Ein heilloser (?) Fall von Formblindheit
Anmerkungen zu John Holloway: Die Welt verändern, ohne die Macht zu übernehmen

von Werner Imhof

07/04

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Alles gesellschaftliche Leben ist wesentlich praktisch.
Alle Mysterien, welche die Theorie zum Mystizismus
veranlassen, finden ihre rationelle Lösung in der
menschlichen Praxis und im Begreifen dieser Praxis.

(Marx, 8. These über Feuerbach)

Holloways Buch präsentiert sich als Absage an den staats- und machtfixierten Parteimarxismus und sein instrumentelles Theorieverständnis. Und es hat durchaus einige Stärken, die es zum Gewinn machen für Leserinnen, welche sich von der parteimarxistischen Tradition lösen (wollen), und die in einem ausgewogenen Urteil Würdigung verdienen. Aber mir geht es nicht um ein ausgewogenes Urteil, sondern um die Kritik der zentralen und durchgängigen Schwäche des Buches. Wenn ich dabei nur streckenweise Holloways eigener Gedankenentwicklung folge, dann hoffentlich doch der Logik des Eingangsmottos, zumal "das Tun" einer von Holloways Zentralbegriffen ist und er selbst sich ausdrücklich auf Marx' Feuerbach-Kritik beruft (S. 133). 

Holloways Ausgangspunkt ist der "Schrei", das "NEIN", die "Negation" der "negierenden", "unwahren" Wirklichkeit. Sein Ziel ist es, diese Negation in eine "Position" umzumünzen, ihr eine positive Perspektive abzugewinnen. Aber sie bleibt im wesentlichen negativ bestimmt, als "Negation des Negierten" oder "Negiertwerdens", als "Revolte gegen den Fetischismus" usw.; d.h. sie bleibt praktisch unbestimmt, und zwar auch da, wo er sie positiv formuliert als "Wiedererlangung kreativer Macht". Der Grund liegt in seiner Blindheit gegenüber der gesellschaftlichen Form der warenproduzierenden Arbeit. 

"Wissenschaft ist für Marx negativ", sagt Holloway (S. 138). Daran ist etwas Richtiges gegenüber der Interpretation des "Kapitals" als bloß positiver Wissenschaft von den objektiven Bewegungsgesetzen des Kapitals. Aber die Behauptung bleibt einseitig, weil Marx' Methode eben beides leistet: das "positive Verständnis des Bestehenden", das "das Verständnis seiner Negation einschließt"[1]. Holloway reißt die beiden zusammengehörigen Seiten auseinander, weil ihm entgeht, was sie verbindet: daß "das Bestehende" als formbestimmte Praxis zu begreifen ist und in oder unter der herrschenden Form der gesellschaftlichen Reproduktion ihre eigene Negation angelegt ist und sich als Anlage entwickelt. Er reduziert Marx' Kritik der politischen Ökonomie auf eine "destruktive" (und vermeintlich schon dadurch "emanzipatorische") Methode (vgl. S. 135), weil er selbst weder das Kapital(verhältnis) auf einen praktischen Formbegriff bringen noch seine Negation als bestimmte Form aufhebender Praxis denken kann. Er übersieht dabei, daß nur die Kapitalkritik wirklich destruktiv sein kann, die die konstruktive Vorstellung einer überlegenen, weil einfacheren und menschlicheren Form gesellschaftlicher Produktion als in der Wirklichkeit angelegte Möglichkeit einschließt. 

"Die Trennung des Getanen vom Tun" 

Mehrfach zitiert Holloway folgende Stelle aus dem 1. Kapitel des "Kapitals": "Die politische Ökonomie hat nun zwar, wenn auch unvollkommen Wert und Wertgröße analysiert und den in diesen Formen versteckten Inhalt entdeckt. Sie hat niemals auch nur die Frage gestellt, warum dieser Inhalt jene Form annimmt, warum sich also die Arbeit im Wert und daß Maß der Arbeit durch ihre Zeitdauer in der Wertgröße des Arbeitsprodukts darstellt?"[2] Holloways Antwort: 

"Die Trennung des Getanen vom Tun bildet den Kern des Ganzen. Sie liegt der Ware zugrunde und erlangt ihre entwickeltste Form im Kapital, der Aneignung des Getanen durch die Eigentümer des vergangenen Getanen (und darum der Mittel des Tuns)." (S. 63) 

Tatsächlich ist die "Trennung des Getanen vom Tun" der Kern von Holloways Mystifizierung der Warenproduktion... Wörtlich genommen, bedeutet die "Trennung des Getanen vom Tun" nichts anderes als die Trennung des Produkts von der Produktion, und das ist in dieser Allgemeinheit als Charakteristik der Warenproduktion ebenso unsinnig wie nichtssagend. Denn zum einen gibt es eine Variante des "Tuns", bei der das "Getane" gar keine vom "Tun" getrennte gegenständliche Existenz erhält, die Dienstleistung nämlich, bei der Produktion und Konsumtion zusammenfallen, das "Getane" also bereits konsumiertes "Tun" ist. Die "Trennung des Getanen vom Tun" ist nur möglich, wenn das "Getane" dingliche Form annimmt. Dann aber bezeichnet sie – zum andern – nichts, was die Warenproduktion und damit auch die kapitalistische Produktion von anderen Produktionsweisen unterscheidet. Denn das "Getane" trennt sich vom "Tun", sobald es – fertig ist, sobald der Produktionsprozeß abgeschlossen ist und das Produkt konsumiert werden kann (auf welche Weise auch immer). Auch die "Trennung des Tuenden vom Getanen" (S. 60), also des Produzenten von seinem Produkt, ist noch nichts, was die Warenproduktion von anderen Formen gesellschaftlicher Produktion unterscheidet. Diese Formulierung drückt nur aus, daß der Produzent nicht für die eigene, sondern für die Konsumtion anderer arbeitet. Über den Charakter und die Form der "Trennung", damit über die Beziehungen zwischen Produzent(en) und Konsument(en), sagt sie nicht das Geringste aus. Sie müssen weder notwendig Marktbeziehungen sein noch auf Ausbeutung oder gar einer bestimmten Form der Ausbeutung beruhen (vgl. Marx' Beschreibung der altindischen Gemeinde[3]). 

Worauf es ankommt, ist also die besondere Form der "Trennung des Getanen vom Tun" wie vom "Tuenden", die Arbeitsprodukte zu Waren macht und auch der kapitalistischen Warenproduktion zugrunde liegt, und zwar nicht als dem "Tun" äußerliches Geschehen, sondern als Formbestimmung des "Tuns" selbst. Holloway selber betont die zentrale Bedeutung des Formbegriffs bei Marx (vgl. S. 56 und S. 66 [4] ), doch es fällt ihm nicht ein, das gesellschaftliche "Tun" ebenfalls als Formproblem zu betrachten und die Form der gesellschaftlichen Arbeit zu bestimmen, die Produkte zu Waren macht und sich in ihrem "Wert" darstellt. Umgekehrt: Die inhaltlich unbestimmte Kategorie des "Tuns" führt ihn (um nicht zu sagen: dient ihm) dazu, das "Tun" auch förmlich unbestimmt zu lassen, es geradezu gegen jede Formkritik zu immunisieren. 

Dabei ist ihm die besondere Form der "Trennung des Getanen vom Tun" wie vom "Tuenden" ebenso geläufig wie die Form des "Tuns" selbst, die sie erzwingt. Die besondere Form der "Trennung des Getanen vom Tun" und vom "Tuenden" ist der Austausch der Produkte, ihre entwickelte Gestalt der Austausch der Produkte gegen Arbeitszeitäquivalente in Geldform. Und was ihr zugrunde liegt, ist eine Trennung, die Holloway zwar registriert, nur nicht als Tätigkeitsform der "Tuenden" selbst: das getrennte "Tun" der "Tuenden", die Teilung ihrer gesellschaftlichen Arbeit in einander fremde, formell unabhängige Privatarbeiten. Sie ist es, die Arbeitsprodukte zu Waren macht, aber nicht schon deshalb, weil sie die "Trennung des Getanen vom Tuenden" erzwingt, sondern weil sie diese Trennung an den Ersatz des "Getanen" bindet. Die "Trennung des Getanen vom Tuenden" in Form des Austauschs ist zugleich die Form der Verbindung der voneinander getrennten "Tuenden". Privat betriebene Produktion von Gebrauchswerten für den Austausch – diese "einfache" Form der Warenproduktion ist auch die Grundlage ihrer kapitalistischen Form, bei der die Privatarbeit auf der Anwendung kollektiver, (gewöhnlich, aber nicht notwendig) fremder, d.h. gekaufter, Arbeitskraft beruht, welche mehr Arbeit leistet, als zu ihrer eigenen Reproduktion nötig ist. All das "weiß" Holloway, oder vielmehr: Es ist ihm bekannt, weil er es zigmal bei Marx gelesen hat, den er so oft zitiert. Doch der Gebrauch, den er von diesen Kenntnissen macht, besteht darin, sie zu zerreden und zu verdrängen. 

Das Kapital und die "Macht über das Tun anderer" 

Das beginnt damit, daß er gesellschaftliche Oberflächenphänomene zu begrifflichen Allgemeinplätzen "erhöht", um mit ihrer Hilfe über die "Unwahrheit der existierenden Wirklichkeit" (S. 138) zu räsonnieren. Während Marx' Untersuchung von der Ware ausgeht als der empirischen "Elementarform" des bürgerlichen Reichtums, um Schritt für Schritt die Formbestimmungen des gesellschaftlichen Produkts und der zugrunde liegenden Produktionsverhältnisse zu entwickeln, geht Holloway aus von einem vorgefaßten begrifflichen Gegensatz, der ihm jede nähere Formbetrachtung des "Tuns" wie des "Getanen" ersetzt: der "kreativen Macht" ("power-to-do"), der Fähigkeit zu vorausschauendem "Tun", im Unterschied zur "instrumentellen Macht" ("power-over"), der "Macht über das Tun anderer"[5] (S. 41). Nun sind das Begriffe, die vom "Tun" selbst abstrahieren. Die "Fähigkeit zu tun" ist ihm vorausgesetzt, ohne schon seinen Inhalt und seine Form zu bestimmen. Und die "Macht über das Tun anderer" ist offensichtlich eine Kategorie, die aus der gesellschaftlichen Form des "Tuns" selbst er-klärt werden muß, wenn sie nicht einer Metaphysik der Gewalt entspringen soll. Man sollte also annehmen, daß Holloway nun zu dieser Erklärung übergeht. Zunächst scheint das auch so: 

"Tun (und kreative Macht) sind immer Teil eines gesellschaftlichen Flusses, aber dieser Fluß setzt sich unterschiedlich zusammen. Wenn der gesellschaftliche Fluß des Tuns zerbrochen wird, dann wird kreative Macht in ihr Gegenteil verkehrt, in instrumentelle Macht. Der gesellschaftliche Fluß des Tuns wird zerbrochen, wenn das Tun selbst zerbrochen ist." (S. 41) 

Doch unversehens wird der scheinbar richtige Ansatz ins Gegenteil verkehrt: 

"Das Tun-als-vorausschauende-Vorstellung [das Tun als Vorstellung?] wird dann zerbrochen, wenn einige Menschen sich die vorausschauende Vorstellung (Konzeption) des Tuns anmaßen und anderen befehlen, das auszuführen, was sie erdacht haben. Das Tun wird zerbrochen, wenn die 'Mächtigen' etwas erdenken, es aber nicht ausführen, während die anderen etwas ausführen, aber nichts erdenken. Das Tun wird zerbrochen, wenn die 'Mächtigen' das Getane vom Tuenden trennen und es sich selbst aneignen." (S. 41 f.) "Instrumentelle Macht heißt, den gesellschaftlichen Fluß des Tuns zu brechen." Und: "Das Zerbrechen des Flusses des Tuns schließt immer physische Gewalt oder die Androhung physischer Gewalt ein." (S. 43) "Herrschaft [ist] immer ein Prozess bewaffneten Raubs." (S. 46)

Es kann dahingestellt bleiben, ob die unmittelbare "Macht über das Tun anderer" nicht immer schon eine gebrochene Form der Gesellschaftlichkeit vorausgesetzt hat, die sie erst ermöglichte (und sei es ursprünglich in der Form von Stammeseigentum, dem "Fremdstämmige" als Sklaven einverleibt wurden). Die Realität der kapitalistischen Gesellschaft jedenfalls verfehlt Holloway gleich in mehrfacher Hinsicht. Erstens wird der "gesellschaftliche Fluß des Tuns" nicht erst und nur durch den Gegensatz von Kapital(isten) und Lohnarbeit(ern) zerbrochen, sondern – grundlegender – dadurch, daß er von vornherein nur in der Form getrennter Privatarbeiten existiert bzw. die Arbeit nur in dieser Form als gesellschaftliche zählt. Die Privatarbeit für den Austausch verschwindet ja nicht dadurch, daß ihre "einfache" Form in eine "kompliziertere" Form aufgegangen ist, in der die Privatarbeit zusätzlich als Lohnarbeit bestimmt ist und sich in den Gegensätzen von notwendiger Arbeit und Mehrarbeit bewegt. Zweitens hat sich in dieser doppelt gebrochenen Form der "gesellschaftliche Fluß des Tuns", d.h. die Vergesellschaftung der Arbeit, überhaupt erst entwickeln müssen, damit Privatarbeit und Austausch und mit ihnen das Kapitalverhältnis überflüssig und damit aufhebbar werden konnten. Drittens ist es gerade die einfache Grundform der kapitalistischen Produktion als Privatproduktion für den Austausch, die dem Kapitalverhältnis seine elementare materielle und ideologische Macht über die Menschen verleiht, weil sie so "gewöhnlich" und alternativlos scheint, gleichzeitig aber die "übersinnliche" Wertform der Produkte hervorbringt, die Grundlage aller Fetischgestalten der bürgerlichen Gesellschaft. Und viertens hat sich diese Macht daher längst so verselbständigt, daß sie sich auch ohne Waffengewalt durchsetzt und nicht einmal mehr an das Klassenverhältnis gebunden ist, wie Tausende von Belegschafts- und Genossenschaftsunternehmen in aller Welt beweisen, in denen die Lohnabhängigen gleichzeitig Besitzer ihrer betrieblichen Produktionsmittel sind und das Kapitalverhältnis auch ohne "konzipierende" und "befehlende" Kapitalisten reproduzieren. 

