Zwei der größten
deutschen Konzerne sind derzeit richtig in der Krise:
VW und die Deutsche Bank. Sind da nur die
ManagerInnen schuld? Fehlentscheidungen oder
Betrugsaffären? Bei beiden droht massiver
Personalabbau, was in keinem Fall überrascht: Die
Beschäftigten tragen im Kapitalismus sowohl die
Folgen von Fehlentscheidungen wie auch der
Krisenhaftigkeit des Systems - solange sie sich nicht
wehren und dies auch mit den richtigen Mitteln tun.
Einzelfälle?
Gegen die These, dass VW und Deutsche Bank
Einzelfälle seien, spricht die Breite von Angriffen
in vielen Firmen und Branchen. Es häufen sich die
Meldungen über Werksschließungen und Personalabbau.
Sind das Einzelerscheinungen oder kommt da was
Größeres?
Als im letzten Jahr
endgültig die Lichter bei Opel Bochum ausgingen,
Tausende arbeitslos wurden, bzw. in einer
Transfergesellschaft geparkt wurden, war das sicher
die spektakulärste Massenentlassung des Jahres. Aber
sie war Resultat einer Neustrukturierung des
OPEL/General Motors-Konzerns, die mit der Krise 2008
begonnen hatte und ohne die Hilfe der US-Regierung
und der Gewerkschaften zum Kollaps des Riesen geführt
hätte.
Heute stehen
Ankündigungen im Raum, die darauf hindeuten, dass die
Konzernetagen sich bereits auf neue Schlachten und
Krisen vorbereiten. So hat das Management von VW
angekündigt, mehr als 3000 Stellen im
Verwaltungsbereich abzubauen. Das ist von einiger
Aussagekraft, auch wenn sie dies ohne Entlassungen,
ja gerade, weil sie es ohne Entlassungen durchziehen
wollen. Normalerweise finden Umstrukturierungen in
solchen Konzernen im Verwaltungsbereich nämlich immer
ohne Entlassungen, aber auch ohne große Geräusche
statt. Diese Ankündigung dürfte also das Signal sein,
dass weitere Angriffe folgen werden - auch auf die
ProduktionsarbeiterInnen, vermutlich sogar nach dem
verlogenen Motto der Gerechtigkeit: „Wenn die
Angestellten bluten mussten, müssen es dann auch die
ArbeiterInnen tun.“ Die Manager haben ja auch auf 30%
ihrer Boni verzichtet.
Die
LeiharbeiterInnen wie auch Werkvertragsbeschäftigte
dürften jetzt schon mit Stellenabbau und
Entgeltkürzungen durch die Zwischenunternehmen zu tun
haben. Solche Angriffe können auch bald seitens der
anderen Autofirmen folgen, denn alle außer BMW sind
jetzt des Betrugs bei Abgaswerten überführt. Neben
„ihren“ Beschäftigten werden sie nach bewährtem
Muster die Kosten auch auf die Zulieferer abwälzen
wollen.
In dieser Branche
ist bereits jetzt Unruhe. So hat der Autozulieferer
Leoni nach Problemen in seiner Bordnetz-Sparte einen
Stellenabbau angekündigt; vorwiegend seien
Arbeitsplätze in der Verwaltung in Ländern mit hohen
Arbeitskosten betroffen. Weitere Autozulieferer
stehen da nicht zurück:
- Mann und Hummel
(Filter) wollen 500 Arbeitsplätze vernichten, u.a.
in Ludwigsburg und
Sonneberg.
- Mahle
(Motorkomponenten, Klimatechnik, Filtration)
schließt Werke in Schwäbisch Hall, verkauft die
Industrie-Sparte (Öhringen, Schwaikheim und
Hamburg) und plant Personalabbau an weiteren Orten
wie Gaildorf, Öhringen, Markgröningen (alle
Baden-Württemberg) und Reichenbach (Sachsen).
- Conti will die
Klimaschlauchfertigung mit 220 Beschäftigten in
Salzgitter schließen, in Gifhorn (Niedersachsen)
die Produktion von Bremskraftverstärkern umbauen -
680 Stellen sollen betroffen sein.
- ZF will in
Schweinfurt in den nächsten Jahren 1400
Arbeitsplätze in der Stoßdämpferproduktion
vernichten.
- SM Peguform
(Sitze) will 50 Beschäftigte in Meerane (Sachsen)
entlassen.
