Rezension
Deutsche Kommunisten

von
Max Brym

07/04

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Der Karl Dietz Verlag Berlin brachte kürzlich ein Buch von Professor Hermann Weber und Andreas Herbst unter dem Titel „Deutsche Kommunisten“ heraus. In dem Handbuch finden sich die Biographien von 1400 führenden deutschen Kommunisten in der Zeit zwischen 1918 bis 1945. Von Professor Hermann Weber stammt die Einleitung und von Andreas Herbst der Anhang. Das fast tausend Seiten starke Buch ist eine Fleißarbeit und verbindet die zeitgeschichtliche Forschung mit den aktiv handelnden Personen. Diese Methodik hat in der Geschichtswissenschaft zugenommen, die biographische Herangehensweise gibt den historischen Abläufen Fleisch und Blut. Mit dem Buch wurde eine historische Lücke geschlossen, denn bisher fehlte ein spezielles Biographisches Handbuch über den deutschen Kommunismus. Das Buch von Weber und Herbst ermöglicht, die Leitung der KPD über 25 Jahre, von 1918 bis 1945, nachzuweisen. Die Autoren beschreiben Herkunft und Sozialisation, politische Aktivitäten und Karrieren der Führungspersonen werden ebenso beschrieben, wie Opposition oder Anpassung an die jeweilige Parteilinie, Einsatz für die KPD oder Bruch mit ihr sowie Verfolgung bis hin zum häufig tragischen Lebensende.

Der Wert des Buches

Das Buch bringt wichtige historische Fakten zutage. Von den rund 300.000 Mitgliedern der KPD im Jahr 1932, befanden sich 150.000 in der Zeit des Hitlerfaschismus für kürzere oder längere Zeit in Haftanstalten oder Konzentrationslagern des Naziregimes. Die Nazis brachten 20.000 deutsche Kommunisten um. Die deutschen Kommunisten entrichteten damit von allen deutschen politischen Richtungen den höchsten Blutzoll im Kampf gegen den Hitlerfaschismus. Allein in den ersten beiden Jahren des Faschismus, tötete die Nazidiktatur rund 2.000 Kommunisten. Das „Biographische Handbuch“ legt Zeugnis ab, von den Versuchen der KPD Führung in Deutschland aktiven Widerstand zu initiieren. Diese Versuche hatten jedoch eine eigene Dramaturgie. Bekanntlich ging die KPD bis zum Jahr 1935 von einem „revolutionären Aufschwung“ in Deutschland aus. Der Machtantritt der Nazis „könne an dieser Tendenz nichts ändern“ (Bericht Fritz Heckert vor der Komintern am 1. April 1933). Die KPD trug mit ihrer Politik, die Sozialdemokratie als „Sozialfaschisten“, das Zentrum „als Zentrumsfaschisten“ und die Abweichler aus den eigenen Reihen als „Trotzki“- oder „Brandlerfaschisten“ zu brandmarken, wesentlich dazu bei, dass der Hitlerfaschismus lange Zeit unterschätzt wurde und eine geschlossene Einheitsfront gegen den Faschismus nicht zustande kam. Das Handbuch belegt, dass es gegen die ultralinke Politik der KPD ab 1928 sowohl von ehemaligen Führungsleuten der KPD (meist ausgeschlossen) als auch innerhalb der KPD Widerstand gab. Selbst in der KPD Führung gab es am Ende der Weimarer Republik immer wieder Anflüge von Realismus. Im Sommer 1932 rief die KPD Führung zum Generalstreik gegen den Staatsstreich in Preußen auf, dabei unterbreitete sie der SPD- Führung ein Einheitsfrontangebot. Die SPD lehnte ab und vertröstete die Arbeiter auf den Staatsgerichtshof. Auch am 30. Januar 1933 propagierte die KPD den Generalstreik gegen Hitler, die SPD lehnte neuerlich ab und wollte „legal“ handeln. Das löste seitens der KPD stets einen Rückfall im Kampf gegen den „Sozialfaschismus der SPD“ aus. Für eine realistische Politik (Arbeitereinheitsfront) gegen die NSDAP, traten gegen Ende der Weimarer Republik der Leninbund unter Führung von Hugo Urbahns (aus der KPD 1927 ausgeschlossen, Urbahns galt als Linksabweichler) sowie die KPO von Heinrich Brandler und August Thalheimer (Brandler war 1923 KPD Vorsitzender und Thalheimer galt als Cheftheoretiker) ein. Daneben war die „Linke Opposition“ unter Anton Grylewicz und Oskar Seipold (Grylewicz war von 1925 bis 1927 im ZK tätig, Seipold war bis 1932 im preußischen Landtag für die Linke Opposition „Trotzkisten“) für einen radikalen Kurswechsel im Kampf gegen den Nazismus. Auch Ruth Fischer und Arkadi Maslow (ehemalige Ultralinke KP- Führung zwischen 1924 und 1925), standen plötzlich „Rechts“ was die Taktik gegen die Nazis anging. Das Biographische Handbuch belegt, dass je nach Zeit und Umständen, die Funktionäre und Mitglieder einmal „Links“ und ein anderes mal „Rechts“ standen. So galt Heinrich Brandler 1921 als „Linker“ (er warb für die „Offensivtheorie), ab 1923 galt er als „Rechter“, Brandler bewertete die Revolutionschancen in Deutschland im Oktober 1923 skeptisch. Innerhalb der KPD stellte sich 1928 die Gruppe um Ernst Meyer und Arthur Ewert der ultralinken Wende ( Kurs auf eigene Gewerkschaften, Sozialfaschismustheorie, revolutionärer Aufschwung) entgegen. Die letzte Opposition innerhalb der KPD wurde vor 1931 von Heinz Neumann, Hermann Remmele, Willi Münzenberg, Leo Flieg und Kurt Müller gebildet. Dieser Opposition war es nicht mehr möglich, ihre Gedanken der Mitgliedschaft zu unterbreiten. Unter Behinderungen konnten das bis 1927 noch die „Linksoppositionellen“ „(Urbahns, Weber, Fischer, Scholem) und im Jahr 1928 die „Rechten“ (Brandler, Hausen, Thalheimer, Galm) und im Jahr 1929 die „Versöhnler“ (Meyer, Ewert,Eberlein, Schumann) tun. Im Handbuch von Weber und Andreas Herbst wird das alles nur kurz angerissen, aber der Leser wird mit einer umfangreichen Literaturliste versorgt. Klar wird auf alle Fälle, dass es in der KPD und in ihrem Umfeld theoretischen und praktischen Streit über die Frage gab wie eine humane, klassenlose und von Unterdrückung freie Gesellschaft zu erreichen sei. Selbstverständlich nahm die Frage, wie der Faschismus zu bekämpfen ist, einen besonderen Stellenwert ein. In dem umfangreichen Werk von Weber und Herbst, haben sich fast unvermeidlich einige Fehler und Oberflächlichkeiten eingeschlichen. Dem 1929 gewählten ZK- Mitglied Paul Merker wurden nicht einfach „ultralinke Sünden angehängt“, wie die Autoren schreiben. Nein, der Leiter der Gewerkschaftsabteilung Merker (bis 1930) war damals ein spezieller „Ultralinker“, in seiner Agitation setzte er den SPD Arbeiter mit der „Konterrevolution“ gleich, wogegen Hermann Remmele eine umfangreiche Polemik im Theorieorgan „Internationale“ schrieb.

