TREND - Sonderschwerpunkt: 17. Juni 1953

Kalter Krieg gegen die DDR
Die Ereignisse aus der Sicht der  SED-Führung und ihrer linken Kritiker

06-2013

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Rias Berlin - der Funkpirat und seine Rolle am 17. Juni 2013

von Hans Teller

Die Hauptrolle im Ätherkrieg gegen die sowjetische Besatzungszone und spätere DDR aber spielte während des kalten Krieges der Sender „RIAS", der nicht nur Aufgaben der ideologischen Diversion, sondern nachweislich auch des Untergrundkrieges erfüllte. Der Sender — am 7. Februar 1946 als „Rundfunk im amerikanischen Sektor" gegründet - war ein Produkt der Anfangsphase des kalten Krieges, die bereits durch eine massive antikommunistische und antisowjetische Hetze gekennzeichnet war. Bei der Gründung standen der amerikanische Geheimdienst und das State Department Pate. Die Frequenzen des Senders waren international nicht bestätigt, so daß er die Rolle eines „Rundfunkpiraten" spielte.


RIAS-Funkhaus, heute Funkhaus Deutschlandradio Kultur - Kufsteiner Str. 69
1938-41 für die IG Farben erbaut und 1945 von den Alliierten beschlagnahmt

Am 20. Februar 1948 erklärte der Leiter des „RIAS", William F. Heimlich, in einem Interview mit der Zeitung „Telegraf": „RIAS will kein Propagandasender sein, will der Wahrheit dienen." Doch schon ein Jahr später, am 19. April 1949, meldete der Westberliner „Kurier", der RIAS sei Amerikas „wirksamste Radiowaffe im Kalten Krieg und seine einzige Stimme hinter dem Eisernen Vorhang". Welche Aufgabe aber dieser für den Imperialismus in so günstiger Position befindliche Sender übernommen hatte, plauderte am 11. August des gleichen Jahres ein anderes Westberliner Blatt, der „Tagesspiegel", aus, als es feststellte: „Am Radio hören die Bewohner der ostdeutschen Irredenta die freiheitliche Stimme Berlins." Als Beispiel für derartige Sendungen führte die Zeitung den sogenannten Warndienst der „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit" an. Schon damals wurde die Rolle deutlich, die der Funkpirat spielen sollte: In der sowjetischen Besatzungszone und späteren DDR eine „Irredenta", das heißt die Konterrevolution, zu organisieren, welche die dortige gesellschaftliche Ordnung zu beseitigen hatte. Um die ihm übertragene Aufgabe wahrnehmen zu können, erhielt der Sender bald großzügige Mittel, die nicht nur von den USA bereitgestellt wurden. Dem „RIAS" flossen immer größere finanzielle Unterstützungen von seilen des „Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen" zu - eine Mitfinanzierung des Senders durch die Regierung der BRD, die in neuester Zeit vom „Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen" wahrgenommen wird und sich auch in der Eingliederung des Senders in die ARD („Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten Deutschlands") widerspiegelt.(54) Im Februar 1946 war der „RIAS" in Berlin über das Drahtfunknetz der Berliner Westsektoren zu vernehmen, im Juli 1949 löste bereits eine 100-KW-Sendeanlage die 20-KW-Anlage ab, am 1. Oktober desselben Jahres konnte der „RIAS" seine Sendungen in das Berliner Telefonnetz einspeisen, und seit dem 14. Januar 1953 verfügte er über eine 300-KW-Anlage, um, wie es hieß, „die RIAS-Sendungen noch weiter in die Gebiete östlich des 'Eisernen Vorhangs' hineinzutragen"(55). Ab 1. November 1953 sendete der „RIAS" 2 Programme, wobei ein Programm 24 Stunden umfaßte. Der Sender meldete sich nun auch auf einer dritten Frequenz, auf der Ultrakurzwelle. Auch später wurden die technischen Möglichkeiten des Senders, der heute etwa 1000 Mitarbeiter beschäftigt und seine Sendungen in fast 200 Wochenstunden abstrahlt, ständig verbessert.(56)

Der „RIAS" arbeitete eng mit dem „Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen", den „Ostbüros" und den anderen in Westberlin stationierten Zentren der ideologischen und politischen Diversion und des Untergrundkrieges zusammen. Er wurde zur Hauptwaffe der Diversion und des psychologischen Krieges gegen die Deutsche Demokratische Republik - eine Tatsache, zu der nicht zuletzt seine Stationierung in Westberlin beitrug, die es ihm ermöglichte, die Subversionszentralen zu nutzen und seine Sendungen faktisch inmitten der DDR selbst auszustrahlen.