All das blendet Holloway aus, wenn er den Bruch im "gesellschaftlichen Fluß des Tuns" nur an der "Macht über das Tun anderer" festmacht statt an der grundlegenden Form des "Tuns" selbst, die dieser Macht vorausgesetzt ist, sie erst ermöglicht. Sein Bild der gesellschaftlichen Wirklichkeit entspricht der Perspektive des kleinen Warenproduzenten, der mit der gegensätzlichen Form der Privatarbeit hadert, keineswegs aber mit der Privatarbeit für den Austausch überhaupt. Diese verengte Perspektive hindert ihn nun aber auch, zu erklären, worauf denn die "Macht über das Tun anderer" eigentlich beruht, oder anders ausgedrückt: das Kapital auf einen praktischen Begriff zu bringen. 

"Das Kapital basiert auf einem Einfrieren vergangenen Tuns von Menschen in Eigentum. Da vergangenes Tun die Vorbedingung jetzigen Tuns ist, trennt das Einfrieren und die Aneignung vergangenen Tuns sie von diesem Tun ab und konstituiert es als bestimmbare 'Mittel des Tuns' (oder geläufiger als 'Produktionsmittel')." (S. 44) 

Nach dieser Logik könnte man auch den Gebrauch eines Messers als Mordwaffe damit "erklären", daß sein Besitz es als Schneidinstrument "konstituiert"... Holloways leere Abstraktion des "Tuns" scheint ihn vergessen zu lassen, daß "alle Produktion Aneignung der Natur von seiten des Individuums innerhalb und vermittels einer bestimmten Gesellschaftsform" ist und "eine Aneignung, die sich nichts zu eigen macht", deshalb "eine contradictio in subjecto" (Marx[6]). Indem er die allgemeine Kategorie des Eigentums zur Besonderheit des Kapitals erhebt, verrät er nur, daß er weder die verschiedenen Arten des Privateigentums auseinanderhalten noch privates Eigentum von gesellschaftlichem oder auch von individuellem Eigentum unterscheiden kann. Der Grund dafür liegt darin, daß er die Form des Eigentums, hier das Privateigentum an Produktionsmitteln, von der gesellschaftlichen Form des "Tuns" trennt, die es konstituiert bzw. reproduziert. Individuelles Eigentum wird zu Privateigentum, sobald es als austausch- oder verwertbares Mittel zur Aneignung fremder Arbeit benutzt wird; die dissoziierten Lohnarbeiterinnen reproduzieren ihre Produktionsmittel zwangsläufig als Kapital, solange sie sich der Produktion für den Austausch unterwerfen; gesellschaftliches Eigentum an den Produktionsmitteln dagegen kann nur dadurch konstituiert und erhalten werden, daß die vereinten Produzentinnen sie sich gemeinsam aneignen und sie als gemeinschaftliche (also nicht dem Austausch unterliegende) Produktionsmittel behandeln. 

Das Kapital basiert eben keineswegs auf dem "Einfrieren vergangener Arbeit in Eigentum", schon gar nicht auf ihrer bloßen "Konstituierung" als Produktionsmittel, sondern es ist die Kreislaufbewegung einer bestimmten gesellschaftlichen Form vergangener Arbeit, die sie als Privateigentum konstituiert, zwecks Einverleibung neuer Arbeit dieser bestimmten Form, eine Bewegung, die vermittelt wird durch die dieser Produktionsform entsprechende Verkehrsform und in der die vergangene Arbeit selbst verschiedene Gestalten annimmt, darunter die von Produktionsmitteln. Für Holloway reduziert sich diese Bewegung auf den "Besitz des Getanen und, auf dieser Grundlage", den "wiederholten Kauf menschlicher kreativer Macht" (S. 46). Er eliminiert aus ihr die grundlegende gesellschaftliche Form der Arbeit, die dem "Getanen" erst ermöglicht, die Form des Kapitals anzunehmen, und der menschlichen Arbeitskraft, selbst zu einer Ware zu werden. 

"Dies ist das Kapital: die Geltendmachung von Herrschaft über andere auf der Grundlage von 'Besitz' des Getanen und damit der Mittel des Tuns als Vorbedingung des Tuns jener anderen, die befehligt werden." (S. 44) 

Eben nicht. Nach dieser "Definition" wären z.B. auch der Hofstaat der britischen Königin und jeder Haushalt mit angestelltem Personal kapitalistische Unternehmen. Holloway "übersieht" gerade das, was (fungierendes) Kapital von privat genutztem Reichtum unterscheidet: die Produktion für den Austausch. Daß dieses "Übersehen" oder Ausblenden keine vereinzelte Fehlleistung Holloways ist, sondern Ausdruck seiner durchgängigen Unfähigkeit, die Privatarbeit für den Austausch überhaupt als gesellschaftliche Form wahrzunehmen, sogar da, wo er von ihr als "Produktion von Waren für den Markt" (für Holloway keine Tautologie) zu sprechen scheint, demonstriert er selbst auf Schritt und Tritt. Dazu noch ein Beispiel: 

"Der Bruch zwischen Vorstellung und Tun ist auch ein Bruch zwischen den Tuenden und dem Tun. Das Tun wird von den Nicht-Tuenden (den Befehlsgebern des Tuns) verfügt, so dass es für diejenigen, die tun, zu einer fremden Handlung wird (eine von außen auferlegte Handlung). Von einem aktiven Tun wird ihr Tun zu einem passiven, erlittenen, fremden Tun. Tun wird zu Arbeit. Tun, das nicht direkt von anderen befehligt wird, wird von Arbeit getrennt und als weniger wichtig erachtet: 'Was machst Du eigentlich?' 'Ach, ich mach gar nichts, ich bin bloß Hausfrau.'" (S. 47 f.) 

Demnach müßte das Selbstwertgefühl der Frau steigen, wenn sie unter der Fuchtel eines Haustyrannen arbeitete, der sie von morgens bis abends kommandiert... Holloway begreift wirklich nicht, was die (produktive) Lohnarbeiterin von der Hausfrau unterscheidet (und weshalb viele Frauen die Lohnarbeit ausschließlicher Hausarbeit vorziehen): eben nicht nur und in erster Linie die Unterordnung unter fremdes Kommando (das nicht selten erträglicher ist als das "heimische" Joch), sondern mit dem Austausch der Arbeitskraft gegen Lohn die kollektive Arbeit für den Austausch, also gesellschaftliche Arbeit für gesellschaftliche Bedürfnisse, nur eben in doppelt entfremdeter Form. 

Der Wert und "die kristallisierte Negation des Tuns" 

Nun  bleibt Holloway nicht dabei stehen, die "Macht über das Tun anderer" nur als gewaltgestütztes Herrschaftsverhältnis zu begreifen. Er "weiß", daß "Herrscher immer von denen abhängig [sind], über die sie herrschen" (S. 50), und daß "menschliches Tun ... das einzige Subjekt [?], die einzige konstituierende Macht" ist (S. 61). Er "weiß" ebenso, daß die "Macht über das Tun anderer" selbst einer "Eigendynamik" unterworfen ist, daß "instrumentelle Macht" zugleich instrumentalisierte Macht ist (vgl. S. 48 f.). Die "Macht über das Tun anderer" ist also offenbar nicht allein aus dem "Besitz des Getanen" zu erklären. Woraus aber sonst? Holloway ahnt immerhin, daß ein Teil der Antwort in der mysteriösen Form des "Getanen" zu suchen ist, und man kann ihm zugute halten, daß er diese Form und mit ihr den Fetischcharakter von Ware, Geld und Kapital überhaupt (wieder) thematisiert und ins Zentrum seiner gedanklichen Bemühungen rückt. Doch seine sehende Blindheit gegenüber der Privatarbeit für den Austausch hindert ihn auch, die Wertform des "Getanen" als Erscheinung der darin erscheinenden Form des "Tuns" zu begreifen. Sein verfehlter Kapitalbegriff ist nur die Konsequenz seines verfehlten Wertbegriffs: 

"Die Kristallisierung dessen-was-getan-wurde in ein 'Ding' zerbricht den Fluss des Tuns in Millionen Stücke. Ding-Heit negiert das Primat des Tuns (und damit der Menschlichkeit)... Ding-Heit ist kristallisierte Amnesie... Das Ding steht nun alleine für sich als zu verkaufende Ware, mit seinem eigenen Wert... Das Tun, das die Ware geschaffen hat, wird vergessen und der kollektive Fluss des Tuns, zu dem es gehört, wird in den Untergrund gezwungen... Der Wert erlangt ein eigenständiges Leben... Diejenigen, die instrumentelle Macht ausüben, werden auch von dieser Fragmentierung, auf der ihre instrumentelle Macht beruht, beiseite gedrängt. In der kapitalistischen Gesellschaft ist der Kapitalist nicht das Subjekt... Es ist der Wert. Es ist das Kapital, akkumulierter Wert... Instrumentelle Macht wird von den Mächtigen getrennt. Tun wird negiert und die kristallisierte Negation des Tuns, der Wert, beherrscht die Welt.

Anstatt dass das Tun unsere Leben miteinander verflechtet, ist es nun die Negation des Tuns – der Wert, in seinem sichtbaren und universellen Äquivalent, dem Geld –, welcher unsere Leben miteinander verflechtet, oder, genauer gesagt, unser Leben zerreißt und die Einzelteile wieder zu einem zersprungenen Ganzen zusammenfügt." (S. 48 f.)

Holloway kann den Fetischcharakter der Warenwelt nur "kritisch" reproduzieren, statt ihn durchschaubar zu machen. Tatsächlich "zerreißt" und "verflechtet" "der Wert" natürlich überhaupt nichts, auch nicht "das Kapital", der sich verwertende (und nicht bloß akkumulierte) Wert. Es sind immer noch die Menschen selbst, die ihr Leben zerreißen, indem sie sich – nicht zuletzt die Lohnabhängigen selbst – an die überkommene zerrissene Form der gesellschaftlichen Arbeit klammern, um sie über den Austausch notdürftig zusammenzufügen. Es ist immer noch ihre eigene gesellschaftliche Praxis, die den Produkten ihre Geldform verleiht, in der die Menschen das Verhältnis ihrer Privatarbeiten zu allen anderen Privatarbeiten ausdrücken und in der sich hinter ihrem Rücken eine annähernd proportionelle Verteilung ihrer Gesamtarbeit durchsetzt. 

Da diese Form gleichzeitig verbirgt, was sie ausdrückt, weil sie die Beziehungen der Privatarbeiten als bloß quantitative Verhältnisse der Produkte darstellt, entsteht der Anschein, als besäßen diese eine eigene "Wertgegenständlichkeit". Aber ebenso wie die Produkte selbst entspringt auch der gegenständliche Schein nur menschlicher Praxis. Und "der Wert" ist nur der begriffliche Reflex dieses Scheins, dessen reale Grundlage nichts anderes ist als getauschte Arbeitszeit, genauer: die in allen getauschten Produkten enthaltene Gesamtarbeit, die die Menschen im Austausch auf gleiche menschliche Arbeit als Substanz aller Wertformen reduzieren. Auch wenn sie die privateigentümliche Form ihrer gesellschaftlichen Reproduktion nicht beherrschen, sondern von ihr beherrscht werden, so bleibt sie doch die Form ihres eigenen "Tuns"; und nur deshalb kann sie auch überwunden werden (wozu es allerdings einiger Voraussetzungen bedarf, die hier nicht zur Debatte stehen, bei Holloway sowieso nicht). Holloway dagegen nimmt den Schein für dingliche Wirklichkeit. Für ihn ist "der Wert" wirklich eine den Dingen innewohnende Macht, die das "Tun" "negiert", während er doch bloß der verdinglichende Gedankenreflex seiner zerrissenen Form ist. 

Die "Trennung des Getanen vom Tun" erweist sich nun doch als "Kern des Ganzen" – aber als Holloways eigenes Werk und in einem ganz anderen als dem von ihm gemeinten Sinn. Er selber zerreißt den Zusammenhang zwischen "Tun" und "Getanem", weil er weder die besondere Form des warenproduzierenden "Tuns" wahrnimmt, noch die besondere Form des "Getanen" begreift und daher die eine nicht aus der anderen entwickeln kann. So wie ihm die Privatarbeit für den Austausch im formlosen "Tun" verschwimmt, so gerinnt ihm die Warenform des Produkts zur unförmigen "Ding-Heit". Aber Holloway trennt "das Getane vom Tun" nur – um es verkehrt herum wieder mit ihm zu "verbinden". Im wirklichen Leben ist es die besondere Form des "Tuns", die in Millionen Privatarbeiten "zerbrochene" Form der gesellschaftlichen Arbeit, die den Produkten ihre Waren- oder Wertform aufzwingt. In Holloways Vorstellung ist es umgekehrt die Warenform der Produkte, die "Kristallisierung" des "Getanen" in ein "Ding" "mit seinem eigenen Wert"[7], die den "kollektiven Fluss des Tuns" erst "in Millionen Stücke zerbricht" und das "Tun" in – "Arbeit", in "entfremdetes Tun" verwandelt. "Tun wird zu Arbeit." (S. 47) Holloway stellt die Beziehung zwischen "Tun" und "Getanem" auf den Kopf[8], weil er das "phantasmagorische" Eigenleben der Warenwelt als Realität betrachtet, für die wirkliche Praxis der Menschen dagegen keinen Blick hat. 

