Donika Kadaj-Bujupi
ist eine sehr bekannte Parlamentsabgeordnete in
Kosova. Geboren wurde sie am 20. März 1979 als Kind
albanischer Eltern in Sarajevo. Ihr Vater war ein
sehr bekannter Professor. Er wurde in den neunziger
Jahren in Kosova von serbischen Faschisten ermordet.
Frau Kadaj-Bujupi studierte Journalismus und Englisch
und arbeitete einige Jahre für die UNMIK, von
2005–2007 für den öffentlichen Stromversorger KEK. Im
Jahr 2007 wurde sie ziemlich
überraschend für die Partei AAK, auf deren offener
Liste ins Parlament gewählt. Im April dieses Jahres
trat sie der „Bewegung für Selbstbestimmung“ VV als
Parlamentsabgeordnete und Mitglied bei. Dieser
Übertritt wurde in der Öffentlichkeit breit
diskutiert. Vorher wurde Frau Kadaj-Bujupi vom
faschistoiden Regime in Kosova für 30 Tage ins
Gefängnis geworfen und später unter Hausarrest
gestellt. Der Arrest wurde vor kurzem aufgehoben.
Max Brym - Frau Bujupi wie kommt es
eigentlich, dass man von der Partei AAK, welche
sich Partei der „rechten Mitte“ nennt in die
linke "Bewegung für Selbstbestimmung" eintritt?
Donika Kadaj-Bujupi - Wissen Sie in Kosova
haben die meisten Parteien gar keine Ahnung von
einem Parteiprogramm. Die Parteivertreter wissen
nur, dass ein Programm zu einer Partei gehört.
Die Begrifflichkeit links ist in Kosova aufgrund
der Vergangenheit diskreditiert. Aus diesem Grund
kam die AAK wohl auf die Idee sich Partei der
rechten Mitte zu nennen. Ich selbst kandidierte
im Jahr 2007 auf der offenen Liste der AAK und
habe mich nie als rechts definiert.
Max Brym - Erzählen Sie mal etwas über
ihre politische Karriere
Donika Kadaj-Bujupi -
Im Jahr 2007 wurde ich auf der offenen Liste der
AAK von Platz 30 weit nach vorne ins Parlament
Kosovas gewählt. Nachdem sich die Regierung unter
Hashim Thaci formierte forderte ich einen
scharfen Oppositionskurs gegen diese Regierung.
Ein besonderes Anliegen waren mir, die Interessen
der einfachen Menschen mit ihren alltäglichen
Bedürfnissen. Im Jahr 2008 schrieben die
kosovarischen Zeitungen: „ Das war der Tag von
Donika Kadaj-Bujupi. |
Max Brym lässt das Jahr 2015 mit seinen teils
dramatischen Geschehnissen Revue passieren.
Verarbeitet werden die politischen, ökonomischen
und kulturellen Ereignisse aus den vergangenen
zwölf Monaten. So entsteht ein alternatives
Tagebuch zu den aktuellen politischen und
ökonomischen Debatten. |
Max Brym- Was
ist darunter zu verstehen?
Donika Kadaj-Bujupi -
In einer Parlamentsdebatte setze ich dem damalige
Ministerpräsidenten, der sich jetzt Präsident nennen
lässt, ziemlich zu. Ich stellte mehrere konkrete
Fragen zu den Problemen der Stromversorgung des
Landes. Zuerst wollte ich wissen warum die
Stromversorgung in weiten Teilen des Landes immer
noch nicht funktioniert und wieso jede Menge Strom
gleichzeitig an Serbien, Montenegro, Mazedonien und
anderweitig verkauft wird. Daraufhin kam der damalige
Ministerpräsident Hashim Thaci ins stottern und
versprach sich mehrmals. Die Quintessenz seiner
Antwort bestand darin, dass ihn angeblich die
Arbeiter der KEK „sabotierten“. Besonders störte ihn,
dass ich für die sozialen Rechte der Beschäftigten
eintrat und höhere Löhne für sie forderte. Der Unsinn
wonach 13.000 Arbeiter der KEK angeblich Thaci
boykottierten um sein“ fortschrittliches
Energieprogramm“ zu unterlaufen führte zu einem
großen Gelächter in der gesellschaftlichen Debatte.