Der Charakter der KPD Führung

Fast alle Biographien belegen, dass der KPD Funktionär schon in der Weimarer Republik mit der Polizei und dem Gefängnis Bekanntschaft machte. Die Justiz in der Weimarer Republik war auf dem rechten Auge blind, Kommunisten wurden verfolgt und nazistische Verbrecher geschont. Das Führungskorps der KPD war relativ jung, so waren von den 1.400 Personen nur 20 vor 1870 geboren. Demgegenüber waren 54 Parteiführer erst ab 1908 geboren. ,daher vier Prozent dieser KPD- Kader von 1918 bis 1945 waren 1928 jünger als 20 Jahre. In der Parteiführung gab es nur wenige Frauen, 129 Frauen standen 1.273 Männern gegenüber. Frühere Arbeiter, Angestellte und Intellektuelle bildeten das Hauptkontingent, der von der Partei bezahlten Spitzenfunktionäre. Die Älteren unter den Führern wurden durch längere Wanderschaften geformt, wobei sie die Länder Europas kennenlernten und ihren Horizont erweiterten. Sie erlebten materielle Not und entwickelten in der Arbeiterbildungsbewegung, Wissensdurst und Lernbereitschaft. Die Masse der Kader war durch die Erfahrungen des 1. Weltkrieges geprägt und radikalisiert, viele wurden an die Fronten des Krieges gepreßt. Die späteren KPD Funktionäre kamen aus der SPD, der USPD und dem Spartakusbund. Die KPD war eine Arbeiterpartei mit starkem Einfluß bei den ungelernten Arbeitern. Der klassische Facharbeiter blieb in seiner Mehrheit der Sozialdemokratie verbunden. Gegen Ende der Weimarer Republik waren nur noch 9% der KPD Mitglieder in den Betrieben beschäftigt. Die Partei hatte Masseneinfluß bei den Erwerbslosen und eine bestimmte Anziehungskraft unter der fortschrittlichen Intelligenz. Im November 1932 erreichte die KPD anläßlich der letzten „freien Reichstagswahl“ mit 6 Millionen Stimmen ihr bestes Ergebnis. In der KPD Führung war ab Mitte der zwanziger Jahre der Apparatmensch ohne eigene Meinung auf dem Vormarsch. Viele Charaktere versuchten der Generallinie aus Moskau zu entsprechen. Nach dem Machtantritt des Faschismus gab es nur sehr wenige Funktionäre und Oppositionelle, die auf die Seite der Nazis überliefen. Die Verräter können an zwei Händen abgezählt werden. Dazu gehörten die Reichstagsabgeordnete Maria Reese, der Reichstagsabgeordnete Wilhelm Hein, der technische Sekretär des KPD Vorsitzenden Thälmann, Kattner oder der ehemalige Bezirksleiter von Ostpreußen, Werner Kraus. Der KPD Vorsitzende Ernst Thälmann nahm lieber 11 Jahre Haft in Kauf, als auf das Angebot von Göring einzugehen, eine „Reueerklärung“ zu unterschreiben. Im August 1944 wurde Thälmann im KZ- Buchenwald ermordet. Werner Scholem, Bruder des bekannten jüdischen Religionsphilosophen, Gershom Scholem, kam 1933 in das KZ. Der ehemalige „Ultralinke“ KPD Führer Scholem, wurde als Jude und Kommunist besonders schwer mißhandelt. Im August 1940 ermordete die SS Werner Scholem in Buchenwald. Im Widerstand gegen den Nazismus brachte auch die KP0 (Brandler Thalheimer Gruppe) hohe Opfer.