Das Ergebnis ist eine gespaltene Begrifflichkeit, die ein gespaltenes Denken ausdrückt. Während die Kategorie der "Arbeit" der Empirie äußerlich bleibt, weil sie nicht in die gesellschaftliche Form der Arbeit eindringt, schwebt die Kategorie des "Tuns" als leere Abstraktion über aller Empirie. Beide sind nur verschiedene Ausdrücke derselben Formblindheit. Ihre "Paarung" mag dialektisch klingen und philosophische Tiefe vortäuschen, ihre einzige Erkenntnisleistung ist die Mystifizierung der kapitalistischen Warenproduktion. Holloway selbst liefert dazu reichlich Anschauungsmaterial. Da er vom praktischen Grund der fetischartigen Warenform keinen Begriff hat, muß er nach einer Ersatzerklärung suchen, um die Frage zu beantworten, wie denn die "Ding-Heit", die (vermeintliche) "Negation des Tuns", die Welt beherrschen kann, wenn doch "menschliches Tun die einzige konstituierende Macht" ist. Er meint sie in der "antagonistischen" (oder auch "doppelten") "Existenz des Tuns" zu finden, die er auch als "Selbst-Negation des Tuns" versteht, mit der er schließlich Marx' Fetischismuskritik auf den Kopf stellt. 

"Die antagonistische Existenz des Tuns" 

Alles "Tun" aber ist empirische Praxis, tätige Äußerung menschlicher Subjekte, oder es ist bloßes Hirngespinst. Was immer Holloway unter einem Antagonismus verstehen mag – Sinn machen kann seine Rede von der "antagonistischen Existenz des Tuns" nur, wenn sie eine widersprüchliche Tätigkeit der "Tuenden" selbst, eine Einheit gegensätzlicher Seiten im wirk-lichen "Tun" der Menschen bezeichnet, mag sie bewußt sein oder nicht, aus freien Stücken geschehen oder nicht. Der die Warenproduktion beherrschende Widerspruch ist der zwischen der Form der gesellschaftlichen Arbeit als Privatarbeit für den Austausch und ihrem Inhalt, der Produktion von Gebrauchswerten für fremde Bedürfnisse. Er prägt den "zwieschlächtigen" Charakter des Produktionsprozesses als Einheit von Arbeits- und Wertbildungsprozeß und drückt sich aus im Doppelcharakter der Ware als Gebrauchswert und als Trägerin von Tauschwert ebenso wie im Doppelcharakter der in den Waren vergegenständlichten Arbeit als besondere zweckbestimmte Arbeit und als allgemeine gesellschaftliche Arbeit.

In der kapitalistischen Warenproduktion wird der Widerstreit von Form und Inhalt der gesellschaftlichen Arbeit zum ständigen Konflikt, weil ihre Form zusätzlich bestimmt ist durch den Antagonismus von notwendiger und Mehrarbeit, der Wertbildungsprozeß zugleich Verwertungsprozeß ist und die Ware nicht nur Wert, sondern auch Mehrwert realisieren muß. Die Form der Arbeit wird zur Schranke ihres Inhalts und sich selbst zum Zweck, der Inhalt zum Ballast ihrer Form, an den sie trotzdem gefesselt bleibt. Gleichzeitig aber kann sich die kapitalistische Form der Privatarbeit nur reproduzieren, indem sie die Arbeit als gesellschaftliche entwickelt und organisiert, so daß die Privatarbeit und der Zwang zum Äquivalententausch potentiell ebenso überflüssig werden, wie sie gesellschaftlich kontraproduktiv geworden sind. Der Widerspruch zwischen Form und Inhalt der gesellschaftlichen Arbeit ist daher keineswegs antagonistisch. Er ist lösbar durch die positive Aufhebung der kapitalistischen Privatarbeit in eine höhere Form, die dem Inhalt oder Zweck der gesellschaftlichen Arbeit gerecht würde, ihm dienen und ihn von seinen heutigen Deformationen befreien könnte: die gemeinschaftliche Produktion mit gemeinschaftlichen Produktionsmitteln. Ein Antagonismus dagegen ist, dialektisch verstanden jedenfalls, eine Einheit von Gegensätzen, die einander ebenso bedingen wie ausschließen; er kann daher nur durch die Aufhebung beider Seiten aufgelöst werden. 

Was also versteht Holloway unter der "antagonistischen Existenz des Tuns", die das "Tun" der Herrschaft seiner "kristallisierten Negation" unterwirft? 

"Kreative Macht ist grundlegend gesellschaftlich und wird durch die Form dieser Gesellschaftlichkeit in ihr Gegenteil, instrumentelle Macht, verkehrt. Unsere Fähigkeit zu tun ist unvermeidbar Teil des gesellschaftlichen Flusses des Tuns, aber das Zerbrechen dieses Flusses ordnet diese Fähigkeiten Kräften unter, die wir nicht kontrollieren.

Also existiert Tun antagonistisch, als gegen sich selbst gerichtetes Tun, als vom Getanen beherrschtes Tun, als vom Tuenden entfremdetes Tun."  (S. 49) 

Mit der "Form dieser Gesellschaftlichkeit" ist natürlich nicht die Privatarbeit gemeint, sondern nur ihre Unterordnung unter die "Macht über das Tun anderer", also das Kapitalverhältnis. Auch das "gegen sich selbst gerichtete Tun" macht nur Sinn als Lohnarbeit, die ihr Produkt als Kapital produziert; denn wörtlich genommen ist unmittelbar "gegen sich selbst gerichtetes Tun" eine praktische Unmöglichkeit. Ebenso sind "vom Getanen beherrschtes" und "vom Tuenden entfremdetes Tun" nur verschiedene Ausdrücke für kapitalistische Lohnarbeit, die fremdes Eigentum produziert, das ihr erneut als Kapital gegenübertritt. Die "antagonistische Existenz des Tuns" ist hier also in Wahrheit ein schiefer Ausdruck für den Antagonismus zwischen der Form des "Tuns" als Lohnarbeit und der Form des "Getanen" als Kapital, während der wirkliche Antagonismus im "Tun" der Lohnarbeiter gar nicht zur Sprache kommt und der Widerspruch, der ihm vorausgesetzt ist, sowieso nicht. Aber Holloway fährt fort: 

"Die antagonistische Existenz des Tuns kann verschiedenartig ausgedrückt werden: als Antagonismus zwischen kreativer Macht und instrumenteller Macht, zwischen Tun und Arbeit, zwischen Nützlichkeit (Gebrauchswert) und Wert, zwischen gesellschaftlichem Fluß des Tuns und Fragmentierung. In jedem dieser genannten Begriffspaare besteht zwischen den beiden Polen A und B ein Antagonismus, aber es ist kein äußerlicher Antagonismus. In jedem Fall existiert Pol A als Pol B: Pol B ist die Existenzweise oder Form von  Pol A. In jedem Fall negiert Pol B Pol A, so dass Pol A in der Form seiner Negation existiert. Der Inhalt (Pol A) wird in jedem Fall von seiner Form beherrscht, aber er existiert in anatagonistischer Spannung mit dieser Form. Diese Herrschaft von Form über Inhalt (der Arbeit über das Tun, des Kapitals über das Getane, und so weiter) ist die Quelle der Gräuel, gegen die wir anschreien." (Ebd.; Hervorhebung bei J.H.)

Holloways "Antagonismen" von Inhalt und Form sind nur geeignet, das wirkliche "Tun" der Menschen zu verdunkeln. Die "kreative Macht", die "Fähigkeit zu tun", die menschliche Arbeitskraft also, existiert, wenn sie als Ware veräußert wurde, im Produktionsprozeß zwar in der Form des Kapitals, als verwandelte Form des für sie verausgabten Kapitalwerts. Sie wird dadurch aber nicht auch noch zum "Inhalt" dieser Form, schon gar nicht zu ihrem "negierten Inhalt". Inhalt der Kapitalform, in der die Arbeitskraft im Produktionsprozeß fungiert, ist ihre Nutzung, ihre produktive Konsumtion. Die allerdings beinhaltet einen Antagonismus, jedoch nicht als "antagonistische Spannung zwischen Form und Inhalt" (was immer man sich darunter praktisch vorzustellen hätte), sondern als antagonistische Teilung der Arbeitszeit in notwendige Arbeit zur Reproduktion der Arbeitskraft und in Gratisarbeit zur Vermehrung des Kapitals. Dieser Antagonismus wiederum hängt aber längst nicht mehr davon ab, daß das Kapitalverhältnis als "Macht über das Tun anderer" exekutiert wird; er entspringt der verallgemeinerten Form der warenproduzierenden Arbeit selbst... Daß Kapital und lohnabhängige Arbeitskraft in einem antagonistischen Verhältnis zueinander stehen, ist ein Allgemeinplatz. Es ist auch nicht neu, daß dies kein "äußerlicher" Antagonismus ist, weil keine Seite ohne die andere existieren kann. Ihn aber zum Antagonismus "zwischen Form und Inhalt" zu erklären, taugt allein zur Mystifikation des Widerspruchs, der ihm zugrunde liegt: der über den Austausch vermittelten kollektiven Privatproduktion für fremde Bedürfnisse. 

Unsinnig ist auch die Bestimmung der "Arbeit" als "Existenzweise oder Form" des "Tuns". Soweit "Tun" als Arbeit "existiert", ist damit noch lange nicht seine Form bestimmt. Es gibt individuelle wie kollektive Privatarbeit für den Eigenbedarf, selbständige Privatarbeit für den Austausch, Lohnarbeit für unmittelbaren fremden Konsum, Lohnarbeit, die Gebrauchswerte für den Austausch produziert, Lohnarbeit, die nur den Formwandel vergangener Arbeit vermitelt (von Ware in Geld und umgekehrt, Geld in Kapital und umgekehrt), u.a.m. Aber nur in einer dieser Formen produziert die Arbeit Kapital. Es ist nicht "die Arbeit", die das ansonsten formlose "Tun" erst in eine Form zwängt. Es ist umgekehrt jene besondere Form, die alles konsumierbare bzw. in konsumierbaren Produkten sich vergegenständlichende "Tun", auch das spielerische, künstlerische und wissenschaftliche, in Wert und Mehrwert bildende Arbeit verwandelt, es der gesellschaftlichen Wertsubstanz einverleibt, die das Kapital vermehrt und die ganze Gesellschaft unterhält. Holloways "Antagonismus zwischen Tun und Arbeit" drückt nichts weiter aus als das Unverständnis für eben jene Form. Er überspielt es durch eine gekünstelte Denkfigur, in der "die Arbeit" selbst zur "Form" wird, deren "Inhalt" sich darin erschöpft, als form- und damit auch inhaltsloses "Tun" "in der Form des Negiertwerdens", als "Noch-Nicht" (S. 50) zu "existieren". 

Mit dem "Antagonismus" von Gebrauchswert und Wert scheint Holloway dem Widerspruch der Warenproduktion auf der Spur zu sein. Doch da er keinen Begriff von der gesellschaftlichen Form der warenproduzierenden Arbeit hat, begreift er auch nicht, daß die Wertform der Produkte mit dem konkreten Nutzeffekt der Arbeit, mit dem Gebrauchswert des Produkts, absolut nichts zu schaffen hat. Weder ist der Wert daher die "Existenzweise oder Form" des Gebrauchswerts noch dieser der "Inhalt" des Werts. Die Form des Gebrauchswerts ist dessen konkrete Naturalform, sei es die eines dinglichen Produkts oder die einer Tätigkeit (Dienstleistung). Inhalt oder "Substanz" der Wertform von Arbeitsprodukten dagegen ist gleiche menschliche Arbeit, die auf einfache Durchschnittsarbeit reduzierte gesellschaftliche Gesamtarbeit (der Warenwert quantitativ verstanden, als notwendiger Anteil an der Gesamtarbeit, ist sowieso keine empirische Größe).  

Diese "abstrakte Arbeit" ist für Holloway überhaupt ein besonderes Mysterium geblieben, weil er die Wertform des "Getanen" nicht als seinen verwickelten Inhalt begreift und diesen daher nicht aus der Form entwickeln kann. Er weiß zwar: "Die Ware ist so, weil wir sie so gemacht haben." (S. 129) Und: "Der Dreh- und Angelpunkt ist menschliches Tun und dessen Organisationsweise." (Ebd.) Doch statt an der empirisch zugänglichen Organisationsweise des menschlichen "Tuns" anzusetzen, klammert er sich an Marx' Nachweis des Doppelcharakters der in den Waren enthaltenen, also vergangenen oder "toten" Arbeit und meint, damit die "Existenz-" und "Organisationsweise" der lebendigen Arbeit erfaßt zu haben: "Das Sein der Ware wird [bei Marx] geradeheraus auf das Tun und dessen Existenz, als konkrete und abstrakte Arbeit, zurückgeführt." (S. 129) An anderer Stelle nennt er das "Tun" "die doppelte Existenz der Arbeit" (S. 132). Und schließlich: "Das Geld könnte nicht existieren, wenn das Tun nicht als abstrakte Arbeit existierte." (S. 136) 

Das "Tun" "existiert" für Holloway wahrhaftig "als" Wertsubstanz des "Getanen". Das ist so ziemlich das Niveau der traditionellen, fälschlich Marx zugeschriebenen "Arbeitswerttheorie", die den Wert umstandslos auf formlose "Arbeit" zurückführt. Tatsächlich existiert das wirkliche "Tun" der Warenproduzenten nur als Komplex konkreter Privat- oder Teilarbeiten, die zusammen ihre begrenzte gesellschaftliche Gesamtarbeit bilden. Daß sie diese Gesamtarbeit im Austausch der Produkte auf gleiche menschliche Arbeit reduzieren, ist der Organisationsweise der lebendigen Arbeit geschuldet und wirkt auf sie zurück, aber diese Gleichheit der Privatarbeiten ist nicht ihre Existenzweise als lebendige Arbeit selbst, sondern ihre verwandelte "Existenzweise" in den Produkten, die sie erst und allein durch deren Austausch annimmt. "Die Menschen beziehen also ihre Arbeitsprodukte nicht aufeinander als Werte, weil diese Sachen ihnen als bloß sachliche Hüllen gleichartig menschlicher Arbeit gelten. Umgekehrt. Indem sie ihre verschiedenartigen Produkte einander im Austausch als Werte gleichsetzen, setzen sie ihre verschiednen Arbeiten einander als menschliche Arbeit gleich. Sie wissen das nicht, aber sie tun es."[9] 

Am ehesten könnte man noch dem "Antagonismus zwischen gesellschaftlichem Fluss des Tuns und Fragmentierung" einen Sinn abgewinnen – wenn Holloway unter Fragmentierung nicht die Herrschaft der "kristallisierten Negation des Tuns" verstehen würde, sondern die getrennte und trennende Form des "Tuns" selbst. Doch gerade die nimmt er ja nicht als gesellschaftliche Form wahr... Alles in allem erweist sich die "antagonistische Existenz des Tuns" als Floskel, die das Gegenteil dessen leistet, was sie auszudrücken scheint. Sie verdeckt den grundlegenden Widerspruch im wirklichen "Tun" der Menschen, indem sie das vermeintlich formlose "Tun" mit der unverstandenen Form des "Getanen" kontrastiert, die das "Getane" selbst zu ihrem "Inhalt" hat und das "Tun in Arbeit", in "erlittenes Tun", "verwandelt" und die "tuenden" Subjekte in bloße Objekte. Holloways trotziger Einwurf, daß dennoch "das Getane vom Tun abhängig" ist, "das Kapital vollständig von der es erschaffenden Arbeit" (S. 50), bleibt ein ohnmächtiger Trost, solange er ihn nicht mit der Einsicht verbinden kann, daß es die grundlegende Form des "Tuns" selbst ist, die die Abhängigkeit des "Getanen vom Tun" in ihr Gegenteil verkehrt. Die aber bleibt Holloway verbaut, auch und gerade dann, wenn er ihr nahezukommen scheint und die Herrschaft des "Getanen" über das "Tun" als "Selbst-Negation des Tuns" zu fassen sucht. 