Max Brym- Nach der Regierungsbildung im
Dezember 2014 vollzogen von der PDK-LDK und der Liste
Serbska verließen viele Menschen Kosovo. Worauf
führen Sie das zurück?
Donika Kadaj-Bujupi -
Ganz einfach, die Menschen wollten Veränderungen sie
sahen aber wieder die alten Köpfe, die alten Mafioso
an der Regierung. Ein Teil der Menschen verlor
jegliche Hoffnung und flüchtete aus dem Land.
Max Brym - Kritisierten sie auch den
verheerenden Privatisierungsprozess welche bis dato
77.000 Arbeitsplätze kostete?
Donika Kadaj-Bujupi -
Selbstverständlich habe ich den neoliberalen
Privatisierungsprozess abgelehnt. Innerhalb der AAK
stimmte ich oft als einzige Abgeordnete gegen die
Privatisierung von öffentlichem Eigentum. Wie Sie
sich vorstellen können machte ich mich dabei
innerhalb der AAK nicht unbedingt beliebt. Auch in
sozialpolitischen Fragen opponierte ich des Öfteren
gegen die Mehrheitsmeinung in meiner damaligen
Fraktion. Ich forderte beispielsweise eine Ausweitung
des Mutterschaftsschutzes, der Lohnfortzahlung für
Mütter weit über die gesetzlich gegebenen drei Monate
hinaus forderte.Insgesamt habe ich in der Zeit als
Abgeordnete rund 100 parlamentarische Anfragen
gestellt. Diese Anfragen wurden meist nicht
beantwortet. Offen rebellierte ich gegen das Abkommen
Zajdnica mit dem serbischen Staat vom August 2015.
Max Brym- Waren Sie gegen das Abkommen welches
damals unter der Schirmherrschaft der EU
unterzeichnet wurde aus nationalistischen Gründen?
Donika Kadaj-Bujupi - Nein. Das Abkommen teilt
Kosova auf ethnischer Basis und gibt dem serbischen
Staat direkt die Möglichkeit nach Kosova hinein zu
regieren. Die so genannte "Vereinigung serbischer
Kommunen" verfügt über einen eigenen Haushalt, der
Verband bestimmt sämtliche Richter, Polizeileiter
usw. Der Verband teilt das Land im Bereich des
Unterrichts. Der Verband hat sogar dieMöglichkeit
eigene diplomatische Beziehungen zu unterhalten. Es
gilt sich gegen ein zweites Bosnien auf dem Balkan
mit all seinen Konsequenzen gerade auch in
wirtschaftlicher Hinsicht zu positionieren. Diese
Positionierung ist auch im Interesse der einfachen
serbischen Menschen und der Roma in Kosova. Die
ethnische Teilung führt nur zur Beibehaltung des
nationalen Konflikts. Dadurch werden wichtige
Lösungsansätze für viele soziale und wirtschaftlicher
Probleme verunmöglicht.
Max Brym - Sie waren unter den Abgeordneten
welche Tränengase im Parlament einsetzten. Haben Sie
dadurch nicht parlamentarischen Spielregeln
gebrochen?
Donika Kadaj-Bujupi - Was heißt hier
parlamentarische Spielregeln? Über Monate verweigerte
die Regierung jegliche Debatte im Parlament über das
Abkommen mit dem serbischen Staat. Einmal wurde eine
Debatte abgelehnt weil der Ministerpräsident nicht
anwesend war, das nächste Mal weil der Außenminister
fehlte. Letztendlich wurden dadurch elementare
Entscheidungen dem Parlament vorenthalten. Die
Regierung stellte das Abkommen nicht zur Debatte und
verweigerte eine Abstimmung im Parlament. Dies
obwohl, die Vereinbarung mit dem serbischen Staat
zustimmungspflichtig ist. Das Verfassungsgericht
Kosovas stellte sogar fest:“ Dieses Abkommen verstößt
in weiten Teilen gegen die Verfassung Kosovas“. Aber
die Regierung schert sich nicht um demokratische
Spielregeln. Sie behandelten den Vertrag mit Serbien
letztendlich als formalen und gültigen Regierungsakt.