Eine besondere Tragödie

Mehr als 400 der in dem Buch dargestellten Leben fanden ein vorzeitiges, gewaltsames Ende. 222 Funktionäre fielen dem Hitlerterror zum Opfer. Dass aber 178 KPD Kader Opfer des Stalin Terrors wurden, erscheint unglaublich. Die Emigration in der Sowjetunion wurde für viele KPD-Leiter zur Todesfalle. Mit Sicherheit sind sie schwerer gestorben, als ihre Genossen in Hitlerdeutschland. Aus dem Politbüro von 1929 wurde ein Kommunist von den Nazis ermordet (Ernst Thähmann), aber vier (Leo Flieg, Heinz Neumann, Hermann Remmele, Fritz Schulte) fielen den Säuberungen in der Sowjetunion zum Opfer. Von 59 ehemaligen Politbüro Mitgliedern (Polbüro) wurden drei in den Kämpfen 1919 ermordet, sechs vielen dem Hitlerterror und sieben (wahrscheinlich acht) dem Stalinterror zum Opfer. Besonders bemerkenswert ist die Tatsache, dass die jüdischen Kommunisten und KPD Funktionäre (Fritz David und Moses Lurje) in dem Prozeß gegen Sinowjew und Kamenjew 1936 gestehen mußten „Agenten der Gestapo und Trotzkis“ zu sein. Die anderen KPD Funktionäre wurden meist still und heimlich um die Ecke gebracht. Weder ein Hans Kippenberger (Leiter des Militär -Apparats der KPD), noch ein Hermann Schubert (bis 1935 führend im Politbüro), wurden vor ein öffentliches Gericht gestellt. Wäre Heinz Neumann 1934 von der Schweiz an Hitlerdeutschland ausgeliefert worden, statt Asyl in der Sowjetunion zu erhalten und von den Nazis umgebracht worden, hätte man nach ihm in der DDR einige Schulen und Straßen benannt. Nachdem er aber einfach in Rußland verschwand, wurde er zur Unperson erklärt, über die nicht gesprochen wurde. In der offiziellen DDR Geschichte wurde ihm bestenfalls die alleinige Verantwortung für die ultralinke Politik der KPD vor 1933 zugeschoben. Ließt man die Biographien der in der Sowjetunion ermordeten deutschen Kommunisten, dann fällt folgendes sofort auf, meist wurden in der Sowjetunion Funktionäre ermordet, die ein eigenes Profil hatten und demzufolge mit einer Portion Selbstbewußtsein ausgestattet waren. Entweder handelte es sich um gute und bekannte Redner
oder sie hatten sich in der KPD- Geschichte irgendwann einmal oppositionell betätigt. Daneben gab es auch einige stets linientreue Funktionäre, die in der damaligen Moskauer Atmosphäre einfach denunziert wurden. Überlebt hat das Exil in Rußland der arbeitsame, mittelmäßig begabte Apparatschik, vom Typ Ulbricht oder das alte Schlachtroß Wilhelm Pieck, der bis drei zählen konnte, es aber oft verbarg.

Fazit
Das Buch von Weber und Herbst ist empfehlenswert, um offene Fragen in der Geschichte der Arbeiterbewegung zu diskutieren und auch neu voranzukommen. Die Lebensläufe der deutschen Kommunisten können helfen, in Zukunft Fehler und Tragödien zu vermeiden. Denn wer sich des Vergangenen nicht erinnert ist häufig dazu verdammt, es in bestimmten Formen noch einmal zu erleben.
 

Editorische Anmerkungen:

Max Brym stellte uns diesen Artikel am 20.06.2004 zur Veröffentlichung zur Verfügung. Er lebt als freier Journalist in München.