Der Fetischismus und "die Selbst-Negation des Tuns" 

Holloway "entwickelt" seine Auffassung des Fetischismus in einem eigenen Kapitel ("Der Fetischismus: Das tragische Dilemma"). Er beginnt mit einigen forschen Behauptungen, mit denen er die Richtung absteckt und zugleich Marx als seinen Gewährsmann präsentiert: 

"Fetischismus ist der von Marx zur Verwendung des Bruchs des Tuns verwendete Begriff. Der Fetischismus steht im Mittelpunkt von Marx' Diskussion der Macht... Die Stärke des Begriffs liegt in seinem Bezug auf ein unerträgliches Gräuel: die Selbst-Negation des Tuns.

Der junge Marx erörtert die Selbst-Negation des Tuns nicht mit dem Begriff des Fetischismus, sondern unter dem Begriff der 'Entfremdung'..." (S. 59) 

Mit der "Selbst-Negation des Tuns" meint Holloway also, Entfremdung und Fetischismus auf einen gemeinsamen Nenner bringen zu können. Nun handelt es sich dabei aber um zwei wesentlich verschiedene Phänomene, und Marx' Kritik daran, auf die Holloway sich zu stützen meint, entstammt zudem verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Die Kritik des jungen Marx – Holloway zitiert aus den "Ökonomisch-philosophischen Manuskripten aus dem Jahre 1844" – bezieht sich auf die "Selbstentfremdung" des Lohnarbeiters, der seine "Arbeit" veräußert und fremdes Privateigentum vermehrt, um sich selbst zu erhalten; auf die "Entäußerung des Arbeiters in seinem Produkt", die seine Arbeit als "Tätigkeit der Entäußerung" voraussetzt und ihn zugleich sich selbst und seinesgleichen, Privateigentümern wie Arbeitern, als "Gattungswesen" entfremdet. Die Analyse der Warenform der Arbeitskraft ist hier noch ebensowenig entwickelt wie die der Warenform der Produkte als der allgemeinen Form des produzierten Kapitals. Die Fetischismuskritik des späteren Marx dagegen, die nicht im Mittelpunkt seiner "Diskussion der Macht" (wo immer Holloway diese verorten mag), sondern seiner Warenanalyse steht, bezieht sich nicht auf das Verhältnis der lohnabhängigen Produzenten zu den Produkten ihrer Arbeit, sondern auf das Verhältnis der Warenproduzenten überhaupt zur Warenform ihrer Produkte, die ihnen als selbständige Macht über ihre Arbeit erscheint, obwohl sie doch nur deren besondere gesellschaftliche Form ausdrückt. 

Sicher läßt sich auch der Fetischismus als eine Art Entfremdung begreifen. Aber die Selbstentfremdung der Lohnarbeiter bezeichnet ihre wirkliche Entäußerung in ihren Produkten, die sich in fremdes Privateigentum verwandeln und ihnen nach ihrer Verwandlung in Geld und Produktionsmittel erneut als fremde Macht in der Hand der Kapitalisten gegenübertreten. Sie beruht auf der Trennung der Produzenten von den Produktionsmitteln, also der kapitalistischen Form der Privatarbeit, in der das Kapitalverhältnis von "toter" und lebendiger Arbeit als Klassenverhältnis exekutiert und reproduziert wird. Der Warenfetischismus dagegen bezeichnet die eingebildete Verselbständigung der Produkte gegenüber den Warenproduzenten. Eine Wirkung, die von der mysteriösen Warenform der Produkte auszugehen scheint, deren Ursache jedoch in der Praxis der Produzenten selbst liegt: der Form ihrer getrennten Privatarbeiten für den Austausch. Die Praxis bestimmt das Bewußtsein. Auch wenn das Verhältnis von Ursache und Wirkung in Wechselwirkung umschlagen kann, das Bewußtsein also auf die Praxis – inner- und außerhalb der Produktionssphäre – zurückwirkt, bleibt diese Wirkung immer ursächlich bestimmt durch die private Form der gesellschaftlichen Arbeit. 

Marx beschreibt die fetischisierende Wirkung der Privatarbeit für den Austausch zunächst an Hand der Warenform der Produkte und des Geldes. Mit der kapitalistischen Form der Privatarbeit entwickelt sich aber auch der Fetischismus ihrer Produkte und des Geldes weiter. Daß Geld sich verzinsen muß, Produktionsmittel sich rentieren und Waren Gewinn "abwerfen" müssen, scheint der Natur dieser Dinge selbst zu entspringen, Ergebnis sachlicher Zwänge, obwohl sie doch nur Formzwänge bestimmter gesellschaftlicher Beziehungen zwischen Menschen sind. Der Fetischcharakter des Kapitals bezeichnet also die eingebildete Verselbständigung der Produktionsmittel, des Geldes und der Produkte als Kapital, als sich verwertender Wert. Er beruht – wie der Fetischismus der Warenwelt – auf der Privatarbeit für den Austausch und zugleich – wie die Entfremdung – auf deren gegensätzlicher Form (dem Antagonismus von notwendiger und Mehrarbeit). Doch er beinhaltet, daß sich das Kapitalverhältnis – im Unterschied zur Entfremdung – nicht als personifiziertes Zwangsverhältnis, sondern als scheinbarer Sachzwang reproduziert, der die Trennung der Lohnabhängigen von den (betrieblichen) Produktionsmitteln und damit die Produktion fremden Privateigentums als Voraussetzung der kapitalistischen Produktionsweise relativiert und tendenziell ersetzen kann (und z.T. auch schon real ersetzt). Denn dem Kapitalfetisch erliegen nicht nur die Besitzenden, sondern auch die Besitzlosen, nicht nur die Kapitaleigentümer und -funktionäre, sondern auch die Lohnabhängigen, solange sie Privatarbeit und Austausch für alternativlose Naturformen gesellschaftlicher Beziehungen halten. Nicht nur das, die Lohnarbeit selbst wird zu einer Art Fetisch, den die Lohnabhängigen vergötzen, weil sie "die Arbeit" in anderer Form nicht (mehr) denken können und ihre Arbeitskraft ihnen nur als Mittel des privaten Überlebens und Auskommens gilt.  

Der Fetischcharakter der Arbeitsprodukte als Ware, Geld und Kapital besteht also in ihrer eingebildeten Selbständigkeit, die den Menschen, auch den Lohnabhängigen, ihre eigene vom Privatkalkül zerrissene Gesellschaftlichkeit zurückspiegelt; eine Einbildung, die nur ausdrückt, daß sie ihre eigenen Privatinteressen fetischisieren, und die (wie die Religion) nicht deshalb aufhört, eine Einbildung zu sein, weil sich die Menschen von ihr bemächtigen lassen. Wenn Holloway nun meint, diesen Fetischismus mit der wirklichen Selbstentfremdung des Lohnarbeiters über einen Kamm scheren zu können, muß er wohl oder übel beides verfehlen. Da er vorgibt, sich dabei auf Marx zu stützen, möchte ich diesen selbst zu Wort kommen lassen: 

"Das Geheimnisvolle der Warenform besteht also einfach darin, daß sie den Menschen die gesellschaftlichen Charaktere ihrer eignen Arbeit als gegenständliche Charaktere der Arbeitsprodukte selbst, als gesellschaftliche Natureigenschaft dieser Dinge zurückspiegelt, daher auch das gesellschaftliche Verhältnis der Produzenten zur Gesamtarbeit als ein außer ihnen existierendes Verhältnis von Gegenständen. Durch dies Quidproquo werden die Arbeitsprodukte Waren, sinnlich übersinnliche oder gesellschaftliche Dinge. So stellt sich der Lichteindruck eines Dings auf den Sehnerv nicht als subjektiver Reiz des Sehnervs selbst, sondern als gegenständliche Form eines Dings außerhalb des Auges dar. Aber beim Sehen wird wirklich Licht von einem Ding, dem äußeren Gegenstand, auf ein anderes Ding, das Auge, geworfen. Es ist ein physisches Verhältnis zwischen physischen Dingen. Dagegen hat die Warenform und das Wertverhältnis der Arbeitsprodukte, worin sie sich darstellt, mit ihrer physischen Natur und den daraus entspringenden dinglichen Beziehungen absolut nichts zu schaffen. Es ist nur das bestimmte gesellschaftliche Verhältnis der Menschen selbst, welches hier für sie die phantasmagorische Form eines Verhältnisses von Dingen annimmt."[10]

 Holloway präsentiert seine Interpretation des Fetischismus als "Selbst-Negation des Tuns" in mehreren Schritten. Wenn ich diese "Entwicklung" mit längeren Zitaten belege, so mag das einen Mangel an Distanz und Fähigkeit zur Zusammenfassung seiner wesentlichen Gedanken ausdrücken. Er hat jedoch seinerseits einen Grund in Holloways Argumentation selbst, die einer gedanklichen Springprozession gleicht, bei der sich manche Schritte zu widersprechen scheinen. Ich möchte deshalb jeden Anschein vermeiden, als würde ich meine Kritik nur an einigen ausgesuchten Formulierungen aufhängen. 

(1) "Die Selbst-Negation des Tuns" ... als Negation der selbständigen Privatarbeit

Zunächst ist die "Selbst-Negation des Tuns" nur ein weiterer mystifizierender Ausdruck für den Antagonismus von Lohnarbeit und Kapital oder die "Entäußerung" des Lohnarbeiters in seinem Produkt und in seiner Arbeit. Mystifizierend deshalb, weil erstens ein unvermittelt sich selbst negierendes "Tun" Unsinn ist, der Begriff der "Selbst-Negation" aber gerade die praktische Vermittlung – die Privatproduktion für den Austausch – ausklammert, die die "Entäußerung" überhaupt ermöglicht und ihr selbst die Form des Austauschs verleiht; weil zweitens Holloway den Antagonismus von Lohnarbeit und Kapital nicht als Entwicklung begreift, als prozessierenden Widerspruch, der die Bedingungen seiner eigenen Negation erst hervorbringen muß(te); und weil daher drittens die "Selbst-Negation des Tuns" nur eine Kritik vom Standpunkt des "Tuns" ausdrückt, das nicht fremdes, sondern eigenes Privateigentum produziert. Wenn Holloway feststellt, daß "die Trennung des Getanen vom Tuenden ... die Negation der kreativen Macht des Tuenden" ist (S. 60), ohne die geschichtliche Notwendigkeit dieser Negation als Durchgangsstufe zu ihrer eigenen Negation auch nur zu reflektieren – im Gegensatz auch schon zum jungen Marx[11] –, dann beklagt er nichts anderes als die Negation des selbsterarbeiteten Privateigentums. Und wenn er ihr "das materielle Verflechten eines sich gegenseitig anerkennenden 'wir'" entgegenhält (S. 61), ohne die Assoziierung der dissoziierten Produzenten als mögliche "Negation der Negation" auch nur in Betracht zu ziehen, dann beschwört er faktisch eine Gesellschaft freier Privatarbeiter, in deren "gegenseitiger" Anerkennung das Prinzip des Äquivalententauschs verewigt ist.

(2) ... als verschleiernde Geldform

Von der Entfremdungskritik des jungen Marx wechselt Holloway übergangslos zur Warenanalyse im "Kapital". Das Frappierende an seinen Ausführungen ist wieder, daß er von der Form der warenproduzierenden Arbeit und von der Verkehrsform des Austauschs spricht, ohne sie als besondere gesellschaftliche Formen zu begreifen.  

"Der Bruch zwischen Tun und Getanem wird gleich zu Beginn des 'Kapitals' eingeführt. In Anklang an die Worte der Manuskripte von 1844 (...) beginnt Marx den zweiten Paragraph [soll heißen: Absatz] mit folgenden Worten: 'Die Ware ist zunächst ein äußerer Gegenstand.' Die Ware ist ein von uns hergestelltes Objekt, das sich aber [?] außerhalb von uns befindet [wo sonst?]. Die Ware nimmt ein eigenständiges Leben an, in dem ihr gesellschaftlicher Ursprung in menschlicher Arbeit ausgelöscht ist. Es ist ein Produkt, welches seinen eigenen Charakter als Produkt negiert, ein Getanes, welches seine eigene Beziehung zum Tun negiert.

