A Survey of Palestine, Bd II,S.912.

24 Ebd. II, S. 912.

25 Ebd. I, S.372.

26 La Palestine, S. 49-50.

27 GRANOTT,a.a.O.S.281.

28 Zahlen nach Angaben von E. john russell, a. a. 0. S. 129

29 HuREWITZ, The Struggle ..., S. 30.

30 A Survey of Palestine, Bd l,S. 373-374.

31 Nach Angaben von albert dorra, Palestine and the Economic Development of the Middle East, in Palestine's Economic Future, S. 100.

32 GRANOTT, a.a.O., S. 277, Tabelle 32.

33 HuREWITZ, The Struggle ..., S. 30.

34 kurt grunwald und joachim 0. ronall, Industrialization in the Middle East, New York 1960, S. 259.

35 Ebd.S. 260.

36 La Palestine, S. 89-90.

37 HuREWITZ, The Struggle ..., S. 30.

38 grunwald und ronall, a. a. 0. S. 262.

39 I. rennap, Antisemitism and the Jewish Question, London 1943, S. 79-80 und revus ky, a. a. 0. S. 234.

40 revusky, a.a.O. S. 204-205.

41 Ebd.S. 207.

42 M. F. zurissaday, La Palestine et la renaissance du peuple juif, Lausanne 1918, S.2L

43 revusky, a.a.O. S. 244. Vgl. die Berichte der aufeinanderfolgenden Konferenzen und der schwierigen Verhandlungen bei cohen, Le mouvement sioniste, S. 177-189.

44 La Doc.franc.,Nr.2910,S.4.

44a Geschichte der Hagand, Vol. II., Teil I, (Hebr.) Tel Aviv 1971, S. 253

45 Vgl. storrs, a.a.O. S. 345-346. Die »Agudat Israel« ist seit langem zionistisch geworden.

46 REVuSKY,a.a.O.S.242und260.

47 cohen, a. a. 0. S. 181, Anmerkung I und lenman, a. a. 0. S. 256 ff.

48 kisch, a. a. 0. S. 102 (25. Febr. 1924) und carlo leopoldo ottino, Jabotinsky e l'ltalia, in Quaderni di Documentazione Ebraica Contemporanea, Gli Ebrei in Italia durante il fasdsmo, Nr. 3 (Nov. 1963), S. 62.

49 ottino, a. a. 0. S. 72—76ff. Vgl. auch ben-zakai, Contre le terrorisme, Hachomer Hatzair, Paris o. J., S. 17.

50 bauer, The Arab Revolt..., New Outlook, Bd. 9, Nr. 6, Sept. 1966, S. 54.

51 revusky, a.a.O. S. 109.

52 kisch, a.a.O. S. 89-90 (2.1.1923), bentwich und bentwich, a.a.O. S. 210.

53 hurewitz, The Struggle .... S. 28; revusky, a. a. 0. S. 210.

54 J. J. berreby, De l'integration des juifs yemenites en Israel, L'annee sociologique 1953-1954, S. 93-94.

55 kisch, a. a. 0. S. 50-51 (17. 4.1923) und 140 (28. 7.1924).

56 Ebd. S. 242-243.

57 christopher sykes, Orde Wingate, London 1959, S. 106.

58 The Palestine Problem, S. 5.

59 bentwich und bentwich, a. a. 0. S. 134-135.

Editorische Anmerkungen:

Der Text wurde von der Red. trend gescannt. Als Vorlage diente "Das Ende Israels?" 1975 Berlin-West, S. 129-146. Bei diesem Buch handelte es sich um eine auszugsweise Übersetzung von „Le Sionism contre Israel" (Der Zionismus gegen Israel), dessen frz. Neuherausgabe vom Autor jetzt untersagt wurde.

"Das Ende Israels?" wurde übersetzt und bearbeitet von Eike Geisel und Mario Offenberg und in der Politikreihe (Nr. 61) bei Wagenbach 1975 in Westberlin herausgegeben. Es unterscheidet sich vom Originaltext, der 1969 erschienen, folgendermaßen:

"Zur editorischen Technik dieser Ausgabe sei noch folgendes vermerkt: es erwies sich aus mehreren Gründen als undurchführbar, die umfangreiche französische Originalausgabe ohne größere Kürzungen in deutscher Übersetzung herauszubringen. Der Mühe, sich komplizierte gesellschaftliche Prozesse begrifflich und historisch anzueignen, entsagt, wer einer um sich greifenden Tendenz sich unterwirft, die den Horizont der Aufklärung auf Umfang und Inhalt von Schulungsheften festschreibt. Der fortschreitende politische Analphabetismus, der auch für die hier untersuchten Fragen nur eine Handvoll erstarrter Formeln parat hat, ist Ausdruck dieser Entwicklung. Wichtige Bücher sind leider oft auch dicke Bücher. Weshalb die deutsche Fassung nun so drastisch ihres ursprünglichen Umfanges beschnitten ist, hat seinen Grund in der Logik des Marktes, gegen die ein progressives Verlagskonzept wenig ausrichtet. Vor der Alternative: Schublade oder Kürzung entschieden wir uns einmal für die vom Autor selbst mit erstellte Zusammenfassung von Teil II (die aus einer spanischen Ausgabe übernommen und mit geringfügigen Korrekturen versehen wurde) und eine kürzende Bearbeitung von Teil I. Die Kürzungen betreffen in der Hauptsache die Auseinandersetzung mit in der Tendenz gleichen, in der Nuancierung aber unterschiedlichen Interpretationen zionistischer Autoren, zum anderen eine ganze Reihe von aufgeführten Belegen. Wir hoffen, daß durch diese Beschränkung der wissenschaftliche Charakter und die Anschaulichkeit der Untersuchung von Weinstock keine entscheidende Einbuße erleiden. Eigennamen, politisch-organisatorische Termini, Institutions- und Ortsbezeichnungen wurden transkribiert aus dem Hebräischen bzw. Arabischen, und - soweit erforderlich - durch von den Herausgebern in Klammem eingefügte Erläuterungen erklärt. Nach Möglichkeit haben wir versucht, Zitate Weinstocks aus deutschen Quellen nach den Originalen zu zitieren, in anderen Fällen aber zugängliche deutsche Ausgaben zu benutzen. Der Anhang des französischen Originals (u.a. über marxistische Theoretiker zur Judenfrage, Grundsatzerklärungen von der I.S.O.-Matzpen) wurde nicht übernommen." (S.26)