Friedrich Engels, dessen Geburtstag sich am
28. November zum 145. Male jährte, wurde von
seinen Freunden wegen seines militärischen
Wissens ehrend „General" genannt. „General"
im wahrsten Sinne des Wortes war Engels aber
vor allem in der Strategie und Taktik des
proletarischen Klassenkampfes. Sein Wissen,
seine Übersicht, seine Erfahrungen und
Ratschläge beeinflußten und bestimmten den
Kampf der internationalen Arbeiterbewegung
und ihrer einzelnen nationalen Abteilungen,
deren Führer fast alle in direkter
Verbindung mit dem Mitbegründer des
wissenschaftlichen Kommunismus standen.
Besonders eng war
Friedrich Engels mit dem marxistischen
Führungskern der revolutionären deutschen
Sozialdemokratie um August Bebel verbunden.
Für den Führer der deutschen
Sozialdemokratie war es von unschätzbarem
Wert, in den Auseinandersetzungen um die
prinzipiellen Grundlagen und die Strategie
und Taktik der revolutionären Massenpartei
der Arbeiterklasse den Hüter und Wahrer des
Marxschen Erbes als kritischen Freund und
Kampfgenossen an seiner Seite zu wissen. Die
marxistischen Führer der deutschen
Sozialdemokratie bemühten sich, den
wissenschaftlichen Kommunismus zur
Richtschnur des Kampfes der Arbeiterklasse
zu machen. Aus der Verbindung wichtiger
Erkenntnisse des wissenschaftlichen
Sozialismus mit der unmittelbaren Praxis des
Klassenkampfes ergab sich ständig von neuem
die Bestätigung der Grundsätze des
wissenschaftlichen Kommunismus. Diese
Verbindung befähigte auch die deutsche
Sozialdemokratie, neue Probleme des
proletarischen Klassenkampfes - so etwa die
Ausarbeitung der revolutionären
Parlamentstaktik, die Verknüpfung des
legalen mit dem illegalen Kampf unter dem
Sozialistengesetz, die Entwicklung des
konsequenten antimilitaristischen Kampfes,
die Bildung neuer Organisationsformen des
Proletariats - aufzugreifen und mit ihrer
Lösung das Arsenal der internationalen
Arbeiterbewegung zu bereichern. Die
praktischen Erfahrungen, die Probleme und
die theoretischen Leistungen des Kampfes der
deutschen Arbeiterbewegung wurden von
Friedrich Engels stets aufmerksam
beobachtet, kritisch analysiert und - mit
den Erfahrungen der internationalen
Arbeiterbewegung - theoretisch
verallgemeinert. In London, Regent's Park
Road, wohnte, wie August Bebel später am
Grabe des Mitbegründers des
wissenschaftlichen Kommunismus sagte, „der
internationale Vertrauensmann des
klassenbewußten Proletariats aller Länder".(1)
Hier standen der revolutionären
Sozialdemokratie der theoretische Reichtum
des wissenschaftlichen Kommunismus und der
praktische Erfahrungsschatz der
internationalen Arbeiterbewegung zur
Verfügung; von hier aus erhielt sie auch
ihre selbst gesammelten Erfahrungen,
theoretisch verallgemeinert und unter dem
Aspekt des internationalen Klassenkampfes
geprüft und bereichert, wieder zurück. Wie
für jede der im nationalen Rahmen wirkenden
Arbeiterparteien war für die deutsche
Sozialdemokratie die Verbindung mit
Friedrich Engels Gewähr dafür, daß sie sich
weder im Praktizismus des tagtäglichen
Kleinkrieges verlor noch in engen
Provinzialismus verfiel. Das
Wechselverhältnis zwischen theoretischer
Erkenntnis - praktischer Erfahrung
-theoretischer Verallgemeinerung und ihrer
Wiederanwendung in der Praxis, wie es Lenin
in seiner berühmten Erkenntnisformel
zusammenfaßte, war für die Partei August
Bebels in doppelter Richtung wirksam: einmal
innerhalb der deutschen Arbeiterbewegung im
Zusammenspiel von revolutionärer Konzeption,
strategischer und taktischer Führung
des Klassenkampfes, im direkten Klassenkampf
und in der organisatorischen, politischen
und agitatorischen Kleinarbeit, und zum
anderen im internationalen Maßstab durch die
Verbindung der revolutionären deutschen
Sozialdemokratie mit Friedrich Engels und
dem wissenschaftlichen Kommunismus.
Wenn Friedrich Engels der Entwicklung und
dem Kampf der deutschen Sozialdemokratie
besondere Aufmerksamkeit widmete, so lag der
Grund dafür nicht nur in seiner inneren
Verbundenheit mit der deutschen
revolutionären Bewegung, sondern auch in der
von Engels immer wieder hervorgehobenen
Rolle, die der Kampf der deutschen Partei in
den Jahren vor und während der Zeit des
Sozialistengesetzes im Rahmen der
internationalen Arbeiterbewegung objektiv
einnahm. Wurde doch die Formierung des
Proletariats vieler Länder und die
Durchsetzung der Prinzipien des Marxismus in
den nationalen Formationen des Proletariats
vom Erfolg des Kampfes der damals größten
sozialistischen Partei gegen die
Bismarck-Diktatur und den
preußisch-deutschen Militarismus wesentlich
beeinflußt.
