Noch vor
wenigen Wochen wurde die Bedeutung des
Öffentlichen Personenverkehrs in den Medien
hervorgehoben – schließlich sei dieser
„systemrelevant“. Die Corona-Pandemie
brachte deutlich zu Tage, welche
Berufsgruppen für die Aufrechterhaltung des
Alltags erforderlich sind. Auch die
Beschäftigten in Verkehrsunternehmen wurden
genannt. Doch der Berliner Senat trieb im
Schatten der Pandemie die Privatisierung von
zwei Dritteln des S-Bahn-Netzes durch eine
Ausschreibung weiter voran.
Im Gegensatz
zu den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) ist
die Berliner S-Bahn als Unternehmen der
Deutschen Bahn AG nicht als kommunales
Unternehmen zu betrachten. Daher können die
Leistungen ausgeschrieben werden. Die
Verkehrssenatorin Regine Günter (Grüne) gilt
als Treiberin des Verfahrens und hatte
angekündigt, dass damit das „Monopol“ der
Deutschen Bahn AG gebrochen würde und so das
Land Berlin etwa 800 Millionen Euro Kosten
einsparen könne.
Die
Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG)
geht davon aus, dass bei Umsetzung dieses
Konzeptes künftig bis zu sechs Betreiber auf
dem Berliner S-Bahn-Netz tätig sein könnten.
Damit würden weitere Kosten entstehen, da es
nicht ausreiche, nur Betrieb und
Instandhaltung zu betrachten. Zusätzliche
Kosten kommen auf den Senat zu, da
Schnittstellen für einen reibungslosen
Fahrbetrieb zu berücksichtigen sind:
Vertrieb, Fahrgastinformation, Planung und
Disposition werden in der Ausschreibung
nicht mit einkalkuliert. In mehreren
Bundesländern kommt es inzwischen zu
gravierenden Problemen mit Folgekosten, da
Gewinner von Ausschreibungen nicht in der
Lage sind, den Betrieb mit entsprechendem
Fachpersonal zu gewährleisten.
Aus Sicht
der EVG gibt es noch viele offene Fragen:
„Für uns stehen unsere Beschäftigten an
erster Stelle“, betont der Vorsitzende der
EVG-Betriebsgruppe, Robert Seifert. Es sei
nötig, die Beschäftigungsbedingungen „klar
zu definieren“. Diese müssten auch bei
künftigen Betreibern gelten. „Es wäre doch
ein Treppenwitz, wenn es gerade unter
Rot-Rot-Grün zu Lohn- und Sozialdumping
kommt“, warnte Seifert.
Für die
grüne Verkehrssenatorin ist die Öffnung des
Berliner Schienennetzes für private Anbieter
der Beginn einer neuen Ära, etwas, das auf
jeden Fall durchgesetzt werden muss. Das
aber kann nur gelingen, wenn das Land Berlin
die Risiken für private Anbieter erheblich
reduziert. Durch den Kauf des erforderlichen
Wagenparks und deren Übergabe an den
Betreiber werden die Investitionsrisiken
deutlich reduziert. Durch Teilung in mehrere
Teilstücke wird das Risiko für Unternehmen
kalkulierbarer.
Carl
Waßmuth, Sprecher des im S-Bahn-Bündnis
aktiven Vereins „Gemeingut in
BürgerInnenhand“, warnt vor den bekannten
Illusionen aus derartigen Projekten in Form
einer Öffentlich-Privaten Partnerschaft
(ÖPP): „Das Land Berlin kauft formell die
Wagen, nur um sie am gleichen Tag in die
Hand des privaten Betreibers abzugeben. Der
war dann schon in der Beschaffungsphase
eingebunden und behält die Wagen dann für 30
Jahre. Danach sind die Wagen kaputt und
können verschrottet werden. (…)
Öffentlich-Private Partnerschaften sind
enorm teuer, verhindern die Mitsprache von
Bürgern und Parlamenten über 30 Jahre,
stellen einen riskanten Schattenhaushalt dar
und blockieren jegliche künftige Entwicklung
im betroffenen Bereich.“
Das
S-Bahn-Bündnis vermutet, dass der Senat die
geringe Aufmerksamkeit durch die Pandemie
nutzt, um dieses Projekt durchzusetzen. Das
Bündnis und
die Gewerkschaften sind in diesen Tagen
auf der Straße, um Öffentlichkeit
herzustellen.

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