Stadtumbau & Stadtteilkämpfe

Wohnen in Köln - Kein Luxus ohne uns

von "gentrificationcologne.blog.com"

06/2016

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In keiner anderen Stadt in NRW ist Wohnen so teuer wie in Köln. Wie entwickelt sich der Wohnungsmarkt? Wer wird ausgeschlossen und wer profitiert davon?

Wer 2014 eine Wohnung mieten wollte, musste im Median (die mittleren 50% aller Mietpreise) 9,2% €/m² Kaltmiete bezahlen. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Anstieg von 4,5%.1 Für eine Neubauwohnungen muss Mensch sogar 11,30€/m² zahlen. Auch der Verzicht auf Wohnfläche führt nicht zu geringeren Mietkosten. Aus der Zwangslage vieler Menschen eine Wohnung finden zu müssen, schlagen die Vermieter*innen reichlich Kapital. Ein Micro-Appartment bis zu 30m² Wohnfläche kostet durchschnittlich 13,10 Euro/m² im Bestand und 16,85 Euro/m² im Neubau.2 Wie Stark der Druck auf dem Wohnungsmarkt ist, kann man auch daran sehen, dass auf jede angebotenen Wohnung durchschnittlich 53,4 Interessent*innen kommen. Mehr als in Düsseldorf, Berlin oder Frankfurt.3 Seit 5 Jahren sinkt die Anzahl der Umzüge innerhalb der Stadt.4 Wer eine Wohnung hat, findet hier kaum noch eine Bessere. Der Status Quo wird zu einem Privileg. Gleichzeitig nimmt die Anzahl an inserierten (Studenten)Appartments seit 5 Jahren ab und hat sich bis zu einem Drittel reduziert.5 

Gab es 1990 noch 105.000 öffentlich geförderten Wohnungen (“Sozialwohnungen”), waren es 2014 noch noch 39.000. Jedes Jahr verlieren mehr Wohnungen ihre Sozialbindung als neu hinzukommen. Der Anteil von Sozialwohnungen liegt lediglich bei 7,1%. Demgegenüber stehen 45% der Kölner Haushalte deren Einkommen so gering ist, dass sie berechtigt wären eine Sozialwohnung zu mieten. Die wenigen Sozialwohnungen die es gibt, befinden sich am Stadtrand. In Chorweiler gibt es 81,9% öffentlich geförderter Wohnraum, in innerstädtischen Veedeln wie Deutz oder dem Agnesviertel, hingegen keine einzige Wohnung.6

Kölner Mieter*innen sind die Verlier*innen der Finanzkrise

Nach dem Platzen der Immobilienblasen (USA, Spanien usw.) flüchten die Investor*innen in sichere Bereiche. Zusammen mit dem historisch niedrigem Zinsniveau und dem Mangel an alternativen Anlagemöglichkeiten, steigen die Preise für Wohneigentum dramatisch an (siehe Grafik). Stagnierten die durchschnittlichen Kaufpreise in Köln pro Quadratmeter zwischen 2001 und 2008, sind sie zwischen 2009 und 2014 um 40 % in die Höhe geschnellt.7

“In prestigeträchtigen Stadtteilen wie Lindenthal und Marienburg kosten Eigentumswohnungen durchschnittlich 3.800 bis 3.900 Euro/m². In der Altstadt und der Neustadt im Mittel 3.650 Euro/m². In einigen Mikrolagen, wie zum Beispiel im Villenviertel in Marienburg, in der Südstadt oder im Belgischen Viertel in der Neustadt, werden für Top-Objekte mittlerweile Preise von mehr als 6.000 Euro/m² verlangt.” KSK Marktbericht 2015 S.388

In vielen deutschen Großstädten ist die Situation ähnlich, weswegen von einer Wiederkehr der Wohnungsfrage die Rede ist. In der Debatte um vermeintliche Lösungsstrategien erklingen Lautstark die Stimmen der Immobilienwirtschaft, welche über schnellere Baugenehmigungen, einer Absenkung der Wohnstandards und mehr öffentlichen Subventionen für den Wohnungsbau sprechen. Darüber das mehr gebaut werden muss, sind sich alle parlamentarischen Partein einig. Köln wächst jährlich um ca. 10.000 Einwohner*innen. Aktuellen Hochrechnungen zufolge soll Köln bis zum jahr 2025 um 9,5% wachsen: von 1,044 Millionen auf 1,144 Millionen Einwohner. 9 Dabei wurden die geflüchteten Menschen von den Statistiker*innen nicht einberechnet: zu unsicher sind ihre Bleibeperspektiven und die weiteren Zuweisungen.