*
Rein äußerlich läßt sich die immense Arbeit
von Friedrich Engels für die Unterstützung
der deutschen Sozialdemokratie schon an den
vielen Arbeiten und Beiträgen ablesen, die
er für die wichtigsten Organe der Partei -
den zunächst in Zürich, seit 1888 in London
redigierten und herausgegebenen
„Sozialdemokrat" und die in Stuttgart
erscheinende „Neue Zeit" - schrieb,
zusammenstellte oder bearbeitete.(2)
Dabei sei vermerkt, daß Engels
außerordentlichen Wert darauf legte,
Arbeiten von Karl Marx neu zu publizieren.
Abgesehen von der unermüdlichen Arbeit für
die Drucklegung von bisher
nichtveröffent-lichten großen Arbeiten von
Marx - hier seien nur die Bände II und III
des „Kapital" und „Das Elend der
Philosophie" genannt -, zeigte sich hier,
daß der „General" bewußt die Kontinuität in
der Entwicklung des Marxismus deutlich
machen und die aktuelle und allgemeingültige
Bedeutung der Werke von Karl Marx für jede
Etappe in der Entwicklung der
sozialistischen Bewegung hervorheben wollte.
Für die deutsche Sozialdemokratie war die
Unterstützung durch Friedrich Engels in den
Jahren nach dem Tode von Karl Marx besonders
wichtig. Zwischen 1883 und 1887 fanden im
Zusammenhang mit den Köderungsversuchen
Bismarcks innerhalb der Partei
Auseinandersetzungen statt, die - veranlaßt
durch verschiedene Vorstöße von
opportunistischen Reichstagsabgeordneten -
die Stellung der Arbeiterklasse zum Staat
und darüber hinaus alle Fragen der
marxistischen Strategie und Taktik zum
Gegenstand hatten.
Friedrich Engels griff schon 1883 mit der
deutschen Ausgabe der aus drei Kapiteln des
„AntkDühring" erarbeiteten Schrift „Die
Entwicklung des Sozialismus von der Utopie
zur Wissenschaft" in die
Auseinandersetzungen ein. In dieser Schrift,
die illegal in Deutschland verbreitet werden
mußte und binnen kurzem drei Auflagen mit
insgesamt 10 000 Exemplaren erreichte, legte
Engels die marxistische Geschichtsauffassung
dar und zeigte besonders im Abschnitt „Die
kapitalistische Entwicklung" die historische
Rolle und die Aufgabe des Proletariats. 1884
erschien Friedrich Engels* wichtigste Arbeit
dieser Zeit: „Der Ursprung der Familie, des
Privateigentums und des Staats", in der er
das opportunistische Gerede von der zwischen
den Klassen ausgleichenden Funktion des
Staates bzw.
der Gesetzgebung, wie sich die Opportunisten
ausdrückten, widerlegte und die Entstehung
des
Staates als Klasseninstrument
nachzeichnete.
Diese grundlegende Arbeit über die
marxistische Staatstheorie wurde durch die
Neuauflage
der Arbeit „Zur Wohnungsfrage" im Jahre 1887
ergänzt. Darin gab Engels eine klare
Charakterisierung des preußisch-deutschen
Bonapartismus, jener Form der Herrschaft in
Deutschland, mit der sich die
Sozialdemokratie auch noch 1887
auseinanderzusetzen hatte, und wozu sie
sich die notwendigen spezifischen
strategischen und taktischen Schritte
erarbeiten mußte.
Gegen den in jener Zeit von verschiedenen
bürgerlichen Wissenschaftlern und
regierungstreuen Publizisten gepflegten
„Staatssozialismus" richtete sich die dritte
von Engels besorgte Auflage des ersten
Bandes des „Kapital", die Herausgabe der
Marxschen Artikel „Lohnarbeit und Kapital"
aus dem Jahre 1849, das Votwort zu „Das
Elend der Philosophie", das Anfang 1885 in
der „Neuen Zeit" unter dem Titel „Marx und
Rod-bertus" erschien, und nicht zuletzt der
zweite Band des „Kapital", der - von Engels
zum Druck vorbereitet - im Juli 1885 als
Buch herauskam.
Diese großen Arbeiten von Friedrich Engels
oder die von ihm neu herausgegebenen Werke
von Marx zielten in erster Linie auf die
Klärung grundsätzlicher Fragen des
Klassenkampfes, der Rolle des Proletariats
und der marxistischen Staats- und
Revolutionstheorie ab. Mit diesen Arbeiten
trug Friedrich Engels wesentlich dazu bei,
den deutschen Sozialdemokraten das
Bewußtsein ihrer historischen Mission und
von der Rolle ihrer Partei zu geben. In
seinem Aufsatz „Marx und die ,Neue
Rheinische Zeitung'
1848-1849" aus dem Jahre 1884 zitierte er
denn auch noch einmal den entscheidenden
Passus des Kommunistischen Manifests: „,Die
Kommunisten sind also
praktisch
der entschiedenste, immer weiter treibende
Teil der Arbeiterparteien aller Länder, sie
haben
theoretisch
vor der übrigen Masse des Proletariats die
Einsicht in die Bedingungen, den Gang und
die allgemeinen Resultate der proletarischen
Bewegung voraus."3)
Darüber hinaus war Engels stets bemüht, der
deutschen Sozialdemokratie die
marxistischen Prinzipien der Strategie und
Taktik zu erläutern und zu helfen, sie
entsprechend den Kampfbedingungen unter dem
Sozialistengesetz und der bonapartistischen
Diktatur anzuwenden.
