Der Autor dieses Aufsatzes versucht in Form
eines neuen Paradigmas eine alternative
Perspektive für alle, die an zukünftiger
kultur- und sozisozialwissenschaftlicher
Forschung als sozial- und
kulturwissenschaftlicher Zukunftsforschung
interessiert sind, zu entwickeln.
Zunächst geht es um die Aufarbeitung der so
grundlegenden wie originellen Vorstellungen
des deutschen Sozialphilosophen Ernst Bloch
(1885-1977). Ernst Bloch wollte mit Hilfe
einer mehrwertigen dialektischen Logik
einerseits die traditionelle Aristotelische
Logik überwinden und andererseits eine
soziale Welt vorstellen, die voller
Widersprüche zwischen Altem und Neuem,
Gestern und Morgen, Nicht- Mehr- und
Noch-Nicht-Sein existiert:
Eine soziale Welt in ständiger Veränderung
und damit grundsätzlich offen für
verschiedene zukünftige
Entwicklungsmöglichkeiten. Die theoretischen
Überlegungen Ernst Blochs erfordern, meint
Richard Albrecht, einen anderen und
differenzierteren wissenschaftlichen Zugriff
zur mehrdimensionalen konzeptionellen
Strukturierung gesellschaftlicher Prozesse
und aller geschichtlich-gesellschaftlichen
Lagen und Zeiten. Es geht um die
grundlegende Vorstellung von
konkret-historisch immer gegebener,
empirisch sowohl offen als auch verdeckt
vorkommender, Gleichzeitigkeit des
Ungleichzeitigen und Ungleichzeitigkeit des
Gleichzeitigen. Dieses komplexe Bild stellt
nach Auffassung des Autors einen
ernstzunehmenden human-, kultur- und
sozialwissenschaftlichen Näherungsversuch an
bisher weitgehend unsichtbare
gesellschaftliche Entwicklungstendenzen dar.
Geht man wie Richard Albrecht davon aus,
dass derzeit in allen westlichen
Gegenwartsgesellschaften beschleunigte
Wandlungs- und Umbruchsprozesse stattfinden,
dann erscheint die aktuelle soziale Welt
grundsätzlich veränderbar und zukunftsoffen.
Damit ist auch eine neue wissenschaftliche
Perspektive für die Zukunft und in der
Zukunft möglich und nötig. Es geht
um die Konturen eines neuen, wenn auch
derzeit empirisch noch nicht voll
ausgebildeten, Zivilisationsmodells als
Grundlage einer zunehmend globaler werdenden
neuen Welt.
Das künftige ´westliche´ Zivilisationsmodell
könnte nach Auffassung des Autors auf vier
Grundpfeilern beruhen: auf Subjektivität,
Refl exivität, Responsivität und
Interpretativität. Dies sind wesentliche
Elemente, die schon heute in den gegenwärtig
erfahrbaren Umbruchs- und Wandlungsprozessen
(wenn auch empirisch noch nicht voll
entfaltet) angelegt sind und die in den
nächsten Jahrzehnten bedeutsamer werden.
Jedes neue Zivilisationsmodell meint aber
zugleich auch, die mit dem empirisch immer
bedeutsamer bwerdenden ´emotionalen
Überschuß´ (Mental Surplus), den es in jeder
Gesellschaft gibt, strukturell
zusammenhängt. Damit dürfte sich zukünftig –
und zunehmend – auch wieder ein altes
menschliches Grundproblem neu stellen: Wie
eine gerechte(re) Sozialordnung möglich ist.
[Quelle: The Utopian Paradigm: A Futurist
Perspective; in: Communications, 16 (1991)
3: 283-318; dt.sprachige Zusammenfassung]
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