Die Ware ist der Punkt, an dem der gesellschaftliche Fluss des Tuns zerbricht. Für den Austausch hergestellt befindet sich das Produkt an einem Punkt, an dem das gesellschaftliche Tun aus den Angeln gehoben, seines Zusammenhangs beraubt wird. Die Ware ist selbstverständlich ein Produkt gesellschaftlichen Tuns [aber in privater, getrennter Form!], aber die Tatsache, dass sie für den Austausch auf dem Markt [scheinbar eine Tautologie] hergestellt wurde, zerreißt den Fluss des Tuns, lässt das Ding als vom Tun, dessen Produkt und Vorbedingung es gleichermaßen ist, getrennt erscheinen. Es steht alleine für sich, um auf dem Markt verkauft zu werden, die Arbeit, die es hergestellt hat, ist vergessen. Diese Arbeit ist gesellschaftlich (Arbeit für andere), aber sie ist es indirekt, sie ist Arbeit für andere, aber ihre Gesellschaftlichkeit stellt sich erst im Nachhinein heraus. Die Gesellschaftlichkeit des Tuns wird zerbrochen [nein, sie war es von vornherein] und damit auch der Prozess gegenseitiger Anerkennung und gesellschaftlicher Bestätigung. Gegenseitige Anerkennung wird den Produzenten entwendet und auf ihre Produkte übertragen: Es ist das Produkt, das im Austauschprozess gesellschaftlich anerkannt wird. Anerkennung des Tuns findet im Wert des Produkts seinen [ihren] Ausdruck. Das quantitative monetäre Messen des Werts (Preis) [der Preis ein quantitativ gemessener Wert – als wenn Werte meßbar wären und etwas anderes sein könnten als quantitative Verhältnisse] verleiht nun dem Tun der Menschen gesellschaftliche Bestätigung. Das Geld sagt dir nun, ob das, was du tust, gesellschaftlich nützlich ist.

Die Ware darf darum nicht nach ihrem Äußeren beurteilt werden. Durch die Untersuchung erkennen wir die [formlose?] Arbeit, die die Ware hergestellt hat, und wir lernen Arbeit als Substanz des Werts zu sehen, aber das führt uns nur zu einer weitaus umfassenderen Frage: Warum wird das Tun, welches die Ware hergestellt hat, negiert?" (S. 62 f.; Hervorhebung bei J.H.) 

Bei oberflächlichem Lesen könnte man meinen, daß Holloway seine Frage schon beantwortet hat, bevor er sie stellt. Das "Tun, welches die Ware hergestellt hat", wird – scheinbar – "negiert", eben weil es die Herstellung einer Ware ist, Produktion von Gebrauchswert für den Austausch. Es ist offensichtlich, daß Holloway diese Antwort nicht befriedigt, daß er sie nicht einmal als Antwort versteht. 

Er deutet die Geldform des "Getanen" als "Negation des Tuns", weil er selbst die Form des "Tuns" "negiert" bzw. ignoriert, deren Ausdruck sie ist. Ihn interessiert nicht, was sie ausdrückt, sondern nur, daß sie gleichzeitig verbirgt, was sie ausdrückt. Sie kann aber nur verbergen, was die Form des "Tuns" verbirgt, die sie hervorbringt, und was dem Blick des in dieser Form Befangenen schon vorher verborgen war. Die Geldform des "Getanen" kann das "Tun" nur "vergessen" lassen, weil die Formvergessenheit des Betrachters ihn hindert, es in ihr wiederzuerkennen. Und "ein eigenständiges Leben" nimmt die Ware für ihn nur an, weil er es ihr zuschreibt. Der Fetischismus der Warenwelt ist nur die Projektion der Fetischisierung einer ungesellschaftlich-gesellschaftlichen Praxis der Menschen auf ihre Produkte, Ausdruck ihrer gebrochenen Gesellschaftlichkeit, nicht deren Ursache. 

Dabei stellt Holloway selbst fest, daß die Arbeit nur indirekt gesellschaftlich, die "Gesellschaftlichkeit des Tuns" "zerbrochen" ist. Doch woran macht er diesen Bruch fest? Nicht bei den "dissoziierten" Produzenten selbst, in der privaten Form ihrer Arbeit, sondern erst an dem "Bruch zwischen Tun und Getanem", an dem "Punkt", an dem das fertige Produkt die Produktionssphäre verläßt und einen Käufer sucht, um sich in Geld zu verwandeln; daran, daß die Ware "für den Austausch auf dem Markt" produziert wurde und sich die Gesellschaftlichkeit der Arbeit "erst im Nachhinein" herausstellt. Holloway präsentiert auch hier wieder die Perspektive eines selbständigen Privatarbeiters, der in der Geldform des Produkts die Individualität seiner Arbeit ausgelöscht sieht, seine Abhängigkeit vom Markt als Kontrollverlust erlebt und bei vorab vereinbartem, auf gegenseitiger Anerkennung beruhenden direkten Produktentausch auch seine Arbeit schon für direkt gesellschaftliche Arbeit hält... 

Tatsächlich bliebe die Gesellschaftlichkeit auch seines "Tuns" "zerbrochen", solange es Produktion für den Austausch ist, der das "Tun" als Privatarbeit und das "Getane" samt den "Mitteln des Tuns" als Privateigentum qualifiziert. Holloway erwähnt den "Austauschprozess", aber er begreift ihn nicht als bloß historische Form, als trennende Verkehrsform getrennter Privatproduzenten und -eigentümer. Eine Verkehrsform, die nicht dadurch trennt, daß sich das "Tun" im "Getanen" vollenden muß, sondern dadurch, daß sie die "fremde" Nutzung des "Getanen" an seinen Ersatz durch eine gleichwertige Menge gesellschaftlicher Arbeitszeit fesselt, und deshalb die Produzenten zwingt, das Verhältnis ihrer Privatarbeiten zur Gesamtarbeit als Beziehung ihrer Produkte zu einer besonderen Geldware auszudrücken. Diese "eigentümliche" Weise, in der sich die Privatarbeiten als Glieder der gesellschaftlichen Gesamtarbeit geltend machen müssen und in der sie (im Realisierungsfall) bestätigt werden, wie Holloway zuvor selbst noch festgestellt hat, ist ihm zwar nicht geheuer. Doch was ihn daran stört, ist nicht der Austausch selbst, sondern nur die Geldform, in der er vollzogen wird, weil sie – so erklärt er kurz darauf mit einem Marx-Zitat – "den gesellschaftlichen Charakter der Privatarbeiten und daher die gesellschaftlichen Verhältnisse der Privatarbeiter" verschleiert, "statt sie zu offenbaren" (S. 64 f.) Die "gesellschaftlichen Verhältnisse der Privatarbeiter" könnten für ihn also bleiben, wie sie sind, wenn sich ihr Austausch nur auf eine nichtverschleiernde Weise abwickeln ließe... Holloways Geldkritik ist eine Kritik des entwickelten Tauschwerts vom Standpunkt seiner unentwickelten Form. 

(3) ... als "objektivierter" Fetischismus 

Im nächsten Schritt faßt Holloway die Fetischisierung des "Getanen", die "verschleiernde" Wirkung seiner Form, mit der Selbstentfremdung des Lohnarbeiters zu einem Prozeß zusammen, in dem er die "Trennung des Getanen vom Tun" als ihren gemeinsamen "Kern" ausmacht: 

"'Das Kapital' ist eine Untersuchung der Selbst-Negation des Tuns. Von der Ware aus bewegt sich Marx weiter zu Wert, Geld, Kapital, Profit, Pacht, Zins – zu immer dunkleren Formen, die das Tun verbergen, zu immer entwickelteren Formen der Unterdrückung kreativer Macht. Das Tun (menschliche Aktivität) entschwindet zunehmend dem Blick. Die Dinge herrschen. In dieser Welt, in der die Dinge herrschen, in der das Novum [?] der menschlichen Kreativität zunehmend dem Blick entschwindet, in dieser 'verzauberten, verkehrten und auf dem Kopf stehenden Welt' (Marx...), wird es möglich von den 'kapitalistischen Entwicklungsgesetzen' zu sprechen[12]. Auf der Grundlage der Kritik dieses Irrsinns wird es möglich, die Kategorien der politischen Ökonomen, die Rationalität und Gesetze ihrer Untersuchung einer irrationalen, pervertierten Welt, zu kritisieren.

Die Trennung des Getanen vom Tun bildet den Kern des Ganzen. Sie liegt der Ware zugrunde und erlangt ihre entwickeltste Form im Kapital, der Aneignung des Getanen durch die Eigentümer des vergangenen Getanen (und darum der Mittel des Tuns), der Akkumulation des Getanen auf das Getane, der Akkumulation des Kapitals... Akkumulation ist einfach der unersättliche, unablässige Prozess der Trennung des Getanen vom Tun, der Verwandlung des Getanen (als Mittel des Tuns) gegen die Tuenden mit dem Ziel, ihr gegenwärtiges Tun einzig dem Ziel weiterer Akkumulation unterzuordnen. Es ist dieser ständig neu ablaufende Prozess, der dem Tun (als abstrakter Arbeit, als von jeglichem spezifischen Inhalt abstrahierter Arbeit, als Wertproduktion, als Mehrwertproduktion) und dem Getanen (als Wert, als Ware, als Geld, als Kapital) eine spezifische Form gibt: alles Aspekte des ständig wiederholten Bruchs des gesellschaftlichen Flusses des Tuns.

Marx bezieht sich nun auf diesen Prozess des Bruchs des Tuns nicht als Entfremdung, sondern als 'Fetischismus'..." (S. 63) 

Was hier dem Blick entschwindet, ist zunächst die Form des "Tuns" als Produktion für den Austausch und mit ihr der Austausch selbst, weil Holloway mit der "Trennung des Getanem vom Tun" als "Kern des Ganzen" die wirklichen Produktionsverhältnisse reduziert auf den "Bruch" im unmittelbaren Produktionsprozeß, im Rahmen der Privatarbeit also, während der Austausch als deren (trennende) Vermittlung mit der (produktiven und individuellen) Konsumtion und als Zirkulation des Produktenwerts "außen vor" bleibt.[13] Die "immer dunkleren" Formen des gesellschaftlichen Produkts und seiner Bestandteile scheinen allein seiner wiederholten kapitalistischen Aneignung, dem Prozeß der Kapitalakkumulation zu entspringen, als ob die Form der Produktion als Privatarbeit für den Austausch daran keinen Anteil hätte. Aber es gibt weder einen "objektiven" Blick auf die Formen des "Getanen" noch eine "objektive" Wirkung dieser Formen auf das menschliche Auge bzw. den menschlichen Verstand[14]. Was Holloway hier als objektiven "Irrsinn" der kapitalistischen Welt darstellt, ist sein eigenes Irresein an ihr. Sein Lamento über ihre "Irrationalität" verrät nur seine eigene Befangenheit in der schlichten Rationalität, der sie zu widersprechen scheint: dem Prinzip des Äquivalententauschs, während es tatsächlich doch dem "Irrsinn" zugrunde liegt, indem es im Produktionsprozeß des Kapitals zur Form seines Gegenteils wird, der äquivalenzlosen Aneignung fremder Arbeit. Holloway selbst ist dafür verantwortlich, daß sich ihm die Formen verdunkeln, "die das Tun verbergen", weil er es ist, der dessen Form ausblendet. 

Holloway überspielt seine eigene Subjektivität ebenso wie die der "Tuenden" und verwandelt das subjektive Phänomen des Fetischismus in einen den Subjekten äußerlichen Prozeß, der mit der Kapitalakkumulation verschmilzt und allein den kapitalistischen Aneignern, den "Trennenden" und ihrer "Macht über das Tun anderer" anzulasten ist. Der Begriff der "Selbst-Negation des Tuns" relativiert diese "Schuldzuweisung" nur scheinbar, weil für Holloway der eigene Beitrag der "Tuenden" zu diesem äußerlichen Prozeß in ihrem "passiven, erlittenen, fremden (von außen auferlegten) Tun" besteht und sie ihrer Subjektivität beraubt sind. Die Frage ist, wie er "diesen Prozess des Bruchs des Tuns" noch mit Marx' Fetischismuskritik in Einklang bringen will.

 (4) ... als Verdinglichung

 Wider Erwarten scheint Holloway dann zunächst doch zu einer richtigen Erklärung des Fetischismus zu finden. Er zitiert Marx, der das "Geheimnisvolle der Warenform ... einfach darin" auflöst, "daß sie den Menschen die gesellschaftlichen Charaktere ihrer eignen Arbeit als gegenständliche Charaktere der Arbeitsprodukte selbst, als gesellschaftliche Natureigenschaften dieser Dinge zurückspiegelt", den Fetischcharakter der Warenwelt also zurückführt auf den "eigentümlichen gesellschaftlichen Charakter der Arbeit, welche Waren produziert" (S. 64). Und mit folgenden Worten leitet Holloway ein weiteres Zitat ein:

"Warenproduktion ist indirekte gesellschaftliche Arbeit: Obwohl die Produkte für den gesellschaftlichen Gebrauch hergestellt wurden, ist die Form der Produktion privat:

'Da die Produzenten erst in gesellschaftlichen Kontakt treten durch den Austausch ihrer Arbeitsprodukte, erscheinen auch die spezifisch gesellschaftlichen Charaktere ihrer Privatarbeiten erst innerhalb dieses Austausches. Oder die Privatarbeiten betätigen sich in der Tat erst als Glieder der gesellschaftlichen Gesamtarbeit durch die Beziehungen, worin der Austausch die Arbeitsprodukte und vermittelst derselben die Personen versetzt. Den letzteren erscheinen daher die gesellschaftlichen Beziehungen ihrer Privatarbeiten als das, was sie sind, d.h. nicht als unmittelbar gesellschaftliche Verhältnisse der Personen selbst, sondern vielmehr als sachliche Verhältnisse der Personen und gesellschaftliche Verhältnisse der Sachen.'" (Ebd., Hervorhebung bei J.H.)