Dem dienten solche Arbeiten wie „Marx und
die ,Neue Rheinische Zeitung* 1848 bis
1849", „Zur Geschichte des Bundes der
Kommunisten" und die Veröffentlichung von
Auszügen aus dem Kommunistischen Manifest.
Dabei zeigte er, daß die Grundprinzipien
der Politik des Bundes, die strategischen
und taktischen Erfahrungen der von Marx
geleiteten Organisation und deren
theoretische Grundlagen auch für die
Sozialdemokratie der 80er Jahre
„Richtschnur" - wie sich Engels ausdrückte -
waren(4).
Diese Arbeiten erschienen im
„Sozialdemokrat". Engels Mitarbeit an dieser
Zeitung ist aber weit umfangreicher, als es
die von ihm gezeichneten Beiträge sichtbar
machen. Der Briefwechsel zwischen Friedrich
Engels und Eduard Bernstein, seit 1880
Redakteur des „Sozialdemokrat", und seine
Briefe an Karl Kautsky, von 1880 bis 1885
eifriger Mitarbeiter des Blattes, zeigen,
daß Engels zu fast allen wichtigen Fragen
Ratschläge gab. Er regte grundsätzliche
theoretische Artikel an und war in den
innerparteilichen Auseinandersetzungen
1881/82 und 1884/85 wichtigster Ratgeber der
Redaktion des Parteiorgans. Die
Auseinandersetzung des „Sozialdemokrat" mit
der Bismatckschen Sozialreformpolitik, die
eindeutige Absage an die opportunistischen
Praktiken und Theorien einer Reihe
sozialdemokratischer Reichstagsäbgeordneter
und die Uberwindung alter Lassallescher
Thesen und Ansichten, d. h. die Durchsetzung
marxistischer Prinzipien in Theorie und
Praxis - das alles war die Frucht der
Bemühungen von Friedrich Engels und der
damit einhergehenden schöpferischen
Tätigkeit der deutschen Sozialdemokraten.
Ein zentrales Problem in der Diskussion
zwischen Engels und den Führern der
deutschen Sozialdemokratie in den 80er
Jahren war das Verhältnis von Demokratie und
Sozialismus, die Wechselbeziehung zwischen
demokratischem und sozialistischem Kampf und
die damit zusammenhängende grundsätzliche
strategische Frage der Stellung zum Kampf um
die demokratische Republik. Von der
richtigen Antwort auf diese Frage hing die
Zielsetzung des Kampfes gegen die
bonapartistische Diktatur Bismarcks und
gegen den preußisch-deutschen Militarismus
ab. Engels ging es dabei vor allem um die
Überwindung verschiedener mit der
Lassalleschen Phrase von der „einen
reaktionären Masse" und der damit
zusammenhängenden Unklarheiten und
Mißverständnisse über die Strategie und
Taktik im Kampf um die Macht. Besonders seit
1883 legte Friedrich Engels in Briefen und
Artikeln immer wieder dieses Problem dar.
„Der große Fehler bei den Deutschen ist";
schrieb er im August 1883 an Bernstein;
„sich die Revolution als ein über Nacht
abzumachendes Ding vorzustellen. In der Tat
ist sie ein mehrjähriger Entwicklungsprozeß
der Massen unter beschleunigenden
Umständen." „Bei uns kann und
muß
das erste, unmittelbare Resultat der
Revolution; der
Form
nach, ebenfalls nichts andres sein als die
bürgerliche
Republik." Sie bilde zwar nur ein
Durchgangsmoment, aber sie „dient uns
zunächst
zur Eroberung der großen Massen der Arbeiter
für den revolutionären Sozialismus"(5)
Den gleichen Gedanken legte Engels in seiner
Schrift „Der Ursprung der Familie; des
Privateigentums und des Staats" dar, als er
schrieb, daß in der demokratischen Republik;
der höchsten Staatsform der modernen
Gesellschaft, „der letzte Entscheidungskampf
zwischen Proletariat und Bourgeoisie allein
ausgekämpft werden kann".(6)
Wenn auch die führenden Sozialdemokraten
nicht alle Konsequenzen aus diesen Arbeiten
zogen(7),
so erreichte Friedrich Engels mit seinen
Darlegungen, daß im „Sozialdemokrat" eine
im wesentlichen richtige, den
Klassenverhältnissen in Deutschland
entsprechende Politik verfolgt wurde. Die
Konzeption dieser Politik war auf einen
umfassenden Volkskampf gegen die
bonarpartistische Diktatur und den
preußisch-deutschen Militarismus gerichtet,
auf eine Ergänzung der Revolution von oben
durch die Revolution von unten, wie Engels
einmal formulierte. Sehr deutlich sichtbar
wurde das im Wahlaufruf der Partei von 1887,
einem der bedeutendsten programmatischen
Dokumente der deutschen Sozialdemokratie
gegen den preußisch-deutschen Militarismus.
In diesem Aufruf, in dem die Rolle des
preußisch-deutschen Militarismus klar
gekennzeichnet wurde, hieß es, daß
Militarismus und Demokratie unvereinbare
Gegensätze seien. Gegen die innen- und
außenpolitischen Machtansprüche Bismarcks -
in einer wüsten chauvinistischen Hetze
hochgespielt - forderte die Partei „für die
Volksvertretung die äußersten
Machtbefugnisse".(8)
Indem sich die Partei gleichzeitig vom
damaligen Reichstag und seiner Rolle wie
auch vom bürgerlichen Parlamentarismus
abgrenzte, entsprach diese Losung den
wirklichen Kampfbedingungen. Die Sicherung
und Erweiterung demokratischer Rechte - und
damit die Frage der Demokratie - wurde
bewußt in den Mittelpunkt der politischen
Auseinandersetzung gerückt und damit dem
Kampf gegen das militaristische System in
Preußen-Deutschland die richtige
Stoßrichtung gegeben.
