Stadtumbau & Stadtteilkämpfe

Die GSW23 Vernetzung
Interview mit MieterInnen aus einigen der 23 Schenkungshäuser

aus der „Wir bleiben Alle“-Broschüre - Frühling 2013

06-2013

trend
onlinezeitung

1994 wurden 23 Kreuzberger Häuser der, damals öffentlichen Wohnungsbaugesellschaft, GSW vom Bezirk Kreuzberg kostenlos übergeben. In einem sogenannten Einbringungsvertrag wurden dabei weitgehende Mieterrechte festgelegt, wie z.B. kein Verkauf ohne Zustimmung des Senates, mieterfreundliche Instandsetzung innerhalb von 10 Jahren, Belegungsrecht uvm. Durch die Besetzung der Schlesischen Str. 25 wurde der Einbringungsvertrag öffentlich und die Mieter_innen der „GSW23-Häuser“ begannen sich zuorganisieren. Folgend ein Interview zur Geschichte und Gegenwart der Vernetzung.

Seit wann gibt es die GSW23 Vernetzung ?

Die Vernetzung wurde von unterschiedlichen AktivistInnen im Wrangelkiez ins Leben gerufen. Die Vernetzung war geprägt von der Besetzung der Schlesischen Str. 25 im Mai 2011. Das Haus gehört zu den 23 Häusern aus landeseigenem Besitz unter bezirklicher Verwaltung, die 1994 an die GSW verschenkt wurden. Zur Zeit der Besetzung tauchte der Einbringungsvertrag auf, der den Umgang mit den Lasten und Nutzen der Häuser regelt und Rechte der MieterInnen enthält, die über das Mietrecht hinausgehen. Davon erfuhren alle anderen 22 „Schenkungshäuser“ in Kreuzberg durch Plakatierung des Vertrags an die Hauswände. In dem Zusammenhang tauchte in einem Statement aus dem Stadtentwicklungssenat auch noch die Zahl 154 auf: So viele „verschenkte“ Häuser soll es im Bestand der GSW berlinweit geben. Vergleichbare Listen wie die der Kreuzberger Häuser sind allerdings noch nicht öffentlich geworden. Die GSW wurde 2004 mit Einwilligung des Senats privatisiert und infolgedessen gleich mehrere dieser Häuser von der GSW an Privatinvestoren weiterverkauft. So erfuhren die MieterInnen zügig, dass ihre Häuser nun noch schlechter als zuvor verwaltet und nervige Entmietungsversuche der RechtsnachfolgerInnen der GSW unternommen wurden.



Die Broschüre gibt es im Netz bei
http://wirbleibenalle.org/?p=563

Was ist der heutige Stand der Häuser? Vermietet, saniert und verkauft?

Durch die Vernetzung wurde deutlich, dass schon mindestens 6 der 23 Häuser an Privatinvestoren weiterverkauft wurden. Die Bevernstr. 2 wird beispielsweise entmietet und zu Luxuswohnungen mit unterirdischer Parkanlage „modernisiert“. Nur eine Mietpartei hat sich vor Gericht das Rückzugsrecht nach Modernisierung erstreiten können. Die Häuser Manteuffelstr. 7, Wienerstr. 13, Wilhelmstr. 7 und Enckestr. 3 hatten 2012 einen hohen Leerstand, der trotz Belegungsbindungen und Wohnungsnot in Berlin geduldet wird.

Die Manteuffelstr. 7 hat darum kämpfen müssen, dass nicht nur der Seitenflügel, sondern auch das Vorderhaus nicht völlig dem Hausschwamm zum Opfer fällt. Trotz monatelanger Mängelanzeigen hat die GSW hier erst reagiert, als die BewohnerInnen persönlich zur GSW vordringen konnten und die Fotos vorgelegt haben. Mit der Entfernung des Hausschwamms, die absolut notwendig ist, wird so spät begonnen, dass es zur Entkernung kommt. Damit wird nun die Modernisierung eingeläutet, die wiederum zu Mieterhöhungen führen wird.