Der „RIAS" entstellte und verleumdete die Politik der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und der Regierung der DDR. Er richtete seine Zersetzungstätigkeit im Ätherkrieg gegen alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens in der DDR, ob es sich nun um den Abschlug eines Regierungsabkommens der DDR, das Nationale Aufbauwerk der Hauptstadt Berlin, eine Erklärung des Politbüros der SED oder einen Auftritt des Dresdner Kreuzchores handelte. In gehässigen Kommentaren und anderen politischen Sendungen - der Anteil von „RIAS"-Sendungen mit direkter politischer Aussage liegt auch gegenwärtig bei 50 Prozent der Gesamtsendungen — machten solche fanatischen Feinde des Sozialismus wie Mathias Waiden ihrem abgrundtiefen Klassenhafj und ihrer Menschenverachtung gegenüber dem Sozialismus Luft. Über die Mikrofone des „RIAS" wandten sich Bundeskanzler Konrad Adenauer, der SPD-Vorsitzende Kurt Schumacher, der „Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen" Jakob Kaiser und sein Staatssekretär Franz Thiedeck mit antikommunistischen Verleumdungen und antisozialistischen Aufrufen direkt an die Bevölkerung der DDR und mischten sich immer wieder in die inneren Angelegenheiten des sozialistischen deutschen Staates ein. Der „RIAS" strahlte bald ein komplexes Programm aus, das auch in psychologischer Hinsicht äußerst geschickt motiviert war und dessen Hauptinhalt die politischen Magazinsendungen einnahmen. An der Spitze der Sendungen mit ausgesprochen konterrevolutionärer Tendenz stand die Sendung „Berlin spricht zur Zone", in der bis 1953 zum Sturz der Staats- und Gesellschaftsordnung in der DDR aufgerufen wurde. Speziell an die Intelligenz in der DDR wandte sich die „RIAS-Funkuniversität", in der neben antikommunistischer Hetze eine schlecht verhüllte Abwerbung betrieben wurde. Es gab satirisch-politisch aufgemachte Unterhaltungsprogramme wie „Günther Neumann und seine Insulaner", die „RIAS-Kaffeetafel", die vor allem ältere Menschen ansprechen sollte, und ein Rundfunkpro-gramm für Kinder. Breiten Raum nahmen in den Musiksendungeen von Anfang an sinfonische Konzerte ein. Jazzkonzerte mit weltbekannten Interpreten und vor allem Tanzmusiksendungen wie die bis heute bestehende Sendung „Schlager der Woche" waren vor allem für jüngere Menschen bestimmt. Gerade die musikalischen Sendungen, die bis heute im Programm des „RIAS" einen bedeutenden Platz einnehmen, orientierten auf das Ziel, einen großen Kreis von „RIAS"-Hörern in der DDR zu schaffen. In der ersten Hälfte der fünfziger Jahre wurden die Pläne des „RIAS" auch dadurch begünstigt, daß die Rundfunkstationen der DDR es oft noch zu wenig verstanden, die Bevölkerung sachlich anhand der wichtigsten Tatsachen zu informieren und interessante Sendungen zu gestalten. Kommentare mit einer lediglich propagandistischen Aussage konnten eine Beweisführung nicht ersetzen. Manche politischen Sendungen waren ungeschickt und nicht dazu angetan, ein sozialistisches Staatsbe-wufjtsein entwickeln zu helfen. Das mangelnde journalistische Können der vielfach noch unerfahrenen jungen Rundfunkmitarbeiter wirkte sich hier aus. Zwischen politischen Sendungen und solchen mit unterhaltsamem Charakter bestanden ungünstige Relationen. Da der „RIAS" gerade seine Musikprogramme als Waffe im kalten Krieg einsetzte, war die DDR gezwungen, sich mit diesen Sendungen auseinanderzusetzen und notwendige Abwehrmaßnahmen vorzunehmen. In der Jazz- und Tanzmusik kam es dabei leider auch zu Überspitzungen und nicht gerechtfertigten pauschalen scharfen Ablehnungen. In den auf solche Weise im Angebot der Sender der DDR entstandenen „Engpaß" schaltete sich wiederum der „RIAS" lange Zeit und äußerst massiv ein, z. B. mit der Sendereihe „Verbotene Musik". Der antikommunistische Einfluß des „RIAS" war von besonderer Gefährlichkeit, da der Sender zugleich als Subversionszentrum diente und ein eigenes Agentennetz unterhielt. Über Unterhaltungssendungen wie musikalische Preisrätsel und Tanzmusiksendungen warb er in der DDR und ihrer Hauptstadt Hörer an, die in die Rolle von Informanten und Agenten gebracht wurden, oder spielte sie anderen subversiven Zentralen zu. Der Sender unterhielt enge Verbindungen zum „Untersuchungsausschuß freiheitlicher Juristen" und zur „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit". So geschah es häufig, daß „RIAS"-Hörer in der DDR, die sich an einem Preisausschreiben des Senders beteiligt hatten und Gewinne in Westberlin abholen wollten, eine Deckadresse genannt bekamen, die sich dann als ein Büro der „Kampfgruppe" entpuppte.(57) Ein von den Sicherheitsorganen der DDR festgenommener Hauptagent der „KGU", der als Leiter der Zentralkartei der „Kampfgruppe" fungiert hatte, bezeichnete den „RIAS" und die „KGU" als „zwei Filialen eines Unternehmens des amerikanischen Geheimdienstes"(58). Zwischen