Die Problematik des Verhältnisses von
Demokratie und Sozialismus im proletarischen
Befreiungskampf trat mit besonderer Schärfe
nach dem Sturz des Sozialistengesetzes 1890
in den Vordergrund.
Als die deutsche Sozialdemokratie daran
ging, die Erfahrungen ihres siegreichen
Kampfes gegen Bismarck und das
Sozialistengesetz durch die Ausarbeitung
eines neuen Parteiprogramms zu fixieren,
stand ihr Friedrich Engels mit seinem ganzen
Erfahrungsschatz zur Seite. Friedrich
Engels sorgte in der zweiten Januarhälfte
1891 für die Veröffentlichung der berühmten
Marxschen „Randglossen zum Programm der
deutschen Arbeiterpartei" aus dem Jahre
1875, die bis dahin nur einem kleinen Kreis
der deutschen Parteiführer bekannt waren.
Damit machte er die ganze Diskrepanz
zwischen dem alten Gothaer Programm von 1875
und dem wissenschaftlichen Kommunismus
sichtbar. Auf diese Weise gab er der
Programmdiskussion die feste, sichere
Grundlage des wissenschaftlichen
Kommunismus. Die Marxschen „Randglossen";
nach dem Kommunistischen Manifest und dem
„Kapital" das wichtigste theoretische
Dokument des wissenschaftlichen Kommunismus(9),
hatten entscheidenden Einfluß auf die
Ausarbeitung des neuen Parteiprogramms. Mit
vollem Recht erklärte Friedrich Engels: „Es
macht jede Halbheit und Phrasenhaftigkeit im
nächsten Programm unmöglich und liefert
unwiderstehlich Argumente, die die meisten
von ihnen vielleicht kaum den Mut gehabt
hätten, aus eigener Initiative
hervorzubringen."(10)
Zwei Monate später leistete Friedrich Engels
mit der Neuauflage von Marx' „Der
Bürgerkrieg in Frankreich", der
meisterhaften Darlegung der Geschichte und
der Lehren der Pariser Kommune, einen
weiteren wichtigen Beitrag zur theoretischen
Grundlegung des neuen Parteiprogramms. Diese
Neuauflage, in deren Vorwort Engels nochmals
auf die Bedeutung der Diktatur des
Proletariats hinwies, erschien in einer
Auflage von 10 000 Exemplaren.
Mitte Juni 1891 erhielt Friedrich Engels den
vom Parteivorstand mehrfach beratenen und
veränderten Programmentwurf.(11)
Engels legte sofort alle anderen Arbeiten
beiseite und analysierte gründlich den
Programmentwurf. Engels erkannte an: „Der
jetzige Entwurf unterscheidet sich sehr
vorteilhaft vom bisherigen Programm. Die
starken Überreste von überlebter Tradition
- spezifisch lassallischer wie
vulgärsozialistischer - sind im wesentlichen
beseitigt, der Entwurf steht nach seiner
theoretischen Seite im ganzen auf dem Boden
der heutigen Wissenschaft und läßt sich von
diesem Boden aus diskutieren."
(12)
In seiner Kritik des Programmentwurfs
konzentrierte er sich auf das Problem des
dialektischen Verhältnisses von
demokratischem und sozialistischem Kampf,
auf das Problem des Weges zur Eroberung der
politischen Macht durch die Arbeiterklasse.
Das war genau der Problemkreis, der im
Prozeß der Aneignung des Marxismus in der
deutschen Sozialdemokratie theoretisch
nicht geklärt wurde.
Friedrich Engels machte die Parteiführung
darauf aufmerksam, daß die konkreten
Einzelforderungen des Programmentwurfs
„einen großen Fehler" hätten: „Das, was
eigentlich gesagt werden sollte,
steht nicht drin.
Wenn alle diese 10 Forderungen bewilligt
wären, so hätten wir zwar diverse Mittel
mehr, um die politische Hauptsache
durchzusetzen, aber keineswegs die
Hauptsache selbst."13)
Was war diese „Hauptsache"?
Klarheit herrschte, wie der theoretische
Teil des später angenommenen Erfurter
Programms ausweist, über das Endziel des
proletarischen Klassenkampfes, nämlich über
die Eroberung der politischen Macht durch
die Arbeiterklasse als Voraussetzung für die
Beseitigung des Privateigentums an den
Produktionsmitteln. Klarheit herrschte auch
über die unmittelbaren Tagesforderungen der
Arbeiterklasse. Keine Klarheit bestand über
den Zusammenhang zwischen dem Kampf um
Demokratie und Sozialismus. Die
sozialdemokratische Führung erkannte nicht,
daß das Ziel der nächsten Etappe des
Klassenkampfes zunächst nur die Erkämpfung
einer demokratischen Republik sein konnte
und daß diese erst den Ausgangspunkt und die
Voraussetzung für den Kampf um die
politische Macht der Arbeiterklasse bilden
könne. Sie meinte vielmehr, daß infolge der
raschen industriellen Entwicklung in
Deutschland und des Fehlens einer echten
bürgerlich-demokratischen Bewegung die
nächste Revolution nur eine proletarische
Revolution sein könne.