Was hat die GSW23-Vernetzung gemacht?

Im Rahmen der Vernetzung wurde 2011 und 2012 überlegt, wie die MieterInnen aller Häuser informiert werden und wie die Forderung nach Rückübertragung der Häuser und die Selbstverwaltung durch MieterInnen erreicht werden kann. Es gab Treffen und Hoffeste zum Informationsaustausch und Vernetzungen mit anderen Mieterinitiativen. Der erste Brief der Vernetzung richtete sich an den Senat und enthielt die Forderung nach der Rückübertragung der Schenkungshäuser und die Selbstverwaltung durch die Mieterschaft.

Der Bezug auf die Rechte der MieterInnen im Einbringungsvertrag von 1994 führte zu einer noch immer andauernden Recherche darüber, welche Verträge (z.B. Vertrag zur Privatisierung dr GSW 2004 und Beschluss des Abgeordnetenhauses Berlin zum Börsengang der GSW 2010) im Fall der Schenkungshäuser eine Rolle spielen und welche Verantwortung Senat, Bezirk, das Abgeordnetenhaus sowie GSW in der Privatisierung von Wohnraum zu tragen haben. Durch Kleine Anfragen an den Senat und zwei Anhörungen des Senats und der GSW, deren Vertreter nur inkognito erschien, sowie des Implementierungssauschusses im Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr 2012 sowie eine „private“ Anhörung der GSW, von der die Öffentlichkeit ausgeschlossen wurde, wurde ein Chaos zum Vorschein gebracht, das die Privatisierung der GSW zum Lehrstück neoliberaler Entpolitisierung in Berlin krönt.

Dieses Chaos wird aus Sicht der Mieterschaft sowohl von der Politik als auch von der GSW und ihren RechtsnachfolgerInnen dafür genutzt, die Rechte der MieterInnen in den Verträgen zu verletzen; sie gar nicht erst zu veröffentlichen. Obwohl es z.B. ein Gutachten nach dem Informationsfreiheitsgesetz zugunsten der Veröffentlichung der Rechte der MieterInnen im Privatisierungsvertrag von 2004 gibt, halten sich GSW und Senat weiter bedeckt – es könnten ja Geschäftsgeheimnisse der Vertragspartner zum Vorschein kommen, wenn MieterInnen ihre Rechte in Erfahrung bringen wollen. Im Moment läuft eine Klage vor dem Verwaltungsgericht auf Einsicht in die mietenpolitischen Teile des Privatisierungsvertrags.

Ziel von einigen der 23 Schenkungshäuser ist es, gemeinsam mit anderen von der Privatsierung des Wohnraums und der Wohnungsnot betroffenen MieterInnen-Initiativen in Berlin eine Re-Kommunalisierung von Wohnraum zu erreichen. Die Gemeinnützigkeit der Wohnungsgesellschaften in Berlin wurde abgeschafft, Wohnraum und Grundstücke werden der Spekulation überlassen; Mieten steigen unbegrenzt und sowohl energetische als auch Luxusmodernisierungen, aber vor allem Umwandlung von Wohnraum in Privateigentum führen zu Verdrängung und Zwangsräumungen von großen Teilen der Nachbarschaft. Doch wird es in einer „Mieterstadt“ wie Berlin nicht nur Probleme und Spektakel rund um diese Themen geben können, sondern auch Lösungen. Es gibt politische Handlungsspielräume und mietenpolitische Instrumente dafür. Auf die Sprünge helfen können Widerstand und Solidarität. Das gibt es bereits in der ganzen Stadt, z.B. mit den Palisaden-Panthern und dem berliner bündnis sozialmieter.de, Kotti&Co, FuldaWeichsel und der Stillen Straße und neuerdings auch mit der Initiative gegen Zwangsräumungen und vielen mehr.

Editorische Hinweise

Die Gruppe GSW23 ist über ihren Blog http://gsw23.blogsport.eu/ erreichbar.