Aktuell Leben 12.431 Geflüchtete in Köln. Sie sind in Hotels, umgenutzen Leerständen, oder Container-Lagern untergebracht. 3.700 geflüchtete Menschen leben in Turnhallen oder Leichtbauhallen. Das bedeutet ein Leben ohne Privatsphäre denn Abtrennungen zwischen den Betten gibt es nicht. Je nach Größe der Halle leben dort zwischen 50-350 Menschen.10 Eigene Verpflegungsmöglichkeiten bestehen nicht. Gegessen wird, was angeliefert wird. Das Hallenlicht brennt die ganze Nacht durch. Das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben wird so auf ein Minimum reduziert. Gegen die schlechte Unterbringung und sexuellen Übergriffen durch das Wachpersonal, demonstrierten im Februar Geflüchtete in Gremberg. 11

Tear down this wall

In einer so dicht bebauten Stadt wie Köln sind die Flächen rar. Eine Studie der Verwaltung hat kürzlich die Kapazität des potenziellen Baulandes berechnet und festgestellt, dass der Platz für 13.250 benötigte Wohneinheiten fehlt.12 Logische Folge ist, dass die Bevölkerung von Köln weniger stark anwachsen wird, während die Mieten weiter kräftig steigen werden. Die Stadt schließt sich. Viele Menschen die hinzuziehen wollen stehen vor einer unsichtbaren Stadtmauer. Das Einkommen entscheidet wem Einlass gewährt wird. Die, die Aussen vorbleiben, müssen ins Umland oder unattraktiven Randgebieten. Bereits 2008 kam eine Studie zu dem Ergebnis, dass in keiner der 15 untersuchten deutschen Großstädte die räumliche Trennung von Arm und Reich, stärker ausgeprägt ist als in Köln.13 Derweil nimmt auch in der Peripherie der Druck zu. Kürzlich kaufte die GAG die (wegen eine jahrelange Desinvestitutions-Strategie der Eigentümer) verrottenden Plattenbauten und plant nun die Aufwertung. Neben einem Mietpreisanstieg, sowie einer moderaten Sanierung, sollen auch Sozialarbeiter die Mieter*innen kennenlernen, um Bewohner*innen zu identifieren, welche der GAG Probleme machen könnten, so der Vorstandsvorsitzende Uwe Eichner gegenüber dem Kölner Stadtanzeiger: 

Es wird Zwangsräumungen geben“, sagte der Vorstandschef. „Es gibt einige Mieter, die brauchen Hilfe.“ Etwa fünf Prozent der Bewohner in den rund 1.200 betroffenen Wohnungen, so schätzte Eichner, könnten für Probleme sorgen – beispielsweise ihre Miete nicht zahlen oder die Wohnung vermüllen lassen. Sie müsse man rauswerfen“.14


Das Unrecht der Gated-Communitys, ShoppingMalls und Bürokomplexe  

Aus dem limitierten Flächenangebot der Stadt ergibt sich die Notwendig Prioritäten für die Bebauung aufzustellen. Hierbei sollte das Ziel einer demokratischen Stadt sein, Wohnraum zu schaffen der von Allen bezogen werden könnte, unabhängig von Einkommen oder Herkunft. Stattdessen entstehen Wohnungen vorrangig im Luxus-Segment. Das ist Rational, denn für die Wohnungswirtschaft sind hier die größten Profite abzuschöpfen. Aktuell entstehen beispielsweise: das Gerling-Quartier, das Quartier Reiterstaffel, das Flow, der Liné-Park, die Pandion Klostergärten oder das Radeberger Leben. Wohnobjekte sind aber nicht isoliert zu sehen. Sie stehen im Kontext zu der Nachbarschaft und sind Teil des Veedels. Die Ausstrahlungseffekte von Luxusprojekten wirken auf die Umgebung, erhöhen die Mieten und verdrängen Ärmere. Zudem belegt jedes neue Luxusquartier die immer enger werdenden Möglichkeiten für günstigen Wohnraum. Mit dem Hinweis auf dringend benötigtes Bauland wird auch die Verdrängung des Wagenplatzes “Wem gehört die Welt” argumentativ vorbereitet.15 Gleichzeitig werden Brachen für Großkonzerne in Reserve gehalten, obwohl bereits eine halbe Million Quadratmeter Büroflächen leerstehen.16 Großkonzerne suchen vorallem aus Repräsentationszwecken die Nähe zum Stadtzentrum. Über die geographische Positionierung verdeutlichen sie ihre gesellschaftliche Stellung. Im kommunalen Wettbewerb, um die Gunst von Investor*innen, machen die Stadtregierungen bereitwillig mit und das Totschlagargument der Arbeitsplätze zieht noch immer. Auf dem Grundstück der ehemaligen Wohnsiedlung Barmer Viertel, soll nun die Zurich Versicherung einen weiteren Bürokomplex errichten.17 Auf der anderen Seite der Gleise werden kommunale Flächen für den Bau eines Spielcasinos verkauft.18 Im Grüngürtel sollen die Gleuler-Wiesen privatisiert werden, um dort ein Leistungszentrum für den FC Köln zu errichten. Eine Bürger-Initiative macht nun dagegen mobil. 19

Es wird eng in der Stadt. Das macht deutlich, dass Raum eine limiertierte Ressource ist und gerade deswegen eine solidarische, soziale und ökologisch nachhaltige Nutzung erfordert. Er darf kein Exklusivgut für Reiche sein und der Spekulation dienen. Die bisherige Organisation der Stadt reproduziert und betoniert die gesellschaftlichen Macht- und Herschaftsverhältnisse. Sie sind anzugreifen, um zur Frage vorzustoßen: Wie die Wohnraumproblematik demokratisiert werden kann, um das gute Leben für alle zu ermöglichen? 

Den Text ergänzen und aktualisieren:  https://pad.riseup.net/p/WohnraumCologne

Quellenangaben

3 Der Spiegel 15/2016
13 “Gespaltene Städte: Soziale und ethnische Segregation in deutschen Großstädten” Jürgen Friedrichs, Sascha Triemer 2008

Quelle: linksunten.indymedia.org am 29.5.2016