„Man
schiebt allgemeine, abstrake politische
Fragen in den Vordergrund", schrieb
Friedrich Engels in seiner berühmten
Erfurter Programmktitik, „und verdeckt
dadurch die nächsten konkreten Fragen, die
Fragen, die bei den ersten großen
Ereignissen, bei der ersten politischen
Krise sich selbst auf die Tagesordnung
setzen. Was kann dabei herauskommen, als daß
die Partei plötzlich, im entscheidenden
Moment ratlos ist, daß über die
einschneidendsten Punkte Unklarheit und
Uneinigkeit herrscht, weil diese Punkte nie
diskutiert worden sind."(14)
Engels appellierte geradezu an die
Parteiführung: „Bei der allgemeinen
Unsicherheit können jene Fragen von heute
auf morgen brennend werden, und was dann,
wenn wir sie nicht diskutiert, uns nicht
darüber verständigt haben?"(15).
Die Ansichten Friedrich Engels' über das
dialektische Wechselverhältnis von
Demokratie und Sozialismus und insonderheit
über die Rolle des Kampfes um Demokratie im
Klassenkampf des Proletariats haben auch
heute vor allem in Westdeutschland nichts
von
ihrer aktuellen Bedeutung eingebüßt. Zwar
haben sich die historischen Bedingungen
seit Engels' Wirken grundlegend verändert,
aber der Kampf um Demokratie und Frieden hat
in der gegenwärtigen Zeit unter den heutigen
Bedingungen des staatsmonopolistischen
Kapitalismus im anderen Teil Deutschlands
noch an Bedeutung gewonnen. Schlagen solche
rechtssozialistischen Führer wie Erler,
Wehner und andere die Lehren der Geschichte
der Arbeiterbewegung und des
wissenschaftlichen Sozialismus übet die
Notwendigkeit des demokratischen Kampfes in
den Wind, obwohl es höchste Zeit ist, sich
darauf erneut zu besinnen, so handeln viele
sozialdemokratische Arbeiter und
Gewerkschafter durchaus im Geiste von
Friedrich Engels, wenn sie gegen die
Notstandsgesetze und gegen alle Anschläge
der Reaktion auf die Gewerkschaften kämpfen.
Der Weg zur sozialistischen Revolution wurde
von Friedrich Engels als Kardinalproblem
für den erfolgreichen Kampf der
Arbeiterklasse immer wieder behandelt. Ein
Ausgangspunkt für Engels war der „in einem
großen Teil der sozialdemokratischen Presse
einreißende Opportunismus".(16)
„Dies Vergessen der großen
Hauptgesichtspunkte über den
augenblicklichen Interessen des Tages"
schrieb Engels, „dies Ringen und Trachten
nach dem Augenblickserfolg ohne Rücksicht
auf die späteren Folgen, dies Preisgeben
der Zukunft der Bewegung um der Gegenwart
der Bewegung willen mag »ehrlich6
gemeint sein, aber Opportunismus ist und
bleibt es."(17)
Damit warnte Engels nicht nur vor
opportunistischen Abweichungen, sondern
entwickelte einen gerade für die
innerparteilichen Auseinandersetzungen der
neunziger Jahre, für den Kampf gegen den
Opportunismus entscheidenden Gesichtspunkt.
So, wie ohne Klärung der Notwendigkeit
des
demokratischen Etappenziels für den
sozialistischen Kampf nicht die Strategie
und Taktik für den Kampf um die politische
Herrschaft der Arbeiterklasse geklärt werden
konnte, so konnte auch der Opportunismus
nicht entscheidend geschlagen werden.
„Wenn
etwas feststeht, so ist es dies", erklärte
Engels, „daß unsre Partei
Und
die Arbeiterklasse nur zur Herrschaft kommen
kann unter der Form der demokratischen
Republik . .. Aber das Faktum, daß man nicht
einmal ein offen republikanisches
Parteiprogramm
in
Deutschland aufstellen darf, beweist, wie
kolossal die Illusion ist, als
könne man dort auf gemütlich-friedlichem Weg
die Republik einrichten, und nicht nur die
Republik, sondern die kommunistische
Gesellschaft."(18)
Wie sollte die demokratische Republik
aussehen? Natürlich mußten die „kolossalen
Reste von Feudalismus" beseitigt werden,
„die unsrer ganzen politischen Sauerei in
Deutschland ihr spezifisch reaktionäres
Gepräge geben".
(19)
Im Verlauf des proletarischen Klassenkampfes
und des Revolutionsprozesses mußte die
Arbeiterklasse „alle Forderungen"
verfechten,
„welche sie diesem Ziel näherführen \
die Arbeiterklasse mußte zunächst „die
versäumte Arbeit der Bourgeoisie nachholen".(20)
Sie mußte die „Forderung der
Konzentration aller politischen Macht in den
Händen der Volksvertretung"
verwirklichen. Dazu gehörte die
„Rekonstitution Deutschlands".
(21)
Gegen föderalistische Tendenzen hob Engels
nachdrücklich hervor: „Und wir haben nicht
die 1866 und 1870 gemachte Revolution von
oben wieder rückgängig zu machen, sondern
ihr die nötige Ergänzung und Verbesserung zu
geben durch eine Bewegung von unten."
(22)
Die Volksmassen mußten - unter Führung
durch die Partei - darum kämpfen, daß „die
Kleinstaaterei beseitigt" wird.