Doch Holloway zitiert Marx nur, und zwar in bezeichnend selektiver Weise[15], um den Sinn seiner Worte ins Gegenteil zu verkehren und die Warenproduzenten aus Subjekten des Fetischismus in bloße Objekte zu verwandeln. Den Produzenten, erklärt Marx, erscheinen die durch den Austausch vermittelten Beziehungen ihrer Privatarbeiten als das, was sie sind... Holloway macht daraus Folgendes: 

"Gesellschaftliche Verhältnisse sind nicht nur scheinbar Verhältnisse zwischen Dingen: Diese Erscheinung spiegelt vielmehr den wirklich vorhandenen Bruch zwischen Tun und Getanem, den wirklichen Bruch in der Gemeinschaft des Tuns, wider. Verhältnisse zwischen Tuenden sind wirklich durch [!] Verhältnisse zwischen Dingen gebrochen (zwischen Getanem, das seinen Ursprung in der Gesellschaftlichkeit [?!] des Tuns negiert). Diese Dinge [!] sind [!] die fetischisierten Formen der Verhältnisse zwischen den Produzenten, und als solche negieren sie ihren Charakter als [schlechthinnige?] gesellschaftliche [!] Verhältnisse. Waren, Wert, Geld verschleiern 'den gesellschaftlichen Charakter der Privatarbeiten und daher die gesellschaftlichen Verhältnisse der Privatarbeiter [an dieser Stelle des Zitats ersetzt Holloway das Wörtchen "sachlich" durch Auslassungszeichen[16]], statt sie zu offenbaren'." (S. 64 f.) 

Obwohl Holloway gerade selbst noch darauf hingewiesen hat, daß "die Form der Produktion privat" ist, macht er aus den Austauschbeziehungen der Privatarbeiter formlose, allgemein "gesellschaftliche Verhältnisse", unschuldige "Verhältnisse zwischen Tuenden". Und "den gesellschaftlichen Charakter der Privatarbeiten" samt den "gesellschaftlichen Verhältnissen der Privatarbeiter" verwandelt er kurzerhand in "ihren Charakter als gesellschaftliche Verhältnisse". Durch diese scheinbar beiläufigen Sinnverschiebungen ist die private Form der Produktion wieder "dem Blick entschwunden". Die "Verhältnisse zwischen (den) Tuenden" sind nun nicht mehr gebrochen durch die private Form ihres "Tuns", durch "ihre eigne gesellschaftliche Bewegung" also, die "für sie die Form einer Bewegung von Sachen (besitzt), unter deren Kontrolle sie stehen, statt sie zu kontrollieren"[17] – nein, sie "sind wirklich durch Verhältnisse zwischen Dingen gebrochen".  

Damit die Arbeitsprodukte aber diese befremdliche Macht über die Menschen erhalten, müssen nicht nur deren Verhältnisse entschuldigt, sondern auch die Produkte selbst beschuldigt und dämonisiert, sprich: fetischisiert, werden. Also verwandelt Holloway die "gesellschaftlichen Verhältnisse der Sachen" in ungesellschaftliche, inhaltslose "Verhältnisse zwischen Din-gen" und das "Getane", dessen Warenform seinen Ursprung in der Privatheit des "Tuns" verrät und zugleich den gesellschaftlichen Zusammenhang der Privatarbeiter "sachlich verschleiert", in "Getanes", "das seinen Ursprung in der Gesellschaftlichkeit des Tuns negiert". Und die rein gesellschaftliche Form des "Getanen", sein Tauschwert, sein Austauschverhältnis mit anderen Arbeitsprodukten, von dem bisher noch kein Chemiker auch nur ein Atom in den Dingen selbst entdeckt hat, läßt Holloway auf magische Weise zu dinglicher Realität, zu realer "Ding-Heit" werden. Nicht mehr nur die "Verhältnisse zwischen Dingen", nein, die mit ihren gesellschaftlichen Formen identisch gewordenen "Dinge" selbst (darunter für Holloway auch der "Wert"!) "sind" daher "die fetischisierten Formen der Verhältnisse zwischen den Produzenten", deren "Charakter als" – schlechthinnige – "gesellschaftliche Verhältnisse" sie "negieren". Der Fetischismus triumphiert noch in der Attacke seines "Kritikers", der nicht merkt, daß die Verdinglichung gesellschaftlicher Verhältnisse sein eigenes Werk ist.

Damit steht auch der Marxsche Formbegriff vollends auf dem Kopf. Für Marx lösen sich die Kategorien der bürgerlichen Ökonomie auf in bestimmte Formen praktischer Beziehungen der Menschen in der Aneignung und Umformung der Natur und in die Reflexe dieser Beziehungen im Bewußtsein der Menschen. Für Holloway gerinnen letztere zu dinglicher Wirklichkeit, während ihm erstere rätselhaft bleiben. "Geldform", "Warenform", "Kapitalform" usw., meint er kurz darauf Marx' Formbegriff "erklären" zu müssen,

"dürfen nicht im Sinne einer Unterscheidung in [?] eine [?] besondere Art oder Gattung (Geld als 'Form' oder 'Gattung' von etwas anderem) aufgefasst werden, sondern ganz einfach als eine Existenzweise. Geld, Ware, Kapital sind Existenzweisen gesellschaftlicher Verhältnisse, die Formen, in denen gesellschaftliche Verhältnisse gegenwärtig existieren. Es sind geronnene oder erstarrte Existenzweisen von Verhältnissen zwischen Menschen". (S. 66; Hervorhebungen von mir)

Was immer eine "Art" oder "Gattung von etwas anderem" sein mag – eine "Form von etwas anderem" ist das Geld allemal, nämlich die Verkörperung gleichartiger menschlicher Arbeitszeit der über den Austausch miteinander verkehrenden Privatproduzenten. Aber dadurch wird das Geld nicht zur "Existenzweise" ihrer Beziehungen. Es sind immer noch die Menschen selbst, die ihre gesellschaftliche Arbeit privat organisieren, die ihre Produkte zu Markte tragen und das Verhältnis ihrer Privatarbeiten zur Gesamtarbeit als Austauschverhältnis ihrer Produkte mit allen anderen Produkten in einer besonderen Geldware ausdrücken, die sie – ohne zu verstehen, wie und warum – längst durch bloße Zeichen ersetzt haben. Ebenso sind auch die Waren selbst notwendig Formen "von etwas anderem", da Arbeitsprodukte nicht von Natur aus Waren sind, sondern nur in bestimmten gesellschaftlichen Verhältnissen dazu werden. Nicht anders das Kapital in Gestalt von Produktionsmitteln und Produkten. Es ist allein die bestimmte Form praktischer Beziehungen der Menschen in ihrer gesellschaftlichen Produktion, die den Arbeitsprodukten neben ihrer Naturalform noch eine "eigentümliche" zweite Form verleiht, sei sie einfache Wertform, fertige Geldform oder schließlich Kapitalform. Aber diese Form ist nicht die "Existenzweise" jener Beziehungen, die "Form", "in" der sie "existieren". Sie bleibt gesellschaftliche Form der Produkte, die die gesellschaftlichen Beziehungen der Menschen ausdrückt, auch wenn sie sie sachlich verschleiert. Als "geronnene Existenzweisen" ihrer gesellschaftlichen Beziehungen können ihnen Ware, Geld und Kapital nur erscheinen, wenn ihnen die Form dieser Beziehungen so zur zweiten Natur geworden ist, daß sie ihren besonderen gesellschaftlichen Charakter nicht mehr wahrnehmen und reflektieren können. 

Holloways verquerer Formbegriff ist die logische Kehrseite seines verkürzten Praxisbegriffs. So wie für ihn die Form gesellschaftlicher Verhältnisse (im Kapitalismus) immer schon und immer nur verdinglichte, objektiv "fetischisierte" Form ist, so schließt für ihn das "Tun", eben "weil" es immer subjektiv und gesellschaftlich ist, jede Formkritik aus. "Tun ist immer pluralisch, kollektiv, chorisch, gemeinschaftlich." (S. 39) Die Verhimmelung des "Tuns" ist aber nur ein Ausdruck seiner Blindheit für dessen warenproduzierende Form. Die Reproduktion des Fetischismus noch in der Kritik an ihm ist ihre zwangsläufige Folge. Der Atheismus, meinte Marx einmal, ist zwar die Negation des Gottes, aber noch keine positive Überwindung der Religion. Holloways Kritik des Fetischismus, dieser "Religion des Alltagslebens"[18], ist nicht einmal seine Negation, geschweige denn seine Überwindung, sondern nur seine "kritische" Affirmation. 

(5) ... und als tragische Rhetorik 

Holloway komplettiert seine Fetischismus"kritik" mit scheinbar selbstkritischen Betrachtungen, die tatsächlich auf eine Selbstentlastung hinauslaufen, während die Selbstkritik "tragisch" klingende Rhetorik bleibt: 

"Ausgangspunkt unseres Denkens ist die fetischisierte Welt, die uns gegenübersteht. Wir werden in eine Welt geboren, in der die Gemeinschaft des Tuns zerbrochen ist. Die Trennung des Getanen vom Tun durchdringt unsere gesamte Beziehung zur Welt und zu den Menschen um uns herum. Unsere Sicht der Dinge ist bereits vorgeformt, bevor wir anfangen kritisch zu reflektieren. Instrumentelle Macht, die Trennung des Getanen vom Tun, die der Produktion von Waren für den Markt innewohnt, stellt sich hier als unpersönlich dar. Marx führt den Begriff des Fetischismus in Zusammenhang mit der Produktion und dem Austausch von Waren ein. Hierbei handelt es sich jedoch nicht etwa um eine vorkapitalistische Phase, denn die Verallgemeinerung der Warenproduktion setzt das Vorhandensein von Arbeitskraft als Ware, also die Existenz einer kapitalistischen Gesellschaft voraus. Der Warenfetischismus bedeutet also [?!], dass die kapitalistische instrumentelle Macht in das Wesen unseres Seins, in all unsere gedanklichen Gewohnheiten, in all unsere Beziehungen zu anderen Menschen ein- und sie durchdringt. Konfrontiert mit der fetischisierten Welt bleibt uns nur noch die Kritik." (S. 65) 

Schon der erste Satz ist das Gegenteil selbstkritischer Reflexion. Ausgangspunkt unseres Denkens ist nicht "die fetischisierte Welt, die uns gegenübersteht". Ausgangspunkt allen, auch unseres Denkens ist das "Tun", die menschliche Praxis in bestimmten gesellschaftlichen Formen, die wir wahrnehmen und an der wir in der einen oder anderen Weise beteiligt sind. Und die "fetischisierte Welt", die uns "gegenüberzustehen" scheint, ist nichts als ein gedankliches Zerrbild, das wir uns als in der herrschenden Form gesellschaftlicher Produktion und Verteilung Befangene von ihr machen (lassen) und das uns das Begreifen dieser Praxis (und ihrer möglichen Negation) erschwert. Die Kritik der "fetischisierten Welt" kann deshalb nur dann praktisch und damit emanzipatorisch relevant werden, wenn sie zur Kritik der praktischen Wirklichkeit selbst wird, die die eigene Praxis und das Bewußtsein von ihr einschließt. 

Holloways Denken geht einen anderen Weg. Ausgangspunkt seines Denkens ist dessen eigener Inhalt, die Welt verdinglichender Begriffe in seinem Kopf, die er für ein Abbild einer verdinglichten Außenwelt hält. Die "verzauberte, verkehrte, auf den Kopf gestellte Welt", die Marx als pure Ideologie verhöhnt[19], nimmt Holloway für gesellschaftliche Realität[20]. Die wirkliche Bewegung der Menschen dagegen verschwimmt ihm zur einförmigen Bewegung der Produkte, zur "Trennung des Getanen vom Tun", in der alle Formbestimmungen der Warenproduktion ausgelöscht sind. Was ihm bleibt, ist daher nur noch die Kritik, richtiger: die Denunziation, der Begriffe und – der fremden Urheber der "fetischisierten Welt", die vermeintlich "durch das bürgerliche Denken festgeschrieben" wird (S. 65), während sie tatsächlich allein im bürgerlichen Denken – auch dem der Lohnabhängigen – existiert. Die Pose des bekennenden Fetischismusopfers dient Holloway tatsächlich dazu, die "Tuenden" (und natürlich sich selbst) von jeder Urheberschaft an der "fetischisierten Welt" freizusprechen. Man könnte ihm noch zugute halten, daß er im Gegensatz zum platten Parteimarxismus den Fetischismus auch im Bewußtsein der Lohnabhängigen wenigstens thematisiert – wenn er denn der Frage nachgehen würde, was sie eigentlich dafür empfänglich macht. Aber diese Frage stellt er nicht einmal; im Gegenteil, Holloway ist bemüht, sie überflüssig erscheinen zu lassen. 

Indem er betont, daß Marx' Warenanalyse keine "vorkapitalistische Phase" beschreibt (womit er eine verbreitete Kritik an Engels aufgreift, der die einfache Warenproduktion angeblich zu einer "eigenständigen historischen Formation" erhoben hat), entledigt er sich zugleich der mit dieser Analyse verbundenen Formkritik der warenproduzierenden Arbeit. "Weil" Marx' Analyse von verallgemeinerter Warenproduktion ausgeht, diese aber nur in der kapitalistischen Gesellschaft existiert, kann – so Holloways Logik – der Fetischismus mit der Warenproduktion selbst gar nichts zu tun haben, sondern nur mit ihrer antagonistischen, kapitalistischen Form, genauer: mit der persönlichen Macht der Kapitalisten "über das Tun anderer". Ja, Warenproduktion scheint für Holloway überhaupt nur als kapitalistische zu existieren. Denn "die Trennung des Getanen vom Tun, die der Produktion von Waren für den Markt [wieder diese scheinbare Tautologie!] innewohnt", setzt, so betont er einige Seiten später, "eine antagonistische Trennung zwischen den Tuenden und denen, die sich das Getane aneignen, voraus" (S. 70). Damit wird denn auch verständlich, wieso Holloways Gedankengang scheinbar übergangslos von der kapitalistischen Form der Warenproduktion zu ihrer einfachen Form wechseln kann (siehe den Abschnitt über die Geldform): Die einfache Form der Warenproduktion existiert für ihn, allem verbalen Schein zum Trotz, überhaupt nicht als besondere, jedenfalls nicht als problematisierbare Form gesellschaftlicher Produktion – was nach allen bisherigen Befunden allerdings auch nicht mehr überrascht. 