- Autoliv (Airbags)
entlässt über 100 ArbeiterInnen in Dachau.
- Der Rietheimer
Automobilzulieferer Marquardt (Elektronikbauteile,
Baden-Württemberg) will bis Ende 2018 in
Deutschland 600 Arbeitsplätze abbauen.
- INA-Schäffler
will mal ganz pauschal 500 Jobs in der Verwaltung
streichen.
- Faurecia
(Abgasrohre und Katalysatoren) will das Werk in
Trabitz (Bayern) dichtmachen, 280 sind betroffen.
- Dura (Leisten und
Blenden) will 850 Leute im Raum Plettenberg (NRW)
entlassen.
- Selbst der größte
Autozulieferer weltweit, Bosch, plant, die
Produktion von Startern und Generatoren („Anlasser“
und „Lichtmaschinen“) in Hildesheim (900
Arbeitsplätze) und Schwieberdingen (400) aufzugeben
und will diese Werke verkaufen - was letztlich auf
das Ende dieser Betriebe hindeutet.
Aber über die
Autobranche hinaus ist in der Metallindustrie einiges
los:
Der kanadische
Eisenbahnhersteller Bombardier streicht 1430 Jobs in
Deutschland, was schon zu massiven Protesten an den
betroffenen Standorten in Hennigsdorf, Görlitz,
Bautzen, Mannheim, Siegen und Kassel führte.
Der
Edelmetallspezialist Heräus in Hanau vernichtet 400
Arbeitsplätze plus 110 Leiharbeiterstellen, die
Stanzerei und Galvanik werden geschlossen werden,
ebenso das Werk in Alzenau.
Vaillant schließt eine Fabrik für Heißwassergeräte in
Gelsenkirchen, 200 ArbeiterInnen sind betroffen.
Bei Siemens droht ein weiterer heftiger Stellenabbau:
Im Geschäftsbereich Prozessindustrie und Antriebe
soll eine vierstellige Zahl von Arbeitsplätzen in
Deutschland gestrichen oder ins Ausland verlagert
werden. Der weltweite Sparkurs hat Streichungen von
13000 Stellen zur Folge. Allein in Bayern sind der
Nürnberger Standort mit rund 750 Stellen, Erlangen
mit etwa 150 und Neustadt/Saale mit 350 Stellen
betroffen.
In der
Elektronikbranche ist es die Firma Fujitsu, die ihr
Werk in Paderborn mit 600 Arbeitsplätzen schließt.
Mobilcom schließt das Werk in Nördlingen mit 700
Beschäftigten. Telefonica entlässt 1600 Beschäftigte.
Hewlett-Packard, die weltweit über 50 000 Jobs
vernichten, wollen in Deutschland an die 1500
auslagern.
In der
Chemie-Industrie gibt es Werksstilllegungen bei RKW
(Folien) in Phillipstal (Hessen).
Auch bei der Lebensmittelherstellung gibt's
Einschläge: Coca Cola vernichtet 400 Arbeitsplätze
durch Werksschließungen in Bremen und Oldenburg,
Nestlé macht die gleiche Anzahl in Mainz platt.
Im Handel und Transportwesen entlässt Heine-Versand
90 Leute, ALSO-Logistik 240, das Subunternehmen
Perfetto von Karstadt und Rewe plant heftige
Einschnitte.
Über allem steht der
drohende Personalabbau bei der Deutschen Bank.
Weltweit soll rund ein Viertel der 100000
Beschäftigten gehen, in Deutschland 5000. Auch bei
anderen Banken drohen noch Einschnitte.
Wo bleiben die Gewinne?
Auch bei der Deutschen Bank steht - wie bei VW - ein
massiver Gewinneinbruch in Verbindung mit den
Angriffen. Im Gegensatz zu Deutscher Bank und VW
kündigt Siemens als weiteres Flaggschiff des
deutschen Kapitals einen erhöhten Gewinn an. Dieser
ergibt sich allerdings vor allem aus
Spartenverkäufen; da kommt weniger aus dem Umsatz,
auch wenn die Umsatzrendite bei Siemens immer noch
sehr hoch liegt.
Von daher können wir
vermuten, dass die Krisenerscheinungen, wie sie in
vielen anderen Firmen auftreten, keine Einzelfälle
sind, sondern dass es über die Problemlagen hinaus,
die in den einzelnen Firmen, Branchen und
„Marktumfeldern“ bestehen, wie es auf Manager-Sprech
heißt, einige Gemeinsamkeiten gibt.