Die konkreten Hinweise Engels' fanden zu
einem großen Teil in den nochmals
überarbeiteten Programmentwurf Eingang, den
der Parteivorstand am 4. Juli 1891
veröffentlichte und „zur Kenntnis und
Kritik der Genossen"(23)
unterbreitete. In über 400 Versammlungen
berieten die Parteimitglieder den
Programmentwurf; die breite Diskussion
zeigte den Widerhall der Marxschen
„Randglossen" in der deutschen
Arbeiterbewegung und spiegelte den Grad der
Durchsetzung des Marxismus in der deutschen
Arbeiterbewegung wider.
Die Auffassungen Friedrich Engels' über die
dialektische Verflechtung des Kampfes der
Arbeiterklasse um Demokratie und
Sozialismus; über die Strategie und Taktik
des Kampfes um die Eroberung der politischen
Macht durch die Arbeiterklasse hatten nicht
nur grundlegende Bedeutung für das letzte
Drittel des 19. Jahrhunderts, sondern sie
gehören zum unverlierbaren Gedankengut der
marxistisch-leninistischen
Revolutionstheorie. W. I. Lenin griff diese
Ideen bei der Ausarbeitung seiner
Revolutionstheorie auf und entwickelte sie
unter den neuen Bedingungen des
Klassenkampfes des Proletariats im 20.
Jahrhundert schöpferisch weiter. Die Ideen
und Gedanken von Engels über den Kampf um
Demokratie und Sozialismus spielten ebenso
wie auf dem VII. Weltkongreß der
Kommunistischen Internationale so auch auf
der Brüsseler Parteikonferen&der
Kommunistischen Partei Deutschlands bei der
Neuorientierung der Strategie und Taktik der
kommunistischen Parteien eine wesentliche
Rolle. Sie sind schöpferisch aufgenommen
worden bei der Ausarbeitung und
Verwirklichung der Politik unserer Partei.
Die Durchführung der
antifaschistisch-demokratischen und
sozialistischen Revolution in der Deutschen
Demokratischen Republik sind eine glänzende
Bestätigung für die Richtigkeit der
Grundgedanken von Friedrich Engels. Für die
Politik der revolutionären Arbeiterbewegung
in Westdeutschland haben sie heute noch
programmatischen Charakter. So führt eine
kontinuierliche Linie von der Entwicklung
der sozialistischen Revolutionstheorie von
Marx und Engels über die
Revolutionsauffassungen Lenins und der
Politik der in der Kommunistischen
Internationale zusammengeschlossenen
kommunistischen Parteien bis zur Strategie
und Taktik unserer Partei.
Gerade diese Kontinuität, die sich anhand
unbestreitbarer Tatsachen nachweisen läßt,
wird von der bürgerlich-imperialistischen
und auch rechtssozialdemokratischen
Geschichtsschreibung
heftig bestritten. Neben der seit
Jahrzehnten vorherrschenden Auffassung
bürgerlicher wie auch
rechtssozialdemokratischer Historiker und
Publizisten, Marx und Engels sowie der von
ihnen begründete Marxismus hätte keinen
Einfluß auf die deutsche Arbeiterbewegung
ausgeübt, setzt sich in der jüngsten Zeit
immer mehr eine neue Variante durch. Es wird
der untaugliche Versuch unternommen, Karl
Marx und vor allem Friedrich Engels aus
proletarischen revolutionären Sozialisten in
friedliche Reformpolitiker umzuwandeln. Das
Lebenswerk von Marx und Engels, ihre
Revolutionsauffassungen, die sich vor allem
in ihren Kritiken am Gothaer und Erfurter
Programmentwurf niederschlagen, widerlegen
schlagend diese Behauptungen.
*
Der Kampf der deutschen Sozialdemokratie um
Demokratie und Sozialismus stand in engstem
Zusammenhang mit dem antimilitaristischen
Kampf. Als in der Mitte der achtziger Jahre
neue Aspekte des antimilitaristischen
Kampfes sichtbar wurden, war es Friedrich
Engels, der sich eingehend damit
beschäftigte.
Der tägliche Klassenkrieg mit dem
Bismarckstaat unter dem Sozialistengesetz
hatte bei den revolutionären Arbeitern
Deutschlands die Erkenntnis gefördert und
gefestigt, daß der Kampf um Demokratie und
Sozialismus untrennbar mit dem Kampf gegen
den preußisch-deutschen Militarismus
verbunden ist. Immer deutlicher zeichnete
sich eine innen- und außenpolitische Krise
der bonapartistischen Diktatur Bismarcks ab
- verursacht besonders durch die
unaufhaltsame Aufwärtsentwicklung der
sozialistischen Bewegung und die wachsende
außenpolitische Isolierung des
Bismarckreiches, gegen die Bismarck nur ein
Mittel wußte: Sicherung der Macht nach innen
und außen durch Stärkung des Militarismus.
Die beschleunigte Kriegsrüstung brachte den
Werktätigen nicht nur eine Fülle neuer,
zusätzlicher Belastungen, sie vergrößerte
darüber hinaus die Gefahr eines Krieges
zwischen den rivalisierenden europäischen
Großmächten.
Friedrich Engels beobachtete aufmerksam und
nicht ohne Sorge diese Entwicklung in
Europa. In zahlreichen persönlichen Briefen
an führende Sozialisten (an Bebel,
Liebknecht, Lafargue u. a.) und in Artikeln
zu aktuellen Tagesfragen erörterte Engels
immer wieder eingehend die Entwicklungen und
Verwicklungen der europäischen Diplomatie.
