Palästinasolidarität gehört zur Linken!
Zur Verteidigung unserer Mitglieder gegen ungerechtfertigte Angriffe

von
der Bildungsgemeinschaft SALZ e.V.

06/11

trend
onlinezeitung

Der Fraktionsvorstand der Linksfraktion im Bundestag hat in der Fraktion am 7. Juni einen Beschluss durchgesetzt, der inzwischen von vielen Friedensfreundinnen und Friedensfreunden in der Republik als „Maulkorberlass“ bezeichnet wird. Dieser Beschluss reagiert offenkundig auf den Druck von führenden Unionspolitikern, die – wie Karl-Josef Laumann im Landtag von Nordrhein-Westfalen und Hans-Peter Uhl im Bundestag – der LINKEN unterstellen, zum Antisemitismus hinneigende Mitglieder in ihren Reihen zu dulden und die von der LINKEN fordern, sich von diesen Mitgliedern zu trennen.

Davon sind auch SALZ-Mitglieder betroffen. Wir betrachten uns nicht als politischen Akteur im engeren Sinne des Wortes; unsere Aufgaben liegen im Bereich der politischen Bildungsarbeit. Wir wenden uns aber entschieden gegen jeden Versuch, unsere – durchweg der internationalen Solidarität und dem Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus verpflichteten – Mitglieder zu verleumden und auszugrenzen, wenn sie die israelische Regierung zu Recht kritisieren und die Solidarität mit der palästinensischen Bevölkerung der von Israel besetzten Gebiete mittragen.

Wiltrud Rösch-Metzler, Vizepräsidentin von Pax Christi, und viele andere protestierten beim Fraktionsvorstand der Bundestagsfraktion der LINKEN gegen deren „Maulkorberlass“, der sich für „vermeintlich israelische Interessen“ stark mache: „Vermeintlich deshalb, weil Sicherheit und Frieden für Israel nur über Gerechtigkeit und Frieden für die Palästinenser erlangt werden können. Gerade das Anprangern von Menschenrechtsverletzungen und die Aufarbeitung von Kriegsverbrechen sind jetzt erforderlich.“

Murat Çakir fragt zu Recht: „Was wäre, wenn die Bundesregierung eine Beschlussvorlage eingebracht hätte: ,Die Mitglieder des Deutschen Bundestages verpflichten sich, jegliche von der Staatsräson der Bundesrepublik abweichende Meinung abzulehnen und dem entsprechend politisch zu handeln.‘?“

Der zitierte Beschluss der Bundestagsfraktion der LINKEN zielt darauf ab, die Diskussion über Lösungen des Nahostkonflikts zu unterbinden. Die Anerkennung des nationalen Selbstbestimmungsrechts als demokratisches Recht mündet in die Forderung nach einem unabhängigen palästinensischen Staat neben Israel, was oft „Zweistaatenlösung“ genannt wird. Daneben gibt es die so genannte „Einstaatenlösung“, für die heute jüdische und arabische Linke im Nahen Osten und ein Teil der internationalen Solidaritätsbewegung eintreten, wie seinerzeit auch etwa Hanna Arendt, Martin Buber und Albert Einstein: „für einen säkularen, demokratischen Staat, in dem Juden und Araber gemeinsam leben.“ Niemand sollte es wagen, solche Positionen in die Nähe des Antisemitismus zu rücken!

Lösen können diese Frage allerdings nur die Menschen in der betroffenen Region, und beide Lösungen erscheinen unter gegenwärtigen Machtverhältnissen als „unrealistisch“. Klar ist: Keine der möglichen Lösungen kann demokratisch verwirklicht werden ohne die Zustimmung der Mehrheit der jeweils betroffenen Bevölkerungsteile. Eben davon sind wir offenbar weit entfernt. Es ist aber völlig unproduktiv, die offene Diskussion über Lösungswege in der Linken unterbinden zu wollen.

Die Teilnahme an der Gaza-Flotille wird von dem Beschluss entschieden abgelehnt. Wir sehen aber, wie die überwältigende Mehrheit der Linken weltweit, die Teilnahme an der Flotille als Beitrag zur internationalen Solidarität mit den betroffenen Menschen im Gaza-Streifen.

Was den viel erwähnten „Boykott israelischer Waren“ betrifft, so verschweigt der Beschluss bewusst, dass der Europäische Gerichtshof zollfreie Warenverkäufe von Siedlern aus den besetzten Gebieten in EU-Ländern für rechtswidrig erklärt hat und auch israelische Organisationen zum Boykott dieser Produkte aufrufen. Das wird in der Öffentlichkeit oft völlig ungerechtfertigt und denunziatorisch mit der Nazi-Parole „Kauft nicht bei Juden!“ in Zusammenhang gebracht.

Partei und Fraktion Der LINKEN sollten bei ihrer Positionsbildung zum Nahen Osten berücksichtigen, dass es schon lange zur bundesdeutschen Staatsräson gehört, die Erinnerung und Aufarbeitung der Verbrechen Nazi-Deutschlands durch das Bekenntnis zum Staat Israel und eine entsprechende internationale Politik zu ersetzen. Wer regierungsfähig im Sinne der Herrschenden werden will, muss sich „zu Israel bekennen.“

Aber im Nahen Osten können die Sicherheit, der Schutz des Lebens und der Unversehrtheit und die demokratischen Rechte der jüdischen Bevölkerung nicht nachhaltig verteidigt werden bei fortwährender Unterdrückung der palästinensischen Bevölkerung und im permanenten Konflikt mit der arabischen Umwelt. Der Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus im übrigen Teil der Welt kann nicht darin bestehen, alle Jüdinnen und Juden aufzufordern, sich im Nahen Osten anzusiedeln.

Kritik an der israelischen Regierung, Solidarität mit der unter der Besatzung und unter der Gewalt des Besatzerregimes leidenden Menschen und das weltweite Engagement für eine weder ethnisch noch religiös definierte staatliche Verfasstheit müssen in der Linken insgesamt und daher auch in der Partei Die LINKE ihren Platz haben.

Manuel Kellner (Pädagogischer Leiter)
Peter Schüren (Geschäftsführer)

 

Editorische Anmerkungen

Den Text wir von der Bildungsgemeinschaft. Er wurde am 15. Juni 2011 verfasst.

Der Autor publiziert regelmäßig auf seiner Homepage: http://www.konicz.info/