Sie wächst in den
Jahren seit der Krise, aber sie wächst zu wenig für
dieses System. Fünf Jahre in Folge liegt die reale
Entwicklung hinter den Vorhersagen der OECD. Sie
wächst auch langsamer als die Masse an Kapital, das
immer schwerer Anlagemöglichkeiten findet. Damit
verschärft sich einerseits der Konkurrenzkampf um die
verbleibenden Profite, aber auch der Druck darauf,
diese durch noch höhere Ausbeutung zu erhöhen.
Generell treiben zusätzlich die Rationalisierung -
oft selbst eine Reaktion der Einzelkapitale den
tendenziellen Fall der Profitrate weiter voran und
führen zu einer Verschärfung des Problems für das
Gesamtkapital.
Diese Fakten konnten
von denjenigen KapitalistInnen und denjenigen Ländern
überspielt werden, die in dieser Gesamtlage noch
expandieren konnten, natürlich vor allem auf Kosten
von anderen. Dazu gehörte China, das immer noch ein
Wachstum aufweist, das aber schon zu schwach ist, um
alle Unternehmen im eigenen Land mitzuziehen, und die
Exportindustrie, die auf den chinesischen Markt
liefert.
Jetzt sind da die
Aussichten nicht mehr so rosig und so haben wir einen
Zustand in der deutschen Wirtschaft, wo ein Jahr nach
den Rekordgewinnen der DAX-Unternehmen fette
Einbrüche und Rückschläge zu verzeichnen sind.
ArbeiterInnenklasse
Die jetzigen Entlassungen und Stilllegungen könnten
also die Vorboten einer tieferen Krise sein. Wir als
Liga für die Fünfte Internationale halten dies auch
von der ganzen weltweiten Entwicklung her für
wahrscheinlich.
Das Vorgehen der
KapitalistInnen jetzt in einer Phase, wo angeblich
das „Klima“ noch ganz gut ist und sich die
Börsenkurse von ihrer Talfahrt zu Jahresbeginn
weitgehend erholt haben, zeigt aber, was bei einem
echten Kriseneinbruch zu erwarten ist. „Dann fließt
Blut“, wie es ein Betriebsrat aus einem der
obengenannten Betriebe bezeichnet.
Das Schlimme
allerdings bei den meisten Betriebsräten und
Gewerkschaften ist, dass sie auf eine solche
Situation nicht im mindesten vorbereitet sind und in
der Lage wären, der Brutalität der KapitalistInnen
eine entsprechende Antwort zu verpassen.
Selbst in Betrieben,
die komplett dichtgemacht werden, gibt es nur wenig
Widerstand. Die logische Forderung, den
UnternehmerInnen die Werke wegzunehmen, die sie nicht
mehr haben wollen, traut sich kaum einer zu denken
oder gar auszusprechen. Um dies in die Tat
umzusetzen, müsste der Betrieb besetzt werden, was
wiederum von den Betriebsräten und
GewerkschaftssekretärInnen heftigst bekämpft wird,
wenn die Parole trotzdem aufkommt. Es wird gedroht,
dass das die Abfindung kosten könnte oder die vage
Hoffnung auf einen Arbeitsplatz woanders.
Wo nur Teile der
Unternehmen stillgelegt werden, basteln
Gewerkschaften und Betriebsräte lieber an
Standort„sicher“ungen, die heute eine scheinbare
Sicherheit durch Verzicht von Seiten der
Beschäftigten erkaufen, die aber allesamt von den
Bossen zerrissen werden können, wenn die
wirtschaftliche Situation sich ändert.
Bei den derzeitigen
Angriffen ist nennenswerter Widerstand bislang nur
bei Bombardier zu vernehmen. Bei VW ruft hingegen der
Betriebsrats-Vorsitzende die „VW-Familie“ dazu auf,
zusammenzustehen und dies mit gleichen T-Shirts auch
noch auf Betriebsversammlungen zu demonstrieren.
Kritik ist Tabu. Bei Fujitsu in Paderborn gibt es gar
den Verdacht, dass der Gesamt-Betriebsrat die
Werks-schließung hinter dem Rücken der Belegschaft
und des örtlichen Betriebsrates vorbereitet hat.