Wiederholt erklärte er, die Außenpolitik der
herrschenden Klassen könne der
revolutionären Arbeiterbewegung nicht
gleichgültig sein. Engels folgerte aus der
Situation der achtziger Jahre in Europa, daß
ein bewaffneter Konflikt, an dem irgendeine
europäische Großmacht beteiligt wäre, eine
Lokalisierung des Krieges unwahrscheinlich
erscheinen lasse und in einen allgemeinen
Krieg hinüberwachsen müsse.(24)
Diesen Gedanken, in vielen Briefen
ausgesprochen, formulierte er eindringlich
in der Einleitung zu Sigismund Borkheims
Schrift „Zur Erinnerung für die deutschen
Mordspatrioten" mit den Worten: „Und endlich
ist kein andrer Krieg für
Preußen-Deutschland mehr möglich, als ein
Weltkrieg, und zwar ein Weltkrieg, von
einer bisher nie geahnten Ausdehnung und
Heftigkeit. Acht bis zehn Millionen
Soldaten werden sich untereinander abwürgen
und dabei ganz Europa so kahlfressen, wie
noch nie ein Heuschreckenschwarm absolute
Unmöglichkeit, vorherzusehn, wie das alles
enden und wer als Sieger aus dem Kampf
hervorgehen wird; nur ein Resultat absolut
sicher: die allgemeine Erschöpfung und die
Herstellung der Bedingungen des
schließlichen Siegs der Arbeiterklasse."(25)
Ein solcher Krieg liege niemals im Interesse
der Ausgebeuteten und Unterdrückten. Deshalb
schrieb er den französischen Sozialisten:
„Die Sozialisten beider Länder (Deutschlands
und Frankreichs - H. B.) sind gleichermaßen
an der Erhaltung des Friedens interessiert,
weil sie es wären, die sämtliche
Kriegskosten zu bezahlen hätten."(26)
Friedrich Engels war - wie auch Bebel und
andere Führer der deutschen und
internationalen Arbeiterbewegung - davon
überzeugt, daß ein Weltkrieg die Herrschaft
der Bourgeoisie brechen und die
revolutionäre Entwicklung der Völker
beschleunigen mußte. Jedoch die
millionenfachen Opfer rechtfertigten
keinerlei Spekulation auf eine solche
Lösung, denn die Geopferten wären in der
Hauptsache die Ausgebeuteten und
Unterdrückten. Anarchistische
Spekulationen, mit Hilfe eines Weltstreiks,
der durch einen Weltkrieg ausgelöst werden
sollte, die politischen Machtverhältnisse
schlagartig zu ändern, wurden von Engels und
seinen Mitkämpfern entschieden
zurückgewiesen und als haltlose gefährliche
Illusionen enthüllt. Maßgeblich für die
Haltung zum Krieg waren andererseits keine
pazifistischen oder opportunistischen
Auffassungen, sondern die Interessen der
sozialistischen Bewegung, die grundsätzlich
mit den nationalen Interessen der Völker
völlig übereinstimmen. „Soviel ist sicher",
schrieb Engels 1886 an Bebel, „der Krieg
würde unsere Bewegung zunächst in ganz
Europa zurückdrängen, in vielen Ländern
total sprengen, den Chauvinismus und
Nationalhaß schüren und
uns sicher
unter den vielen unsicheren Möglichkeiten
nur das bieten, daß nach dem Krieg wir
wieder von vorn anzufangen hätten, aber auf
einem unendlich günstigeren Boden als selbst
heute."(27)
Im Aufsatz „Der Sozialismus in Deutschland"
formulierte Engels 1891 sehr eindringlich:
Die deutschen Sozialisten müßten „toll sein,
wünschten sie den Krieg, bei dem sie alles
auf eine Karte setzen, statt den sicheren
Triumph des Friedens abzuwarten. Noch mehr.
Kein Sozialist, von welcher Nationalität
auch immer, kann den kriegerischen Triumph"
irgendeiner Regierung wünschen. „Und deshalb
sind die Sozialisten in allen Ländern für
den Frieden."(28)
Die deutschen Sozialdemokraten und ihre
Führer August Bebel und Wilhelm Liebknecht
billigten nicht nur diese Auffassung, sie
propagierten sie in der Parteipresse, in
Versammlungen, im Reichstag und kämpften um
deren Anerkennung auf den internationalen
Kongressen der Arbeiterbewegung. Indem die
sozialdemokratische Propaganda sehr
gründlich und anschaulich die Wurzeln und
die politischen Ursachen der
militaristischen Unterdrückungs- und
Kriegspolitik enthüllte und Wege zur
Überwindung dieser Politik zeigte, grenlte
sie sich klar von bürgerlich-pazifistischen
Friedensschwärmereien ab und bezog auch
demokratische Kräfte in ihren
antimilitaristischen Kampf ein. Die
Arbeiterpartei repräsentierte so die weit
über die Klassengrenzen des Proletariats
wirkende Gemeinschaft der Antimilitaristen
und Kriegsgegner der ganzen Nation.
Friedrich Engels' Erklärungen, Hinweise und
Auseinandersetzungen trugen schließlich
maßgeblich dazu bei, daß auf dem
Gründungskongreß der II. Internationale in
Paris 1889 die sozialistischen Delegierten
einmütig einer Resolution über die Rolle des
Militarismus zustimmten, in der der
programmatische Satz stand: Der Kongreß
betrachtet „den Frieden als die erste und
unerläßliche Bedingung jeder
Arbeiter-Emanzipation".(29)
An diesem Grundsatz hielt die II.
