Leistungsterror, Konkurrenzkampf, soziale Selektion: Scheiß Schule!
…ein linksradikaler Aufruf zum Schulstreik…

von Radikale Linke Bochum

06/11

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Schule ist Scheiße, diese Feststellung erfolgt aus dem Bauch. Viele von uns kommen zu dieser Feststellung. Die Kritik jedoch bleibt hier stehen, noch bevor sie wirklich anfängt. Denn: am Ende wird man für dieses unangenehme Unterfangen belohnt. Mit was? Mit Zukunft. Eine zweite Natur, eine gesellschaftliche Natur, scheint die Möglichkeit des Aufbegehrens gegen die Zumutungen der Schule im Keim zu ersticken. Man ist vernünftig -und bleibt es, wird „erwachsen“. Dieser Aufruf erteilt dieser vermeintlichen Vernunft eine Absage und stellt ihr eine radikale, weil an ihre gesellschaftliche Wurzel gehende, Kritik der Schule entgegen.

Der Mensch als Arbeitskraft – Bildung als Ware

Was ist der Sinn der Institution Schule? Da der Spaßfaktor eher gering ist und tiefgehende Bildung auch stattfinden könnte, ohne, dass man die ganze Zeit dabei unhintrefragt „Leistung“ bringen muss, lässt sich annehmen, dass Schule eine gesellschaftliche Funktion hat, die dem Streben nach Bildung und Selbstbestimmung nicht unbedingt entspricht.

Im Kapitalismus stehen sich alle Menschen und Nationalstaaten als Konkurrent_innen in einem universellen Wettbewerb gegenüber. Wenn sich also Politiker_innen über das schlechte Abschneiden der Deutschen Schüler_innen bei der PISA-​Studie beklagen, tun sie das nicht weil ihnen das Wohl der Schüler_innen am Herzen läge, sondern weil sie befürchten in der internationalen Konkurenz den Kürzeren zu ziehen. An dieser Stelle wird bereits ein grundlegender Zweck von Schule im Kapitalismus klar: die Produktion von verwertbarem Menschenmaterial. Als Verschärfung in diesem Sinne führte man zum Beispiel das Gymnasium in acht Jahren ein, damit die Schüler_innen schneller auf den Arbeitsmarkt geworfen werden, um ihre Arbeitskraft zu verkaufen.

Fragt man heute Schüler_innen, warum sie zu Schule gehen, bekommt man meist die Antwort: „Ich gehe zur Schule, damit ich später mal einen guten Job bekomme“. Sprich Bildung bekommt Warencharckter. Sie erhält eine dominante Tauschwertseite. Die Bildung wird von ihrem eigentlichen Effekt, autonome und selbstständige Individuen herauszubilden abgeschnitten. Was übrig bleibt, ist ein Sammelsorium an Kurzschlüssen und einfachen Welterklärungen, das ausreicht, um auf dem Arbeitsmarkt bestehen zu können. Es geht nicht um die Vermittlung von wissenschaftlichen Methoden, intellektuellen Grundlagen, oder sozialen Fähigkeiten, sondern ums Lernen einfacher Regelsätze und um das Verinnerlichen des Leistungsprinzips.

Soziale Selektion und Konkurrenzprinzip

Kinder aus den unteren Schichten und Kinder mit Migrationshintergrund werden im deutschen Schulsystem systematisch benachteiligt. Sie kommen wesentlich öfter auf Haupt-​​ und Realschulen als deutsche Kinder aus Mittel-​ und Oberschicht. Die Schule ist ein Selektionsapparat, der über die soziale und Berufliche Zukunft der Schüler_innen entscheidet. Während die mittleren und oberen Schichten alles dafür tun, aus ihren Kindern zukünftige Angehörige der gesellschaftlichen Elite und hörige Arbeitskräfte zu machen, werden Kinder aus unteren Schichten und mit Migrationshintergrund von Lehrer_innen weniger gefördert und schlechter benotet. Allerdings ist es ein Trugschluss zu glauben, dass man durch allgemeine Chancengleichheit auch die soziale Selektion abschaffen würde. Denn die Aufspaltung in Gewinner_innen und Verlierer_innen ist die notwendige Konsequenz des allgemeinen Konkurrenzkampfes. Die Forderungen nach dem Ausgleich von sozialer Benachteiligung sind legitim und unterstützenswert. Das Problem beheben werden sie jedoch nicht in einer Gesellschaft, die sich in ihrer Struktur bereits in Klassen gliedert und immer Gewinner_innen und Verlierer_innen hervorbringt. In der Realität ist außerdem, wie gesagt, der formellen Chancengleichheit auf dem Markt und in der Schule immer die Zugehörigkeit zu einer sozialen Schicht und die Frage nach dem Pass vorgelagert, die die Erfolgschancen entscheidend vorbestimmt. So werden immer Menschen auf der Strecke bleiben, müssen entweder schlecht bezahlte Drecksarbeit ohne sicheren Arbeitsvertrag annehmen oder kommen unter das repressive Regime der Arbeitsämter und müssen am staatlichen Arbeitssimulationsprogramm teilnehmen. Der Wettbewerb beginnt nicht erst nach der Schule oder nach dem Studium, er beginnt schon in der Grundschule wenn es darum geht die Schüler_innen vorzeitig nach Noten zu selektieren, also auf die drei Schulformen zu verteilen.