Holloway ignoriert nicht nur, daß die einfache Warenproduktion historische Voraussetzung für die Entstehung der kapitalistischen Produktionsweise war und sich auch heute noch milliardenfach neben ihr findet. Er ignoriert vor allem, daß ihre Form eben auch die allgemeine Form der kapitalistischen Produktion ist wie auch die Warenform die allgemeine Form des kapitalistisch erzeugten Produkts. Und diese Formen, des "Tuns" wie des "Getanen", haben durchaus ihre "eigenständige" Macht über das Denken der Warenproduzenten[21], auch das der lohnabhängigen Produzenten, weil die isolierte Privatarbeit die gewohnte gesellschaftliche Form ihres eigenen "Tuns" ist und sie selbst Privateigentümer ihrer Arbeitskraft sind, denen der Austausch und die Produktion für den Austausch als selbstverständliche Existenzbedingungen erscheinen und die deshalb auch dem Kapitalfetisch erliegen (können). Aktuell wird diese Wurzel des Fetischismus z.B. in Argentinien demonstriert, wo neben der kapitalistischen Wirtschaft der Tauschhandel blüht und Ersatzwährungen zirkulieren, weil die Menschen auch ohne Erpressung durch die "kapitalistische instrumentelle Macht" ihre Arbeitskraft (und damit zwangsläufig auch ihre Produktionsmittel) weiterhin als Privateigentum behandeln, das sie nur im Tausch gegen entsprechende Äquivalente in Bewegung setzen.  

Für Holloway dagegen entspringt der Waren- und Geldfetischismus der lohnabhängigen Produzenten nicht ihrer eigenen Subjektivität, ihrem praktischen Selbstverständnis, das auf einer scheinbar selbstverständlichen Praxis beruht. Für ihn entspringt er allein der Macht äußerer "Verhältnisse zwischen Dingen", einer objektiv "fetischisierten Welt" als Werk fremder Subjekte, die sie von außen überwältigt, in sie "ein- und sie durchdringt" und sie so zur "Mittäterschaft an der Reproduktion kapitalistischer Machtbeziehungen" (S. 68) zwingt. Die so verstandene "Selbst-Negation des Tuns" klingt (wenn man mal die eigenwillige "Logik" dieses Ausdrucks beiseite läßt) in der Tat tragisch – wie eine Schuldverstrickung ohne eigenes Verschulden, aus der es kein Entrinnen gibt. Denn die Ursache der "fetischisierten Welt" liegt außerhalb der Subjektivität der Lohnabhängigen, während ihre Wirkung diese Subjektivität so beschädigt, daß sie unfähig bleiben zur Umwälzung der "fetischisierten Welt". 

"Es gibt kein unschuldiges Subjekt. Instrumentelle Macht reicht in uns hinein und verändert uns, zwingt uns, aktiv an ihrer Reproduktion beteiligt zu sein. Die Verhärtung gesellschaftlicher Verhältnisse, die so-ist-es-nun-mal-heit, mit der unser Schrei konfrontiert ist, befindet sich nicht nur außerhalb [!] von uns (in der Gesellschaft [!]), sondern reicht auch in uns hinein, in die Weise, wie wir denken, die Weise, wie wir handeln, die Weise, wie wir sind, die Tatsache, dass wir sind. Im Prozess des Getrenntwerdens von unserem Getanen und unserem Tun werden wir selbst geschädigt. Unsere Aktivität wird in Passivität verwandelt, unser Wille Sachen zu tun, wird in Geldgier verwandelt, unsere Kooperation mit unseren Arbeitskollegen wird in ein durch Geld oder Wettbewerb vermitteltes, instrumentelles Verhältnis verwandelt. Die Unschuld unseres Tuns, unserer kreativen Macht wird zu einer schuldhaften Beteiligung an der Ausübung instrumenteller Macht. Unsere Entfremdung vom Tun ist eine Selbstentfremdung." (S. 87)

"Wir stehen vor einem Dilemma. Die Macht des Kapitals durchdringt alles. Sie formt die Weise, in der wir die Welt, unsere Sexualität, selbst unsere Erschaffung als individuelle Subjekte, unsere Fähigkeit 'Ich' zu sagen, wahrnehmen. Die Lage scheint ausweglos." (S. 93) 

Doch das "tragische Dilemma", das Holloway beschreibt, ist ein selbstgemachtes. Holloway selbst ist es, der die Welt fetischisiert, um die Individuen (und sich selbst) mit ihr statt mit der eigenen Praxis zu "konfrontieren". Er selbst beschneidet ihre Subjektivität, deren Schädigung er beklagt, indem er ihnen ein Abstraktum namens "die Gesellschaft" gegenüberstellt, während die wirkliche Gesellschaft nichts ist als das Ensemble der praktischen Verhältnisse, in denen sich Individuen zueinander verhalten. Holloway selbst degradiert die Lohnabhängigen zu bloßen Objekten, die "schuldig" werden, weil sie "unschuldig", der alles durchdringenden Macht fremder Subjekte und Subjekt gewordener "Dinge" ausgeliefert sind. Auch ihre geschädigte Subjektivität – Geldgier, Konkurrenz unter Arbeitskollegen, Gleichgültigkeit gegenüber der Arbeit (S. 210), Verantwortungslosigkeit gegenüber der Gesellschaft (S. 88) – gilt ihm nur als Beweis tragischer Ohnmacht gegenüber einer übermächtigen Außenwelt statt als Ausdruck ungeselliger Beziehungen der lohnabhängigen Privatarbeiter zu ihr.  

Damit negiert Holloway aber auch ihre einzige Chance, sich gegen ihr Lohnabhängigendasein zu erheben: daß sie fähig werden könnten, sich selbst als gesellschaftliche Produzenten und ihre individuellen Arbeitskräfte als gesellschaftliche Potenzen und Verpflichtung zu begreifen statt als bloße Mittel zur Vermehrung fremden Privateigentums und zur eigenen privaten Existenzsicherung. Und daß sie dann auch die getrennte und trennende Form ihrer Arbeit, die praktische Grundlage aller Kapitalherrschaft, als widersinnig gewordene Fessel erleben und die Perspektive gemeinschaftlicher Produktion mit gemeinschaftlichen Produktionsmitteln entdecken könnten – der einzigen Form, die den bisher dissoziierten Produzenten erlauben würde, die "Herrschaft des Getanen über das Tun" zu brechen und die gemeinsame Herrschaft über ihr eigenes "Tun" zu gewinnen. Wenn Holloway dagegen die Lage ausweglos scheint, hat er das allein sich selbst zuzuschreiben, weil seine Blindheit für die gesellschaftliche Form der warenproduzierenden Arbeit ihm den Zugang zum einzig möglichen Ausweg aus ihr versperrt. 

Holloways Perspektive:
Die Bestimmtheit ihrer praktischen Unbestimmbarkeit

 Auch für den Rest des Buches bleibt Holloway Gefangener seines selbstgemachten Dilemmas. Statt in der entfremdeten Praxis der lohnabhängigen Produzenten auch die Bedingungen ihrer praktischen Emanzipation zu suchen, setzt er seine "Hoffnung" in das "Wesen der kapitalistischen Macht selbst" (S. 96) und versucht, "in den Begriffen selbst [!] das zu finden..., was die Begriffe [!] negieren" (S. 97). In den Begriffen kann er aber nur das wiederfinden, was er in sie hineingesteckt hat. Sein Befund im "Wesen der kapitalistischen Macht" erschöpft sich denn auch im schon bekannten "Antagonismus zwischen Negation und Negiertem" (S. 97), zwischen "negierender Form" ("instrumentelle Macht", "Arbeit" usw.) und "negiertem Inhalt" ("kreative Macht", "Tun" usw.). Seine Hoffnung meint Holloway auf die Abhängigkeit der "negierenden Formen" von den "negierten Inhalten" gründen zu können; darauf, daß die Herrschaft der "fetischisierten Formen" als gewaltsamer Prozeß ihrer Formierung und Konstituierung, als Prozeß der Fetischisierung oder "Fetischisierung-als-Prozess", als "ständiger Kampf" (ebd.) zu begreifen sei. Doch dieser Ausweg "aus unserer theoretischen Sackgasse" (ebd.) bleibt eine Selbsttäuschung. 

Da Holloway die vermeintliche "Negation" nicht als bestimmte Form gesellschaftlicher Praxis, die "negierenden Formen" des "Getanen" nicht als ihren Ausdruck und den Fetischismus nicht als ihre subjektive Affirmation begreift, kann er auch den "Anti-Fetischismus" (S. 127 ff.) nicht als Kritik jener Praxis und die mögliche "Negation der Negation" nicht als Aufhebung ihrer Form begreifen. Daß die gesellschaftliche Produktion in der Form der Privatproduktion betrieben wird und ihre Vermittlung mit der Konsumtion in der Form des Austauschs – diese simpelste "Negation" nimmt er nicht als solche wahr. Es fällt ihm daher auch nicht ein, daß der Inhalt dieser formbestimmten Praxis nach einer bestimmten anderen Form der gesellschaftlichen Produktion und des gesellschaftlichen Verkehrs drängen könnte, deren Subjekt niemand anders sein kann als die Assoziation der heute dissoziierten Produzenten. Umgekehrt. Da er statt der bestimmten Form der herrschenden gesellschaftlichen Praxis nur die Bestimmung des formlosen "Tuns" durch ihm äußerliche, verdinglichte Formen wahrnimmt, wird ihm der Widerstand gegen jede Formbestimmung, gegen jede "Definition" und "Identifikation"[22] geradezu zum Inhalt des "Anti-Fetischismus" und das "kritisch-revolutionäre Subjekt" grundsätzlich undefinierbar (vgl. S. 172). 

Was bleibt, ist zunächst die perspektivlose "Aufsässigkeit" (S. 172), der diffuse "Schrei-gegen" (S. 173), der Kampf "gegen das Klassifiziertwerden" (S. 165), der kein bestimmtes praktisches Ziel hat, es sei denn in der negativen Form der "Verweigerung" bis hin zur "Flucht vom Kapital"[23] (S. 216). "Die Arbeit kann entkommen, das Kapital kann es nicht", meint Holloway und fügt hinzu: "Ohne die Arbeit hört das Kapital zu existieren auf: Die Arbeit wird ohne das Kapital zu praktischer Kreativität, zu kreativer Praxis, Menschlichkeit." (S. 209) Ein fundamentaler Irrtum! "Die Arbeit" selbst produziert ihr Produkt zwangsläufig als Kapital und wird selbst ebenso zwangsläufig zur Lohnarbeit, solange sie kollektiv und mit industriellen Mitteln betriebene Privatarbeit für den Austausch ist. Um dem Kapitalverhältnis zu entkommen, müßten die Lohnabhängigen entweder zu einfacher Waren- und Subsistenzproduktion mit vorindustriellen Produktionsmitteln zurückkehren – eine absurde Vorstellung, die anscheinend auch Holloway fernliegt. Oder sie müßten die praktische Grundlage umwälzen, auf der das Kapitalverhältnis beruht, d.h. sich assoziieren "auf der Grundlage der gemeinsamen Aneignung und Kontrolle der Produktionsmittel"[24], um "mit gemeinschaftlichen Produktionsmitteln arbeiten und ihre vielen individuellen Arbeitskräfte selbstbewußt als eine gesellschaftliche Arbeitskraft verausgaben"[25] zu können. So fern jeder Realisierbarkeit diese Perspektive heute auch erscheinen mag – sie ist die einzig realistische, weil praktisch bestimmbare Perspektive. 

Holloway ist sie natürlich nicht unbekannt, aber er mag sie nicht teilen. Er verwirft sie nicht offen, aber offensichtlich kann seine praktische Vorstellungskraft mit ihr "nichts anfangen". Er weiß zwar, daß "es nicht aus(reicht) zu fliehen", "um mit dem Kapital zu brechen", und daß "eine Wiedererlangung des Tuns ... auch eine Wiederaneignung der Mittel des Tuns" beinhaltet (S. 240). "Aber was bedeutet das?" (Ebd.) Holloway möchte sich vom "realsozialistischen" Staatseigentum an Produktionsmitteln abgrenzen und sträubt sich deshalb ebenso gegen den "Begriff Produktionsmittel" wie gegen das "Substantiv Eigentum" (S. 241). Aber er reproduziert damit nur die Verdinglichung gesellschaftlicher Verhältnisse, der er entgehen möchte. Weil er selbst Eigentum nur als "Sache" begreift, meint er, mit der Vermeidung des Substantivs schon einen anderen Begriff von ihm zu haben. Und weil er den Begriff der Produktionsmittel nicht von dem des Kapitals trennen kann, meint er, sie als vom "Tun" getrennte "Mittel des Tuns" "in den Händen des Kapitals" bezeichnen zu müssen (ebd.). Doch das Kapital ist keine Menschengruppe, die sich durch ihre Verfügung über Sachen auszeichnet. Es ist ein gesellschaftliches Produktionsverhältnis, das auf Privatarbeit und Austausch beruht und in dem die Produzenten von ihrer vergangenen Arbeit beherrscht werden. Die Produktionsmittel befinden sich daher nicht "in den Händen des Kapitals", sie fungieren als Kapital, weil sie in privaten Händen (seien sie Privatkapitalisten, Aktiengesellschaften oder die Belegschaften selbst) über eine bestimmte Form gesellschaftlicher Arbeit herrschen. In privaten Händen, also Privateigentum (und nicht Eigentum "an sich"), aber sind sie nicht aufgrund ihrer bloßen "Sachlichkeit", sondern aufgrund der Getrenntheit ihrer Eigentümer von den Nichteigentümern und – voneinander. Eigentum als bestimmtes Verhältnis von Menschen gegenüber Sachen ist nur ein juristischer Ausdruck für bestimmte Verhältnisse von Menschen gegenüber Menschen.