beiden Stellen bestehe ein ständiger Informationsaustausch, und die Besucher des Senders würden in den meisten Fällen an die „KGU" weitergeleitet. Der obenerwähnte Hauptagent Hiecke erklärte dazu: „Zwischen dem RIAS und der KGU bestand die Vereinbarung, da§ Besucher des RIAS, von denen angenommen werden konnte, dafj sie zu feindlichen Handlungen ... bereit sind, an die KGU zur Anwerbung weitergeleitet werden ... Mir ist bekannt, dafj zum Beispiel im Herbst 1950 ungefähr 30 Prozent aller von der KGU angeworbenen Agenten zuerst beim RIAS gewesen waren."(59) Nachrichten von Agenten des „Untersuchungsausschusses" wurden in zahlreichen Fällen nicht nur über die Zentrale dieser Organisation, sondern vom jeweiligen Agenten direkt an den Sender weitergegeben bzw. es kam sogar zu einem Austausch von Agenten zwischen dem „RIAS" und dem „UfJ".(60) Die enge Zusammenarbeit des Senders mit der „KGU" und dem „UfJ" wurde auch dadurch dokumentiert, dafj in den fünfziger Jahren der „RIAS"-Mitarbeiter Günther Birkenfeld dem „Hilfskomitee für politische Häftlinge der Sowjetzone" angehörte - einer Zweigorganisation des „UfJ". Birkenfeld aber war auch Mitbegründer der „KGU".(61)

Der „RIAS" räumte der „KGU" und dem „UfJ" wöchentlich eigene Sendezeiten ein und machte sich zum Sprachrohr dieser beiden Untergrundorganisationen. „RIAS" Berlin, der sich „eine freie Stimme der freien Welt" nannte, trug die antikommunistische Hetze der „KGU"-Terroristen und der Spione des „UfJ" in den Äther. Die von den Agentenzentralen ausspionierten Mitglieder der SED in der DDR und andere fortschrittliche Bürger, die in wichtigen Positionen des staatlichen und gesellschaftlichen Lebens tätig waren, wurden mit einer diffamierenden Personenbeschreibung vom „RIAS-Warndienst" als „Spitzel des SED-Regimes" oder „SSD-Agenten" einer Rufmordhetze ausgesetzt. Das geschah, um diesen Personenkreis in der Bevölkerung zu isolieren, ihn politisch zu erpressen und psychologisch unter Druck zu setzen und um Unruhe unter der Bevölkerung der DDR zu verbreiten und Bürger zur Republikflucht zu nötigen. Der „RIAS-Warndienst" war offene Boykott- und Mordhetze gegen Bürger der Deutschen Demokratischen Republik. Ein Opfer dieser Mordhetze wurde am 17. Juni 1953 der Arbeiter Willi Hagedorn in Rathenow.