Wenn Menschen in einem für das ganze Leben entscheidenden Wettbewerb in Konkurrenz geraten, sind sie gezwungen, bereits ab dem Kindesalter ein Höchstmaß an der von ihnen abverlangten Leistung zu bringen, um nicht in der totalen Konkurrenz unterzugehen. Denen, die scheitern, soll der Eindruck entstehen, dass das Scheitern ihre eigene Schuld ist und weder politische Entscheidungen noch das Gesellschaftssystem dafür verantwortlich zu machen sind. Sie hätten sich eben mehr anstrengen müssen. In letzter Konsequenz ist Schule ein einziger Selektionsapparat, in dem Bildung nur in so weit eine Rolle spielt, wie sie verwertbar ist.

Für etwas besseres als die Schule!

Mit dieser Scheiße muss irgendwann einmal Schluss sein. Wir wollen nicht für einen abstrakten Zweck ausgebildet werden, und das in einem unpersönlichen Autoritätsverhältnis in das wir hineingezwungen werden. Wir haben keine Lust, uns ständig um unsere Noten Sorgen machen zu müssen und zu fürchten in diesem Hauen und Stechen unterzugehen. Wir fordern einen freien Raum, in dem wir uns selbstbestimmt bilden können, ohne dass ökonomische Faktoren uns beherrschen. Das ist innerhalb der gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnissen nicht denkbar. Es ist mit dem Kapitalismus untrennbar verbunden, jeden von Verwertung freien Raum einzunehmen und in die Verwertungslogik einzuspannen. Das ist bedingt durch seine zerstörerische Eigendynamik, die mit der totalen Konkurrenz aller Individuen entsteht. Deswegen setzen wir uns für eine Gesellschaft ein, in der die Menschen miteinander entscheiden wie man, wo man, warum man, was man produziert und wie es verteilt wird. Eine Gesellschaft, die die Produktivkräfte optimal ausnutzt, um die notwendige Arbeitszeit, die zur Bedürfnisbefriedigung notwendig ist, so klein wie möglich zu halten. Bildung soll der Heranbildung von mündigen, autonomen Individuen dienen. Sie soll nicht im Rahmen von Leistungsdruck und Konkurrenz stattfinden, sondern vor dem Hintergrund von Muße und intellektuellem Interesse. Nur außerhalb von Schule und Kapitalismus ist das zu haben. Wir sind für etwas besseres als die Schule. Wir sagen der kapitalistischen Klassengesellschaft, der sozialen Selektion, dem Leistungsprinzip, Staat und Kapital den Kampf an.

Wir wissen, dass sich Verhältnisse nicht von heute auf morgen ohne weiteres umkrempeln lassen.

Aber wir können mit den richtigen konkreten Forderungen Stück für Stück den herrschenden Zuständen etwas entgegensetzen und eine Verbesserung unserer Lebenssituation erkämpfen. Das Ziel einer kommunistischen Gesellschaft in der freie Bildung und solidarische menschliche Beziehungen möglich werden, geht mit unseren Forderungen immer einher.

Schule, Staat und Kapital den Kampf ansagen – Heraus zum Schulstreik!

Demonstration – Juli 2011 – 10 Uhr Bochum Hauptbahnhof

Editorische Anmerkungen

Wir erhielten den Aufruf von GenossInnen aus Bochum zur Verbreitung.

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