Gegen solch eine Regierung welche das Parlament
völlig missachtet, gilt es sich zu wehren.
Max Brym - Wie ich gehört habe waren sie 30
Tage im Gefängnis und 30 Tage unter Hausarrest. Wie
bewerten Sie diese Maßnahmen?
Donika Kadaj-Bujupi - Einen Monat vor meiner
Inhaftierung besuchte ich mit der Abgeordneten
Abullena Haxhiu ( VV) als Mitglied einer
parlamentarischen Kommission das Gefängnis in Ljpian.
Dem zur Folge war mir das Gefängnis keine fremde und
abstrakte Angelegenheit. Im ersten Fall war ich
Mitglied einer parlamentarischen Kommission für die
Gefängnisse in Kosova und dann war ich eben
politischer Häftling. Ich lege Wert auf die Betonung
politische Haft.Meine Inhaftierung, sowie der
Hausarrest waren rein politische Maßnahmen. Die
Regierung will jeden gerechtfertigten Protest gegen
dieses antidemokratische Regime, auch im Parlament
unterbinden. Die Regierungen Kosovas kümmert sich
weder um die Meinung der Öffentlichkeit noch kommt
sie ihren Pflichten gegenüber dem Parlament nach.
Nochmals diese Regierung verweigert dem Parlament
Debatten und Abstimmungen zu zustimmungspflichtigen
Verfassungsänderungen. Das einzige worüber sich diese
Herrschaften aufregen ist, wenn sie plötzlich wegen
Tränengas etwas weinen müssen. Letzteres ist aber
mehr als gerecht und legitim.
Max Brym- Was war letztendlich der konkrete
Grund um die Fraktion der AAK zu verlassen?
Donika Kadaj-Bujupi -
Die AAK versucht sich Schritt für Schritt, von ihrer
Opposition gegen die Regierung zu verabschieden. Mir
wurde bekannt, dass Geheimverhandlungen mit Kadri
Veseli und anderen führenden Regierungsvertretern gab
und geben sollte. Innerhalb der Gremien der AAK
lehnte ich solche Ambitionen entschieden ab. Für mich
gibt es gegenüber dieser Regierung nur die klare
oppositionelle Kante. Aus diesem Grund habe ich
letztendlich die AAK verlassen und bin in die
"Bewegung für Selbstbestimmung" eingetreten.
Max Brym - Gestern
forderte ein Autor in der Zeitung Koha Ditore, dass
Sie und derAbgeordnete Ilir Deda, ihre
Parlamentsmandate zurückgeben sollten. Ilir Deda trat
aus VV aus und Sie in VV ein. Der Autor meinte: „Das
Parlament dürfe sich in keinen Basar verwandeln“. Was
sagen Sie dazu?
Donika Kadaj-Bujupi -
Der Autor dieser Zeilen liegt gar nicht so weit
daneben als Sie vielleicht vermuten. Ich bin der
Meinung: Alle Abgeordneten sollten ihre Mandate
niederlegen, denn wir benötigen dringend Neuwahlen.
Neuwahlen lehnt aber dieses Regime mit ihren
faschistoiden Tendenzen ab. Sie wollen auch keine
Volksabstimmung zum Abkommen mit dem serbischen Staat
erlauben. Diese Regierung muss gestürzt werden.
Max Brym - Ich danke
Ihnen für das Gespräch
Anmerkungen
Das Gespräch fand am
26. April in Prishtina statt.
AAK = Allianz für die Zukunft
Kosovas Vorsitzender ist Ramush Haradinaj
Kadri Veseli- Parlamentspräsident,neuer Vorsitzender
der Regierungspartei PDK. Langjähriger Leiter des
Parteigeheimdienstes SHIK.
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