In seinen Sendungen an die Bevölkerung der DDR verbreitete der Sender gezielte Falschmeldungen, mit denen das Vertrauen der Werktätigen zur Politik der Partei der Arbeiterklasse und der Regierung untergraben und Verwirrung und Angst gestiftet werden sollten. Mit fingierten Meldungen über die Versorgungslage, z. B. mit der Ankündigung der Verknappung bestimmter Waren und mit Gerüchten von Preiserhöhungen, suchte man sogenannte Angstkäufe auszulösen und die Versorgung der Bevölkerung zu stören. So kehrten Gerüchte über eine bevorstehende Verknappung bestimmter Lebensmittel immer wieder - einmal wurde sogar zur Hortung von Salz aufgerufen, an dem in der DDR auf Grund genügender eigener Vorkommen zu keiner Zeit ein Mangel bestand. Hin und wieder verbeitete der Sender auch das Gerücht von einer unmittelbar bevorstehenden Währungsreform in der DDR, um die Bevölkerung zur Kündigung ihrer Spareinlagen zu bewegen. In der Bevölkerung der DDR wurde freilich auf solche Aufforderungen hin immer häufiger mit dem bekannten Wort von der „RIAS-Ente" reagiert. Zur Anleitung der in der DDR tätigen Agenten unterhielt „RIAS" Berlin einen regelrechten Agentenfunk. So rüstete der Bundesnachrichtendienst Funkagenten in der DDR mit Konvertern aus, die an Rundfunkgeräte angeschlossen wurden. Zu vereinbarten Zeiten war so der Empfang verschlüsselter Anweisungen und Spionageaufträge möglich, die in Form chiffrierter Weisungen in den offiziellen Rundfunkprogrammen enthalten waren. Ein Agentenfunker des BND sagte dazu aus: „Nach dem Nachrichtendienst gab der RIAS technische Nachrichten für die Agentengruppen in der DDR durch. Ich hatte die Kenn-Nr. 313. Wenn meine Nummer mit dem Buchstaben A davor durchgesagt wurde, so hie§ das: Sofort in Sicherheit bringen. Der Buchstabe B bedeutete: Koffer packen und langsam verschwinden. C hieß: Sofort nach Berlin kommen!" Der Sender gab auch Übungssendungen für Funker von Agentenorganisationen durch.(62)

Die Rolle des „RIAS" im kalten Krieg gegen die DDR trat besonders bei der Auslösung des konterrevolutionären Umsturzversuches am 17. Juni 1953 zutage. Bereits am 16. Juni unterbrach der politische Programmdirektor des Senders, Gordon Ewing, das laufende Programm und stellte die gesamte Sendezeit auf die Ereignisse in der DDR und im Demokratischen Sektor von Berlin ein. Am 16. Juni um 19.40 Uhr strahlte der Sender einen Kommentar von Eberhard Schütz aus, in welchem mit nationalistischen und antikommunistischen Parolen provozierende Elemente ermuntert und zu Angriffen gegen die Arbeiter-und-Bauern-Macht aufgefordert wurden(63) Am darauf folgenden Tage ergingen vom „RIAS" Aufrufe und Losungen, die auf die Lahmlegung der Volkswirtschaft der DDR und die Störung der Versorgung der Bevölkerung gerichtet waren. Dazu gehörte der vom Westberliner Vorsitzenden des DGB, Ernst Scharnowski, verfafjte Aufruf zum Generalstreik in der DDR. Der Sender hetzte jetzt offen zu Ungehorsam und Aufruhr, propagierte den Sturz der Regierung sowie die Beseitigung der SED und der Führungen der Blockparteien und Massenorganisationen und setzte Gerüchte über einen Rücktritt führender Persönlichkeiten der DDR in Umlauf.

Das ganze Programm wurde unter die irreführende Losung von den „freien Wahlen" zur Herbeiführung der „Einheit Deutschlands" gestellt. In der an die Landbevölkerung der DDR gerichteten Sendung am 17. Juni um 12.20 Uhr wurde die Forderung nach der sofortigen Zerschlagung der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften aufgestellt.(64) Mit konterrevolutionären und nationalistischen Losungen suchte der „RIAS" Wirren und blutige Zusammenstöße hervorzurufen. Gleichzeitig aktivierte er das Netz der imperialistischen Agenturen in der DDR und erteilte Weisungen an die Agenten, von denen viele die Rolle der Rädelsführer und Provokateure bei den Ausschreitungen übernahmen.