Internationale in ihren Beschlüssen fest;
und selbst zu einer Zeit, in der die
Revisionisten in den Parteien der II.
Internationale die Herrschaft erlangten,
konnten sie es nicht wagen, daran zu
rütteln. Dieser Grundsatz wurde zu einem
fundamentalen Programmpunkt der
revolutionären Arbeiterbewegung bis in
unsere Gegenwart.
Friedrich Engels begnügte sich aber nicht
allein damit, die deutschen Sozialisten auf
die Notwendigkeit des Kampfes um den Frieden
hinzuweisen. Gleichzeitig machte er konkrete
Vorschläge, wie und mit welchen Forderungen
dieser Kampf geführt werden müsse. Aus
seiner Feder stammen eine Reihe von
Arbeiten, in denen er als Alternative
zu dem stehenden preußisch-deutschen Heer
die Forderung nach einer Miliz, nach einer
demokratischen Wehrorganisation formulierte
und begründete. In seiner weit über die
Bedeutung des Tages hinausreichenden
Artikelserie „Kann Europa abrüsten?"
entwickelte Engels - gerichtet gegen die
Kriegspolitik der herrschenden Klassen - den
ersten konkret formulierten
Abrüstungsvorschlag der sozialistischen
Bewegung. Natürlich verband Engels mit
seinem Abrüstungsvorschlag keineswegs das
unter den Bedingungen der Alleinherrschaft
des Kapitalismus utopische Ziel, eine
allgemeine und vollständige Abrüstung
herbeizuführen. Aber er erkannte bestimmte
Möglichkeiten, mit Hilfe einer konsequenten
antimilitaristischen Politik, unterstützt
durch Aktionen des Volkes, das Wettrüsten
der achtziger und neunziger Jahre in Europa
einzuschränken. Friedrich Engels schrieb
selbst, die Regierungen Europas würden den
Abrüstungsvorschlägen und der Milizforderung
ohne Zwang nie zustimmen. Das geschehe nicht
aus militärischen, vielmehr aus politischen
Gründen, denn das stehende Heer sollte
„nicht so sehr gegen den äußern wie gegen
den innern Feind" Verwendung finden.(30)
Es ist - wenn auch nur als geringfügiges
Detail - aufschlußreich für die Wirkung
dieser Engelsschen
Schrift, daß der Reichskanzler Caprivi davon
öffentlich Kenntnis nahm und am 3. Mai 1893
im Reichstag aus der Broschüre zitierte und
erklärte. Ziel dieser Forderungen von Engels
nach einer Miliz sei eine Untergrabung der
militärischen Disziplin.
(31)
Für
die sozialdemokratische antimilitaristische
Agitation hatte Engels mit seiner Schrift
eine wertvolle Hilfe gegeben.
Die von Engels - immer im Zusammenwirken mit
der sozialistischen Bewegung -entwickelten
Prinzipien einer sozialistischen
Friedenspolitik gehören auch heute noch zu
den Prinzipien der kommunistischen und
Arbeiterparteien. Sie fanden, bereichert
durch die Erfahrungen der Leninschen Partei
und die Schlußfolgerungen der
kommunistischen und Arbeiterparteien unter
den veränderten Bedingungen im
internationalen Kräfteverhältnis nach dem
zweiten Weltkrieg, Eingang in das Programm
unserer Partei, in dem es heißt: „Die
Sozialistische Einheitspartei Deutschlands
betrachtet die Sicherung der Nation vor
Krieg und Vernichtung und die Herbeiführung
eines dauerhaften Friedens als die
Hauptfrage unserer Zeit. Sie will den Krieg
aus dem Leben des deutschen Volkes für immer
verbannen... Der Kampf gegen den
Militarismus und die Kriegspolitik der
herrschenden Klassen gehörte von jeher zu
den besten Seiten der revolutionären
deutschen Arbeiterbewegung."(32)
Friedrich Engels blieb bis zum letzten Tag
seines inhaltsreichen und erfüllten Lebens
ein proletarischer Revolutionär und
Sozialist. W. I. Lenin hat Karl Marx und
Friedrich Engels mit den folgenden Worten
ein unvergängliches Denkmal gesetzt: „Das
große weltgeschichtliche Verdienst von Marx
und Engels besteht darin, daß sie durch ihre
wissenschaftliche Analyse den Beweis
erbracht haben für die Unvermeidlichkeit des
Zusammenbruchs des Kapitalismus sowie
seines Übergangs zum Kommunismus, in dem es
keine Ausbeutung des Menschen durch den
Menschen mehr geben wird. Das große
weltgeschichtliche Verdienst von Marx und
Engels besteht darin, daß sie den
Proletariern aller Länder ihre Rolle, ihre
Aufgabe, ihre Berufung aufgezeigt haben:
sich als erste zum revolutionären Kampf
gegen das Kapital zu erheben und in diesem
Kampf
alle
Werktätigen und Ausgebeuteten um sich zu
vereinigen."(33)
Heute hat der Sozialismus auf einem Drittel
der Erde gesiegt. Auch in einem Teil
Deutschlands, in der Deutschen
Demokratischen Republik, ist das
Wirklichkeit geworden, wofür Friedrich
Engels sein ganzes Leben gekämpft hat.
Fußnoten
*) In
diesem Beitrag werden nur einige
Grundprobleme der Hilfe von Friedrich
Engels für die deutsche Sozialdemokratie
in den Jahren 1883 bis 1895 behandelt.
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