Die Aufhebung des Privateigentums, also des Kapitals, ist deshalb nur möglich durch die Aufhebung beider Trennungen, der der Produzenten von den Produktionsmitteln und der der Produzenten voneinander, damit auch des Austauschs und des Geldes. Und sie können auch nur zusammen aufgehoben werden, weil die Aufrechterhaltung von Austauschbeziehungen die fortgesetzte Trennung der Produzenten von den Produktionsmitteln beinhalten würde, nicht nur von denen, die heute Träger des zirkulierenden konstanten Kapitals sind (Rohstoffe, Vorprodukte, Energie usw.), sondern auch von denen, die heute stoffliche Elemente des fixen Kapitals sind und schließlich irgendwann ersetzt oder modernisiert werden müssen (Maschinen, Gebäude usw.). Das und nichts anderes bedeutete die "Aufhebung des Privateigentums" auch schon im "Kommunistischen Manifest", das dafür noch eine andere Losung prägte, die meist nur als politisches Organisationsprinzip verstanden wurde und wird, nicht aber auch als ökonomisches Programm: "Proletarier aller Länder, vereinigt euch" – zu gemeinsamer Produktion mit gemeinsamen Produktionsmitteln nämlich... Doch Holloway kann oder mag sich mit dieser Perspektive nicht anfreunden: 

"Das Problem besteht nicht darin, dass die Produktionsmittel Eigentum der Kapitalisten sind; oder anders ausgedrückt, wenn wir sagen, dass die Produktionsmittel Eigentum der Kapitalisten sind, ist dies bloß ein Euphemismus für die Tatsache, dass das Kapital täglich aktiv unser Tun zerbricht, uns unser Tun nimmt, den gesellschaftlichen Fluss des Tuns, die Vorbedingung unseres Tuns zerbricht. Unser Kampf ist folglich kein Kampf, damit wir in den Besitz der Produktionsmittel gelangen, sondern er dreht sich um die Auflösung von Eigentum und Produktionsmitteln: Es dreht sich darum die bewusste und ihrer Selbst gewisse Gesellschaftlichkeit des Flusses des Tuns wiederzugewinnen oder zu schaffen. Das Kapital herrscht durch die Fetischisierung, durch die Entfremdung des Getanen vom Tun, indem es sagt, 'dieses Getane ist eine Sache und gehört mir.' Die Expropriation der Expropriateurs darf nicht als Wiederinbesitznahme einer Sache aufgefasst werden, sondern muss vielmehr als Auflösung des Sache-Seins des Getanen, seine (Wieder-)Eingliederung in den gesellschaftlichen Fluss des Tuns verstanden werden." (S. 241 f.) 

Das Problem ist in der Tat nicht, daß die Produktionsmittel Eigentum der Kapitalisten sind. Das Problem ist aber, daß sie Privateigentum sind und Privateigentum bleiben, auch wenn sie ins Eigentum der Produzenten übergehen, solange sie die getrennte und trennende Form des "Tuns" fortsetzen, die ebenso Voraussetzung wie Resultat des Privateigentums an Produktionsmitteln ist. Und ein Euphemismus ist es, dieses "Tun" der "Tuenden" allein "Monsieur le Capital" zuzuschreiben. Auch wenn Privatarbeit und Austausch den "Tuenden" aufgezwungene Formen des "Tuns" sein sollten (was sie in der Regel nicht sind), so bleiben sie doch Formen ihres "Tuns", die auch nur sie allein aufheben können. Es ist daher nichts falscher, als die "Wiedererlangung des Tuns", die bewußte und ihrer selbst gewisse Gesellschaftlichkeit ihres "Tuns" der gemeinsamen Aneignung der Produktionsmittel durch die Produzenten entgegenzustellen. Denn die Aneignung dieser "Sachen" wäre nichts anderes als die Aneignung ihrer eigenen Beziehungen in der gesellschaftlichen Produktion – vorausgesetzt, es handelt sich um die Aneignung sämtlicher gesellschaftlichen Produktionsmittel durch die vereinigten Produzenten und nicht nur der unmittelbaren betrieblichen Arbeitsmittel durch die getrennten Belegschaften. 

Holloways Denken ist blockiert durch seine Blindheit für die gesellschaftlichen Form des warenproduzierenden "Tuns" oder, was dasselbe ist, durch seine Befangenheit in ihr. Blind für die gesellschaftliche Form des "Tuns", kann er auch die gesellschaftliche Form des "Getanen" als Privateigentum, als Kapital nicht begreifen, so daß sie ihm zur Eigenschaft der Sachen selbst gerinnt, zur objektiv "fetischisierten Form", die "konstituiert" wird durch "das Kapital" oder "die kapitalistische instrumentelle Macht". Blind für die gesellschaftliche Form des "Tuns", bleibt ihm verschlossen, daß sie selbst es ist, die durch die Form des "Getanen" die Produzenten beherrscht, statt von ihnen beherrscht zu werden, und daß die Aufhebung dieser Herrschaft nur die Aufhebung jener Form sein kann. Blind für die gesellschaftliche Form des "Tuns", kann er deren Aufhebung nicht einmal denken, geschweige denn verstehen, daß sie nichts anderes sein kann als die gemeinsame Aneignung der (d.h. aller und nicht nur eines Teils der) gesellschaftlichen Produktionsmittel, so daß Privatarbeit und Äquivalententausch obsolet werden und Produktionsmittel wie Produkte aufhören, Privateigentum zu sein und als Kapital zu fungieren. Statt dessen bleibt Holloway nur die abstruse Vorstellung, die "Herrschaft des Getanen über das Tun", die Macht der Sachen über die Menschen könne und müsse aufgehoben werden durch die "Auflösung" der Sachen selbst. 

Doch die "Auflösung des Sache-Seins des Getanen" läßt sich nicht als positiv bestimmbare Praxis fassen, es sei denn, "seine (Wieder-)Eingliederung in den gesellschaftlichen Fluss des Tuns" beruhe auf der gemeinsamen Aneignung und Kontrolle der Produktionsmittel durch die kollektive Subjektivität der assoziiierten Produzenten (oder doch ihrer überwältigenden Mehrheit). Aber gerade davon will Holloway ja nichts wissen. Seine Perspektive bleibt daher die eines endlosen Kampfes undefinierbarer Subjekte gegen die "Fetischisierung", der keine bestimmte und bestimmbare Praxis zum Ziel hat und damit die herrschende Praxis auch nicht ernsthaft berühren kann. Holloway ist sich der Endlosigkeit dieser "Perspektive" durchaus bewußt, denn er meint, ihr dadurch eine höhere Weihe zu verleihen, daß er sie "die Endlosigkeit des Kampfes für den Kommunismus" nennt (S. 175). Doch eine Beschwörung "des Kommunismus", der keine bestimmbare Praxis selbstbewußt und frei vergesellschafteter Menschen sein kann, ist seine bzw. ihre Herabsetzung zur Utopie. "Es kann keine positive Dialektik, keine abschließende alle Widersprüche lösende Synthese geben", ist Holloways Ausrede (ebd., Hervorhebung von mir). Er muß zur Negation einer unsinnigen Behauptung Zuflucht nehmen, um seine Negation der bestimmbaren Lösung eines bestimmten Widerspruchs auszudrücken. Und er scheut nicht die Bestimmtheit der Negation, wenn es darum geht, die Unbestimmbarkeit seiner praktischen Position zu begründen. 

Fazit: Holloways Buch ist geeignet, allerlei Plattheiten und Gewißheiten des traditionellen Parteimarxismus zu erschüttern und so die Welt in einigen Köpfen zu verändern. Aber es ist nicht geeignet, auch nur eine Ahnung davon zu vermitteln, daß und wie die Welt der materiellen Produktion praktisch zu verändern wäre.   

ANMERKUNGEN
 

[1] Vgl. MEW 23, S. 28
[2] MEW 23, S. 94 f.
[3] Vgl. MEW 23, S. 378 f.
[4] Tatsächlich stellt Holloway Marx' Formkritik ökonomischer Verhältnisse regelrecht auf den Kopf. Dazu später.
[5] Ich ziehe die wörtliche Übersetzung der Originalbegriffe den abstrakteren Wortschöpfungen des Übersetzers vor.
[6] Grundrisse, Berlin 1974, S. 9
[7] Kein Ding besitzt einen "eigenen Wert", es sei denn als notwendigen Anteil an der Gesamtarbeit.
[8] Da er sich dabei auf Marx zu stützen meint, muß er, wie wir noch sehen werden, auch ihn auf den Kopf stellen.
[9] MEW 23, S. 88
[10] MEW 23, S. 86; Hervorhebungen von mir. Holloway kennt diese Passage natürlich. Er selbst zitiert daraus auf S. 64. Nur bricht er das Zitat aus "guten" Gründen vor den Worten "Durch dieses Quidproquo" ab...
[11] Vgl. den Abschnitt "Privateigentum und Kommunismus" in den "Ökonomisch-philosophischen Manuskripten", EB 1 (1968), S. 533 ff.
[12] Es ist Holloway, der hier etwas auf den Kopf stellt. Marx spottet an der zitierten Stelle (MEW 26, S. 838 f.) über "die Mystifikation der kapitalistischen Produktionsweise" in den "Alltagsvorstellungen der Produktionsagenten" und in der "Vulgärökonomie", über "die Gestaltungen des Scheins, in welchem sie sich bewegen und womit sie täglich zu tun haben", über "die verzauberte, verkehrte und auf den Kopf gestellte Welt, wo Monsiuer le Capital und Madame la Terre als soziale Charaktere und zugleich unmittelbar als bloße Dinge [!] ihren Spuk treiben". Und er bescheinigt der klassischen Ökonomie "das große Verdienst", "diesen Schein und Trug aufgelöst" und damit den Blick auf die wirkliche Bewegung des Kapitals eröffnet zu haben.
[13] Holloway wäre nicht Holloway, wenn er hier nicht selbst eine Schwachstelle spüren würde. So bemerkt er einige Seiten später: "Der Kapitalist entreißt der Arbeiterin nicht bloß das von ihr hergestellte Produkt. Die Tatsache, dass die Gesellschaftlichkeit des Tuns durch den Markt (der Verkauf und Kauf von Waren) vermittelt (gebrochen und zerbrochen wieder zusammengefügt) wird, bedeutet, dass der Bruch zwischen Tun und Getanem keinesfalls auf den unmittelbaren Produktionsprozess beschränkt ist, sondern sich auf die ganze Gesellschaft ausdehnt." (S. 69) Doch Holloway erfaßt die "Vermittlung durch den Markt" nicht als Form zwischenmenschlicher Beziehungen, als gesellschaftliche Formbestimmung ihres "Tuns", die den Lohnabhängigen auch keineswegs nur vom Kapital auferlegt wird, sondern die sie in der Regel als bewußte Subjekte mittragen und bejahen. Für ihn ist der Markt eine unpersönliche Instanz, die das "Tun" in seiner schlechthinnigen Gesellschaftlichkeit bricht und wieder zusammenfügt und auf der "Ausdehnung" des "Bruchs zwischen Tun und Getanem", also der "instrumentellen Macht", auf die ganze Gesellschaft beruht.
[14] Wenn Marx von "objektiven Gedankenformen" spricht (MEW 23, S. 90), dann nicht, weil sie unabhängig von menschlichen Subjekten existierten, sondern weil sie "gesellschaftlich gültige", also herrschende Gedankenformen sind und daher auch auf die Praxis, der sie entstammen, zurückwirken.
[15] Ein Vergleich seiner diversen Zitate mit dem Originaltext läßt vor allem in der Wahl der Auslassungen Methode erkennen; vgl. auch Anm. 10. In meinen Augen nicht gerade ein Zeichen intellektueller Redlichkeit.
[16] Vgl. MEW 23, S. 90
[17] MEW 23, S. 88; Hervorhebungen von mir.
[18] MEW 26, S. 838
[19] Vgl. Anm. 12.
[20] Vgl. auch S. 70.
[21] Holloway ignoriert auch Marx' eigenen Hinweis im 48. Kapitel des "Kapitals" (MEW 26, S. 835), der ihm kaum entgangen sein kann, weil er selbst daraus zitiert: "Alle Gesellschaftsformen, soweit sie es zur Warenproduktion und Geldzirkulation bringen, nehmen an dieser Verkehrung [gesellschaftlicher Verhältnisse in Eigenschaften der Dinge, ja, in ein Ding selbst, Geld nämlich] teil."
[22] Da für Holloway "Identifikation Herrschaft bedeutet", verzichtet er in der "Danksagung" (S. 7 f.) großzügig auf die namentliche Nennung aller Helfer- und Unterstützerinnen, nicht jedoch auf die der akademischen Autoritäten, denen er sich verbunden weiß...
[23] Holloway bringt es fertig, die weltweite Migrationsbewegung zu den Zentren kapitalistischer Produktion in eine "Flucht vom Kapital" umzudeuten und gleichzeitig zu beklagen, daß innerhalb von sechs Monaten 856.000 Mexikaner an der Grenze der USA verhaftet wurden (S. 91).
[24] Grundrisse, a.a.O., S. 77
[25] MEW 23, S. 92

Editorische Anmerkungen:

Werner Imhof verfasste diesen Artikel im Juni 2004 und stellte ihn uns für die vorliegende Ausgabe zur Verfügung.