Am 16. Juni 1973 strahlte das BRD-Fernsehen anläßlich der 20. Wiederkehr des 17. Juni im zweiten Programm eine Sendung aus, die unter der bezeichnenden Fragestellung „Volksaufstand — Agentenputsch?" über den Bildschirm ging. Hier machte der einstige „RIAS"-Programmdirektor Ewing - wenn auch mit zwanzigjähriger Verspätung - sensationelle Eingeständnisse über den „Volksaufstand", als er erklärte, daß der größte Teil der damaligen politischen Aufrufe und Losungen jener Juni-Tage in der „RIAS"-Redaktion in der Kufsteiner Straße zustande gekommen und die Ereignisse ohne den „RIAS" überhaupt nicht möglich gewesen wären. Ewing bequemte sich damit freilich nur zum Eingeständnis einer Tatsache, auf die schon am 30. Juni 1953 der Militärkommandant des Sowjetischen Sektors von Berlin in einem Brief an die Kommandanten der drei Westsektoren recht deutlich hingewiesen hatte, und bestätigte faktisch die Enthüllungen der DDR über den Spionagesender. Unter dem Eindruck der Poteste mußten im „RIAS" Programmänderungen vorgenommen werden. So sah man sich im November 1953 genötigt, die berüchtigte Sendereihe „Berlin spricht zur Zone" einzustellen. Im Herbst 1956 und im Frühjahr 1961 erreichte die konterrevolutionäre Propaganda des Senders neue Höhepunkte. Im Oktober 1956 ergriff der „RIAS" offen Partei für die konterrevolutionären Kräfte in Ungarn, und im Frühjahr 1961 hetzte er zu einem neuen „Volksaufstand" in der DDR. In der Zeitschrift „The Reporter" gab E. Taylor, Mitarbeiter des USA-Geheimdienstes, am 14. September 1961 einen Einblick in die Aufgaben des „RIAS", als er bemerkte, der Sender habe „vor allen Dingen revolutionäre (!) Aktionen zu organisieren, zu koordinieren und mitunter zu zügeln. Streiks, Arbeite-langsam-Aktionen, Demonstrationen, Mauerpropaganda ... die Ermutigung zum Ungehorsam im breiten Ausmaße ... Der Rundfunk kann innerhalb weniger Stunden eine lokalisierte Unruhe in einen ausgedehnten sozialen politischen Aufstand verwandeln ... Die Endphase vor dem totalen Aufstand würde erforderlichenfalls einer Art von Terror und Guerillakriegführung entsprechen ... Sowohl der RIAS als auch der Sender Freies Europa haben wiederholt diese Fähigkeit demonstriert." 1968 schaltete sich der „RIAS" aktiv in die konterrevolutionären Ereignisse in der CSSR ein. Anfang der siebziger Jahre gehörte der Sender zu denjenigen Massenmedien, denen zwar nicht die als notwendig erkannte antisozialistische taktische Umorientierung, wohl aber die Reform der antikommunistischen Terminologie aus der Zeit des kalten Krieges besonders schwerfiel. Heute hat sich auch der „RIAS", dessen Finanzierung zu zwei Dritteln über das „Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen" aus geheimen Bundeshaushaltskonten besorgt wird, auf eine langfristige Unterwanderung des Sozialismus - nach wie vor gilt sie schwerpunktmäßig der DDR - umgestellt. Seine Informationen über die DDR und andere sozialistische Staaten gewinnt er heute mittels „Reisejournalisten" und Befragungen, die offen oder getarnt durchgeführt werden. Über seinen Hauptsender mit der 147 m hohen Antenne und über die Relaisstation in Hof (BRD) werden gegenwärtig 2 Programme über insgesamt 10 Kurz-, Mittel- und UKW-Sender ausgestrahlt, in denen neben den politischen Sendungen die Musiksendungen auch weiterhin breiten Umfang haben. Die ihm 1946 übertragene Hauptaufgabe - den Sturz der gesellschaftlichen Verhältnisse in der DDR - hat der „RIAS" nicht bewältigen können. Es spricht jedoch alles dafür, da§ er sie unter dem Druck der Realitäten nur aufgeschoben, nicht aber aufgehoben hat.

Fußnoten

54) Zur Finanzierung des „RIAS" bemerkte „Die Zeit" vom 19. 4.1974: «Der 'RIAS' untersteht nach wie vor den Amerikanern und dem Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen, das ihn auch zum größten Teil finanziert." Vgl.: Kreuzzug gegen die Koexistenz. S. 148.

55) Die Neue Zeitung, (West-)Berlin, 14.1.1953.

56) Geheimnisse der USA-Geheimdienste. S. 241 f.

57) Unmenschlichkeit als System ... S. 140 f.

58) Ebenda, S. 87.

59) Ebenda, S. 140.

60 )Siehe: ... im Dienste der Unterwelt ... S. 120 f. u. S. 174.

61) Ebenda, S. 88 sowie: Unmenschlichkeit... S. 15.

62) Mader: Die graue Hand ... S. 145.

63) Mader, Julius: Gangster in Aktion. Aufbau und Verbrechen des amerikanischen Geheimdienstes. Berlin 1961, S. 93.

64) Ebenda.

Editorische Hinweise

Der Text wurde entnommen aus Hans Teller: Der kalte Krieg gegen die DDR - Von seinen Anfängen bis 1961, Berlin 1979, S. 162-170

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