Mit solcher
Zusammenarbeit mit dem Kapital müssen Betriebsräte
und Gewerkschaften brechen. Statt für das „Wohl“ des
Unternehmens einzutreten und die Konkurrenzfähigkeit
des „eigenen“ Ladens gegen die KollegInnen, die im
Konkurrenzbetrieb arbeiten, zu stärken, gilt es die
Widerstandfähigkeit der ganzen ArbeiterInnenklasse zu
stärken - und nicht nur in Deutschland.
Statt mit Verzicht
die KollegInnen, die im konkurrierenden Betrieb, aber
oftmals in der gleichen Firma, arbeiten, und fast
immer in der gleichen Gewerkschaft organisiert sind,
noch tiefer zu drücken, muss gemeinsamer Widerstand
organisiert werden. Und nur unter dieser
Voraussetzung - dem Bruch mit der eigenen
Unternehmensführung - ist jener auch möglich.
In der Automobil-
und Zulieferindustrie sind fast alle Konzerne schon
jetzt bei den Arbeitsplatzvernichtern dabei: mit
Bosch, ZF, Conti und Mahle auch die vier führenden
Zulieferer in Deutschland. Gerade hier wäre eine
Konferenz aller bedrohten Belegschaften ein nötiger
Schritt, der aber auch zu einem gemeinsamem
Kampfprogramm führen müsste und nicht in Gejammer
steckenbleiben darf wie die „Zuliefer-Konferenz“ der
IG Metall im letzten Jahr in Leipzig, zu der nur
ausgewählte Betriebsratsvorsitzende zugelassen
wurden.
So wie die
Betriebsräte mit ihren Bossen brechen müssen, muss
natürlich die Gewerkschaft - in diesem Fall die IG
Metall - mit dem deutschen Exportmodell brechen, mit:
„Wir machen mit Technik, Flexibilität und niedrigen
Stückkosten die ausländische Konkurrenz platt“.
Solche Konferenzen
sollte auch Verdi zum Beispiel im Einzel- und
Großhandel oder bei den Banken organisieren, wo
ExpertInnen ähnliche Schläge, wie sie jetzt auf die
Deutsche Bank niedergehen, auch bei der Konkurrenz
erwarten.
- Kampf gegen jede
Entlassung und auch gegen jeden
„sozialverträglichen Stellenabbau“, der letztlich
Beschäftigung kostet!
- Solidarität mit
allen Belegschaften, die Widerstand leisten!
- Betriebe, die
entlassen oder stillgelegt werden sollen, müssen
entschädigungslos enteignet werden. Die
verstaatlichten Betriebe sollten unter Kontrolle
der Belegschaften fortgeführt werden.
- Raus mit
Betriebsratsmitgliedern und Gewerkschaften aus den
Aufsichtsräten! Dort geht es nicht um die
Belegschaften, nur um das „Unternehmenswohl“.
- Demokratisierung
der Gewerkschaften! Über Kampfaktionen in bedrohten
Betrieben haben nur die Betroffenen zu entscheiden,
nicht die GewerkschaftssekretärInnen.
Vollversammlungen der Betroffenen, um selbst die
Kontrolle und Verantwortung für ihren Kampf zu
übernehmen!
- Offenlegung aller
Verhandlungen, Schluss mit den Gesprächen hinter
verschlossenen Türen von Betriebsräten,
Gewerkschaft und den Bossen!
Die
ArbeiterInnenschaft kann sich so auf die kommenden
Schläge vorbereiten, wenn sie heute damit anfängt.
Das geht nicht ohne heftigsten Widerstand gegen die
heutigen Betriebsräte und Gewerkschaftsfunktionäre,
die sich selbst in der Rolle sehen, zusammen mit den
Bossen die Unternehmen und Branchen zu „führen“ und
das jeweils Beste für die Beschäftigten - auch mit
deren Opfern - rauszuholen.
Ihre Methoden werden
sich als völlig hilflos erweisen, wenn die Krise des
Systems voll zuschlägt, was sich schon heute
ankündigt.
Alle, die den
Widerstand wollen, die ihn vorbereiten wollen und die
sich keine Illusionen in „Sozialpartnerschaft“
machen, müssen sich heute dafür zusammenschließen,
für kämpfende Gewerkschaften einzutreten, die
kämpfende Belegschaften unterstützen.
Per email am 27.5. 2016
durch ARBEITER/INNEN/MACHT-INFOMAIL, Nummer 883
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